Читать книгу Auf Seinen Knien - Shanae Johnson - Страница 6

Kapitel Drei

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Nach seiner Sitzung mit Dr. Patel ging Dylan zurück in den Stall. Der gute Doktor hatte ihn wegen der erfundenen Albträume nicht weiter gedrängt. Er hatte auch nicht direkt das Gespräch über Beziehungen weitergeführt. Was er getan hatte, war noch viel schlimmer gewesen. Er hatte Dylan in ein Gespräch über seine aufgelöste Verlobung verwickelt.

Hilary Weston war das Mädchen von nebenan gewesen. Aber „nebenan“ war in diesem Fall die Etage unter dem Penthouse in einem der exklusivsten Apartmenthäuser von New York City gewesen. Da Dylan über ihr gewohnt und immer wieder gesehen hatte, wie sie vor ihm herumstolziert war, war es unvermeidlich gewesen, dass sie eines Tages an seinem Arm landen würde.

Mit Hilary hatte Dylan viele Dinge zum ersten Mal erlebt. Zum ersten Mal verliebt zu sein. Zum ersten Mal eine Freundin zu haben. Zum ersten Mal … alles.

Sie war nicht sehr begeistert gewesen, als er ihr eröffnet hatte, dass er zum Militär gehen wollte. Mit dem Geld seiner Familie und seinem Treuhandfonds hätte Dylan sich gleich mehrere Leben lang auf seinen Lorbeeren ausruhen können. Doch er hatte sich dazu berufen gefühlt, Soldat zu werden.

Er war mit dem Versprechen gegangen, nur einen Einsatz zu absolvieren und dann zurückzukommen und sie zu heiraten – mit einer Hochzeit, die so großartig werden sollte, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie hatten gewitzelt, dass sie die gesamte Zeit seines Einsatzes benötigen würde, um das soziale Ereignis des Jahrzehnts zu planen. Doch als Dylan verletzt und mit einem fehlenden Bein zurückgekommen war, hatte Hilary ihre Pläne geändert.

Es hatte keine Rolle gespielt, dass sie mit ihm finanziell versorgt gewesen wäre. Sie war selbst eine Erbin. Es hatte für sie auch keine Rolle gespielt, dass er ein Kriegsheld war. Sie war ein Liebling der Gesellschaft. Die Klatschpresse schrieb ständig über sie. Äußerlichkeiten waren für Hilary Weston sehr wichtig, und ein verwundeter Soldat, dem ein Bein fehlte, war kein schöner Anblick.

Sie hatte die Tür hinter sich ins Schloss geworfen, als sie das Patientenzimmer des Militärkrankenhauses verlassen hatte, sich mit einem anderen Mann verlobt und ihn geheiratet – alles innerhalb der vergangenen sechs Monate. Dylan hatte gehört, dass der Mann eine Art Reality-TV-Star war. Und nun war Hilary das auch.

Er betrachtete die Sache gern wie eine Kugel, der er gerade noch entgangen war. Aber er hatte erlebt, wie es war, echten Kugeln zu entgehen. Ihre Abweisung schmerzte.

Dieses Leben war vorbei. Das hier war jetzt sein neues Leben. Und es war eines, in dem er aufblühte.

Dylan wandte sich von seinen schmerzhaften Erinnerungen ab und schaute sich auf der Ranch um. Er hatte das Leben in der High Society gegen das Ausmisten von Ställen und das Pflügen von Feldern eingetauscht. Es war die beste Entscheidung seines Lebens gewesen.

Die Ranch hatte um ihr Überleben gekämpft, bevor er ihr einen kleinen Teil seines Erbes vermacht hatte. Seine Eltern hatten sich dagegen gewehrt, bis ihnen klar geworden war, dass ihnen das Arrangement im Grunde nur zu Gute kam. Ihr entstellter Sohn würde dort vor den Augen der Gesellschaft verborgen sein. Wie Hilary legten auch die Banks großen Wert auf die äußere Erscheinung. Ein mit Auszeichnungen geehrter Soldat, der seinem Land gedient hatte, machte einen guten Eindruck – aber ein Beinamputierter, der durch die Gegend humpelte, nicht.

Zum zweiten Mal an diesem Tag wurde Dylan durch den Klang der Hufe an Artilleriefeuer erinnert. Doch er litt nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung im eigentlichen Sinne. Es war nur das durch seine Familie erlittene Trauma, das ihn belastete. Daher konnte er Sean Jeffries freundlich anlächeln, als er sah, wie der Mann im Trab auf ihn zugeritten kam.

Jeffries war mit allen seinen Gliedmaßen aus dem Krieg zurückgekehrt. Doch wie alle Männer auf der Ranch hatte er einen Teil von sich im Kriegsgebiet zurückgelassen. Sein Gesicht lag im Dunklen. Die Sonnenbrille tauchte das Antlitz des dunkelhaarigen Mannes auf dem Pferd in tiefe Schatten. Jeffries wollte nicht, dass andere Menschen die Narben in seinem Gesicht sahen.

Trotz allem saß Jeffries aufrecht und hielt seinen Kopf hoch. Das Leben sah anders aus, wenn man auf dem Rücken eines Pferdes saß. Die Therapie half ihnen nicht nur bei der Heilung ihrer körperlichen Verletzungen; dank ihr verbesserten sich auch ihr Gleichgewichtssinn, ihre Körperbeherrschung und die Koordination ihrer Bewegungen mit dem Gehirn. Ein so großes Tier steuern zu können und die Kontrolle über sich selbst zurückzugewinnen, ließ ihr Selbstwertgefühl wachsen und schenkte ihnen ein Gefühl der Freiheit.

Auf der Ranch wurde aber nicht nur Hippotherapie angeboten. Die Arbeit im Garten unterstützte ihren Fühl- und Tastsinn. Aufgaben wie das Schieben einer Schubkarre, Rechen, Hacken, Unkrautjäten, Pflanzen oder selbst das Arrangieren von Blumen halfen ihnen dabei, motorische Fähigkeiten aufzubauen oder wiederzugewinnen.

Reed Cannon lag im Garten auf den Knien. Er grub Löcher in die Erde und pflanzte in regelmäßigem Abstand zueinander Blumen. Die Finger der einen Hand arbeiteten in der fruchtbaren Erde, während die andere steif auf dem Boden lag. Er hatte die Hand bei der gleichen Explosion verloren, die auch Dylan das Bein geraubt hatte.

Dylan setzte seinen Weg durch die Gärten fort und schritt an den violetten Glockenblumen vorbei, nach denen die Ranch benannt war. Doch an diesem Ort gab es nicht nur Blumen- und Gemüsegärten. Es gab auch einen Schmetterlingsgarten, in dem die Veteranen Ruhe und Frieden genießen konnten. Sie sollten hier nicht nur körperlich und seelisch heilen, sondern auch emotional. Dylan und die anderen Männer hatten rollstuhlgängige Wege angelegt, damit der Garten für alle zugänglich war.

Auch ältere Veteranen kamen auf die Ranch, um sich helfen zu lassen. Die Kriege, die sie erlebt hatten, mochten schon länger zurückliegen, doch ihre Wunden waren immer noch frisch. Dylan hoffte, dass sie eines Tages auch eine Ranch für gefährdete Jugendliche eröffnen könnten, damit sie die Hilfe bekamen, die sie brauchten, um eine Chance auf eine gute Zukunft zu haben. Nein, er bereute es kein bisschen, die feine Gesellschaft verlassen zu haben. Das hier war die Gesellschaft, die er erschaffen wollte.

Als Dylan die Gärten hinter sich ließ, stieg ihm der Geruch des Viehs in die Nase. Francisco DeMonti stand mitten in einer Schafherde. Durch die Kleintierhaltung lernten die Männer wieder neu, Beziehungen zu anderen Wesen aufzubauen. Tiere waren dafür perfekt geeignet. Viele schenkten einem Menschen ihre bedingungslose Liebe, ganz besonders, wenn man Futter in der Hand hatte.

Fran hatte keine sichtbaren Narben. Seine Wunden waren gut in seinem Inneren versteckt, aber sie konnten ihn immer noch töten.

„Guten Ausritt gehabt heute Morgen?“, fragte Fran, als er die Umzäunung verließ und sich zu Dylan gesellte, der auf die Hauptgebäude zuging.

Dylan nickte.

„Hab einen Anruf von einem alten Freund im Veteranencenter bekommen“, sagte Fran. „Sie wollten wissen, ob wir noch ein paar Soldaten mehr aufnehmen können.“

„Wir haben genug Platz.“

Auf der Ranch gab es mehrere Unterkünfte, doch die meisten Soldaten verließen die Ranch wieder, nachdem ihre Therapie oder Reha vorüber war. Viele hatten Familien, zu denen sie zurückkehren konnten. Andere hatten festgestellt, dass das Leben auf der Ranch auf Dauer nicht zu ihnen passte. Die fünf Veteranen, die sich für ein dauerhaftes Leben hier entschieden hatten, hatten diesen Luxus nicht oder wollten nicht in ihr altes Leben zurückkehren. Für sie war nun dies ihr Zuhause.

„Wir nehmen jeden auf, der Hilfe braucht“, sagte Dylan.

Und das konnten sie tatsächlich, ohne Angst vor den Kosten haben zu müssen. Dank ihrer Kriegsveteranenrente, die sie Dylans Willen folgend nicht für die Belange der Ranch einsetzen durften, den Zuschüssen der Regierung, die Dylan dazu verwendete, den Lohn für alle Arbeiter zu erhöhen, und Dylans Treuhandfonds, durch welchen der Großteil der Ausgaben gedeckt wurde, würden sie nie jemanden abweisen müssen. Im Gegensatz dazu, wie seine Familie ihn behandelt hatte.

„Einen schönen Abend, Jungs“, rief Dr. Patel ihnen zu. Er eilte zu seinem Auto, in der einen Hand seine Aktenmappe, in der anderen Hand seine Bibel. Der Mann war nicht nur ein anerkannter Psychotherapeut, sondern auch ein Pastor.

„Auf dem Weg zur Kirche?“, fragte Fran.

„Das bin ich.“ Dr. Patel lächelte ihnen zu. „Ich habe noch Platz auf dem Beifahrersitz, falls Sie mitkommen möchten.“

„Ein anderes Mal”, sagte Fran.

Dylan blieb stumm. Seine Beziehung zu dem da oben war noch nicht wieder in Ordnung und er war nicht bereit dazu, genau jetzt damit anzufangen. Aber Dr. Patel schaute sie beide einfach mit diesem wissenden Lächeln an. Hätte Dylan den Mann nicht so sehr respektiert, hätte er sich über dessen unerschütterlichen Optimismus, seine unendliche Geduld angesichts widriger Umstände und seine stetige Gewissheit in allen Dingen geärgert.

Gerade als Dr. Patel seine Autotür öffnete, fuhr ein anderer Wagen vor. Es war ein teures Luxusmodell. Einen Augenblick lang fragte sich Dylan, ob es sein Vater wäre. Doch er wusste, dass sein Vater niemals Manhattan verlassen würde, um ihn hier mitten im amerikanischen Nirgendwo zu besuchen.

Der Mann, der aus dem Auto stieg, trug einen teuren Anzug. Das Modell war von der Stange und nicht maßgeschneidert. Sein Vater würde nie im Leben etwas anziehen, das nicht eigens für ihn hergestellt worden war. Dylan erkannte Michael Haskell, den für die Ranch zuständigen Immobilienmakler.

Haskell war nüchtern und direkt. Er verlor keine Zeit mit Smalltalk und unwichtigen Details. Dylan hatte das Land vor beinahe einem Jahr gepachtet und wartete nun darauf, dass der Kauf abgeschlossen wurde. Es fehlten nur noch ein paar kleinere Details, bevor er die Kaufurkunde in den Händen halten würde.

„Wir haben ein Problem“, sagte Haskell. „Dieses Land war ursprünglich für die Nutzung durch Familien gedacht. Solange keine Familie hier lebt, wird nichts aus dem Verkauf.“

„Diese Soldaten sind eine Familie“, sagte Dylan.

„Diese Soldaten sind eine Gruppe Männer”, erwiderte Haskell, „von denen keiner verheiratet ist.“

Dylan verstand nicht, wieso das ein Problem sein konnte. Er kaufte schließlich ein Stück Land und keinen Freizeitpark. Warum kam es darauf an, wer auf diesem Land lebte?

„Wie können wir dieses Problem lösen?”, fragte Fran, der immer praktisch dachte. „Können wir die Klausel ändern?”

„Das wird mehrere Monate dauern, und Sie müssen währenddessen das Land verlassen“, sagte Haskell. „Ich nehme nicht an, dass einer von Ihnen vorhat, demnächst zu heiraten?“

Auf Seinen Knien

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