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DER ZITRUSSTAMMBAUM

Die Zitrone ist keineswegs eine Entdeckung der Neuzeit – seit Jahrtausenden schwören die Menschen auf ihre heilende Kraft. Und nicht nur ihre – die Zitrone hat eine riesige Familie artverwandter Zitrusfrüchte, die in unserem Leben eine nicht minder wichtige Rolle spielen.

Die Geschichte der Zitrone

Es gibt wohl kaum eine andere Frucht, die in der Geschichte der Menschheit eine so große Rolle spielt, wie die Zitrone. Ob als natürliches Heilmittel, luxuriöses Statussymbol, religiöses Objekt, als Metapher der Sehnsucht, als dekoratives Gartenelement, alternatives Putzmittel oder unersetzliche Zutat in vielerlei Speisen – ohne die gelbgoldene Superfrucht wäre das Leben, wie wir es kennen, einfach nicht das gleiche.

Seit Anbeginn der Aufzeichnungen finden sich Spuren der Zitrone in Schriften und Chroniken, sodass es heutzutage ein Leichtes ist, den Weg der Zitrone von ihrem Ursprung in Indien und China, über Afrika und Europa, bis hin in die Neue Welt nachzuvollziehen. Kein Kontinent konnte der sauren Schönheit widerstehen, weswegen sie heute auch – sofern es die klimatischen Gegebenheiten erlauben – in der ganzen Welt heimisch ist.

Jede Länderküche hat ihre eigenen, kulinarischen Besonderheiten, doch in jeder kommen verschiedenste Zitrusfrüchte auf die ein oder andere Weise zum Einsatz. Ob die mediterranen Leckereien Italiens, der berühmte Caipirinha Brasiliens, die britische Bitterorangenmarmelade, thailändische Currys mit Limettenblättern oder australische Limonade – einfach unvorstellbar ohne das charakteristische Aroma der Zitrusfrüchte.

Die Zitrone punktet jedoch nicht nur mit ihrem Geschmack, sondern auch mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen. So war es die Kraft der Zitrone, die die Seefahrer vor Jahrhunderten vor dem gefürchteten Skorbut rettete. Durch die einseitige Ernährung während den langen Monaten auf den Ozeanen, oft nur mit Schiffszwieback und gepökeltem Fleisch versorgt, streckte die – zur damaligen Zeit noch nicht als solche erkannte – Mangelerscheinung große Teile der Besatzungen nieder.

Wie wir heute wissen, enthalten Zitronen jede Menge Vitamin C, ein wichtiger Stoff, den der Körper braucht, um Kollagen zu bilden, welches wiederum unersetzlich für das menschliche Bindegewebe ist. Fehlt das Vitamin, kommt es zu Blutungen, das Zahnfleisch zieht sich zurück, die Zähne fallen aus, Betroffene werden von einer bleiernen Müdigkeit geschwächt.

Dem britischen Arzt Dr. James Lind gelang im Jahre 1753 nach einer Reihe an Experimenten mit erkrankten Seefahrern schließlich der Durchbruch: Sauerkraut und Zitronensaft, also eine geballte Ladung Vitamin C, heilten die geschwächten Matrosen. Doch es sollten noch rund 20 Jahre vergehen, bis sich der Erste Kapitän Linds Empfehlung zu Herzen nahm und seine Besatzung nötigte, täglich Zitronensaft zu trinken. Auf seiner mittlerweile dritten Reise Richtung Südsee versorgte James Cook seine Matrosen mit ihrer täglichen Portion Vitamin C – und siehe da, das war’s mit dem Skorbut.


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es Wissenschaftlern schließlich, die einzelnen Nährstoffe und Vitamine der Zitrone genauer zu bestimmen – ihnen verdanken wir das Wissen um die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten des gelben Superfoods und die damit verbundene positive Wirkung auf Körper und Geist.

Zur selben Zeit, in der Käpt’n Cook seine Seeleute mit Zitronenschnitzen fütterte, entdeckte ein junger venezianischer Frauenheld die Kraft der Zitrone für seine amourösen Abenteuer: Giacomo Casanova funktionierte die goldene Frucht mal eben zum Verhütungsmittel um. Während die Wirkung des Zitronensafts als Spermizid bereits im alten Judentum bekannt war, ging Casanova noch einen Schritt weiter und setzte ausgehöhlte Zitronenhälften als natürliches Diaphragma ein. In Zeiten, in denen es weder die Antibabypille noch Kondome gab, eine durchaus effektive Methode, das Risiko ungewollter Schwangerschaften und übertragbarer Krankheiten einzudämmen, denn ganz nebenbei wirken die in der Zitrone enthaltenen Stoffe auch noch antibakteriell und antimykotisch.

Mit Beginn der industriellen Revolution und der damit verbundenen Mobilität und Massenproduktion erreichten schließlich auch endlich große Mengen der begehrten Zitrusfrüchte die Gebiete nördlich der Alpen, die witterungsbedingt nicht zum großflächigen Zitronenanbau taugen.

Die besondere Kraft der Zitrone mit ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten war wissenschaftlich bestätigt, die Infrastruktur geschaffen – dem Siegeszug der Zitrone in Küche, Kosmetik, Haushalt und Gesundheit stand nichts mehr im Wege.


Bunte Vielfalt: die große Familie der Zitrusfrüchte

Die Zitrone und ihre Verwandten

Im zarten Alter von fünf Jahren bekam ich von einer Kindergartenfreundin ein Buch zum Geburtstag geschenkt: »Linnéa und die schnellste Bohne der Stadt« – ein illustriertes Kinderbuch, das auf spielerische Weise ans Gärtnern heranführt und hilfreiche Tipps für die kindgerechte Pflege von Pflanzen mitbringt. Protagonistin Linnéa beginnt auch sogleich, ihren grünen Daumen zu schwingen, und pflanzt einen Apfelsinenkern ein – ich tat es ihr gleich, und obwohl ich mein Orangenexperiment wortwörtlich im Keim erstickte, hatte ich mit der folgenden Avocado- und Bohnenzucht dagegen echte Erfolgserlebnisse. Der kleine Band über Linnéa und ihre Pflanzen gehört immer noch zu meinen absoluten Lieblingsbüchern – heute umso mehr, da der schwedische Naturforscher und Systematiker Carl von Linné nicht nur Namenspate der kleinen Linnéa war, sondern sich auch höchstpersönlich für die Einteilung der Gattung Citrus in einzelne Arten verantwortlich zeichnete.

Im Jahre 1753 stellte er als Erster hochoffiziell die Gattung Citrus vor und unterteilte sie in fünf Vertreter: die Zitrone, die Zitronatzitrone, die Pampelmuse, die Bitterorange und die süße Orange. Mit dieser Nomenklatur setzte er sich über die Jahrhunderte gegenüber diversen Versuchen einer Neukategorisierung durch. Heutzutage sind seine ursprünglichen fünf auf drei Arten reduziert, denn mithilfe der modernen Wissenschaft konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei den anderen beiden um Mutationen oder Hybride handelt. Die Urvater aller existenten Zitrusfrüchte sind also die Zitronatzitrone, die Pampelmuse und – Überraschung! – die Mandarine. Alle anderen Arten und Sorten, die wir heute kennen, sind durch Kreuzungen aus diesen dreien entstanden.

Die Zitruspflanzen gehören zur Ordnung der Seifenbaumartigen, genauer zur Familie der Rautengewächse, und sind in tropischen Gebieten beheimatet. Ihre Früchte sind eine Sonderform der Beere, was sich auch dem Laien spätestens an der charakteristischen Form selbiger erschließt. Zitruspflanzen manifestieren sich in großen Sträuchern und immergrünen Bäumen die je nach Sorte bis zu 25 Meter Wuchshöhe erreichen. Ihre Blüten sind strahlend weiß und verströmen einen unnachahmlichen Duft. Die Früchte changieren zwischen sattem Grün, strahlendem Gelb und warmem Orange.

Von A wie Amalfizitrone bis Z wie Zitronatzitrone

Und bevor es überhaupt richtig losgeht mit der kleinen Zitronenkunde, muss auch schon selektiert werden. Denn das, was wir landläufig als Zitrone bezeichnen, gliedert sich eigentlich in zwei verschiedene Arten: die Zitrone und die Zitronatzitrone. Die Zitronatzitrone, im Volksmund auch »medischer Apfel« genannt, ist die erste Zitrusfrucht überhaupt, deren Anbau in europäischen Gefilden erfolgreich gelang. Sie kam bereits im Jahre 70 nach Christus nach Europa, genauer nach Spanien: Jüdische Einwanderer brachten die herbe Frucht auf ihrer Flucht aus Jerusalem mit nach Spanien, wo sie optimale Bedingungen zum Anbau vorfanden. Ursprünglich stammt die Pflanze jedoch aus der Region Assam am Fuße des Himalaja.

Im Buddhismus und im Judentum spielt die Zitronatzitrone eine wichtige Rolle. Sie wird für religiöse Riten verwendet und ist von symbolischer Bedeutung.

Die Zitronatzitrone besteht aus einer sehr dickfleischigen Schale und nur wenig Fruchtfleisch – sie ist daher nicht wirklich für den Verzehr geeignet. Dafür wird das, aus der süßen Küche bekannte, Zitronat aus der Schale der Zitronatzitrone gewonnen, auch Marmelade und Likör sind ein beliebtes Endprodukt, genauso wie das wertvolle ätherische Öl, welches aus der fleischigen Schale stammt. Die einzelnen Früchte sind im Vergleich zur Zitrone riesig und unförmig. Sie können tentakelartige Auswüchse aufweisen und, je nach Sorte, ein Gewicht von bis zu vier Kilogramm auf die Waage bringen.

Zitronatzitronen werden häufig auch als Zedrat-Zitrone oder Zedernfrucht bezeichnet. Hier liegen die Ursprünge des Namens »Zitrone« begründet. Abgeleitet vom griechischen kedrómêlon, dem Zedernapfel, denn die gelben Früchte verströmen einen starken, Motten abwehrenden Duft, ganz so wie ihr Namenspatron, die Zeder. Die »normale« Zitrone, also die Frucht, die wir landläufig als Zitrone bezeichnen und um die es in diesem Buch geht, ist das Ergebnis einer Kreuzung der Zitronatzitrone und der Bitterorange. Ihr lateinischer Name lautet Citrus limon, hier leitet sich also der ebenso gebräuchliche Ausdruck »Limone« ab.


Der Zitronenbaum ist nicht nur robuster als die meisten anderen Zitruspflanzen, er trägt auch das ganze Jahr über Blüten – sofern denn die klimatischen Bedingungen stimmen – und garantiert so einen kontinuierlichen ergiebigen Ertrag.

Mittlerweile zählt man Hunderte verschiedener Zitronensorten, die meisten davon werden wir als Verbraucher wohl jedoch niemals zu Gesicht bekommen. Es haben sich einige Klassiker etabliert, die weltweit im Handel erhältlich sind.

Da wäre zum einen die Meyer-Zitrone, ein Hybride, der Anteile der Orange in sich trägt. Diese Sorte ist vor allem in den USA populär. Sie ist weniger sauer als die meisten Zitronen, rundlicher in der Form und weist einen kräftigen goldgelben Farbton auf. Die Sorten Lunario und Eureka bringen bereits im Anbau einen entschiedenen Vorteil mit: Ihre Bäume haben weit weniger Dornen als die meisten anderen Sorten, und sie sind sehr ertragreich. Zudem sind sie kernarm, dafür aber sehr saftig – perfekt für die Verwendung in der Küche.

Die Amalfi-Zitrone ist vermutlich die Frucht, die wir alle vor Augen haben, wenn wir an italienische Zitronen denken. Sie ist größer als ihre Artgenossen und wunderbar aromatisch – viel zu schade für den Einsatz im Haushalt, dafür aber wie gemacht für leckere Speisen, in denen ihr würziges Bouquet voll zur Geltung kommen kann.

Und dann gibt es da noch ein paar andere, die wir vermutlich alle schon einmal aus dem Supermarkt mit nach Hause gebracht haben: so zum Beispiel die Verna aus Spanien, die Zagara Bianca, die Primofiori oder die Feminello.

Die Limette

Der Name »Limette« stammt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt »Kleine Limone« – und genauso nehmen wir sie auch war, die sattgrüne Zitrusfrucht: als kleine Schwester der Zitrone. Mit ungefähr fünf Zentimetern Durchmesser und einer kugeligeren Form als ihre gelbe Verwandte ist sie, neben Orangen und Mandarinen, eine der weit verbreitetsten Vertreterinnen ihrer Art. Apropos sattgrün: Viele Limettensorten färben sich ebenfalls zartgelb, wenn sie voll ausgreift sind. Die grünen Limetten wurden unreif geerntet und hatten somit keine Chance mehr, ihre Farbe voll auszubilden.

Limetten enthalten weniger Vitamin C und Nährstoffe als Zitronen und finden somit eher als Genuss- denn als Heilmittel Verwendung. Da die Schale der Limette wesentlich dünner ist als die der meisten anderen Zitrusfrüchte, ist sie auch anfälliger und wird fast immer mit Konservierungsmitteln behandelt. Biolimetten haben sich im Handel noch längst nicht so durchgesetzt wie Zitronen oder Mandarinen aus biologischem Anbau, also immer gründlich waschen, bevor die grünen Klopse weiterverarbeitet werden.

Da Limettenbäume sehr kälteempfindlich sind, eignen sie sich weniger für den heimischen Garten als beispielsweise die etwas robusteren Zitronen – dafür brauchen sie weniger Wasser. Auch nicht schlecht.Ursprünglich aus Indien stammend, sind die Hauptanbaugebiete heutzutage Sri Lanka und Malaysia, Kenia, Ägypten und Florida.


Während es auch bei den Limetten zahllose verschiedene Sorten gibt, ist die, welche wir meist im Supermarkt antreffen und mit Freude in unseren Mojito stampfen, die mexikanische Limette, ebenfalls bekannt unter dem lateinischen Namen Citrus aurantifolia. Sie wird auch gern auch als »Echte Limette« bezeichnet. Diese Sorte enthält relativ viele Samen, wird dafür aber selten größer als ein Golfball. Ebenso weit verbreitet ist die Persische Limette, etwas profaner »Gewöhnliche Limette« genannt, die, wie der Name schon verrät, ursprünglich aus dem Nahen Osten stammt und mit einer größeren Frucht, weniger Kernen und mehr Saft punkten kann.

Neben den gefühlt »eingedeutschten« Limetten spielt auch die asiatische Kaffir-Limette eine immer größere Rolle in der Küche – ist sie doch für den charakteristischen Duft thailändischer Speisen verantwortlich und holt uns somit einen Hauch Südostasien auf den Teller. Ihre Früchte haben eine runzelige, unebene Schale und enthalten nur wenig Saft, stattdessen sind es die Blätter der Kaffir-Limette, die verwendet werden. Als Ganzes mitgekocht – ähnlich einem Lorbeerblatt, das vor dem Essen wieder herausgefischt wird – oder aber in hauchdünne Streifen geschnitten und somit für den Verzehr geeignet, bereichert sie Currys, Suppen und Getränke mit ihrem charakteristischen, würzigen Aroma.

Die Orange

Yaey, endlich kommen wir zu einer Zitrusfrucht, die man mit Freude gleich kistenweise verspeisen möchte – die Orange! Die Süßorange, wohl gemerkt, auch bekannt als Apfelsine. Denn bei Orangen müssen wir knallhart zwischen Süß- und Bitterorangen unterscheiden. Die Süßorange stammt ursprünglich aus China, daher auch der lateinische Name Citrus sinensis. Sie entstand aus einer Kreuzung der Mandarine mit der Pampelmuse und kam im 15. Jahrhundert als Handelsware nach Europa. Heute ist sie die meist angebaute Zitrusfrucht weltweit.


Die verbreitetsten Gruppen der Süßorange sind die Navel-Orangen aus Brasilien, mit ihren zahlreichen Sorten, die Jaffa-Orange aus dem Nahen Osten und die Valencia, beide aus der Gruppe der Blondorangen, heimisch im Mittelmeerraum. Diese Züchtungen werden vor allem wegen ihrer Süße und dem hohen Saftgehalt geschätzt. Und dann gibt es da noch die Gruppe der leuchtend purpurnen Blutorangen. Ihre charakteristische rote Farbe erhalten sie durch einen chemischen Prozess. Sind sie großen Temperaturschwankungen, wie warmen Sonnenstrahlen am Tag und klirrendem Frost in der Nacht, ausgesetzt, sorgt das in der Schale und dem Fruchtfleisch enthaltene Anthocyan für den chamäleongleichen Farbwechsel. Apropos Farbe: Wie bei der Zitrone, ist auch die Farbgebung der Orange nicht ausschlaggebend für den Reifegrad. Denn auch das leuchtende Orange entsteht erst durch Nachtfrost, bleibt dieser, wie in den heißen Ursprungsländern gar nicht so unüblich, aus, bleibt die Orange grün und wird auch, ebenso grün, reif geerntet und verzehrt. Lediglich für den westlichen Markt, dessen Verbraucher »grün« immer gleich auch mit »unreif« assoziieren, wird künstlich nachgeholfen – orange Orangen verkaufen sich einfach besser.Die Bitterorange, auch bekannt als Pomeranze, ist zwar ebenfalls eine Kreuzung aus Pampelmuse und Mandarine und heimisch im Süden Chinas, weist allerdings kleinere Früchte und den für sie charakteristischen bitteren Geschmack auf. Die gelb-orangen Früchte erreichten bereits im 11. Jahrhundert die Küsten Italiens und fanden so Verwendung als Gewürz, Heilmittel und Duftstoff, lange bevor die süße Variante auf unseren Tischen landete. Für den puren Verzehr ist die herbe Frucht nicht wirklich geeignet. Allerdings wird aus ihrer Schale das bekannte Orangeat gewonnen und die ganze Frucht zur berühmten britischen Orangenmarmelade verkocht. Heutzutage sind vor allem die Pharmaindustrie und die Parfümerie die Hauptabnehmer der Bitterorange.


Auch bekannt als grünes Gold – die Bergamotte.

Die Bergamotte, eine ebenfalls recht geläufige Zitrusfrucht, stammt übrigens von der Bitterorange ab: Durch eine Kreuzung mit der Limette entstand die in der Parfümerie hochgeschätzte Art.

Die Mandarine

Wer hätte es gedacht – natürlich stammt auch die beliebte Mandarine, wie fast alle Zitrusfrüchte, aus dem fernöstlichen China und dem Norden Indiens. Unsere Breitengrade erreichten die kleinen Früchtchen verhältnismäßig spät. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Kisten mit Mandarinen in Europa an. Aus ihnen entwickelten sich allerdings recht schnell die neuen, im Mittelmeerraum beheimateten Sorten, die wir so gern im kalten Winter naschen.

Die Mandarine ist eine eigene Art, die als Basis vieler Kreuzungen diente. Die fabulösen Clementinen, die praktischerweise keine Kerne haben, sind ein Hybrid aus Orangen und Mandarinen. Sie merken schon, liebe Leserinnen und Leser, in der Familie der Zitrusfrüchte wurde fröhlich hin- und hergezüchtet …


Die Kumquat – klein, aber oho!

Mandarinen sind eine der wenigen Zitrussorten, die sich kinderleicht schälen lassen und es ermöglichen, die einzelnen Fruchtschnitze ohne großes Gematsche voneinander zu trennen.

Die Kumquat

Klein, aber oho! Der Vollständigkeit halber darf natürlich auch die kleine Kumquat nicht im Zitrusstammbaum fehlen. Auch sie kommt ursprünglich aus Asien, ist heute aber auch im Mittelmeerraum und den USA beheimatet. Bis heute ist nicht ganz klar, ob die kleine Kumquat durch Kreuzung und durch Züchtung entstanden ist oder ob sie eine eigene Art ist, die lediglich der Gattung Zitruspflanzen zugeordnet wird.

Besonders praktisch: Die kleinen Früchte können komplett mit Schale gegessen werden, weswegen sie nicht selten direkt vom Baum im Mund landen. Mhmmm … Mit ihrem herben und leicht säuerlichen Geschmack liegen sie zwar weniger selten im Obstkorb, thronen dafür aber umso öfter als aromatisches i-Tüpfelchen auf frischen Salaten.

Die Pampelmuse

Achtung, jetzt wird’s kompliziert: Die Pampelmuse ist eine Pflanzenart, die viele Sorten in sich eint, und aus der zahllose neue Köstlichkeiten entstanden sind. Die Kreuzung einer Mandarine mit der Pampelmuse brachte uns die heiß geliebte Orange ein. Kaum hatte diese das Licht der Welt erblickt, wurde wieder zurückgekreuzt: Die Orange ergab zusammen mit der Pampelmuse die erste Grapefruit. Und weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind, machten sich findige Botaniker noch mal ans Werk und beglückten uns mit der Pomelo, deren Eltern die Grapefruit und die Pampelmuse sind. So viel Inzest am Obstbäumchen, so viel köstliche Resultate!

Die Pampelmuse ist die größte Zitrusfrucht und kommt mit einem sehr eigenen, leicht bitteren Geschmack daher – entweder man mag sie oder eben nicht. Dafür ist die Grapefruit, entgegen vieler Vorurteile, mittlerweile eine recht milde, fast schon süßliche Alternative – und das nicht nur aus geschmackstechnischer Sicht. Grapefruitkernen wird eine antibiotische Wirkung nachgesagt, die sie zum perfekten Hausmittel gegen Bakterien und Pilze machen. Und auch der Vitamingehalt kann sich sehen lassen.


Das verträgt sich nicht!

Achtgeben muss man bei der gleichzeitigen Einnahme von Grapefruit und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die in der Grapefruit enthaltenen Furanocumarine reagieren mit den Inhaltsstoffen vieler Arzneien, wie Mitteln gegen Bluthochdruck, Herzleiden oder hormonelle Verhütungsmittel. Einige Inhaltsstoffe der Zitrone hemmen das körpereigene Enzym CYP3A4, das für den menschlichen Stoffwechsel mit verantwortlich ist. So wird die Wirkung der Medikamente lebensbedrohlich verstärkt – oder aber stark abgeschwächt. Doch auch ohne parallele Medikation wirkt die Grapefruit invasiv auf den menschlichen Körper ein. Wer unter chronischen Krankheiten leidet, sollte den täglichen Grapefruitkonsum also besser vom Arzt absegnen lassen.

DIE ZITRONE IN WERBUNG, KUNST UND KULTUR


Bereits in der Renaissance schmückte der Adel seine pompösen Schlossgarten und Landsitze mit akribisch geplanten Zitronengarten. Die Zitrusfrucht, gerade neu angekommen in der Alten Welt, galt als Statussymbol. Kein Wunder also, dass die gelben Früchte in Windeseile den Sprung vom Garten auf die Leinwand fanden. Seit dem 17. Jahrhundert zierten die Darstellungen von Zitrusfrüchten vermehrt Gemälde, allen voran Stillleben.

Doch die Bedeutung der Zitrone als Symbol, als positiv besetztes Element, reicht in der Geschichte noch viel weiter zurück. Im traditionellen Judentum beispielsweise spielt die Zitrone im Rahmen des Laubhüttenfestes eine bedeutende Rolle. Christen erinnert die gelbe Frucht hingegen an den Apfel, den Eva vom Baum pflückte – und damit an den Sündenfall. Im frühen Mittelalter galten Zitronen als Schutz vor dem Bösen – Pest, Dürreperioden, Hexen, was man damals eben so fürchtete – und wurden als Beigaben mit in die Gräber gelegt. Aber auch bei erfreulicheren Anlässen wie Hochzeiten oder Taufen durfte die Zitrone als Glücksbringer nicht fehlen.

Hansdampf in allen Gassen

Mit ihrem Einzug in Europa gelang ihr dann schließlich auch der oben schon erwähnte Sprung in Richtung bildende Künste. Im Barock galt die güldene Frucht als Symbol für Luxus und Reichtum, aber repräsentierte gleichzeitig auch Reinheit Tugend und Mäßigung.

Im Laufe der verschiedenen Epochen hat sich auch die Symbolik der Zitrone im kunsthistorischen Kontext gewandelt, besinnt sich aber auch heute noch auf ihre Ursprünge. So gibt es da beispielsweise die legendäre »Capri-Batterie« von Joseph Beuys aus dem Jahre 1985. Eine gelbe Glühbirne in einer schlichten schwarzen Fassung – die wiederum in einer Zitrone steckt. Beuys erweckt mit seiner Installation die Illusion, dass die in der Zitrone gespeicherte Sonnenenergie die Glühbirne zum Leuchten bringen kann, die Kraft der Zitrone also etwas Neues erschafft. Damit zitiert er eine antike Sage, die beschreibt wie Zeus und Hera zu ihrer Hochzeit einen prächtigen Zitrusbaum geschenkt bekamen, üppig behangen mit goldenen Früchten – den Früchten der Liebe, dem Symbol der Fruchtbarkeit und des ewigen Lebens. Mittlerweile wurde auch Beuys’ »Capri-Batterie« vielfach von anderen Künstlern zitiert – und so zieht sich die Zitrone kontinuierlich durch die Kulturgeschichte der Menschheit.

In zahlreichen Liedern wurde sie besungen, in der Poesie als Symbol der Sehnsucht verwendet – mal aus dem unstillbaren Fernweh nach fremden Ländern und Abenteuern heraus, mal aus dem tiefen Verlangen nach der eigenen fernen Heimat, in der die Zitronen blühen. Von Goethe bis Heinz Erhardt – die Zitrone war vor niemandem sicher. Und das ist sie bis heute nicht. Jüngstes Beispiel: Unser aller Girlcrush Beyoncé, die ihr jetzt schon legendäres 2016er-Album »Lemonade« nannte. Im gleichnamigen Video zur Platte trägt sie ein langes, wallendes zitronengelbes Kleid – und zieht in diesem formidablen Outfit, gleich einem fluffigen, emanzipierten Zitronenbaisertörtchen (und das meine ich durchaus als Kompliment), Rache nehmend durch die Straßen von New Orleans. Die mystische Kraft der Zitrone, übersetzt in die Gegenwart: gegen Rassismus, gegen Sexismus, für mehr Respekt, Toleranz und Gleichberechtigung.


Kunst und Kommerz liegen bekanntlich viel zu häufig nah beisammen. Stichwort: die Zitrone als Symbol der Reinheit. Was ursprünglich einmal auf die innere Reinheit bezogen war – also auf moralische Werte –, wurde von kreativen Werbern im 20. Jahrhundert auf die äußere Reinheit übertragen. Natürlich spielt die reinigende Kraft der Zitrone in diversen Belangen des Haushalts dabei auch eine nicht gerade kleine Rolle, doch seien wir doch mal ehrlich: Ein Putzmittel, das mit der Super-Sauber-Formel aus dem Besten der Zitrone wirbt und die gelben Früchtchen präsent auf dem schicken Etikett platziert hat, wirkt doch gleich viel überzeugender und sympathischer als eines, das offensiv mit den enthaltenen Tensiden und Lösemitteln wirbt. »Lemon sells« kann man dazu nur sagen.

Zitrone

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