Читать книгу Weltschlachtfest - Shey Koon - Страница 3

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„Ben, originelles Kunstwerk, deine Narbe. Wo hast das machen lassen?“ Ich lachte ihn an. „Jetzt bist du nicht nur ein Teil von mir. Jetzt hast du auch ein Teil von mir. Wunderwerke der Medizin, nicht wahr? Ich kraulte ihm scherzhaft über seine operierte Brust. „Ist aber nur eine Leihgabe.“

Ben verzog seinen Mund zu einer ungläubigen Schnute.

„Alter, das sieht doch beschissen aus. Wie soll ich denn damit ein Mädchen kennen lernen? Der Schnitt zieht sich über meinen gesamten Brust- und Bauchbereich. Ich sehe original wie der kleine Bruder von Frankenstein aus.“

Ich wuschelte ihm über die Haare.

„Sieht wilder aus, als es ist. Warte, in ein paar Monaten ist kaum mehr etwas zu sehen.“

Wir saßen auf unseren Koffern und warteten darauf von Eve und Melanie abgeholt zu werden.

„Paps, was viel schlimmer ist, ich habe so Lust einen Spliff zu qualmen. Oder auch zwei.“

Ich blickte ihn bestürzt an. „Pssst, wenn meine Ladys das hören, dann ist die Hölle los. Pass auf was du sagst, oder wir sind dem Terror der Krankenschwestern ausgeliefert. Willst du das wirklich riskieren?“

Erschrocken verneinte mein Junge.

„Mein Junge, das Thema mit den Drogen ist vorbei. Sei dankbar, dass wir die Transplantation überlebt haben. In Zukunft wird ein Apotheker der Dealer deiner Wahl sein. Und wir fahren brav zu den Nachkontrollen, dafür werden meine Ladys schon sorgen.“

Kaum sprachen wir von ihnen, spitzten sie bereits mit Steve im Schlepptau durch die Türe. Sie überfielen uns regelrecht. Mich küssten sie lustvoll und Ben pusselten sie ab. Angewidert wischte er sich den Lipgloss aus seinem Gesicht. Ich dagegen konnte nicht genug Liebe bekommen und zog sie beide zu mir her.

„Endlich raus hier, das Krankenhaus bringt mich noch um.“, schnaufte Ben ungeduldig.

Ich konnte es noch immer nicht glauben, mein Junge besaß ein Stück Leber von mir.

„Ben, es tut uns leid. Du wirst mit Steve auf den Verkehrsübungsplatz fahren müssen. Heute brauchen wir deinen Daddy nur für uns alleine. Es gibt wichtiges zu besprechen.“

Eve und Melanie zwinkerten sich verschmitzt zu. Steve zuckte machtlos mit den Schultern, meine Ladys hatten die Zeit sinnvoll genutzt und ihn mittlerweile unter ihre Kontrolle gebracht, er drückte Ben an sich. Wir verließen das Krankenhaus als eine große Familie.

Steve hielt Ben die Türe seines 488 GTB Ferraris auf, den er sich gerade neu angeschafft hatte. Mit sieben Millionen Euro freshen Cash auf dem Konto, die er bei unserem letzten Auftrag verdient hatte, war das locker möglich. Steve fühlte sich sichtlich wohl bei uns, obwohl er von seinem Naturell her ein globaler Wanderer war und die Welt sein einziger verrückter Spielplatz. Doch wir hatten was zu bieten, dass lag deutlich auf der Hand. Eine verrückte Familie mit dem gewissen Quäntchen an Abenteuerlust.

„Ben gewöhne dich an die wundervollen Autos, wahre Meisterwerke, denn das ist dein zukünftiger Lebensstandard. Und merke dir den Begriff » Kaizen «. Steve kann dich während deiner Fahrstunden über dieses evolutionäre Prinzip aufklären.“

Ich winkte meinem Jungen in heller Freude hinterher.

Eve deutete auf den cremeweißen Bugatti Type 57C Galibier aus dem Jahre 1939. Sie setzte sich ans Steuer, während Melanie mich nach hinten zog.

„Habt ihr euch während meiner Abwesenheit einen tollen neuen Wagen zugelegt?“, grinste ich.

Melanie küsste mich, presste ihren wohlgeformten Busen an meine Brust, knöpfte mir das Hemd auf, liebkoste meine Narbe.

„Und jetzt weihen wir ihn ein.“

Ich war in meinen Bewegungen eingeschränkt, die Narbe zog, doch das störte Melanie wenig. Sie drückte mich auf die Rücksitzbank, öffnete meine Hose, holte meinen Liebeszauberer hervor, zog ihr Unterhöschen zur Seite und setzte sich sanft auf mich drauf. Ihre Hitze strömte zwischen meine Beine und meinem Unterbauch. Kurze Augenblicke nur, und sie erzitterte am gesamten Körper. Ihre nasse Pussy zuckte erleichtert auf.

„Du bleibst schön hier liegen.“, ermahnte sie mich lustvoll.

Eve hielt am Seitenstreifen der Autobahn. Melanie stieg aus, wechselte mit Eve das Steuer und mein russischer Engel schlüpfte zu mir auf die Rückbank.

„Ich haben dich so sehr vermisst. Gottseidank ist es endlich überstanden. Noch einen Tag länger, und ich wäre gestorben.“

Sie stülpte ihre Lippen über meinen Steifen, schmeckte Melanies Saft und schwang sich auf meinen Schwanz. Sie küsste mich, während sie ihr hungriges Becken kreisen ließ. Wir explodierten zusammen, heftig, angetörnt.

Doch die eigentliche Überraschung wartete noch auf mich. Ich zog mir die Hose hoch, setzte mich auf, hielt Eve im Arm, die sich befriedigt an mich kuschelte und mich zärtlich streichelte. Ich blickte aus dem Fenster.

„Wo fahren wir hin? Das ist nicht der Weg nach Königstein.“, merkte ich auf.

„Nein, da hast du vollkommen recht. Und deswegen werden wir dir jetzt deine Augen verbinden müssen. Du siehst zu viel.“

Eve packte ein rotes samtenes Tuch aus ihrer Tasche und wickelte es mir um meinen Kopf. Ich war aufs Äußerste gespannt. Ich ließ mich von dem Motorengeräusch entführen und war glücklich darüber, endlich wieder frei zu sein. Die Enge und der eigensinnige Geruch der Klinik hatten mich fast in den Wahnsinn getrieben. Zu oft in meinem Leben inhalierte ich schon das Aroma der Krankenhäuser, meine Erinnerungen hafteten an grausame Erlebnisse, die häufig auf dem Friedhof endeten.

Plötzlich, es knackte, die Reifen rollten über den Kies.

„Wir sind da.“, frohlockte Melanie.

„Wage es ja nicht, das Tuch abzunehmen, bevor wir es erlauben!“, warnte mich Eve mit ihrem russischen Akzent, griff mir dabei fest in den Schritt.

Ich schluckte. Melanie öffnete die hintere Wagentüre und Eve führte mich nach außen. Beide ergriffen sie meine Hände und wir Schritten voran. Dann stoppten wir. Eve drehte mich zu sich, hob das Tuch an und küsste mich. Melanie drehte mich zu sich und küsste mich ebenso. Danach küssten sie sich. Sie nahmen meine Hände in die ihren. Die Spannung zerriss mich beinahe.

„Wir gratulieren uns feierlich, denn wir sind neuerdings …“

Sie zogen mir das Tuch vom Kopf.

„Besitzer einer fantastischen Villa.“

Staunend riss ich meine Augen auf. Eine herrschaftliche Villa erstrahlte im herrlichsten Weiß, mit kunstvoller Ornamentik verziert, sie verzauberte mich auf Anhieb. Die gläserne Front verlieh ihr ein zeitloses und modernes Gesicht. Links und rechts, soweit mein Blick auch reichte, war der Wohnsitz von einem wunderschönen Park eingerahmt, dessen Blumenpracht mir farbig entgegen winkte. Saftig grüne Bäume raschelten zum Willkommensgruß. Mir blieb vor Freude die Luft weg. Mein goldener Bentley und mein Purple Lamborghini standen in Reihe vor der Garage, empfingen mich wie alte Bekannte. Meine Ladys guckten mich erwartungsvoll an.

„Du sagtest doch, dass wenn Ben bei uns wohnen will, wir eine Villa kaufen sollen. Voilà, hier ist sie. Sachsenhausen ist zwar nicht am Stadtrand, aber das Domizil ist großartig. Und der Main ist in wenigen Minuten zu erreichen.“

Ich lächelte über beide Backen. Meine Ladys nahmen meine Worte gerne allzu genau. Sie führten mich hinter das neuerworbene Anwesen. Neben einen Tennisplatz und dem einladenden Pool war ein magisch schöner Teich eingelassen. Je näher wir dem Wasser kamen, desto mehr erstrahlte ich. Waren das blaue Koikarpfen, die ich da schwimmen sah? Jede Varietät des faszinierenden Fisches war vertreten. Ich flippte aus, Tränen drängten sich in meine Augen. Ich blieb stehen und zählte. Es waren achtzehn an der Zahl. Sie hatten bestimmt ein Vermögen gekostet.

Ich drückte meine beiden Hotties an mich ran und dankte Gott für diese Liebe, mit der sie mich überschütteten. Sie zogen mich ins Haus, führten mir mit der Begeisterung von zwei Mädchen Zimmer um Zimmer vor. Raumhohe Glasfenster, hohe Decken mit Meisterstuckkunstwerken, die Fülle der Pracht weitete meine Augen, verzierte Flügeltüren trennten die großzügigen Räume, ich fühlte mich im Paradies.

„Gefällt es dir? Wir haben wochenlang nach einem passenden Haus gesucht. Es ist noch leer, aber wir sind schon eifrig beim Erwerben des Interieurs.“, versicherte mir Melanie und schmiegte ihren Körper an den meinen.

Feierlich öffnete Eve die Türe zu einem der vielen Schlafzimmer, sie führten mich zum ausladenden Himmelbett und wir legten uns gemeinsam hin. Wir schmusten und streichelten, küssten und kuschelten uns. Das waren im Krankenhaus die längsten Wochen, die ich je erlebt hatte. Es tat gut ein neues Zuhause zu haben, mit zwei wundervollen Ladys im Arm. Nur der Champagner und die Spliffs fehlten, vielleicht noch ein wenig Molly und der Tag wäre perfekt gewesen.

Am späten Abend, Ben war von seinen privaten Fahrstunden noch ganz aufgewühlt, gesellte ich mich zu Steve. Eve und Melanie bereiteten uns leichte Kost vor, die unsere baldige Genesung fördern sollte. Das Krankenschwestergen ist aufgekeimt, und jeder Versuch es zu unterdrücken wäre sinnlos gewesen. Mein Junge und ich spielten schweigsam mit, die Hauptsache war, der Haussegen blieb im Gleichgewicht.

„Steve, sage mir, hast du Lust uns zu dem Treffen der Jäger zu begleiten.“

Ben reckte seinen Hals, die Ohren spitzten sich.

„Wann findet das Treffen statt? Ich habe Thorsten längst zugesagt, mit ihm für eine Woche ins Grüne zu fahren. Es tut gut zu wissen, einen Arzt in der Familie zu haben.“

Er deutete dabei anspielend auf Ben und mich.

„In knapp zwei Wochen. Wir treffen uns im sonnigen Kalifornien.“, klärte ich ihn auf.

„Du nimmst mich doch mit? Du hast es mir schließlich versprochen.“, erinnerte mich mein Junge.

Mir blieb überhaupt nichts anderes übrig, als seine Frage zu bejahen, ich hatte es ihm schließlich versprochen.

„Das Geheimnis bleibt aber unter uns. Wenn Sandra das erfährt. Uiuiui.“ Ich fasste mir theatralisch an die Kehle und drückte zu, japste wie ein Fisch am Trockenen.

Ben nickte, hielt seine drei Finger zum Schwur nach oben.

„Doch zuerst sollten wir Horst besuchen. So nehme ich dich nirgends mit.“

Meine Ladys stimmten mir zu und baten uns an den Tisch. Bei uns im Hause hatten eindeutig die Frauen das Zepter in der Hand. Vegane Gemüseplatte war angesagt. Wehmütig betrachtete ich Ben.

„Alles für die rechte Familienstimmung.“, dachte ich im Stillen und grinste verlegen.

Nach dem verzogenen Gesichtsausdruck meines Jungens zu urteilen, dachte er sich wohl ähnliches. Nur Steve fand sichtlichen Genuss an dem gemischten Vorgarten auf seinem Teller.

Gegen Abend parkten wir vor dem Kristallsalon.

„Horst, das ist Ben, mein Sohn.“ Stolz präsentierte ich meinen Jungen. Horst schüttelte ihm die Hand.

„Ja, das ist mittlerweile eine kleine Ewigkeit her, dass ich dich gesehen habe. Aber es waren doch keine Jahre. Wo hast du nur diesen entzückenden Jungen her. Schön dich kennenzulernen.“

Ich schmunzelte, Ben gefiel ihm allem Anschein nach, wir folgten meinem Meisterhaarschneider. Als ich meinen Lieblingsdrink Koon-O ablehnte, wurde Horst stutzig. Ich berichtete ihm in allen Einzelheiten von unseren überstandenen OP. Er lauschte interessiert und zauberte uns beiden einen meisterhaften Haarschnitt. Mein Junge und ich sahen fantastisch aus. Ben stammte eindeutig von mir ab. An der Kasse überreichte ich Horst sein heißgeliebtes Bargeld, ersuchte ihn, Ben in seine VIP-Kartei aufzunehmen und wir verabschiedeten uns.

Kaum im neuen Zuhause angekommen, bat ich meine Ladys, dass sie die Tage mit Ben doch in die Stadt gehen sollten, um ihn neu einzukleiden. Eine größere Freude konnte ich ihnen nicht bereiten. War Ben doch genauso ihr Junge, den sie hegen und pflegen wollten. Bei der Gelegenheit hatten sie zudem selbst die Möglichkeit den Luxusboutiquen in Frankfurt einen weiteren Besuch abzustatten. Schließlich besaßen sie jetzt jeweils einen eigenen begehbaren Kleiderraum und die waren ihrer Meinung nach, gähnend leer. Mir sollte es recht sein. Insgeheim sah ich in Gedanken meine Jungen beim Päckchen schleppen, wie er mürrisch unter dem Stapel hervorlugte. Aber wenigstens mit einem stylischen Look.

Eines, das hatte ich Ben bereits im Krankenhaus klargemacht, konnte ich keinesfalls dulden, solange er seine Füße unter meinem Tisch hatte. Wenn er kein Junkie sein wollte, dann sollte er sich ordentlich kleiden, eine coole Frisur und manikürte Nägel vorweisen. Das war das Mindeste, was ich von ihm erwartete. Mein Sohn war doch kein Penner, und mir war es gleich, ob er erst vierzehn war. Das war kein Grund, ungepflegt über die Welt zu stolpern.

Am nächsten Morgen, wir saßen gerade beim Frühstück, stöhnte Ben auf einmal auf. Uns stand der Schreck in den besorgten Gesichtern. Eve sprang zu ihm hin.

„Geht es dir gut? Ist etwas mit deiner Leber? Sag schon!“

Ben winkte ab.

„Nein! Der geht es gut. Macht euch deswegen keine Sorgen. Mich quälen seit Wochen andere Gedanken.“

Ich trank vom Zitronenwasser.

„Ist es wegen unserem Abenteuer in Afrika? War doch zu viel für dich.“

Ben schüttelte abermals seinen Kopf.

„Nein. Es ist wegen meiner empfangenen Leberspende. Ich hätte sie niemals annehmen können.“

Ich schnaufte frustriert auf.

„Ben, ich dachte, wir hätten das leidige Thema durch. Ich bin froh, dass du eingewilligt hattest. Du wärst vielleicht schon längst tot. Hast du etwa Jo, deinen Bananenjunkie schon vergessen? Wir besuchen ihn bald. Der ist bestimmt froh darüber, dass du noch am Leben bist.“

Ben klopfte mir aufs Bein und blickte mich mit geneigtem Kopf an. Er öffnete tadelnd seine Augen.

„Paps, deine Leberspende meinte ich nicht. Die habe ich dankbar angenommen.“

Ich atmete beruhigt auf.

„Was meinst du dann?“, fragte Melanie neugierig nach.

„Habt ihr euch schon einmal mit dem Spendensystem beschäftigt? Könnt ihr euch vorstellen wie grausig dieses Thema ist?“

Ich ahnte bereits Schlimmes. Aufgrund meiner Jagd war uns allen klar, was Ben auf dem Herzen lag. Wir nickten einstimmig. Eve hielt ihm die Hand.

„Wie können die Menschen nur so grausam sein? Sie jagen andere Menschen, nur um sie auszuschlachten. Für eine Leber, ein Herz, ein Auge. Das ist doch wirklich gruselig.“ Er schüttelte sich.

Wir blickten ihn wissend an.

„Das ist der Grund, warum wir überhaupt auf der Jagd sind. Es ist erschütternd, dass solche Grausamkeiten ungestraft auf unserem Planeten geschehen dürfen.“, entgegnete ich ihm.

Ich erinnerte mich an die letzten Minuten mit Sky, seine letzten Worte, sein abscheuliches Geständnis hallte in meinem Gedächtnis auf.

» „Es war so einfach. Sie hatten es mir überaus leichtgemacht, kaum Gegenwehr, fügsame Geschöpfe, leichtgläubige Opfer, von Gottes Gnaden erschaffen. Wirklich mühelos war es. Soweit meine Augen reichten, eine Welt voller Lämmer und Schäfchen. Und ich! Ein Wolf, ein Adler, ein Killerhai, griff dankbar zu, weil ich der Stärkere war. Das war alles.“ «

Ben holte mich zurück. „Ich hätte mir niemals ein fremdes Organ einsetzen lassen können, mit dem Wissen wie sie beschafft werden. Niemals.“

Das Entsetzen stand Ben ins Gesicht geschrieben.

Steve drehte sich zum Fenster. Tief in seinem Innersten, auch wenn er der Jagd nach wie vor abgeneigt war, fühlte er wie ich. Das Spiel tötete, das war eine klare Sache, mit keiner anderen Aussage schön zu reden, nur wie sonst war dem Virus des Bösen Einhalt zu gebieten?

„Ich kann dir nur eines sagen.“, schnaufte er aus. „Zu der Zeit als dein Vater und ich Aufträge in Indien erledigt hatten, bauten die unmenschlichen Monster gerade Babyfabriken auf.“

Ben hob aufmerksam seinen Kopf.

„Was für Fabriken?“, hakte er ungläubig nach.

„Du hast schon richtig verstanden. Babyfabriken. Dort werden Babys gezüchtet. Für den illegalen Handel auf dem Organmarkt. Arme Frauen lassen sich befruchten, damit sie für ein paar hundert Euro ein Kind gebären, das je nach Bedarf sofort ausgeschlachtet wird, oder erst zu einem Kind heranwächst, um es dann stückweise auszunehmen. Das bringt den Ausschlachtern um die 500.000 Euro pro Kind ein.“

Ben konnte nicht glauben, was er da hörte.

„Dieses perverse Treiben klingt unvorstellbar“, stimmte ich meinem Jungen zu. „Doch es passiert. Ständig.“

Eve sprang auf, zerriss jäh den schwarzen Moment.

„Zuviel der schlimmen Gedanken. Ben, begleitest du Melanie und mich in die Stadt? Wir wollen ein paar Besorgungen machen. Die Villa sieht ziemlich karg aus.“

Ben zögerte, klatschte dann aber doch vor Begeisterung in die Hände. Er fand Gefallen daran, sich toll zu kleiden. Steve begleitete mich zu unseren schuppigen Außenbewohnern.

„Deine Asagis sind eine Augenweide.“, gratulierte er mir.

„Danke. Damit haben mich meine Ladys wirklich überrascht. Ich bewundere diese edlen Fische. Darf ich vorstellen?“ Ich war unglaublich stolz, dass ich den Drang verspürte, anzugeben.

„Hier ein Taki Asagi. Asagi bedeutet hellblau. Wusstest du das?“ Steve verneinte. „Streichle sie, das mögen diese edle Fische. Guck dort ein dunkelblauer Konjo Asagi und ein Mizu Asagi, man nennt ihn auch Wasser-Asagi.“

Wir gingen in die Hocke, die Kois kannten keine falsche Schüchternheit und waren sofort bei der Stelle.

„Dir saugt gerade ein Hi Asagi am Finger. Den erkennst du an der Rotzeichnung, deswegen nennt man ihn auch Scharlach-Asagi. Ein fabelhafter Hana Asagi, besser bekannt als Blumen-Asagi, den finde ich besonders sexy. Siehst du den Asagi mit den langen Flossen? Ein Hirenaga Asagi, oder Butterfly Asagi.“

Ich benannte ihm jede einzelne Varietät, immerhin achtzehn an der Zahl. Wir bestaunten die Koikarpfen eine Zeit lang.

„Dein Junge ist früh dran. Wenn du nicht auf ihn aufpasst, werden ihn die Gräueltaten, die er zu sehen bekommt, in die Depression stürzen. Erinnere dich, wie es dir damals erging, als du mit dem Spielen begonnen hattest. Sensible Gemüter können außerordentliche Jäger werden, wenn sie vorher nicht zerbrechen. Er ist gerade in der Pubertät. Sexy Mädchen und großes Welttheater ist eine unglückliche Mischung, mehr sage ich dazu nicht.“, warnte er mich sorgenvoll vor.

„Ich weiß.“, wich ich aus. „Begleitest du uns zu dem Treffen der Jäger?“, fragte ich abermals nach.

Steve zuckte mit den Schultern. „Ich kann dir im Moment keinerlei Zusage erteilen.“

Ich verabschiedete mich von Steve. Ein dringlicher Termin mit Djan stand an. Er hatte mich des Öfteren im Krankenhaus besucht, eher freundschaftlich als geschäftlich, wobei er es nie unausgesprochen ließ, dass er mich gerne alsbald für eine Jagd beauftragen würde. Die gelisteten Aufträge, dass wusste ich von Eve, waren fast abgeschlossen. In dieser Spielperiode hatte bedauerlicherweise drei Jäger ihr Leben verloren. Für die gewachsenen Anforderungen war es ein Wunder, dass der Verlust derart gering war. Meinen Berechnungen zufolge rechnete ich mit mindestens zehn geopferten Spielern. Unter diesem Gesichtspunkt war die Jagdsaison aus zweifacher Sicht erfolgreich.

Djan war natürlich darauf erpicht, als einer der ersten zu erfahren, wer die neuen Zielpersonen waren. Schließlich war der Beutelevel durch die Vernichtung von Shan Zeibo erhöht worden. Jetzt war auf unseren wunderschönen Planeten niemand mehr vor der Hatz der Jäger sicher.

Ich fuhr mit meinem goldenen Bentley zu seinem Anwesen, denn unser ritualisiertes Essen stand noch aus, eine willkommene Abwechslung, die ich auf keinen Fall ablehnen wollte, da mir gerade die schmale Küche aufgezwungen wurde. Ich fuhr an dem altbekannten Pfau vorbei, winkte ihm wie gewohnt, rollte an das erhöhte Wasserbecken heran und sprang die Stufen nach oben. Die beiden Bootsführer erwarteten mich bereits. Ich nahm meinen Platz zwischen ihnen ein und sie ruderten mich schweigend zu Djans Villa. Der Butler führte mich ins Haus. Mein Auftraggeber war mit seiner Aufmerksamkeit an einem Baum gefesselt. Er winkte mich zu sich ran, umarmte mich mit festem Druck und drehte sich sogleich zum Baum.

„Guck dir das mal an! Sieht der Baum bei näherer Betrachtung nicht wie ein Engel mit geweiteten Flügeln aus?“

Ich stellte mich neben Djan, nahm seinen Blickwinkel ein und ließ die Form des Baumes auf mich wirken. Tatsächlich, die Gestalt war spielend leicht zu erkennen. Ein aufrecht stehender Engel mit geweiteten Flügeln, bereit in die Wolken abzuheben.

„Dieser Baum hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Aber das ist mir jedes einzelne Blatt wert. Shey, wie geht es dir? Du siehst spitze aus. Ein wenig mager vielleicht.“

Ich nickte. „Ja, besser wie erwartet. Wichtig ist nur, dass es meinem Jungen gut geht.“ Ich rieb meine Hände. „Was gibt es heute zum Essen. Ich bekomme von meinen Ladys, wie du dir bestimmt denken kannst, nichts Anständiges mehr auf dem Teller.“ Djan grinste übers ganze Gesicht. „Ich weiß, sie haben mich bereits angerufen und mir unter Todesandrohung genaue Anweisungen gegeben, was du auf keinen Fall essen darfst.“

Genervt verzog ich meine Lippen zu einem Schmollmund.

„Das macht doch nichts. Ich habe die Liste meinem Koch gegeben.“ Djan zwinkerte. „Mit der Anweisung dir ein verbotenes Gericht aufzutischen.“

Ich öffnete meine Arme und drückte meinen Freund und Auftraggeber gegen meine Brust.

„Du bist der Beste.“, lobte ich ihn und versprach ihm hoch und heilig, dass ich unser Geheimnis mit ins Grab nehmen würde.

„Wann sind die neuen Zielpersonen bekannt? Ich kann es kaum noch abwarten.“, bestürmte er mich.

„Wir warten erst das Treffen der Jäger ab. Noch ist die aktuelle Liste nicht abgeschlossen. Das braucht seine Zeit. Aber lass dir versichert sein, dieses Mal wird es eine außergewöhnliche Jagd werden. Ich tappe selbst noch im Dunkeln, bin selbst gespannt darauf, wohin uns die neuerliche Reise führen wird.“

Djan spielte den Verständnisvollen, doch ich sah die Ungeduld in seinem Gesicht, die maßgeblich sein Verhalten steuerte. Er war ein leidenschaftlicher Auftraggeber, und er war von der Pflicht beseelt, mit seinem unglaublichen Reichtum für eine bessere Welt einzutreten. Ein Hardliner, der nicht daran glaubte, dass der gute Glauben alleine die Menschheit von dem unsäglich Bösen heilen konnte. Ganz im Gegenteil, Djan war ein gebildeter und erfolgreicher Mann. Er ließ sich nicht für dumm verkaufen. Da waren wir und viele andere gleicher Meinung. Wie konnte es sein, dass die Welt in unserer Zeit noch, von einer Grausamkeit überzogen wurde, die einem das Gruseln über den Körper schlug. Natürlich existierten unzählige hilfreiche Menschen, die es gut mit unserem Planeten Erde meinten, die die Scherben aufräumten und die das Leid der Welt an jeder Ecke linderten. Unser Standpunkt allerdings war eindeutig, ohne die ungeheuerlichen, durch das Böse verursachten Katastrophen gäbe es dieses Leid überhaupt nicht. Ich, als der Vater eines Jungens, billigte diese Gewalt keinesfalls und war bereit mein Leben dafür zu opfern, damit diese Ungeheuer endlich ausgerottet wurden. Für mein Kind wünschte ich mir eine bessere Welt. Ist es denn nicht wahr, dass wir Menschen die Möglichkeiten und die Fähigkeiten hätten, ein Paradies in den mystischen Weiten des Universums zu erschaffen, voller Wunder und Träume?

Djan begleitete mich zur eingedeckten Tafel, das polierte Goldbesteck schimmerte neben dem feinen, mit Emaille-Golddekor verzierten Knochenporzellan aus den Anfängen des neunzehnten Jahrhunderts. Es wurden saftige Spare Ribs vom japanischen Black Kobe-Rind aufgetischt mit Pommes und reichlich Mayonnaise und Ketchup. Ohne Salat. Zum Dessert wurde Vanilleeis mit leckerer Schokosahne gereicht. Mehr brauchte es nicht, damit mein Magen glücklich war.

„Hast du die allerneuesten Neuigkeiten schon vernommen? Zum Schutz der Mächtigen wurde weltweit die Sicherheitsstufe bis zum Anschlag erhöht, obwohl sie den Sündenbock direkt vor ihrer Türe liegen hatten. Die Leichen von Abdul-Azeem und seinen Kriegern wurden allesamt geborgen, auf einem Scheiterhaufen aufgebahrt und restlos niedergebrannt. Die Farbe der Flammen und des Rauches soll violett gewesen sein.“

Djan tupfte sich den Mund vornehm mit einer Stoffserviette ab. „Aber höchstwahrscheinlich wittern die Mächtigen bereits, dass deine Kontaktperson nicht alleine war.“

Ich schluckte meinen Bissen hinunter.

„Ja, ich habe die Nachricht gehört. Und sie beunruhigt mich zutiefst. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen. Aber anscheinend ist uns das nicht gelungen. Warum sonst geben sie sich mit ihrem Fund nicht zufrieden? Woher wissen sie, dass Abdul-Azeem nicht alleine war? Gott sei seiner Seele gnädig.“

Djan lachte. „Ich denke, sie tun ihre Arbeit. Wissen tun sie überhaupt nichts. Sie wollen nur sicher sein, dass mit dem Tod des Abdul-Azeem die Gefahr gebannt ist.“

Ich wusch mir meine Hände im Kristallschälchen und trocknete mir die Finger.

„Das kann ich nur hoffen.“, pflichtete ich ihm bei.

Nach einem ausgiebigen Mahl verabschiedete ich mich von Djan, versicherte ihm meine tiefste Verbundenheit.

„Grüß mir deine Mädels. Sie sollen auf dich aufpassen, wir beide haben schließlich noch einiges vor. Ich kann es kaum erwarten, dass die neue Jagsaison eröffnet wird.“

Die beiden Bootsführer ruderten mich zurück zu meinem Wagen und ich fuhr gesättigt nach Hause.

Weltschlachtfest

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