Читать книгу Die HexenLust Trilogie | Band 2 | Erotischer Roman - Sharon York - Страница 5
ОглавлениеBlick in die Vergangenheit
Das Hauptquartier des Zirkels Ost protzte mit seiner glänzenden Pracht, als hätte es schon immer hier gestanden und würde noch Jahrhunderte hier verweilen.
Ich steuerte meinen Wagen in die Tiefgarage und nahm den Aufzug direkt ins oberste Geschoss, in der Hoffnung, dass sie noch arbeiten würde ... Flirrend legte sich das Licht in den Flur und meine Schritte wurden weit voraus getragen. Meine Vermutung bestätigte sich. In ihrem sterilen, gläsernen Palast starrte sie auf die Einsatzmonitore. Der Plan zeigte eine digitalisierte Form der Ostküste. Normalerweise strotzte das Gebiet vor leuchtenden roten Punkten, dazwischen immer mal wieder blaue für die Einheiten der Hexen und Reaper. Doch nur ein Dutzend Lichter konnte ich ausmachen. Viel zu wenig.
»Guten Abend, Madame de la Crox.«
Die offizielle Anrede riss sie aus ihrer Lethargie. Einladend lächelte sie mich an, als wäre sie dankbar, wieder im Hier und Jetzt zu sein. »Isabelle, tritt doch näher.«
Auch meine Mundwinkel zogen sich nach oben, als ich in das schmale Gesicht meiner Chefin blickte. Ihre zierliche Gestalt und die langen, zu einem strengen Zopf gebundenen tiefschwarzen Haare täuschten einen über die eigentliche Macht dieser Frau hinweg.
»Es ist wenig los in den letzten Monaten«, sagte sie wie zur Bestätigung und blickte erneut auf die riesigen Monitore. »Tatsächlich gab es uns Gelegenheit, ein paar längst fällige Urlaubsversprechungen endlich einzulösen. Vielleicht ein paar zu viele.« Unsere Blicke trafen sich. »Es tut mir leid, dass du deinen freien Tag abbrechen musstest. Ich hoffe, dass ihr beiden den Abend trotzdem genießen konntet.«
In diesem Moment war sie nicht meine Chefin, die sich bei einer Mitarbeiterin entschuldigte, sondern eine besorgte Ziehmutter.
»Es war ein sehr schöner Abend, Marie. Dankeschön.«
Als Anrede wählte ich ihren Vornamen nur, wenn wir allein waren. Obwohl sie so viel mehr für mich war als ein Name. Doch es hatte mir immer an Mut gefehlt, die Anrede zu benutzen, die sie eigentlich verdient hätte. Für den Bruchteil einer Sekunde brachen meine Erinnerungen durch. Ich war noch klein, fünf Jahre, als Marie de la Crox, die mächtigste Hexe der Ostküste, mich höchstpersönlich im Heim abgeholt hatte. Alles vor dieser Zeit war grau, nicht mehr Teil meiner Erinnerung oder vergraben unter dicken Staubschichten im hintersten Winkel meiner Seele. Seit dieser Zeit lebte ich im Wohnbereich des Zirkels und ging auf eine normale Schule. Alles unter der Obhut der Hexen, allen voran meiner Lehrerin, Mentorin, Ziehmutter. Es war die logische Konsequenz, dass ich an meinem achtzehnten Geburtstag den ewigen Vertrag mit meinem Blut unterschrieb, der mich für immer an den Zirkel binden sollte. Dies hier war mein Zuhause und würde es immer bleiben.
»Du hast etwas auf dem Herzen, Kind?«
Ich überkreuzte die Beine und legte die Stirn in Falten. Sie kannte mich einfach zu gut. Ein paar Sekunden der Ruhe gingen voran, bevor ich mit der Sprache rausrückte. »Diese Vilja war unglaublich stark. Es schien, als hätte sie Dutzende Seelen gefressen.«
Marie de la Crox nickte und faltete die Hände auf dem teuren Glastisch. »Das kommt vor. Ich habe gerade erfahren, dass in diesem Wohnhaus ein wahres Nest von Vampiren und Dämonen war. Die Reaper haben sich darum gekümmert und alles kurz und klein geschossen.«
Sie versuchte, ruhig zu klingen, mich mit ihrer Stimme zu beruhigen, doch etwas bedrückte sie noch. »Erinnerst du dich an die vier jungen Hexen und die zehn Reaper, die in den letzten Monaten verschwunden sind?«
Eine Gänsehaut lief meinen Rücken herunter und bestätigte die vage Vermutung, die ich nicht aussprechen wollte.
»Wir nehmen an, dass einige auf Kosten der Vampire und Dämonen gingen.« Sie seufzte, lehnte sich zurück. »Leider nicht die einzigen unserer Schwestern, die in den letzten Monaten den Tod fanden.«
Mit einer Handbewegung von de la Crox änderte sich das Bild auf einem der Monitore. Sofort brannten mir die Gesichter der getöteten Hexen und Reaper ins Auge. Vier Hexen in New York, sieben in Chicago, acht in Phoenix. Bei den Reapern sah es noch schlimmer aus.
»Anscheinend macht irgendjemand gezielt Jagd auf uns. Und das leider sehr erfolgreich. Was fällt dir auf, Isabelle?«
Ich zählte laut. »Zwölf tote Hexen in San Josè, vierzehn in San Francisco, vierundzwanzig in Los Angeles.« Augenblicklich wurde mir speiübel. »Den Westzirkel hat es am härtesten getroffen.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Die Statistik der Reaper zeige ich dir erst gar nicht.« Sie atmete tief. »Isabelle, egal was du tust, bitte sei in Zukunft vorsichtig.«
Ein Moment der Ruhe folgte. Ich entschied mich, meine Gedanken offen auszusprechen. »Diese Vilja sprach von einer Umwälzung. Einer Welle, die über das Land hereinbrechen wird.«
»Es ist immer eine Umwälzung, ein Apokalypse, ein Inferno, von dem sie in ihren letzten Minuten sprechen. Große Reden, um Hexen Angst zu machen. Wie oft habe ich das schon erlebt ...«
Endlich schafften ihre Worte es, mich zu beruhigen.
»Solltest du nicht zu Hause sein und packen? Immerhin ist es dein erster Urlaub seit Jahren. Und wie ich dich kenne, hast du nicht mal deine Koffer rausgesucht, oder?«
Schon wieder traf sie ins Schwarze. Während man auf ihrem Schreibtisch Operationen am offenen Herzen hätte durchführen können, war meiner vollbeladen mit Dokumenten. Während sie akkurat und bis ins letzte Detail alles plante, war ich impulsiv und ließ mich von meinen Gefühlen leiten.
»Wenn so viel zu tun ist, kann ich auch hier bleiben. Wie kann ich in den Urlaub fahren, wenn an der Westküste meine Schwestern sterben.«
Sie lächelte matt. »Darum werden wir uns kümmern. Fahr in den Urlaub und sieh es einfach als einen Befehl an.«
Ich erhob mich und ging zur Tür, als noch einmal ihre helle Stimme meinen Schritt innehalten ließ. »Und Isabelle?«
»Ja?«
»Viel Spaß.«
***
Mein Gemüt hatte sich langsam beruhigt, als ich in den Fahrstuhl stieg und auf Tiefgarage drückte. Maries Worte waren wie Balsam für meine Seele gewesen. In diesem Moment empfand ich unendliche Dankbarkeit für alles, was sie für mich getan hatte.
Und trotzdem wühlte in mir ein Gefühl der Unzufriedenheit. Die Augen der Vilja, dieser stechende Blick und das wissende Lächeln in ihren letzten Sekunden gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Als die Tür sich zur Seite schob und den Blick in die Tiefgarage freigab, erhob sich meine Hand beinahe automatisch. Ich wählte das vierte Untergeschoss. Das Archiv.
Ich musste mehrmals blinzeln, als sich die Tür öffnete. Hier roch es muffig, als würde man über die Seiten eines antiquarischen Buches streichen und den Geruch einatmen, der sich dutzende Jahre dort festgesetzt hatte.
Mit Magie ließ ich die Neonröhren aufblitzen. Vor mir präsentierten sich unzählige breite Aktenschränke. Kleine Gassen ließen mich weit blicken – es mussten Millionen von Dokumenten sein, die hier lagerten. Viele aus unserer Zeit, aber auch etliche, die hunderte von Jahren überdauert hatten. Die Chroniken des Zirkels, zusammengefügt in einem stickigen, stillen Raum.
Unbehagen kroch in mir hoch, als ich zu den Computern schritt, die ihr flimmerndes Licht in den Raum warfen. Damit die Stille mich nicht verschlang, pfiff ich ein Lied, während ich das interne Suchsystem öffnete.
Das Suchwort »Umwälzung« ergab eine überschaubare Anzahl von lächerlichen dreißig Millionen Treffern. Aus purem Interesse klickte ich die ersten Protokolle an und – tatsächlich – so ziemlich jeder Provinzvampir schrie diese Worte kurz bevor er zu Staub wurde. Und das auf jedem Kontinent. So kam ich nicht weiter. Also ergänzte ich den Begriff »Hexenjagd« und beschränkte mich dabei auf die Neuzeit. Nur noch Dreitausend Treffer. Die meisten erst in den letzten Monaten archiviert. Jeder Zirkel auf der ganzen Welt meldete das gezielte Töten von Hexen. Frankreich, Russland, Deutschland ... überall schienen meine Schwestern in letzter Zeit Opfer von Überfällen zu sein. Irgendwas stimmte hier nicht.
Geprägt vom letzten Jahr und der Auseinandersetzung mit Nikolai, nahm ich die Zeitbeschränkung aus meiner Suche und ergänzte weitere Begriffe: »Sohn des Teufels«.
Jackpot! Nur ein Treffer. Diesmal ein altes Dokument – ein sehr altes. »Nicht online verfügbar«, konnte ich auf dem Bildschirm lesen.
Sollte es in den Archiven unserer europäischen oder russischen Schwestern liegen, würde es Wochen dauern, darin Einblick zu erhalten. Kurz davor auf die Tastatur zu schlagen, erkannte ich den Standort dieses Dokuments. Es war hier hinterlegt, in diesem Archiv, über Umwege nach New York gekommen. Sofort merkte ich mir die Nummer des Schranks und schritt durch die unzähligen Gänge. Nach wenigen Minuten in diesem Irrgarten zog ich mir die Schuhe aus und schlich über den weißen Teppich. Endlich erreichte ich den Schrank. Das Quietschen durchzog die Stille, als ich ein paar vergilbte Seiten, geschützt in Folie, aus der Ordnerkladde zog. Vorsichtig befreite ich das antike Pergament. Ich hatte erhebliche Mühe, das Geschriebene zu entziffern, die Tinte war kaum mehr zu lesen und bei jeder Bewegung hatte ich Angst, dass das Papier in meiner Hand zerbröseln könnte.
»Niederschrift des Tagebuchs von Jasmin, Dienerin der Walpurga.«
Ich traute meinen Augen nicht. Die Walpurga? Die einzige bekannte Hexe sechsten Grades, die vor 1.500 Jahren den Grundstein für den Zirkel legte? Ein Kloß verfestigte sich in meinem Hals. Ich musste mich schütteln, versuchte Märchen von Realität zu trennen. Zuviel war verwoben in der Welt der Magie.
Noch heute feierten wir Hexen die Walpurgisnacht am ersten Mai. Natürlich nicht mehr auf irgendwelchen Bergen mit Feuer, sondern in schicken Bars mit Cocktails. Trotzdem thronte die Statue der Walpurga in jeder Eingangshalle eines jeden Zirkels weltweit.Dies war also die Übersetzung des Tagebuchs ihrer Dienerin. Es umfasste nur einen Tag, der Rest musste zerstört worden sein. Nur diese wenigen, vergilbten Seiten waren übrig. Die Last dieser Schrift schien nun Tonnen zu wiegen. Meine Beine gaben unter dem Gewicht nach und ich setzte mich mitten in den Gang, den Rücken an den Aktenordner gelehnt. Dann begann ich zu lesen ...
30. April 770
Die Nacht ist hereingebrochen.
Angst macht sich breit. Die Bewohner des Dorfes haben bereits früh die Fensterläden geschlossen und kauern zusammen vor winzigen Feuern. Nebelschwaden schließen das Dorf in einer weißen Umarmung ein, als würden sie das drohende Unheil ankündigen wollen.
In vielen Nächten ist der Nebel nun gekommen. Immer nahm er eine arme Seele mit. Meist junge Mädchen, denen außergewöhnliche Kräfte nachgesagt werden. Ihre Schreie sind erst hell, werden dann vom Wald in die Gemeinde getragen und verlieren sich schließlich.
Doch nicht nur Nebel wütet Nacht für Nacht im Land, auch Krankheiten raffen die Seelen nieder. Es scheint, als würde die Hölle sich langsam ausbreiten, als würde die Unterwelt bald auch hier auf Erden regieren. Die Menschen dahingerafft, die Hölle auf Erden – eine Umwälzung. Der kalte Hauch ist überall zu spüren.
Auch hier bei der Abtei ist das Licht gedämmt. Walpurga sitzt am Feuer und starrt hinaus in die Finsternis. Ihren Stab hat sie fest umklammert, ihr Blick ist ungebrochen, als ob sie dem Nebel trotzen möchte.
»Hab keine Angst, mein Kind«, sagt sie zu mir, streicht eine Strähne aus meinem Gesicht und richtet den Blick erneut gegen die weiße Wand. »Es endet. Heute Nacht.«
So steht sie vor dem Fenster der Abtei. Wartend, lauernd. Als ob sie das Schicksal herausfordern möchte. Die Stunden vergehen, als in der Mitte der Nacht die Hunde zu bellen beginnen. Erst vereinzelt, dann jaulen sie schließlich alle auf. Ohrenbetäubend ist ihr helles Lied, bis einer nach dem anderen in dieser Wand aus Nebel erst ängstlich schreit und schließlich verstummt.
Mein Atem scheint zu gefrieren, meine Hände sind eiskalt. Doch Walpurga mahnt mich erneut zur Ruhe.
Ein Schrei entfährt mir, als es an der Tür zur Abtei klopft. Walpurgas Blick geht in den Innenhof. Sie dreht ihr Handgelenk und das Tor öffnet sich quietschend. »Tritt ein, Sohn des Teufels.«
Der Nebel wabert nun auch vor den Toren der Abtei. Heraus sticht eine Gestalt, sein Gesicht ist vom langen Umhang bedeckt. Mein Herz scheint auszusetzen, als er mit großen Schritten auf unseren Turm zugeht. Er ist da.
Tränen verlassen meine Augen und laufen warm über meine Wangen. Ich höre seine Schritte auf der Treppe lauter werden, bis er an unserer Tür steht. Für einen kurzen Moment ist es still, dann bricht die Tür und vom weißen Nebel umhüllt schreitet ein Mann in den Raum. Er stoppt erst wenige Fuß vor mir, als Walpurgas Stimme ertönt.
»Vielen meiner Schwestern hast du das Leben entrissen. Unheil und Tod über das Land gebracht.« Ihre Stimme ist ruhig, erst langsam wendet sie sich ihm zu. »Die Zeit der Dunkelheit ist nun vorbei. Keiner Hexe wirst du mehr habhaft werden. Bartolomé, der Dieb.«
Ein Lachen durchzieht den Raum. Dunkel, furchteinflößend, wissend. In einer Bewegung legt der Mann seinen Umhang ab. Ich bereite mich darauf vor, dass nun meine letzte Stunde anbricht. Doch was ich sehe, lässt mein Blut gefrieren.
Ich starre nicht in die flammende Fratze des Teufels, sondern in ein fein geschnittenes Gesicht. Von der Sonne gegerbt, seine Züge sind exotisch. Er hat nicht die Farbe eines Einheimischen. Seine Haut ist dunkler, fast bronzefarben. Das kurze, pechschwarze Haar steht in alle Richtungen ab und geben seiner gut gebauten Statur etwas Verwegenes. Nur seine Augen sind weich wie Seide. Ein Mann, wie ich ihn mir in meinen Träumen ausgemalt habe. Doch ihn umgibt die Aura des Todes. Er zieht die dunklen Augenbrauen zusammen und stemmt die Hände in die Hüften. »Keiner Hexe mehr etwas antun? Das wäre aber schade.« Seine Stimme ist durchzogen von Spott. Sein Blick haftet an mir, an meinem Körper, meinen Rundungen. »Sie sind so süß, wie verbotene Früchte. Ihre Haut so samten, die Augen so tief und voller Angst. Nur eine Berührungen, ein Streicheln, ein Kuss und ihre Furcht wandelt sich in Lust. Ihre Seelen zu entwenden, ist meine Essenz, mein Lebenselixier.«
Ich spüre, dass er tief auf meine Seele blickt. Mein Atem beschleunigt sich.
»Jetzt weißt du auch, warum man mich den Dieb nennt. Es wird dir gefallen«, haucht er verführerisch in meine Richtung.
Der Nebel, den er mit sich trägt, dringt mir in die Nase und erweckt etwas in mir, dass ich nicht imstande bin zu erklären. Beim nächsten Herzschlag scheinen meine Sinne wie betäubt. Dann geht ein Ruck durch meinen Körper, zieht sich in meiner empfindlichsten Stelle zusammen und lässt mich schwer atmen. Als würde der weiße Nebel mich betäuben, öffne ich meine Beine, löse die ersten Schnüre meines Kleides. Mein Busen hebt sich mit jedem Atemzug, mein Fleisch scheint jeden Herzschlag williger zu werden.
Lächelnd zieht der Blick des Teufelssohnes zu Walpurga.
»Krankheit und Tod regieren die Welt. Bald schon ist es soweit. Die Umwälzung ist nicht mehr aufzuhalten. Du wirst mir nicht im Wege stehen, Hexe. Du nicht!«
Als er diese Worte spricht, löst sich ein Feuerball aus ihrer Hand. So mächtig und voller Kraft, wie ich ihn bei ihr noch nie gesehen hatte. Doch sein Körper scheint ihn zu schlucken. Nicht die Spur einer Verletzung weist er auf. Sein Mundwinkel zieht sich nach oben, dann poltert er auf sie zu. Der Griff Bartolomés schnellt an ihre Kehle, doch sie kann ihn mit einer Druckwelle zurückstoßen. Ihr Erfolg währt nur von kurzer Dauer. Wieder prescht er heran, schneller als alles, was ich bisher gesehen habe. Diesmal schafft er es, ihre Kehle zu ergreifen. Mit gefletschten Zähnen hebt er sie in die Höhe. Sofort scheint es überall zu brennen. Die Möbel, der Raum, ja selbst die Luft fackelt im hellen Schein. Ich höre mich, wie ich ihren Namen schreie. Walpurgas Finger versuchen nicht, seinen Griff zu lösen, als wolle sie von ihm gewürgt werden. Ihre Hand wandert unter die Robe. Zwischen Nebel und Rauch erkenne ich einen Dolch blitzen, dann rammt sie ihn in seine Brust. Er taumelt kurz, lacht erneut. Seine Hände fassen den Griff. Ein tiefer Schrei durchdringt die Stille der Nacht, als er ihn aus seiner Brust herauszieht. Feurig brennt die Wunde, dann verschließt sie sich wieder.
»Denkst du wirklich, dass du mich so besiegen kannst?« Er fasst ihren Leib, wirft sie gegen die Wand. Walpurga bleibt regungslos liegen. Dann wendet er sich mir zu. Das Feuer erlischt und der Nebel dringt mir erneut in die Nase.
Er scheint meine Sinne zu betäuben, mir alles zu nehmen und nur noch Lust und Begierde zu lassen. Sofort ist er da, sieht mich aus großen, dunklen Augen an, streicht eine blonde Strähne aus meinem Gesicht. Mit jeder Bewegung, die er vollführt, dringt mir mehr Nebel in die Nase. Ich verdrehe die Augen, kann nicht mehr klar denken.
»Hab keine Angst«, flüstert er mir ins Ohr. Seine Haut lodert auf meiner. »Genieße es.«
Besonnen und voller Leidenschaft küsst er mich und mein Verstand löst sich auf. Ich streife meinen Rock herab und stehe nun völlig nackt vor ihm. Er fasst meinen Nacken, küsst mich tief. So innig und voller Verlangen, dass allein seine Zunge ausreicht, um mich auf den Höhepunkt zu treiben. Auch er ist nun nackt. Sein Anblick lässt mich glühen. Groß und stattlich ragt er aus dem Nebel heraus. Ich berühre seine muskulöse Brust und wehre mich nicht mehr, als er mich auf einen Tisch bettet. Sein Glied ruht an meinen Schenkeln und ich wünsche mir in diesem Moment nichts mehr, als dass er in mich eindringt. Noch ein weiterer Hauch des Nebels lässt mich aufschreien. Es ist zu viel. Ich will ihn, ich muss ihn haben! Meine Hände wollen ihn zu mir herabziehen, doch er kniet sich vor mich hin. Als seine Zunge meine intimsten Stellen leckt, entringt sich mir ein Keuchen. In langen Zügen gleitet seine Zunge über meinen reizbarsten Punkt. So lange, bis ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle habe und die Feuchtigkeit aus mir herausströmt. Doch er macht weiter mit seiner Tortur. Bartolomé beugt sich über mich, fasst meine Haare und dringt mit der Spitze seines Penis’ in mich ein. Ich halte die Luft an und presse ihm mein Becken entgegen, doch er zieht sich zurück. Wieder und wieder macht er dieses Spiel, bis ich ihm völlig ausgeliefert bin. Ich möchte mich ihm schenken. Er kann nun alles mit mir machen, was er begehrt. Wenn der Preis meine Seele ist, so kann er sie haben.
Als hätte er meinen Gedanken erhört, dringt er in mich ein. Tief und stark spüre ich ihn in mir. Nur wenige Male muss er seine Taille vorstoßen, bis ich kurz vor der Explosion bin. Ein Schrei verlässt meine Lippen, als er sich wieder zurückzieht.
Nein, bitte nicht, bitte ... Wieder erreicht mich Nebel, den ich gehorsam in mich aufnehme. Ich werde mit jedem Atemzug schwächer, meine Arme, die ich eben noch um ihn geschlungen hatte, gleiten an seinem Körper herab, verlieren an Kraft. Noch einmal dringt er in mich ein. In langen, harten Zügen treibt er mich erneut bis an den Rand des Zusammenbruchs. Dabei fasst er meine Haare, blickt mir tief in die Augen. Ich spüre nur noch ihn, will ihm alles geben, was ich habe. Er stößt mich nun mit Kraft und magischer Energie. Die Lust baut sich rasend schnell in mir auf und verlässt schließlich schreiend meine Kehle. Kurz bevor ich den Höhepunkt erreiche, zieht er sich zurück. Mein Körper beginnt zu zittern. Als der Nebel erneut in meine Nase dringt, ist das Leben aus meinem Körper fast verschwunden. Ich kann mich keinen Zoll mehr bewegen, meine Beine sind gespreizt, mein Busen wippt, als er flach die Hände auf meine Brust legt.
»Las dich fallen und gib mir deine Seele!«
Mein Mund kann keine Worte mehr sprechen, doch meine Augen sind geöffnet, als er erneut in mich eindringt.
Plötzlich zerreißt ein Schrei den Nebel. Der Sohn des Teufels wirft sich zurück, landet kurz auf den Knien, bäumt sich dann auf.
Walpurga! Blutend strotzt sie vor Hass, als sie auf ihn zuschreitet und Druckwellen gegen seinen Körper wirft. Nur für einen Moment scheint er aus der Fassung gebracht, dann brennt der Raum erneut. Sein Groll scheint allgegenwärtig, der Zorn erfüllt den Raum mit Glut.
»Meinst du wirklich, Hexe, dass du mich besiegen kannst?«
Ihr Dolch blitzt auf. Während er hasserfüllt auf sie zumarschiert, kniet sie sich hin. In ihren offenen Händen ruht der Dolch und ihre Lippen bewegen sich wortlos, während alle Kraft und Macht in die Waffe fließen.
Bartolomé holt zum vernichtenden Schlag aus, doch diesmal ist sie schneller. Mit ganzer Kraft rammt sie den Dolch in seine Brust. Die Flammen lodern auf, meine Lungen füllen sich mit heißer Luft. Er taumelt, scheint angeschlagen, fällt auf die Knie. Mit letztem Willen kann er den Dolch aus seiner Brust ziehen, muss sich schwer atmend am Boden abstützen. Diesmal verschließt sich die Wunde nicht.
»Es ist nicht möglich«, stammelt er keuchend. »Wie konnte das passieren?«
Durch die Wunde höre ich Schreie. Es müssen Hunderte, Tausende sein .... Sie alle strömen aus ihm heraus und mit ihnen verlässt Bartolomé die Kraft.
Auch Walpurga ist geschwächt, kann ihn nicht in die Hölle zurückschicken, aus der er gekommen ist. Erschöpft liegt sie am Boden, atmet hastig, den Blick nicht von der Gestalt nehmend. Mehr und mehr verschwinden der Nebel und die Flammen. Unter Aufwendung seiner letzten Kraft, schafft er es aufzustehen. Er torkelt zum Fenster.
»Ich werde wiederkommen. Und wenn es tausend Jahre dauert, ich werde wiederkommen.« Seine Stimme ist voller Hass und Pein. Dann stürzt er sich hinaus.
Nebel und Flammen sind verschwunden, als ich meinen Körper notdürftig bedecke und zu Walpurga eile. Meine Sinne sind wieder beisammen, das Geschehene scheint mir nun wie ein dunkler Traum aus vergangenen Nächten. Meine Beine zittern, meine Kehle ist staubtrocken.
»Wie geht es Euch? Was ist geschehen?«
Walpurga kann sich an ihrem Stab aufrichten. Sie wirkt müde, aber erleichtert. »Er hat beinahe alle seine Macht verloren«, sagt sie leise, stützt sich am Fenster ab und blickt in die Dunkelheit. »Doch er wird wiedergekommen ... irgendwann.«
***
Nachdem ich die Übersetzung der Dienerin gelesen hatte, verstaute ich alles wieder an seinem Platz, verließ den Zirkel und fuhr nachdenklich in Richtung Queens. Erschöpft öffnete ich die Tür zu meinem Appartement und stolperte laut fluchend über eins von Maddox automatischen Gewehren.
Warum lassen Männer ihre Sachen einfach auf dem Boden liegen?
Mein Groll verflog, als ich die glühenden Runensteine in jedem Zimmer vorfand. Dass sie so hell glühten, hieß nichts anderes, als dass er die Schutzsteine ausgewechselt hatte. Je heller sie mir entgegenfunkelten, desto aufgeladener waren sie. Ein Großteil der Halbwesen und Dämonen konnte dadurch die Wohnung nicht mehr betreten. Wie süß er doch war, wenn er sich um meine Sicherheit sorgte. Dass meine magischen Fähigkeiten weit stärker ausgeprägt waren, als die seinen, vergaß er dabei. Obwohl er für einen Reaper ein paar ganz passable Zauber drauf hatte.
Tief in Gedanken legte ich so ziemlich jedes Kleidungsstück, für jeden Anlass in meinen Reisekoffer und musste am Ende feststellen, dass ich eigentlich einen zweiten gebraucht hätte. Obwohl ich seit gefühlten fünf Jahren keinen Urlaub mehr gehabt hatte, wollte bei mir keine Reisestimmung aufkommen. Zu tief wogen die Überlegungen über die Aufzeichnungen der Dienerin Walpurgas. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Körper, als ich daran dachte, dass ich gerade ein Schriftstück gelesen hatte, das kurz nach der Gründung des Zirkels entstanden sein musste, denn Walpurga war die erste und mächtigste Hexe. Nur deshalb konnte sie den Sohn des Teufels besiegen – sie muss alle Macht in diesen einen Dolch gelegt haben, als sie ihn traf.
Als ich mich tief in der Nacht endlich in die seidene Bettwäsche fallen ließ, drängte ich diese Gedanken beiseite. Vielleicht war es wirklich Zeit für ein wenig Abstand. Morgen Nacht würde ich mich in einem Luxushotel an meinen Freund kuscheln können, in einer Welt ohne Dämonen und Vampire, ohne Viljas, die mir nach dem Leben trachteten und ohne Prophezeiungen über den Weltuntergang. Hatte ich ihn gerade wirklich als meinen Freund bezeichnet?