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5. Anthropogyn (Adaption)

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Seine Frau hatte eine bescheidene Jugend genossen. Als Sandwich-Kind blieb ihr nur eine Restliebe seitens ihrer Eltern. So war ihr folglich die Hauptschule als Bildungsanstalt vergönnt, denn mehr traute man ihr nicht zu. Als sie nach Jahren einen Mann ehelichte und 2 Kindern das Leben schenken durfte, wurde sie von der Schattenseite früherer Zeiten wieder eingeholt. Beide Sprösslinge waren per Kaiserschnitt in die Welt geholt worden. Sie selbst war keine Übermutter aber doch ein bisschen mehr als perfekt. Dieser Umstand strapazierte nachhaltig die Haushaltskasse, und es sollte so weitergehen, als die Tochter- das zweite Kind war ein Junge und war 5 Jahre später geboren worden- in einen Waldorf-Kindergarten geschickt und gefahren wurde. Zusatztermine, diverse Elternabende zu allerhand Themen und Hölderlin-Gedichte(!) für 4 bis 7jährige zu Beginn des allmorgendlichen Stuhlkreises. Er kannte diese Bohnerwachs-Atmos-phäre aus seiner eigenen Internatszeit, dieses „ wir wollen ethisch korrekt flüstern, dann wird`s schon wahr sein“-Getue von Erzieherinnen, die hinter den Kulissen durchaus die Messer wetzen konnten und ihre menschliche Bosheit regelmäßig ausatmeten. Einige Riten dieser Einrichtung, wie die zur Weihnachtszeit oder bei der Entlassfeier zur Einschulung rührten ihn sogar zu Tränen. Auch die Puppenspiel-Geschichten der Kleinen waren einiger-maßen interessant. Die Tüchersucht und die Holzdoktrin gingen ihm nach und nach auf die Nerven.

Nach einem „Tag der offenen Tür“ waren einmal zwei junge Vandalen ins Haus eingebrochen und verwüsteten mehrere Zimmer samt Inventar und Essensvorräten. Er hätte die Ranken am liebsten mit dem Ochsenziemer bearbeitet, aber die Zeit und der Geist sahen eine Gesprächs-Therapie nebst einem runden Tisch und eine früh-psychologische Betreuung der Übeltäter vor. Übrigens, die Haftpflicht-Versicherung weigerte sich zu bezahlen, weil eine Außentür der Einrichtung über Nacht offen war. Schließlich ist die ganze Sache im Sande verlaufen.

Sein Sohn genoss dieselbe Karriere, war eine Zeit lang bei den gleichen Erzieherinnen, bis sich eine heimliche, unausgesprochene Veränderung, flankiert von einer saftigen Abmahnung nebst freiwilliger Kündigung ihren Weg gebahnt hatte. „ Und in den Sphären des Unendlichen, wo unser Fühlen auf Schwingen, flammentrunken und gelöst von allem, was wir irdisch nennen, still im All des ewigen Ichs….“ . Er konnte dieses scheinhei-lige Gedöns, auch wenn es gedruckt in Büchlein stand, nicht mehr hören.

Er erinnerte sich in solchen Momenten an seine eigene Kindheit und Jugend, als er noch frei in der Natur spielen konnte und an später, als er die Dikta-tur und den pragmatischen Kommunismus der katholischen Internatsbe-treiber erdulden musste.

Alles fließt so schnell. Jetzt waren beide Kinder in der Folgeeinrichtung dieser Geisteshaltung und sahen, mit welch lauem und verkalkten Wasser gewaschen wurde. Lehrermangel, zerstörte Armaturen und Einrichtungs-gegenstände gehörten hier genau wie auch an Staatschulen zur Tages-ordnung. Ein heterogenes Kollegium und Intrigen, die bis zum psychischen Zusammenbruch einzelner Lehrkräfte führten, waren in den Hallen ohne Ecken, die meist hellblau oder rosa leuchteten ( Anthroposophie mit gefliesten Wänden geht gar nicht), heimisch. Ein Atheist hatte ihm vor Jahren einmal gebeichtet: „ Merk Dir, mein Freund, in einem Haus, in dem viel gebetet wird, geht der Teufel ein und aus“. Seine Frau hielt trotz Zweifeln an ihrem Ideal fest, denn es sollte nicht sein, was nicht sein durfte.

Die Zirkusveranstaltungen waren sensationell, das Training der Hirn-Synapsen durch regelmäßiges Jonglieren und die pädagogischen Einstiege in den unteren Klassen waren vielversprechend, aber dies alles blieb im Laufe der individuellen Entwicklung dieser Kinder irgendwann in der Mittelmäßigkeit oder gar im Dilletantismus stecken. Was nützt es einem Jugendlichen, wenn er auf sogenannten Monatsfeiern minutenlang auswendig im Gruppenverbund französische oder englische Texte zu rezi-tieren versteht, von der jeweiligen Sprache aber keine Ahnung hat? Man tritt ein ins Rosentor und verlässt die Schule wieder durchs Rosentor. Möge unser Leben auch auf Rosen gebettet sein, und wollen wir dem lieben Gott einst in der ewigen Monatsfeier ein paar Schmankerl vortragen, auswendig versteht sich!

Sollte er die vielen Anhänger dieser Lehre beleidigt haben? Den Stein(er) des Anstoßes für das Pamphlet gab ihm sein anarchischer Bauch und der war jetzt satt, mit oder ohne Bioprodukten.

P.S. Der Klassenlehrer seines Sohnes hat weiterhin sein vollstes Vertrauen.

Er und die Anderen

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