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Vorrede Der Kanon

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Inhaltsverzeichnis

Die Mittlere Sammlung, Majjhimanikāyo, der uns überlieferten Lehrdarstellungen Gotamo Buddhos besteht aus 152 Reden. Diese Reden halten zwischen den 34 längeren Darlegungen des Dīghanikāyo und den zahlreichen kürzeren Mittheilungen, oft nur einzelnen Aussprüchen des Khuddakanikāyo in Hinsicht auf die Dauer des Vortrags gleichsam die Mitte. Nur dieses äußere Merkmal hat die Namen bestimmt. Aṉguttaranikāyo und Saṃyuttakanikāyo, mehr oder weniger vom selben Gesichtspunkte aus geordnet, schließen sich als vierte und fünfte Sammlung an. Das Ganze dieser fünf großen Tage- und Lehrbücher wird unter dem Begriffe Suttapiṭakam, Kanon der Reden, zusammengefasst, als Gegenstück zum Kanon der Zucht, dem Vinayapiṭakam. Das sind die beiden Hauptstücke des Vermächtnisses. In der Folge hat man diesem Dvipiṭakam, dem Zweifachen Kanon, das Abhidhammapiṭakam angefügt, den Kanon der Scholastik, und also das Tipiṭakam geschaffen, den Dreifachen Kanon, die buddhistischen Biblia Sacra. Wahrscheinlich aber war bis zum Tode Gotamo Buddhos, um 480 v. Chr., nur eine Satzung bekannt, eben der Kanon der Reden, das Suttapiṭakam als Ekapiṭakam, woraus dann allmälig das Vinayapiṭakam, später das Abhidhammapiṭakam theils ausgeschieden, theils weitergebildet wurde.

Der Name Ekapiṭakam und Dvipiṭakam kommt nicht vor, Tipiṭakam erst in scholastischer Zeit. Wohl wird das Simplex piṭakam von alters her gelegentlich gebraucht, doch nur in seiner eigentlichen Bedeutung, als Korb: so z. B. in unserer 21. Rede, wo gesagt wird, den Weisen erschüttern wollen sei geradeso wie wenn man, »mit Spaten und Korb versehn«, daranginge den Erdball abzugraben. Zweifelhaft freilich scheint mir, im Gegensatz zu Trenckner, ob nicht in Äußerungen wie piṭakasampadānena ( AN vol. I. p. 189, vol. II. p. 191, vergl. Trenckner, Pāli Miscellany, London 1879, p. 67 ff.) schon eine deutliche Anspielung auf den übertragenen Begriff, auf schriftlich gepflegte brāhmanische Überlieferung vorliegt; wie vielleicht auch in der bitteren Klage des brāhmanischen Büßers Māgandiyo, MN vol. I. p. 502 f.: Bhūnahu samaṇo Gotamo ti me bhāsitaṃ: taṃ kissa hetu? Evam hi no sutte ocarati: »Ein Kernhauer ist der Asket Gotamo, sag' ich: und warum sag' ich das? Weil er als solcher gegen unsere Satzungen vorgeht.« Die erste Erwähnung von piṭakam als Gesammtbegriff der Lehre geschieht, meines Wissens, im 3. Jahrhundert nach Gotamo Buddho, ungefähr 200 Jahre nach Fixierung seiner Reden, auf einer asokischen Topenstele zu Barāhat (s. Bühler, Indian Studies No. III, Wien 1895, p. 17 und 87). Da finden wir nämlich auf einem der gestifteten steinernen Gitterbalken als Geber den Ehrwürdigen Jāto, der sich peṭaki nennt, »Kenner des Piṭakam«. Gleichzeitige Inschriften auf dem Sāñci-Hügel führen aber, wie Barāhat sutantiko, sutātiko, »Kenner der Reden« (cf. Vinayapiṭ. vol. I. p. 169 etc.), und, mit Barāhat, pacanekāyiko, »Kenner der fünf Sammlungen«, an. Pacanekāyiko, sutātikosutantiko und peṭaki sind jedoch homologe Bezeichnungen desselben Begriffes, der in Sāñci noch einmal, alle drei zusammenfassend, als ächt kanonischer dhamakaṭhīko, »Sprecher der Lehre« ( MN I. 218, SN II. 18, 114, 156, AN I. 23, passim), auftritt. Was also damals, wenn wir diesen steinernen Zeugen trauen dürfen, noch immer eigentlich als Wort der Lehre gegolten hat, liegt vor Augen: es war der Kanon der Reden, das Suttapiṭakam, und da man ein anderes Piṭakam nicht kannte, reichte das Synonym peṭaki vollkommen aus für sutantiko, sutātiko und pacanekāyiko, während der Brāhmane sich nach wie vor des Titels traividyas, cāturvaidyakas bedienen musste, um den Kenner der drei, den Kenner der vier Veden zu bezeichnen, ja, dementsprechend, auch bei uns der pacanekāyiko keineswegs zu einem pentakryphen nekāyiko wurde. Litterarisch beglaubigt zeigt sich Piṭakattayam erst im Milindapañho, p. 348 (cf. p. 1 u. 18), welcher Stelle vor der quasi historischen Autorität des Dīpavaṃso, p. 103, und Mahāvaṃso, p. 19, 207, 251/2, 256, der Vorrang gebührt. Kaccāyanos, des Grammatikers, »Einführung in das Studium des Piṭakam« Peṭakopadesagantho (s. Minayeffs Ausgabe des Ganthavaṃso in den Recherches sur le Bouddhisme, Paris 1894, p. 239 u. 244) beschäftigt sich offenbar nur mit dem Suttapiṭakam, 1 siehe p. XXVIII, was selbstverständlich nicht ausschließt, dass der Verfasser alle drei Piṭakas genügend gekannt habe. So spricht z. B. Asoko auf einer jüngst entdeckten nepalischen Felseninschrift von seiner Verehrung des Buddho Koṇāgamano: aber schwerlich dürfte es jemandem einfallen den gangbaren volksthümlichen Buddhismus jener Zeit, der sich zumal in Barāhat schon völlig entwickelt darstellt, mit der aristokratisch gesicherten Lehre eines peṭaki desshalb gleich identifizieren zu wollen. Dass man das Suttapiṭakam wirklich bis spät in das vierte Jahrhundert n. Chr. als den Kanon schlechthin angesehn hat, sagt uns sogar der Mahāvaṃso, p. 247, deutlich genug. Unter der Regierung Buddhadāsos, heißt es da, habe ein hochgelehrter dhammakathī (vergl. oben Sāñci) die Texte in die Landessprache übertragen: was für Texte? Eben die Suttas.

Tass' eva rañño rajiamhi

Mahādhammakathīyati

Suttāni parivaṭṭesi

Sīhalāya niruttiyā.

Eine nachdrücklichere Bekräftigung des Tenors der Inschriften, wenn eine solche überhaupt vonnöthen wäre, könnte man sich kaum wünschen. Wie so oft in Indien zeigt sich auch hier eine vorerst bedenkliche Tradition durch unbezweifelbare Urkunden in ihrem ererbten Rechte bestätigt. Das Wort des Mönchs und der Meißel des Königs ergänzen einander.

Der innere Werth des Vinayapiṭakam wird durch unser Ergebniss nicht geschmälert, vielmehr lässt sich jetzt deutlich absehn, warum der Kanon der Zucht neben unverkennbar Ächtem allerhand sagenhaftes Beiwerk aufweist: das Ächte, zwar oft fragmentarisch und interpoliert wiedergegeben, ist aus dem Urkanon geschöpft, aus dem Suttapiṭakam, die hundert Geschichten und Legenden haben sich, nebst einer erdrückenden abgeschmackten Kasuistik, nach und nach mit eingestellt. Dies geschah, wie oben gesagt, verhältnissmäßig früh und mochte so lange geschehn, bis auch diese Sammlung, in nachasokischer Zeit, zum selbständigen Kanon erhoben wurde. Noch unter Asoko war das Ordensrecht nur eine Art Auszug 2 aus dem einen anerkannten Piṭakam. Auf dem vielgenannten zweiten Bairāter Felsenedikt spricht der König den Wunsch aus, man möge vor allem die vinayasamukase der dhaṃmapaliyāyāni beobachten, »die Zuchtverordnungen der Lehrreden«, womit eben diejenigen Theile der Satzung gemeint sind, die auf die Disziplin Bezug haben. Hiermit stimmt es völlig überein, dass sich unter den hunderten von Inschriften bisher noch kein einziger »Kenner des Vinayapiṭakam«. gefunden hat, weil ein solcher im Begriffe eines »Kenners des Suttapiṭakam« implicite lag. Schon Oldenberg hat ( Vinayapiṭakam, vol. I., London 1879, p. XIV) im Bairāter Wunsche die Unterordnung des vinayo unter den dhammo scharfsinnig erkannt, eine Unterordnung, deren Allgemeinheit seit Bühlers umfassenden Forschungen mehr und mehr durchblickt.

Allerdings sind uns bisher erst wenige Urkunden indischer Geschichte zugänglich geworden und gar manches ruht noch unter der Erde. Für die Kenntniss des authentischen Buddhismus trifft es sich recht glücklich, dass wir auf Grund der Denkmäler Asokos und seiner Nachfolger schon heute die Entwickelung des Kanons mit annähernder Genauigkeit verfolgen können. Künftige Ausgrabungen lassen vielleicht vorasokische Bestätigungen unserer Urtheile und Schlüsse erwarten.

Die Stellung der Mittleren Sammlung im Kanon der Reden ist eingangs angegeben worden. Engere Beziehungen zu ihren vier Stammverwandten zeigen sich in bestimmter Weise. Zunächst sei hervorgehoben, dass die fünf Sammlungen im Allgemeinen wie im Besonderen durchaus harmonieren und Widersprüche ernster Natur schlechterdings unauffindbar scheinen. Inhalt und Form sind überall gleichgeartet, wenn auch nicht überall gleichwerthig. So tritt das Element des Wunderbaren in unserer Sammlung fast ganz zurück: aber in diesem oder in jenem Abschnitte des Khuddakanikāyo (auch in den anapokryphen) und Saṃyuttakanikāyo macht es sich, obzwar spärlich, bemerkbar. So wird in vielen Reden unserer Sammlung der Hauptgedanke ebenso unnachsichtlich entwickelt und zu Ende gedacht wie es häufig im Dīghanikāyo der Fall ist: aber bei den zahlreichen, unterschiedlichen Paragraphen, welche diese Sammlung einschaltet, kommen die scharfen logischen Umrisse der Darstellung nicht immer ebenso leicht zur Geltung. So begegnen wir derselben Anordnung des Stoffes, wie sie der Aṉguttaranikāyo liebt, aber keine auserlesene Reihenfolge, wechselnde Schilderung wird geboten.

Diese gröberen Züge mögen zur Kennzeichnung genügen. Aufmerksame, wiederholte Durchnahme des Textes diene als beste Ausführung.

Die Reden Gotamo Buddhos

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