Читать книгу Weltschlachtfest - Shey Koon - Страница 4
Spannungsmoment
ОглавлениеDas Haus war menschenleer. Ich nutzte die Möglichkeit, inspizierte die prachtvollen Räume nochmals in aller Ruhe. Mein Staunen kannte keine Grenzen. Ich befühlte die Wände, bewunderte den kunstvollen Stuck und die ausgefeilten Holzarbeiten, der Architekt war ein wahrer Meister seiner Zunft. Das stilistische Gemäuer präsentierte sich verspielt und leichtfüßig und die Glaselemente verliehen der Villa strahlendes Licht und Offenheit. Ich war noch immer angetan.
„» Kaizen «, wie oft darf ich deine göttliche Natur noch erleben?“, lobpreiste ich.
Meine Hotties hatten die richtige Wahl getroffen, doch am glücklichsten war ich über meinen Teich mit den vielfältigen
Asagis. Ich begab mich unter die Dusche, fuhr mit meinen Fingern an der verheilenden Narbe entlang, sah Ben vor meinen Augen, und dankte dem Himmel, dass alles gut verlaufen war. Sein erschüttertes frühmorgendliches Gesicht tauchte vor mir auf. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich selbst eines Tages in dem Thema der Organspende verwickelt wäre. Die juckende Narbe zeigte mir jedoch das Gegenteil auf.
Nach meiner erfrischenden Dusche zog ich mich an.
Dolce & Gabbana verlieh mir das nötige italienische Flair, schließlich war ich ein stolzer Villenbesitzer. Ich streifte mir sieben Diamantblingringe über die Finger, fühlte mich wohl in meiner lebendigen Haut, da platzte auch schon Ben herein. Vollbepackt mit Tüten und Schachteln.
„Ihr habt tatsächlich etwas gefunden?“, fragte ich schnippisch nach.
Bens Augen leuchteten, das kannte ich bisher nur von meinen Ladys nach ihren ausgiebigen Shoppingtouren. Ich stellte abermals fest, wir waren unverkennbar eine Familie, aus einem Schlag. Meine Ladys hatten ihn fest im Griff.
„Ja, ist weniger als es aussieht.“, rechtfertigte sich Ben.
„Wo sind Eve und Melanie? Hast du die beiden in der Stadt zurückgelassen?“
Ben drehte sich um, verzog sein Gesicht und spielte den Unwissenden. Plötzlich stolzierten sie durch die Flügeltüre. Das Paradies tat sich vor mir auf. Sie waren beide in einem Traum aus Amarantroter Seide gekleidet, die ihre weiblichen Formen betonte. Mein Blut kam in Wallung. Schwarze Wellenlinien liefen breit von oben nach unten, wenige nur, mit spitzen Ausläufen. Einem Kleid sehr ähnlich, aber mit geschlossen Beinen. Wie zwei Supermodels schritten sie an mir vorbei, lächelten mich verliebt an und präsentierten ihren neu erworbenen Luxus. Ich öffnete meine Arme, sie drückten sich an mich und küssten mich. „Ihr seht klasse aus. Obwohl ich euch bereits liebe, verliebe ich mich doch jeden Tag aufs Neue.“
Ben schüttelte den Kopf. Ihm war das romantische Schauspiel, das wir zelebrierten, eindeutig zu kitschig. Er verzog sich mit den Paketen in seine Räume. Wir küssten uns leidenschaftlich, sie verschleppten mich ins Schlafgemach und fielen wie zwei Raubkatzen über mich her. Wir zerrissen vor Gier auf uns, unsere edlen Kleider. Sie bissen mich animalisch, zerkratzten meinen Rücken, meinen Po, nahmen sich was sie wollten, und erst gegen Abend schmusten und kuschelten sie besänftigt mit mir.
Wir saßen gemeinsam beim Essen, nur Steve blieb aus, wahrscheinlich lag er gerade in den Armen seines Arztes Thorsten.
„Papa, ich habe eine Frage an dich.“
Eve und Melanie verstummten auf der Stelle. Meine Sinne schlugen an. Was jetzt kommen würde, war von den dreien schon längst besprochen, das bemerkte ich bereits am verräterischen Tonfall. Ich war gespannt.
„Ja, mein Sohn.“ Neugierig spielte ich das Spiel mit.
„Papa, ist es richtig, dass ihr die Listen für die ausgewählten Zielpersonen selbst anfertigt, bevor ihr sie an eure Auftraggeber versendet.“ Ben blickte mir tief in die Augen.
„Ich höre raus, du hast dich informiert. Meine Ladys haben dir das System längst erklärt.“
Ich warf meinen ertappten Hotties einen Blick zu, denn sie mir mit halb geschlossenen Augen erwiderten.
„Ehrlich gesagt, stellen wir die Listen nicht zusammen, sondern ein eigens dafür entwickeltes Computerprogramm ist für die Auswahl zuständig.“, fügte ich an.
Ben klopfte mit seiner Faust auf den Tisch.
„Ja, das weiß ich. Eve, Melanie und du, ihr wisst es auch. Aber die Auftraggeber haben keinen blassen Schimmer.“
Ich legte meine Gabel beiseite, fühlte mich von meinem Besuch bei Djan noch immer überfressen.
„So ist es. Sie erhalten die Listen, ohne zu wissen, wie sie angefertigt wurden. Warum ist das so wichtig?“
Ben klopfte abermals mit der Faust auf den Tisch. Die Spannung steigerte sich von Moment zu Moment.
„Es könnten also durchaus auch Namen aufgeführt sein, die nicht von dem Programm ausgespuckt wurden.“
Langsam dämmerte es mir. „Durchaus, das wäre möglich. Willst du deine Mitschüler oder deine Lehrer beseitigen? Oder beides?“
Ben schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. „Nein Papa. So ein Quatsch. Und das von dir.“
Eve und Melanie kicherten.
„Dann rück endlich mit der Sprache raus. Was hast du vor?“, platzte es aus mir hervor.
„Papa, ist es möglich, dass wir alle Auftraggeber und alle Jäger auf dieser Welt vereinen könnten, um einen vernichtenden Schlag gegen den grausamen Organhandel auszuführen?“
Mir blieb die Spucke. Totenstille. Ich war entsetzt, atmete stoßweise. Eves, Melanies und Bens Augen ruhten auf mir, während meine Gedanken einen schwarzen Tunnel formten. Schweiß perlte auf meiner Stirn, lief in kleinen Rinnsalen an meinen Schläfen entlang. War, dass mein Junge, der mich soeben gefragt hatte? Unfassbar. Welche Antwort konnte ich ihm geben?
Nach einer kurzen Pause fing ich mich allmählich. Sie betrieben hinter meinem Rücken gemeinsame Sache, das ging mir eindeutig zu weit.
„Was habt ihr ihm geantwortet, oder vielmehr was habt ihr ihm versprochen?“, fragte ich im barschen Ton.
Eve stand vom Tisch auf, knallte wütend ihre Serviette auf dem Teller und schimpfte auf Russisch los. Melanie blieb still. Ben setzte sich hin.
„Alter, du bist vielleicht ein dummes Arschloch.“, beleidigte er mich.
Ich öffnete meinen Mund, japste wie ein Fisch und verschloss ihn, ohne ein Wort zu sagen. Was hatte ich angestellt? Ich war mir keiner Schuld bewusst. Ich stand auf, verließ den Tisch und begab mich vor die Türe. Verständnislos grübelte ich nach, verstand die Welt nicht mehr und stattete den Kois einen Besuch ab. Es dauerte nicht allzulange und Ben stand neben mir.
„Eve und Melanie haben mir überhaupt nichts versprochen. Sie hörten sich lediglich meine Idee an und rieten mir, dich zu fragen. Sie haben mir kein Versprechen gegeben, das hast du missverstanden.“
Ich fühlte das Feuer der Eifersucht in mir brennen. Das war das Gefühl, dass mich so übertrieben reagieren ließ. Ich legte meinen Arm um die Schulter meines Jungens, trottete schuldbewusst zum Tisch zurück und entschuldigte mich für mein kindisches Verhalten. Den wahren Grund verriet ich nicht.
„Ich wollte euch nicht Unrecht tun. Es tut mir von Herzen leid.“
Ich streichelte Melanie über die Wange, küsste ihr Gesicht, küsste Eve, die mir in die Lippe biss, bis sie blutete. Ich wischte mir das Blut mit dem Handrücken weg.
„Wir dürfen das Programm keinesfalls manipulieren. So sehr ich dein Anliegen verstehen kann. Wenn nicht ich, wer dann. Doch das Leben meiner Auftraggeber, der Jäger und das unsrige gilt es zu schützen. Das ist meine oberste Pflicht. Das Programm zu manipulieren bedeutet, das Chaos heraufzubeschwören.“
Ben blickte mich enttäuscht an.
„Aber lass uns nicht gleich aufgeben.“, ermunterte ich ihn.
Ich lief um den Tisch, blieb hinter Eve stehen, die nach wie vor die Glut der Wut in ihren Pupillen trug und tippte ihr auf die Schulter.
„Hier könnte die Lösung liegen.“, ermutigte ich meinen Jungen.
„Ich bin doch kein Computer.“, blaffte mich Eve an.
„Mein Engel, dass weiß ich doch. Sei wieder gut mit mir. Aber niemand kennt den Erfinder des Programms besser wie du. Es könnte ja eine Möglichkeit geben, das Programm zu ändern. Nach Themengruppen zum Beispiel.“
Ben sprang auf. „Ja, das wäre was. Eve bitte, bitte, bitte.“, flehte er sie an.
Jetzt hatte Eve den schwarzen Peter von mir zugespielt bekommen. Jedoch unterschätze ich meine russische Ex-Agentin.
„Ben kannst du uns bitte für einen kurzen Moment entschuldigen. Ich habe mit deinem Vater ein dringendes Wort zu reden.“
Nur widerwillig erhob sich mein Sohn und ließ uns zurück. Eve stand auf, drehte sich zu mir, ihre Nasenspitze berührte die meine. Melanie kam von links ganz nahe an mich heran, keine Möglichkeit zur Flucht. Ihre Stimme bebte zornig.
„Halt mich nicht für so blöde. Du bist ein ziemlich eifersüchtiger Kerl. Nervt es dich, dass dein Junge eine von uns beiden lieber habe könnte, wie dich?“ Sie wichen kein Stück zur Seite, hatten mich wie eine Beute gestellt. Ich verzog meine Lippen, lächelte verlegen und stammelte leise ein Ja.
„Wir hören dich nicht. Was hast du gesagt?“, bedrängte mich die sonst so sanfte Melanie.
„Ja, ja, ja, ja.“, rief ich aus. „Und es tut mir leid. Ich weiß auch nicht warum ich das fühlte. Völliger Blödsinn, das ist mir bewusst.“
Eve zwickte mich fest in den Hintern. Ihre Gesichtsmimik erweichte. „Keine Sorge, er hat uns auch lieber wie dich.“
Melanie schubste mich kräftig zur Seite und sie flohen davon. Ich hinterher.
„Na warte, wenn ich euch zu fassen bekomme.“ Wir rannten durch die Räume.
„Ben, hilf mir. Wenn du eine zu fassen bekommst, dann belohne ich dich. Du kannst dir aussuchen was du willst.“
Und so jagten wir zu zweit, brüllend wie die Löwen, meine Ladys. Erst ihr beherzter Sprung in den Pool beendete die Jagd. Wir lachten in die Nacht.
Am nächsten Morgen, ich war eine kleine Runde gejoggt, stürmte Ben auf mich zu.
„Los beeil dich!“, forderte er mich auf. „Es gibt Neuigkeiten.“
Er ergriff mich am Arm und zog mich in den großen Wohnraum. Melanie und Eve bastelten eifrig am Computer. Mir schwante
Schlimmes.
„Ihr lasst sofort die Finger von unserem Heiligtum! Was macht ihr bitte schön am Rechner? Lasst das?“
Ich stürzte mit einem Satz hin und drängte meine Ladys auf die Seite. Eve hielt mir ihr Handy ans Ohr.
„Dann sprich du mit Irwan.“ Ich positionierte mich schützend vor die Baustelle, hielt mit einer warnenden Hand meine Ladys davon ab, weiteren Unfug zu betreiben und mit der anderen Hand hielt ich mir das Handy ans Ohr.
„Hallo, hier ist Shey. Irwan, bist du es?“
Irwan war der Erbauer des genialen Rechners mit seinem einmaligen Programm. Seit fast acht Jahren arbeitete er unermüdlich die Listen aus, die uns die neuen Zielpersonen vorgaben. Der Rechner speiste sich selbständig mit allen wichtigen Daten, die er für seine Berechnungen benötigte. Er war ständig online, das war das A und das O. Nur Irwan alleine war der Kenner der Quellen, aus dem der Computer seine Daten zog. Außerdem hütete er das Geheimnis um die Algorithmen, die für die ausgeklügelten Berechnungen eingesetzt wurden, um die zukünftigen Zielpersonen auszuwählen. Unsere Jagdbeute.
„Ja mein Freund. Du hast die Operation gut überstanden. Das freut mich. Ich bin zurzeit unabkömmlich, wir haben ein nationales Abwehrprojekt am Laufen. Kannst du mir bitte Eve noch einmal geben, denn ich habe es verdammt eilig.“
Ich erkannte seine Stimme und reichte Eve das Handy. Sie warf mir einen kessen Luftkuss zu.
„Ich hasse diesen Typen.“, flüsterte ich meinem Jungen zu. „Der hatte sich vor vielen Jahren an Eve rangemacht. Da war ich mit ihr schon zusammen. Ich hätte ihn längst gekillt, wenn er nicht der Erfinder unseres wichtigsten Instrumentes wäre. Das spürt er hoffentlich.“
Eve und Melanie werkelten nach den Anweisungen des verhassten Meisters an der Maschine herum. Annähernd eine Stunde warteten wir gespannt ab. Ich war auf der Hut und achtete peinlichst genau auf Eves Gesichtszüge. Lächelte sie glücklich, zog sie ihre Augenbrauen übertrieben nach oben, veränderte sie ihre Lippen, säuselte ihre Stimmlage. Doch sie blieb hochkonzentriert, sprach selber kaum ein Wort, schraubte und tippte. Ich hätte eh kein Wort verstanden. Ich war der russischen Sprache nicht mächtig. Als sie endlich auflegte und die Verblendung anbrachte, konnte Ben sich nicht mehr zurückhalten.
„Sag schon! Hat es geklappt?“
Eve lächelte müde. „Ja, ich denke schon. Das wird jetzt dauern. Vor morgen früh werden wir keine Ergebnisse bekommen.“
Sie nahm die Tastatur, tippte einen zehnstelligen Code ein und drückte den roten Knopf, der eigens dafür eingebaut worden war. Zeile um Zeile mit allen möglichen Zeichen und Buchstaben, Zahlen und geometrischen Figuren flimmerten über den Bildschirm. Selbst ein geübtes Auge hätte mit der Geschwindigkeit nicht mithalten können.
„Familienrat!“, warf ich in den Raum. „Heute Abend! Eve willst du dich zwischendurch hinlegen?“, fragte ich besorgt, denn die konzentrierte Arbeit hatte ihren Elan geschwächt.
Ich brachte sie ins Schlafzimmer, entkleidete sie, legte sie aufs Bett und massierte ihr den Rücken. Ich küsste ihre Schultern, setzte mich an ihre Seite und massierte ihr die Beine und den Po. Sie schnurrte wie ein Kätzchen, vergrub sich ins flauschige Kissen. „Irwan, wer ist das schon.“ flüsterte ich ihr ins Ohr. Ich schob meine warme Hand zwischen ihre weichen Schenkel, drückte sachte gegen ihren Kitzler und streichelte sanft ihren geschwollenen Knuppel, führte ihr meinen Finger in die feuchte Pussy, spielte mit ihren inneren Schamlippen. Ich öffnete ihr die Beine, platzierte ein Kissen unter ihren Bauch, begab mich hinter ihr und küsste ihre Pussy, leckte und streichelte sie, bis sie kam. Ich legte mich neben ihren traumhaften Körper, schmuste mit ihr, streichelte ihr Haar, solange bis sie eingeschlafen war. Vorsichtig richtete ich mich auf, verließ den Schlafraum und suchte nach Melanie. Ich zog sie gierig unter die Dusche, aufgegeilt riss ich ihr die Kleider vom Leib, fickte sie animalisch unter dem rauschenden Wasser.
Gegen Abend, niemand von uns verspürte Hunger, deswegen gab es nur eine Schüssel grünen Salat. Meine Ladys guckten uns beim Essen zu, legten ihre Krankenschwesternmienen auf und hielten uns an, die Schüssel bis auf das letzte Blatt leer zu essen. Ben tat das gleiche wie ich. Er schwieg und spielte brav mit. Nachdem Melanie alles abgeräumt hatte, setzten wir uns zusammen.
„Der Grund weshalb ich einen Familienrat einberufen habe, ist folgender. Wenn Ben, vorausgesetzt wir sind alle damit einverstanden, mit auf die Jagd gehen soll, dann wird es Zeit, dass er sich einem knallharten Trainigsprogramm unterzieht.“
Ben öffnete seinen Mund.
„Warte mein Junge! Zuerst fordere ich alle zu einer geheimen Stimmabgabe auf, ob du zukünftig überhaupt bei der Jagd teilnehmen sollst.“
Ben brüllte los. „Du hast es mir versprochen. Du kannst jetzt nicht einfach etwas Anderes beschließen.“
Ich verstand seinen impulsiven Einwand.
„Ben, ich habe zugestimmt. Richtig. Aber ich bin nicht alleine. Mein Team besteht momentan noch aus drei weiteren Leuten.“
Ben hatte kein Einsehen.
„Du bist ein junger Mann, durch die Operation geschwächt und mitten in der Pubertät. Du verfügst über keine kriegerische Erfahrung, bist heißspornig und unbeherrscht. Das kann uns allen gefährlich werden.“ Eve sprach direkte Worte. „Dein Wunsch ein starker Jäger zu sein, geht nicht mit deiner kindischen Charakterschwäche einher. Du kennst die Gefahren nicht, die auf der Jagd lauern. Die Zielpersonen sind keine harmlosen Menschen, sondern brutale Mörder, hässliche Vergewaltiger und grausame Ungeheuer. Jeder Fehler endet tödlich.“
Bens Stirnader schwoll im Zorn an.
„Wie kannst du mir nur in den Rücken fallen?“, schnaubte er.
„Ja, das stimmt. Ich habe auch das Gefühl, dass du zu jung bist. Du bist gerade erst dem Tod entronnen. Besser du kommst erst zu Kräften, bevor du dich mit abgebrühten Menschenschlächter anlegst.“, sprach Melanie
Sie hatte Gefallen an Ben gefunden. An ihm konnte sie ihre mütterliche Fürsorge ausleben. Ich legte jedem einen leeren Zettel und einen Stift auf dem Tisch.
„Gut, wir stimmen ab. Bei drei Stimmen bist du dabei.“
Ben war der schnellste von uns allen. Seine Antwort war klar. Meine auch. Ich gab ihm mein Ja, schließlich hatte ich es ihm versprochen. Nachdem alle ihren Zettel beschriftet hatten, holte ich die Urne an den Tisch und wir warfen unsere Stimmen rein. Ben durfte die Urne leeren und die Stimmen auszählen.
Mit zittrigen Fingern öffnete er den ersten Zettel. Wir starrten auf das zerknüllte Papier. Ein Ja. Dann ein Blick in den zweiten, ein weiteres Ja. Wir bangten. Zweimal ein Ja, er war seinem Ziel zum Greifen nahe. Eine Stimme benötigte er noch. Er beeilte sich mit dem dritten. Ein Nein. Mein Herz blieb beinahe stehen. Ben öffnete den vierten, legte ihn mit geschlossenen Augen in die Tischmitte, wir sahen auf das Ergebnis. Totenstille. Ben riss seine Augen auf und las laut vor. Ein weiteres Nein. Ich war erstaunt. Meine beiden Ladys hatten mit Nein gestimmt. Tief im meinen Herzen war ich dennoch heilfroh über diesen Ausgang.
„Ben, lasse den Kopf nicht hängen.“, munterte ich ihn auf. „Wir beginnen mit deinem Training und wer weiß, vielleicht fällt die nächste Runde für dich wohlwollend aus.“ Ben trottete davon. „Zu dem Treffen der Jäger darfst du trotzdem mit.“, rief ich ihm hinterher. „Versprochen ist schließlich versprochen.“
Am nächsten Morgen weckte mich ein chaotisches Rumpeln im Haus. Ich sprang auf, tastete nach meiner 35er Glock und schlich mich zu der Quelle des Lärms. Bewaffnet und in knapper Unterwäsche folgten mir meine beiden Ladys hinterher.
„Hey, wünscht mir doch erst einen guten Morgen, bevor ihr mich erschießen wollt?“, begrüßte mich Steve.
Neben ihm stand Thorsten mit erhobenen Händen, dem der Schreck im kreidebleichen Gesicht stand, angesichts der drei Waffenläufe, die auf ihn zielten.
„Zieht euch was an, oder was soll Thorsten von euch denken.“
Verdattert blickte ich nach unten, wurde mir meiner Nacktheit gewahr und eilte schnellstens ins Schlafzimmer zurück. Ich schlüpfte in meinen Morgenmantel, Eve und Melanie kugelten vor Lachen auf dem Bett. Ich begrüßte den unerwarteten Besuch, während sich meine Ladys ins Badezimmer schlichen.
„Guten Morgen. Wollt ihr zum Kaffee bleiben?“, fragte ich höflich nach.
„Wir bleiben nicht nur zum Kaffee. Heute ist Pool-Time und eine Runde Sport auf dem Tennisplatz angesagt.“, erwiderte Steve.
„Schön, dann seid ihr herzlich an den Mittagstisch eingeladen. Es gibt bestimmt wieder ein Stück Wiese, wahlweise mit körnigem Feld gemischt. Ein Sträflingsmahl für unser Wohl.“
Eve zischte um die Ecke. „Das habe ich gehört.“
Ich zog meine Augenbrauen nach oben.
„Steve hast du später einen Moment Zeit für mich.“
Thorsten blickte mich argwöhnisch an. Sein Blick war mir unangenehm.
„Ich bin nicht eifersüchtig, falls du das meinst. Ich mache mir eher Gedanke um deine Leber.“, warf er ein.
„Meine Leber?“, hakte ich nach.
„Na, ich denke nicht, dass du schon an den Pool solltest, geschweige denn eine Runde Tennis spielen.“
Ich winkte ab. „Nein, keine ruckartigen Bewegungen. Ich weiß.“
Eve und Melanie begleiteten Thorsten nach außen an den Pool, wo er es sich sogleich bequem anrichtete, als ob er bald bei uns einziehen würde. Ich nutzte den Moment und klärte Steve über die Begebenheiten des letzten Abends auf.
„Wir haben gestern abgestimmt, ob Ben mit uns auf die Jagd darf. Er ist über das Ergebnis nicht begeistert. Zwei zu zwei. Ein Unentschieden, keine Mehrheit. Wundere dich also nicht, wenn er heute ein wenig mürrisch unterwegs ist.“
Steve holte sich einen Erdbeer-Milchshake aus dem Kühlschrank.
„Das Training kann er ruhig beginnen. Das schadet nicht. Wenn du magst, unterweise ich ihn. Was denkst du? Die Kraft der Elemente bietet neben der strukturellen Weltpolitik und der Wandlungsfähigkeit des Geistes, die beste Grundlage, um ein fundiertes Wissen zu erwerben.“
Ich überlegte nicht lange. Diese Lehren waren eindeutig Steves Stärken. Er trollte sich zu seinem Freund. Eve und Melanie kamen zu mir und küssten mich.
„Ladys, ich habe mich gerade mit Steve abgesprochen. Welchen Part wollt ihr in Bens Ausbildung übernehmen?“
Eve überlegte nur kurz. „Melanie, wenn du ihm die Organisation beibringst, dann bringe ich ihm die Manipulation des fremden Geistes bei.“ Melanie besaß keinerlei Einwände.
„Gut, dann werde ich seine Kondition trimmen, das Schießtraining übernehmen und seinen Willen stärken.“ Ich klatschte vor Begeisterung in die Hände. „Damit Ben keine Trübsal bläst, lasst uns schon heute damit beginnen. Eve stelle ihm einen Trainingsplan auf? Melanie kannst du unsere Reise zu dem Treffen der Jäger organisieren? Plane Steve ruhig mit ein. Er kann Ben unmöglich im Stich lassen.“, schmunzelte ich und wir schlugen uns siegesgewiss ab.
Eve schaute nach dem Rechner und den Listen. Doch der Rechner hatte nichts Verwertbares ausgespuckt. Ich weckte Ben, heute stand unsere regelmäßige Nachuntersuchung im Krankenhaus an. „Morgen mein Jungen. Aufstehen! Der Vampirdoktor wartet auf uns, will seine Dosis Blut von uns haben.“
Müde öffnete er seine Augen, wünschte auch mir einen guten Morgen. Ich setzte mich ans Bett. Tempotaschentücher lagen auf dem Boden. Ich stupste sie auf die Seite.“
„Brauchst dich nicht ekeln. Ich habe geweint, nicht gewichst.“
„Wegen gestern, dass tut mir leid. Bitte verstehe, es geht um Leben und Tod.“, rechtfertigte ich mich, denn ich wollte ihn nicht enttäuschen.
Ben vermittelte mir das Gefühl, dass er wegen dem Ergebnis der Abstimmung nicht nachtragend war.
„Wir haben dennoch eine Überraschung für dich, vorher besuchen wir aber das Krankenhaus. Vielleicht kannst du das Cortison bereits absetzen.“
Ben reckte sich, hüpfte mit einem Satz aus dem Bett, rieb sich den Bauch.
„Ich habe einen Mordshunger. Was gibt es zum Frühstück?“
Ich drückte ihn an mich.
„Alles worauf du Lust hast. Wird Zeit, dass wir den Ladys mit ihrem Ernährungsplan Einhalt gebieten. Sonst kommen wir aus dieser gutgemeinten Nummer überhaupt nicht mehr raus. Und ehe wir uns dreimal umdrehen, sind wir zu Hasen verkommen.“
Vereint bauten wir uns in der Küche auf.
„Wir verlangen ab sofort richtiges Essen für richtige Kerle.“, forderte ich mit bestimmten Ton.
Ben und ich verschränkten unsere Arme vor der geschwollenen Brust.
Eve und Melanie lachten über uns, äfften uns unbekümmert nach.
„Na gut, nur bitte keine fetten und salzigen Lebensmittel, nichts mit Fisch und allzu Süßes läuft auch nicht.“, warnte uns Melanie vor.
Ich war mir nicht sicher, ob es gut war, überhaupt etwas zu essen, wenn doch alles verboten war.
„Meine Engel, kann uns das Frühstück womöglich noch umbringen? Wir wollten nämlich nach dem Essen in die Klinik. Und falls wir die Morgenmahlzeit nicht überleben, wer nur kümmert sich dann um unsere Leber?“
Eve und Melanie verzogen sich kichernd aus der Küche. Der Kühlschrank war endlich unser Hoheitsgebiet und wir bereiteten uns dicke Sandwiches, mit allem was wir in den Kühlfächern vorfanden. Nur die möglich essbare Höhe des Happens hielt uns in Schranken. Wir fielen wie eine hungrige Hundemeute über den übertriebenen Imbiss her.
„Hast du deine Mutter die Tage angerufen?“, fragte ich Ben mit vollem Mund.
„Nö, ich bin noch immer wütend.“ Er fischte sich das Zwiebelstück vom Brot und schob es sich genüsslich in den Mund.
„Das solltest du aber tun. Du brauchst dich nicht genauso blöd verhalten wie sie es getan hat. Sei schlauer! Du bist schließlich mein Junge, und ich will stolz auf dich sein. Ruf bitte heute noch an. Okay?“
Ich wartete eine Reaktion ab, doch er gab kein erkennbares Zeichen der Zustimmung von sich.
„Okay?“, hakte ich konkreter nach.
Ben nickte widerwillig, aber das war mir egal. Natürlich verstand ich seine Enttäuschung, aber Sandra war nun mal seine Mutter, daran zu rütteln, oder es gar zu ignorieren, wäre zwecklos.
Nach dem ausgiebigen Frühstück, allerdings ohne Kaffee und Kakao, sondern mit Sprudelwasser und grünem Tee, begaben wir uns ins Krankenhaus. Steve und Thorsten sonnten sich turtelnd am Pool, Eve und Melanie sinnierten über das ein oder andere Einrichtungsstück nach. Sie alle waren mit Sinnvollem beschäftigt. Der Arzt war soweit zufrieden, doch das Cortison sollte Ben noch eine Zeitlang zu sich nehmen, große Menschenansammlungen waren aufgrund der Ansteckungsgefahr weiterhin zu meiden und ganz wichtig, er sollte unbedingt an die Regelmäßigkeit der Medikamenteneinnahme denken. Sein Immunsystem unterlag noch immer starken Schwankungen. Aber alles in allem, es ging aufwärts mit uns beiden. Ich fühlte mich großartig und stolz auf mich, auf meinen Jungen, auf meine Ladys. Das Leben zeigte sich von seiner vollen Seite. Zur Feier des Tages lud ich ihn auf ein Eis in die Stadt ein.
„Papa, ich hasse Mama von ganzem Herzen. Ich wünschte sie wäre nicht da.“
Der verkniffene Blick zog seine Augenbrauen diabolisch zusammen. Ich war fassungslos. Mich übermannte das Gefühl der Machtlosigkeit angesichts solch vernichtender Worte, ich musste einschreiten, etwas gegen seine zerstörerischen Gedanken tun.
„Ich fühle wie du. Ich verstehe dich von ganzem Herzen, nur das bringt niemanden voran. Ich kann überhaupt nicht mehr zählen, wie oft ich deiner Mutter am liebsten eine Kugel durch ihren Schädel gejagt hätte. Doch was hätte das gebracht? Meine Genugtuung wäre so gering gegen den Schaden, den ich verursacht hätte.“
Ich drehte mein hellgrünes Minze-Eis, schleckte die andere Seite.
„Warum hat sie das getan? Als Kind war ich glücklich mit meiner Mami. Doch je älter ich wurde, umso schlimmer wurde das Verhältnis mit ihr. Jetzt sitze ich hier, mit einer hässlichen Narbe am Körper, und ihren Lügen in meinem Schädel. Papa, ich will Mama nicht anrufen. Bitte zwing mich nicht dazu. Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe.“
Ich schnaufte laut auf. „Wenn du gar nicht kannst, dann lass es. Ich bin nicht in der Position dir etwas zu befehlen. Doch arbeite an deinem schrecklichen Groll, bevor er dich von innen auffrisst.“
Nach dem erfrischenden Eis fuhren wir heim, in unser eigenes Zuhause. Die Überraschung wartete, sein Training sollte beginnen. Es gab so vieles zu wissen, zu lernen, zu üben. Ich betrachtete meinen Junge.
„Sandra, was hast du nur angestellt? Warst du wirklich zu dumm, um zu kapieren, dass dein fieses, verlogenes Handeln irgendwann ein Bumerang werden könnte. Ich hasse dich. Du bist kalt und dein Herz ist hässlich.“
Noch immer kochte die unsägliche Wut in mir. Meine Ladys stürmten auf uns zu, erkundigten sich nach unserem Zustand.
„Wir werden es anscheinend überleben.“, versicherte ich ihnen lachend.
„Na, da warten wir ab. Noch ist es nicht zu spät.“
Eve fuhr sich mit dem Daumen über den Hals, Melanie hielt sich die Fingerpistole an den Schädel und drückte ab. Schallendes Lachen schwang über das Grundstück.
„Los Ben, komm schon, wir haben deinen persönlichen Trainingsplan erstellt.“
Ben war nicht mehr aufzuhalten. Es stand ganz in seinem Sinne. Meine Ladys stellten ihm dem Plan vor. Steve hatte seine Unterrichtszeiten bereits in der Tasche, ich bekam die Abende mit unserem heranwachsenden Jäger, deswegen verlegten wir das sportliche Training in die späten Stunden hinein. Melanie bat ihn, ihr bei der Organisation der bevorstehenden Reise nach Kalifornien zur Seite zu stehen. Sie versprach ihm, ihn bei jeder Gelegenheit in die Planungen einzubeziehen. Nur so konnte er direkt lernen. Eve sicherte ihm zu, wann immer sich eine wunderbare Gelegenheit der Manipulation anbot, sollte er seine Lektionen erfahren. Steve erhielt unweigerlich den intensivsten Teil der Ausbildung. Er war der unbestrittene Meister, seine Kenntnisse in den unterschiedlichsten Techniken und Varianten übertraf mein Wissen bei Weitem. Während ich ein Team um mich versammelte, besäße er die Fähigkeit, alleine zu jagen, mit keinem geringeren Erfolg. Ich allerdings war im Besitz eines entscheidenden Vorteils, ich trug eine Vision in mir, die stärker war als die Angst vor dem Tod und dem Töten. Dieser Vision schwor ich meine ewige Treue, solange wie mein Geist durch meinen Körper getragen wurde, ihn befähigte, das zu tun, was getan werden musste. Die Welt sollte ein herrlicher Ort sein, an dem die Menschheit in Frieden lebte und unsere Kinder unbeschwert träumten. Ich und all meine Gefährten mühten uns mit der vereinten Kraft, ein intaktes Immunsystem zu implantieren. Die Krankheit des Bösen galt es niederzuwerfen und restlos auszurotten, das war mein Wille. Eine göttliche Macht in mir, viel imposanter als der Prunk des Lebens, loderte in meinem Herzen.
„Ben, wir treffen uns zehn Uhr zum Laufen.“
Ich tippte auf meine Hublot Black Caviar Bang, ein passendes Prachtstück für mein Handgelenk.
„Morgen früh? Geht klar.“, stimmte er mir voreilig zu.
Ich griente ihn lausbübisch an.
„Heute, später Abend mein Junge. Was glaubst du denn!“, berichtigte ich ihn und klapste ihm verspielt auf den Hinterkopf.
Melanie nahm ihn schützend in den Arm.
„Wir kümmern uns um die Reise. Bis später.“
Eve küsste mich. „Du bist ein toller Papi. Ich liebe dich mein Prinz.“ Sie folgte den Beiden ins Haus.
Da stand ich nun, geliebt und souverän. Ich schlenderte zu Steve und Thorsten, die entspannt am Pool sonnten, sich gegenseitig ihre muskulösen Körper einölten.
„Euch geht es gut. Das freut mich. Eine Bitte habe ich trotzdem an euch, meine Freunde. Wenn ihr euch einölt, dann tut das doch weniger lasziv.“
Ich deutete zur Glasfront, wo sich meine Hotties gerade die Nasen plattdrückten und das Schauspiel bestaunten, oder vielmehr, sie spannten ordinär. Steve winkte auffordernd und ließ seine Brustmuskeln tanzen. Thorsten biss ihm trotzig in die Schulter.
„Steve, ich danke dir, dass du dich Ben annimmst. Er benötigt eine starke Hand. Sei nicht allzu zimperlich mit ihm.“ Ich grinste ihn an. „Eines noch. Ich spüre ständig die spitze Heroinnadel im Nacken. Das solltest du auch tun. Die Lust auf das Drecksgift wird zurückkommen. Du weißt, es gibt keine absolute Heilung von dem Teufelszeug.“
Steve versicherte mir, seinem neuen Zögling mit wachen Augen entgegenzutreten.
„Thorsten, wirst du mir helfen?“, fragte Steve seinen Lover.
„Diesen hübschen Jungen, wie einen wertvollen Rubin werden wir ihn bewachen.“
Ich lächelte ihn an. „Lass vor allem deine Finger von seinem Rubinpopo.“, warnte ich ihn.
Steve prustete los, streichelte Thorsten über den Kopf.
„Das meint der Ernst. Sonst macht er Gulasch aus dir.“
Jedoch, der Arzt war nicht auf den Mund gefallen.
„Junge Leber macht mich nicht geil. Keine Sorge, mein Lieber. Beim Vater, da könnte es eher kritisch werden.“
Steve zog ihn zu sich her, presste ihn in den Schwitzkasten und drückte zu.
„Was hast du Schwuchtel gerade gesagt. Ich breche dir gleich alle Knochen. Du spinnst wohl.“
Thorsten hebelte sich mühelos aus der Umklammerung, sprang auf, lachte Steve und mich aus, sprang zur Erfrischung in den Pool.
„Lobenswert, ihr beide besitzt den gleichen guten Geschmack.“, frohlockte ich, tanzte beschwingt zu meinem Team ins Haus.
Ben saß hochkonzentriert an den Rechnern. Melanie wies ihn in die hohe Kunst des Reisens ein.
„Informiere dich über die Absturzraten der Airlines, reise unbedingt erste Klasse, achte darauf in welches Land du fliegst. Überprüfe die politische Lage, manchmal ist ein Umweg dem direkten Flug vorzuziehen.“
Ben sog die Informationen wie ein trockener Schwamm auf, lauschte den interessanten Erklärungen.
„Was du unbedingt brauchst, sind Menschen an den wichtigen Schlüsselpositionen, die dir behilflich sein können. Zum Beispiel am Flughafen. Wir tragen die Waffen stets bei uns. Das ist deine Lebensversicherung, die gibst du niemals aus den Händen. Einer der zehn goldenen Regel. Der Waffenkoffer muss mit, allerdings ohne unnötiges Aufsehen zu erregen. Denk an die unbedarften Menschen, die werden schnell nervös, wenn sie Waffen im Flieger sehen. Fürchterlich.“
Eve stand im Hintergrund, beobachtete Melanie, die mit ihrer schwarz umrahmten Brille wie eine Oberlehrerin wirkte. Eve bewunderte Melanie für ihr einfühlendes Wesen, liebte ihr weibliches sanftes Auftreten. Sie lauschte dem französischen Akzent, betrachtete ihr wunderschönes Gesicht, das von dem roten Haar feengleich eingerahmt war. Eve blinzelte zu mir rüber, ich las den Wunsch aus ihren Augen ab.
„Kurz nur Ben, ihr könnt gleich weitermachen. Ich will dir Thorsten näher vorstellen. Da Steve die meiste Zeit mit dir verbringen wird, ist es nur von Vorteil.“
Mürrisch folgte er mir, Melanie öffnete ihren Mund, sammelte bereits die Argumente für einen Einwand, doch Eve deutete ihr mit dem Finger auf den Lippen an, dass sie schweigen sollte. Ich zwinkerte beiden zu, lockte Ben hinfort, damit sich meine Hotties ungestört ihrem Lustspiel hingeben konnten. Nichts auf dieser Welt versüßte das Dasein mehr, als fantastischer Sex und leckeres Essen. Ich war angetörnt. Doch am Wasser trafen wir nur Steve an.
„Wo ist Thorsten?“, erkundigte ich mich angeregt. Steve stopfte seine Handtücher rasch in die Trainingstasche.
„Den habe ich zum Teufel geschickt. Ich bleibe die nächsten Tage hier. Der soll mal aufpassen, was er von sich gibt. So ein eingebildetes Arschloch.“
Er war sichtlich wütend, die angeschwollene Ader über seiner Stirn pochte.
„Bist du etwa eifersüchtig?“, hakte ich nach.
„Ich habe nicht von Eifersucht gesprochen, oder hast du derartiges gehört? Ich habe ihn lediglich darauf hingewiesen, dass er aufpassen soll, was er von sich gibt. Nichts weiter. Der Wichser soll sich selber ficken.“, grummelte Steve.
„Ben, wir fangen morgen mit dem Training an. Ich habe gerade echt keinen Nerv darauf.“
Steves Stimme war in einer ziemlich zickigen Tonlage, die Rage spannte ihm förmlich die Muskeln, er stierte mich wütend an, dabei war ich doch am wenigsten daran beteiligt.
„Steve, geh bitte über die Garage ins Haus. Meine Ladys haben gerade eine hitzige Besprechung.“ Ich schmunzelte süffisant.
„Komm Ben, wir gehen spazieren und unterhalten uns über den Willen.“
Wir stiegen die in Terrassen angelegten Stufen nach unten, ich bestaunte nach wie vor unseren Prachtbau, der mich an die südlichen Gefilde trug. Wir folgten der Straße, vorbei an den luxuriösen Heimen, die sich an beiden Seiten einfügten und eingebettet waren in den grünsprießenden Parks.
„Eve und Melanie, sind die eigentlich lesbisch? Die machen dauernd an sich rum. Das ist doch nicht normal.“
Ben blickte mich verdutzt an.
„Wie kommst du darauf?“, erwiderte ich entsetzt.
„Na, wie die sich angucken, und weil sie sich andauernd küssen und gegenseitig befummeln. Das sieht doch ein Blinder. Da läuft was.“
Ich hielt inne. „Nein, ich meinte, warum sollte das denn nicht normal sein. Sie lieben sich. Sie lieben mich. Ich liebe sie.“, untermauerte ich seine Vermutung.
„Dann sind sie also lesbisch!“, nagelte Ben mich fest.
„Ja, auch.“ Ich hoffte, die Befragung fand somit ein Ende.
„Stört dich das nicht?“
Ich japste. „Du willst wohl alles wissen! Das geht dich eigentlich nichts an. Nein, das stört mich nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil, es törnt mich an. Jetzt aber genug.“
Ich wiegelte ab, doch Ben blieb unbeirrbar.
„Wenn ich dich nicht fragen kann, wenn soll ich denn fragen? Mami konnte ihre Männer nur kurz an sich binden. Es waren zwar unglaublich viele Männer, doch keiner hielt es länger als vier Wochen bei ihr aus.“
Ich verstand seine Situation.
„Gut, frage mich, aber frage mich nicht direkt nach meinem Beziehungs- und Sexualleben aus. Das ist mir mehr wie unangenehm, ansonsten beantworte ich dir jede Frage. Lieber wäre es mir allerdings, wenn du endlich ein Mädchen finden würdest. Eine Lady deines Herzens. Dann würde sich für dich vieles von selbst erklären.“
Ben klopfte mit leichtem Schlag gegen seine Brust.
„Jetzt noch nicht. Ich will erst heil sein. Bin ja immer noch im Frankensteinmodus.“