Читать книгу Die HexenLust Trilogie | Band 2 | Erotischer Roman - Sharon York - Страница 6
ОглавлениеGefährliche Gedanken
Die Nacht hatte einen faden Beigeschmack, den ich nicht imstande war zu deuten. Übermüdet duschte ich, legte ein dezentes Make-Up auf und wollte in meinem begehbaren Kleiderschrank gerade nach einer Arbeitsuniform greifen, als ich innehielt. Nein, heute war kein Arbeitstag! Ich musste nicht in den Zirkel und war gerade auch keine Hexe. Ich war einfach nur eine junge Frau, die mit ihrem Freund – ja, Freund! – in den Urlaub flog. Sofort fiel mir eine Last von den Schultern und ein Lächeln huschte über meine Lippen. Für den Anlass wählte ich einen modischen Jeansrock und ein schwarzes Top, steckte die Tickets ein und bestellte mir ein Taxi.
»Du wirst ein paar Tage ohne mich auskommen müssen«, sagte ich zu meinem Kaninchen Lemi und gab ihm eine Karotte. Als Lemi sie genüsslich kaute, musste ich kurz zurückdenken an Creepy, diesen widerlichen Schlangendämon. Es war nun schon ein paar Monate her, seitdem ich Lemi aus seinen Fängen befreit hatte. Maddox hatte ihn so getauft, weil er von oben bis unten mit Lehm bedeckt war, nachdem ich mit zwei Golems gekämpft hatte. Irgendwie war mir der Kleine ans Herz gewachsen, also hatte ich ihn kurzerhand adoptiert. Für diese Urlaubs-Woche brachte ich ihn zur Nachbarin, bedankte mich herzlich und stieg ins Taxi.
Nach einem nervenaufreibenden Gespräch mit dem plappernden Fahrer, stand ich nun vor dem Terminal des Flughafens »La Guardia«. Die Gedanken an das vergangene Jahr zwangen sich schmerzhaft auf. Nikolai, der Verführer, die beinahe geglückte Unterwerfung des Zirkels und der Anschlag auf meine beste Freundin flirrten vor meinem geistigen Auge.
Nur Schatten der Vergangenheit, Isabelle, versuchte ich mich zu beruhigen. Zielstrebig schritt ich zum verabredeten Treffpunkt im »Starbucks«.
Nach einem großen, fettarmen Latte Macchiato fühlte ich mich augenblicklich wohler, dies sollte sich jedoch schlagartig ändern, als ich eine dunkle Gestalt erblickte, die schlurfend und mit hängenden Schultern auf mich zuschritt. War das etwa mein Freund? Der stolze Reaper mit dem sonnengebräunten Gesicht und den träumerischen Augen? Ich musste meinen Blick mehrmals verschärfen, bis ich mir sicher war.
Seine Uniform war an einigen Stellen aufgerissen. Dass die schusssichere Weste unter seinem Shirt herauslugte, schien ihm genauso egal zu sein, wie das beschädigte Gewehr, das unter seinem dicken Wintermantel zu sehen war. Augenringe prägten sein Gesicht. Er wirkte kraftlos, sein Blick war matt, die Haut kalkweiß. Doch das schlimmste war ... Er trug weder Koffer noch Tasche.
Sofort stellte ich den Kaffee ab und eilte auf ihn zu. Als ich ihn mit einem Kuss und einer Umarmung begrüßen wollte, drehte er sich zur Seite und mein Unwohlsein erreichte einen gefährlichen Höhepunkt. »Maddox, was ist passiert?«
Seine Stimme zitterte, war nur ein Schatten des sonst so festen und wohltuenden Klanges. »Isabelle, wir müssen reden.«
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.
***
»Er hat was?!« Iras Stimme überschlug sich beinahe. Ich musste das Handy etwas weiter von meinem Ohr weghalten und kam erst danach zu einer Antwort.
»Schluss gemacht! Einfach so ...«
Ein paar Sekunden herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Ich orderte den dritten, überteuerten Cappuccino im Flughafencafé. In diesem Moment hatte ich Lust, wieder mit dem Rauchen anzufangen. Zu gern hätte ich jetzt an einer Zigarette gezogen ... oder gleich an einer Crackpfeife.
»Er kam mit zerrissener Uniform, sah absolut Scheiße aus und machte dann eben mal so Schluss?«, vergewisserte sich Bianca.
»Das bringt nichts mehr mit uns beiden«, äffte ich ihn nach.
Meine beiden Freundinnen stießen einen Fluch nach dem anderen aus.
»Das ist der beschissenste Schluss-mach-Spruch aller Zeiten«, giftete Ira. »Was für ein Vollidiot und ich sage das, obwohl er mich gerettet hat!«
Die Nacht in der Flughafenhalle hatte meine Freundin Ira nicht vergessen. Damals war sie im Bann von Nikolai gewesen, als sie mich in die Falle gelockt hatte und sie schließlich von Maddox und mir gerettet wurde. Der magische Zauber, dem sie ausgesetzt gewesen war, war mächtig gewesen, eine Verführung des Teufels. Sie hatte etliche Monate bei den Heilerinnen verbringen müssen und war erst vor ein paar Wochen wieder in den Dienst eingestiegen. Von ihrem schlechten Gewissen geplagt, hatte sie sich hunderte Male bei mir entschuldigt, obwohl das Ganze für meinen Teil bereits an diesem einen Abend erledigt gewesen war. Ich war froh, als sie endlich wieder arbeiten konnte.
»Tja, versteh einer die Männer«, antwortete ich und orderte noch ein großes Stück Kuchen. Mir war nach Heulen zumute. Wut und Unverständnis vermischten sich mit Trauer zu einem ganz eigenen, schmerzhaften Gefühlschaos. Nachdem Maddox und ich zehn Minuten geredet hatten und ich langsam, aber sicher damit begonnen hatte, ihn anzuschreien, war er einfach gegangen. Er hatte mich in der lichtdurchfluteten Wartehalle des »La Guardia« einfach so stehenlassen. Nur zu gern hätte ich ihm mit einem Feuerzauber sein bestes Stück versengt oder ihn mit einer hasserfüllten Druckwelle aus der Halle gepustet. Doch ich war wie erstarrt. Ich hatte dem Typen, den ich wirklich als meinen ersten, festen Freund betrachtet hatte, hinterher gesehen, bis er verschwunden war. Schließlich hatte ich ein paar Minuten gebraucht, um mich aus meiner Lethargie zu lösen und mich in ein Café zu setzen. Sofort hatte ich mein Handy herausgeholt, Ira und Bianca angerufen und schaufelte mir seitdem Unmengen von Kaffee und Kuchen in den Leib. Gift für meine Bikinifigur, aber an so einem Tag wie heute ist sowieso alles Mist.
»Was hast du jetzt vor?«, wollte Bianca wissen.
Die junge Heilerin war in meinem Alter und arbeitete ebenfalls im Zirkel. Sie hatte zur selben Zeit den ewigen Vertrag mit ihrem Blut unterschrieben und war mir über die Jahre eine gute Freundin geworden.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich mit vollem Mund, während ich weiter Kuchen in mich hineinstopfte. Ich spülte mit Cappuccino nach. »Ich habe eine Woche Urlaub, die Honeymoon-Suite in einem mexikanischen 5-Sterne Hotel und entwickele gerade einen überaus tiefgreifenden Hass auf alle Männer. Also werde ich mich zu Hause einschließen und mich unter der Bettdecke verkriechen.«
»Mach das nicht!«, forderten meine Freundinnen im Chor und zum zweiten Mal musste ich das Handy vom Ohr nehmen.
»Deine Reisedaten liegen dem Zirkel vor?«
»Natürlich. Es ist Vorschrift.«
Und gerade für mich, als Sicherheitsoffizier, war es wichtig, dass ich mit gutem Beispiel voran ging. Es war eine Vorsichtsmaßnahme des Zirkels, um ihre Mitarbeiter zu schützen. Oder zu kontrollieren, kam drauf an, von welcher Seite man es betrachtete.
»Okay, Mädels«, seufzte ich und richtete meine brünetten Haare. »Ich muss hier weg, habe keine Lust mit anzusehen, wie mein Flieger abhebt. Das muss ich mir echt nicht geben. Wir telefonieren heute Abend.«
»Klink dich mal kurz aus und bleib, wo du bist«, schoss es aus Ira hervor. »Wir rufen dich gleich wieder an.«
Ich ließ mich an die Lehne des Stuhls zurückfallen. Da saß ich nun mit gepackten Koffern und beobachtete, wie der Boardingschalter meines Flugs nach Mexico immer leerer wurde. Eigentlich sollte ich in das Flugzeug steigen und mit meinem Freund einen wundervollen Urlaub am Meer verbringen. Gestern war doch noch alles in Ordnung und plötzlich kam Mistkerl Maddox auf die Idee, die Beziehung zu beenden ...
Natürlich wollte er mir nicht verraten, warum er so aussah. Der gestrige Auftrag musste hart gewesen sein. Gut so! Ich hoffte, dass ihn die Vampire richtig rangenommen hatten.
Mein Klingelton riss mich aus meinen Gedanken.
»Hör zu, Isabelle«, begann Ira energisch. »Du wirst in das Flugzeug steigen und auch im Hotel einchecken. Bianca und ich haben gerade Urlaub genommen und werden heute Abend nachkommen. Und verdammt noch mal, wir werden einen geilen Urlaub haben, Party machen und dieses Arschloch vergessen, hast du verstanden?!«
Von der Intensität ihrer Stimme war ich fast erschlagen. Faktisch gesehen war ich ihre Vorgesetzte, da ich immerhin zwei Jahre früher im Zirkel begonnen hatte und meine magischen Fähigkeiten die ihren bei weitem übertrafen. Doch wenn Ira etwas wollte, dann schien sie zu brennen und ließ nicht locker, bis sie es bekam. Ein Dickkopf, wie er im Buch stand.
»Hört mal Mädels, das ist wirklich nett, aber ...«
»Keine Widerrede«, setzte Ira nach und ihre Stimme wurde um einige Nuancen höher. »Du schwingst jetzt deinen Knackarsch in das Flugzeug und kippst schon mal ein paar Tequilas. Wir werden den Teufel tun und den von ihm bezahlten Urlaub einfach so verstreichen lassen.«
Ich zögerte einen Moment. Widerstand war zwecklos. Das Gespräch könnte noch ewig so weitergehen und wenn ich einfach auflegen würde, dann wäre Ira innerhalb von wenigen Minuten hier und würde mich an den Haaren ins Flugzeug zerren. Wie die beiden es geschafft hatten, Urlaub zu bekommen, fragte ich erst gar nicht. Wie alle im Zirkel schoben sie wahrscheinlich Hunderte von Überstunden vor sich her.
»Hör mir auf mit dem Teufel, von dem hab ich in letzter Zeit echt genug.«
»Dann ist es also fest? Du steigst in den Flieger nach Mexico?«
»Ja«, antwortete ich langezogen und stand auf.
»Mach dir keinen Kopf«, sagte Bianca mit milder Stimme. »Das wird großartig, es ist die richtige Entscheidung.«
Ich klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, als ich meine Koffer fasste. »Wollen wir es hoffen. Und Mädels ...« Kurz stoppte ich. »Dankeschön.«
***
Als Ruhe sich über das Flugzeug legte und die Menschen in ihren Zeitschriften versunken waren, kamen auch meine Gedanken zurück. Vor mir stand ein vierstündiger Flug, den es irgendwie zu überbrücken galt, ohne mir dabei die ganze Zeit das Gehirn zu zermartern, wie mein Ex auf einmal so ein Arschloch geworden war. Lag es an mir? Hatte ich gestern Abend irgendetwas gesagt, was ihn gekränkt hatte? Die Selbstzweifel legten sich um meinen Brustkorb, wie eine eiserne Klammer. Hätte ich ihn nicht auf seine Vergangenheit in der Hölle ansprechen sollen? Wie tief waren die Wunden, die die glühende Peitsche seines Vaters hinterlassen hatte?
Genau wie die Narbe, die sich von seinem Brustkorb, bis hin zu seinem Gesicht zog, die ich immer unheimlich sexy fand, schienen auch die inneren Spuren dieser Tortur nie ganz verheilt zu sein. Sicher, er war der Sohn des Teufels, stellte sich gegen den Vater und seine Brüder auf die Seite seiner menschlichen Mutter, um an unserer Seite gegen die Schattenwesen zu kämpfen. Ein sehr ehrenhafter Wesenszug. Dabei hätte er in der Hölle herrschen können. Früher hielt ich diese Geschichten für Märchen, die man den jungen Hexen erzählte, damit sie keine Dummheiten machten. Jeder kannte die Story.
Alle hundert Jahre darf der Teufel für eine Nacht auf Erden wandeln und ohne seine Kräfte versuchen, eine menschliche Frau zu verführen. Viermal hat es geklappt. Mit dem jüngsten Sohn war ich zusammen, gegen seinen Bruder hatte ich gekämpft und über den anderen gestern noch einen sehr interessanten Bericht gelesen. Über den ältesten, Baal, gab es nur wenige Aufzeichnungen. Zum Ausgleich für die Geburt eines Teufelskindes wird in derselben Zeitspanne eine absolute Hexe geboren – eine Hexe sechsten Grades. Walpurga war so eine. Doch danach wurde nie wieder eine gesehen. Es war eine Sache, dass die Hexen tatsächlich geboren wurden, die weitaus schwierige Angelegenheit war, sie auch zu finden und für den Zirkel auszubilden. Wir waren ein Geheimbund, von dem nicht einmal die Regierung wusste, eine Schattenarmee, die in allen Ländern der Welt existierte und trotzdem ungesehen von den Menschen agierte. Hexen besaßen keine Webseite, auf der man sich einfach so bewerben konnte, sondern sie suchten sich ihre Mitarbeiter selbst aus. Meistens war es Zufall. Es gab eine ganze Abteilung im Zirkel, die sich nur mit Nachwuchsgewinnung beschäftigte. Sobald in einer Schulakte ein Bericht über ein junges Mädchen auftauchte, das angeblich ihren Bleistift zum Schweben gebracht hatte oder einen Mitschüler, ohne ihn zu berühren, durch das Fenster geschleudert hatte, schickten wir ein Team raus, um es zu überprüfen. Am 18. Geburtstag hatte man die Wahl: Ein normales Leben oder die Berufung zur Hexe. Unterschrieben wurde dieses Abkommen mit Blut.
Bei mir war es damals keine große Zeremonie gewesen. Nur de la Crox und wir Mädchen waren in ihrem Büro. Es folgte eine Ansprache, Küsse auf die Wangen und der stolze Blick meiner Ziehmutter. Zumindest gingen die Cocktails in der Bar an diesem Abend auf die Kosten des Zirkels. Ein starker Jahrgang, wie de la Crox mir später gestand. Ich erinnerte mich an Biancas Gesicht. Sie hatte sich wenige Tage vor mir entschieden. Ihre schwarzen, lockigen Haare hatte sie mit einem Band zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden und schon damals wirkte sie erwachsener, als man es von einer achtzehnjährigen erwartete. Doch eine absolute Hexe war nicht dabei. Wie die letzten Jahrhunderte auch. Mittlerweile fragte ich mich, ob die Geschichten wirklich stimmten oder ob sie nur dafür da waren, um uns Hexen Mut zu machen und weiterhin gegen die Übermacht aus Vampiren, Dämonen und Formwandlern anzukämpfen, denn jede Nacht setzten wir unser Leben aufs Spiel, damit die Menschen in süßer Ungewissheit weiterleben konnten.
Es war angeblich ein Pakt zwischen dem Teufel und Gott, als die Menschheit selbst ihren Anfang nahm. Wenn es nach mir ginge, wurde es langsam Zeit, dass der da oben seinen Teil der Abmachung einhielt und uns eine Hexe sechsten Grades sandte.
»Tee oder Kaffee?«, riss mich der Flugbegleiter aus meinen Gedanken.
»Whiskey!«
Er stockte in seiner Bewegung, stellte die Kaffeekanne zur Seite und lächelte. Aufmerksam musterte ich den Mann. Seine kurzen, dunklen Haare hatte er mit Gel in Form gebracht. Er war perfekt rasiert, hatte schöne Hände und gepflegte Fingernägel, dazu eine ruhige, tiefe Stimme. Kurzum: Die frühere Isabelle hätte nicht lange gezögert, dem Mann einen Seducción-Zauber auf den Hals gehetzt und ihn so lange geritten, bis er Wundsalbe für seinen Schwanz gebraucht hätte. Ganz davon abgesehen, dass er bestimmt schwul war. Obwohl ich überhaupt nicht für Stereotypen war, schien es mir die einzig logische Betrachtungsweise. Solche Männer sind immer schwul oder vergeben, meistens beides zusammen.
Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, nickte er kurz, stellte mir einen Becher vor die Nase und eine kleine Flasche Whiskey.
»Schlechten Morgen gehabt?«, wollte er wissen und blieb eine Sekunde stehen.
»Sie haben ja keine Ahnung«, war meine einzige Antwort, als ich die Flasche aufschraubte und den ersten Schluck nahm.
»Wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde huschten seine Augen über den leeren Platz neben mir, dann verirrte sich sein Blick in mein weites Dekolleté. War er etwa doch nicht schwul?
Als der Flugbegleiter gegangen war, legte ich den Becher an meine Lippen und dachte nach. Ich war Single, verdammt! Wenn auch noch nicht lange. Somit konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Ich musste niemandem Rechenschaft ablegen und war auch noch im Urlaub.
Mehrmals überlegte ich, ob ich wirklich einen Versuch starten sollte. Dabei war nicht wirklich Lust meine Intention, sondern nur die Gelegenheit, Maddox eins reinzudrücken. Im Café war mir nur nach Heulen zumute gewesen, doch jetzt empfand ich Wut. Warum ließ ich mir von so einem Idioten mein Leben diktieren?
Die Menschen gingen mit ihrer Trauer unterschiedlich um. Viele warfen sich aufs Bett und weinten Bäche aus Tränen, andere joggten den Schmerz weg, viele stürzten sich in die Arbeit. Und es gab welche, die sich mit Partys und flüchtigen Bekanntschaften selbst bewiesen, dass die Beziehung keinen großen Stellenwert in ihrem Leben eingenommen hatte. Und da ich gerade kein Bett zur Verfügung hatte und meine Lust, jetzt vor allen Menschen loszuheulen, sich auf ein Minimum beschränkte, lehnte ich meinen Ellenbogen auf die Armlehne und blickte dem Flugbegleiter hinterher.
Ich wollte ihn mit einem Hauch des Verführungsbannes belegen, damit er seine sowieso schon kippende Meinung änderte und die Waage zu meinen Gunsten fiel. Zumindest wäre es gut für mein Ego. Wieder und wieder murmelte ich im Geist die Worte aus dem dicken Buch mit dem rötlich-violetten Umschlag, das eigentlich Unterrichtsstoff für das sechste Jahr war.
Tatsächlich. Er schien immer fahriger und unsicherer zu werden, als er die letzte Reihe des Flugzeugs bedient hatte. Dann drehte er sich um. Mein Blick fesselte ihn förmlich an meine stechenden grünen Augen. Sofort wurde sein Ausdruck glasiger, seine Lider flatterten, bis er die Augen ganz schloss und zu schwanken begann. Dabei hatte ich doch nur eine kleine Variante des Zaubers gewählt. Eigentlich war dieser Zauber nur für Ermittlungszwecke gedacht und in privaten Situationen natürlich strikt verboten. Andererseits war gegen so eine kleine magische Intervention nichts einzuwenden. Vor allem in so einer Situation. Ich hielt seinem Blick stand – mehr noch, ich bohrte meine Gedanken in ihn hinein. Er stockte in seiner Bewegung, musste schlucken und plötzlich erkannte ich in seinen Augen eine nicht zu fassende Gier. Das Blut musste nun in seinen Adern pumpen, als ob er von einer Welle der Lust überrollt würde.