Читать книгу Amors Haltestellen - Romantik - Sieglinde Breitschwerdt - Страница 4
Ein Pyjama für Zwei
ОглавлениеErschöpft sank Claudia auf die Couch, sah sich zufrieden um und nickte anerkennend.
„Braves Mädchen! Das hast du fein gemacht – und ganz ohne Mann!“, lobte sie sich selbst, denn momentan war sie auf Männer nicht besonders gut zu sprechen.
Die Möbel standen bereits an Ort und Stelle und alle Lampen waren ebenfalls angeschlossen. Auch Theos Katzenklo hatte schon seinen festen Platz im Badezimmer.
Claudia sah zur Uhr.
Der Waschgang müsste gleich durch sein.
Sie fand es großartig, dass in dem neuen Apartmenthaus im Keller ein riesiger Raum mit Waschmaschinen, Trockner und sogar einer Mangel den Mietern zur Verfügung stand. Eine Chipkarte setzte die Geräte in Betrieb und buchte gleichzeitig den Strom auf ihren Zähler.
Müde stieß sie einen wohligen Seufzer aus.
Nur noch die Frotteehandtücher in den Trockner werfen –und dann, dann war Feierabend für heute.
Sie sehnte sich nach einem entspannenden Bad und einem Gläschen Rotwein, um ein wenig entspannen zu können. Außerdem musste sie sich um Theo kümmern, der leicht verstört durch die Wohnung tapste.
„Darf ich mit?“
Mark grinste und gab seiner Nichte einen zärtlichen Nasenstüber.
„Klar, du musst mir doch helfen!“
Julia, süße fünf Jahre, strahlte!
Einträchtig fuhren Onkel und Nichte mit dem Aufzug in den Keller.
Ihre Milchzähnchen auf die Unterlippe gepresst, faltete Julia eifrig die Geschirrtücher zusammen.
Claudia betrat den riesigen Raum.
Amüsiert blieb sie stehen und beobachtete den Mann und das kleine Mädchen, wie sie scherzend und lachend gemeinsam an einem großen Bettlaken zogen.
In diesem Moment sah Mark in Claudias Richtung und grinste leicht verlegen.
Ihr Herz begann rascher zu schlagen. Was für ein Mann, schoss es ihr durch den Kopf. Lausbubenblick, sympathisches Gesicht und widerspenstige braune Haare, die bestimmt jeder Bürste trotzten.
Unwillkürlich lächelte sie zurück.
„Du bist aber schmutzig!“ stellte Julia fest und musterte sie von oben bis unten.
„Stimmt!“, erwiderte Claudia und nahm ihre Sachen aus der Waschmaschine. Suchend sah sie sich um, dabei vermied sie es, in die Richtung des Mannes zu sehen.
Kaum erregte ein Mann mehr als nur gewöhnliches Interesse bei ihr, war er garantiert vergeben oder hatte so einen Beziehungssalat hinter sich, dass er für alle zukünftigen Partnerschaften total versaut war – so wie Paul. Der Ex!
„Wenn Sie wollen, können Sie gleich in unserem trocknen! Wir sind fast fertig.“
Eine tolle Stimme hatte er auch noch – ganz dunkel mit einem rauen Timbre.
„Danke“, stammelte Claudia und spürte, wie die Röte in ihr Gesicht stieg.
Mark verbeugte sich grinsend und zeigte auf den leeren Trockner.
„Wir müssen los!“, drängelte auf einmal Julia. „Togolino fängt gleich an!“
Bedauernd zuckte er mit den Schultern, verdrehte im gespielten Ernst die Augen und hob grüßend die Hand.
„Also dann, bis zum nächsten Wäschewaschentreffen!“, rief er ihr zu und zwinkerte schelmisch.
Schade, dachte Claudia, er sieht nicht nur super aus, er kann auch mit Kindern gut umgehen! Ach, er ist ja so ganz anders als Paul! Dabei hatte alles so schön angefangen.
Die chromblitzende Kellertür warf Claudias Spiegelbild leicht verzerrt zurück. Ihre Jeans waren mit Farbe bekleckert und der Pullover am Bund ausgedrieselt.
Was soll’s! Er hat eine Frau und eine süße Tochter! Claudia, schlag ihn dir bloß aus dem Kopf!
„Die ist aber nett, gell?“, erkundigte sich Julia spitzbübisch. Dabei sah sie ihren Onkel prüfend an.
„Wer denn?“
„Na, die schmutzige Frau im Keller!“
„Mm“, gab Mark nur von sich und lächelte verträumt. Was für eine hübsche Frau, schoss es ihm durch den Kopf. Blonde Haare und braune Augen! Welch interessanter Kontrast. Wie sah sie wohl aus, wenn sie schick angezogen war? Bestimmt hinreißend!
„Gefällt sie dir nun oder nicht?“, wurden seine Gedanken unterbrochen.
„Was hältst du davon, wenn wir nachher zu Roberto gehen und eine riesige Pizza essen, bevor ich dich nach Hause fahre?“, lenkte Mark das Thema geschickt in die andere Richtung.
„O ja!“, freute sich die Kleine. „Aber erst gucken wir noch Togolino an, gell?“
„Unbedingt!“, schmunzelte Mark. "So eine coole Sendung darf ich mich keinesfalls entgehen lassen!"
Er griff zur Fernbedienung und drückte auf die Programmtaste.
„Nein, Theo, du bleibst da!“
Um ein Haar wäre der Kater durch die Tür entwischt. Gerade noch konnte Claudia ihn im Genick festhalten. Diese Freiheitsberaubung beantwortete Theo mit einem bitterbösen Fauchen.
„Glaub mir, bald wirst du dich wie zu Hause fühlen!“, versuchte sie das verwirrte Tier zu trösten.
Von Claudias Versprechen war Theo nicht überzeugt, aber ihr sanftes Kraulen unter seinem Kinn ließ bald allen Widerstand schmelzen.
Die junge Frau stellte den Wäschekorb ins Schlafzimmer. Die Frotteehandtücher konnte sie auch morgen noch zusammenfalten. Missmutig runzelte sie die Stirn. Wo hatte sie nur ihren Bademantel und ihre geliebten, total verrückten Pyjamas hingepackt? Nervös suchte sie den ganzen Schrank durch. Weder der Bademantel noch ein einziger Pyjama tauchten auf. Aber alle Kartons hatte sie schon längst ausgepackt. Wo könnten die nur sein?
Claudia entschied sich für ein langes T-Shirt, das sie vor Jahren auf einer Faschingsfete getragen hatte.
„Wahrscheinlich bin ich schon so übermüdet“, murmelte sie vor sich hin, „dass ich die Dinger nicht mehr sehe. Na gut, dann suche ich morgen noch einmal alles gründlich durch!“
Claudia nahm ein entspannendes Bad, bändigte ihre Haare mit einem Band und cremte ihr Gesicht dick ein. Auf dem Weg zum Wohnzimmer sah sie die rote Schlüsselkarte auf der Kommode liegen. Zu dumm! Sie hatte vergessen, sie dem Hausmeister zu geben. Claudia warf einen Blick zur Uhr! Fast elf!
Rasch zog sie die Strickjacke über und stieg in ihre Pantoffeln. Vorsichtig öffnete sie die Tür, linste nach rechts und links. Niemand war zu sehen! Zum Glück wohnte sie in der ersten Etage. Sie nahm die Karte, eilte die Treppe hinunter und steckte sie in den Briefkasten des Hausmeisters. Als sie sich umdrehte, bekam sie fast einen Herzanfall.
Der Mann aus dem Keller stand direkt vor ihr. Wie peinlich! Am späten Nachmittag hatte er sie in schmutzigen und ausgefransten Jeans gesehen und jetzt im Tigerentenshirt, einer alten Strickjacke und kuscheligen Pantoffeln mit einem Mäusegesicht. Verlegen fuhr sie sich durchs Haar. Auch das noch! Die Cremepackung hatte sie völlig vergessen. Wie von Furien gehetzt stürmte sie an ihm vorbei und raste die Treppe neben dem Lift hoch. Ihr Atem rasselte, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
„Das war mal wieder typisch für mich!“, schimpfte sie laut vor sich hin. „Hoffentlich kriegt er nie raus, in welchem Apartment ich wohne!“
Die wohlige Müdigkeit war wie weggeblasen! Durch ihre Gedanken schaukelte ein sympathisches Männergesicht mit einem spitzbübischen Grinsen und widerspenstigen, braunen Haaren. Um sich abzulenken, holte die den Wäschekorb aus dem Schlafzimmer und legte die Frotteehandtücher zusammen. Nebenbei lief der Fernseher. An Schlaf war jetzt sowieso nicht mehr zu denken.
Claudia stutzte. Was war denn das? Dieses Wäschestück hatte sie noch nie gesehen. Prüfend hob sie es hoch. Es sah einer amerikanischen Flagge sehr ähnlich. Aus einem Ärmel rutschte ein kurzer, schwarzer Männerslip. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass ihr Ex so etwas einmal angehabt hatte. Paul stand auf Bequemlichkeit und Boxershorts.
Wo war dieser Männerpyjama also her? Auf einmal kroch es ihr heiß in ihr hoch. Dieses Ding gehörte ihm! Er musste ihn im Trockner vergessen haben.
Andächtig faltete sie ihn zusammen und seufzte. Schade, dass er nicht ihr gehörte. Sie war ein ausgesprochener Pyjamafan! Und Herrenpyjamas liebte sie ganz besonders, weil sie so bequem waren.
Schwer bepackt mit Tüten, kam Claudia vom Garten-Center zurück. Ungeduldig wartete sie auf den Lift.
Mark schlenderte lächelnd auf sie zu.
Gequält schloss sie die Augen. Die Schamröte stieg in ihr Gesicht, als sie an das fast mitternächtliche Intermezzo am Briefkasten dachte.
Bewundernd musterte er sie und das was er sah, gefiel ihm außerordentlich.
„Guten Tag!“, sprach er sie an. „Wir sind uns schon ein paar Mal begegnet! Ich bin Mark Heller!“
„Claudia... Claudia Wenk!“, murmelte sie verlegen.
Dann kam der Aufzug. Zum Glück stiegen noch weitere Leute ein.
Auch das noch! Claudia wurde ganz flau im Magen. Dieser Mark Heller wohnte also auch in der ersten Etage. Sie war so nervös, dass ihr der Schlüsselbund herunterfiel.
Lächelnd hob ihn Mark auf, reichte ihn ihr, dabei berührten sich ihre Hände für den Bruchteil einer Sekunde.
Was für eine bezaubernde Frau, sinnierte er, und so differenziert – zumindest, was ihr Outfit betrifft.
Den Rest des Tages verbrachte Claudia mit kleinen Verschönerungsarbeiten. Anschließend nahm sie eine erfrischende Dusche. Zu dumm, daran hatte sie nicht gedacht, ihren neuen Schlafanzug zu waschen. Als sie den Schrank öffnete, stach ihr der fremde Pyjama buchstäblich ins Auge. Vorhin wäre die beste Gelegenheit gewesen, Mark Heller darauf anzusprechen, doch die hatte sie verpasst.
Sollte sie ihn bei ihm abgeben? Aber was würde dann seine Frau dazu sagen?
Auf einmal verspürte sie den Wunsch, den Pyjama anzuziehen, wenigstens mal ausprobieren – und das tat sie auch. Claudia kicherte, als sie sich im Spiegel betrachtete. Sie beschloss von einer Sekunde zur anderen, ihn zu anzubehalten. Gutgelaunt griff sie zum Telefonbuch und bestellte eine Thunfischpizza – die mochte auch Theo.
„Ach, wenn ich dich nicht...“
„Dann könntest du keine Kurse belegen und würdest dumm bleiben!“, wehrte Mark lachend den Dank seiner Schwester Mona ab. Zärtlich küsste er sie zum Abschied auf die Wange.
„Guckt mal, da hat sich jemand auch eine Pizza bestellt!“, krähte Julia und zeigte auf den jungen Mann in Servicekleidung, der geduldig vor Claudias Tür wartete.
In Marks Magengrube breitete sich ein süßes Ziehen aus und ein Lächeln nistete in seinen Mundwinkeln.
Mona war sein veränderter Gesichtsausdruck nicht entgangen. Neugierig folgte sie dem Blick ihres Bruders.
Die Tür öffnete sich, und er glaubte seinen Augen nicht zu trauen!
„Guck mal, Onkel Mark, da ist ja der Pyjama, den du gestern Abend gesucht hast!“
Claudia wurde vor Entsetzen leichenblass. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht hysterisch loszuschreien.
O mein Gott! Das war die Strafe dafür, dass sie sich seinen Pyjama unter den Nagel gerissen hatte! Vertuschen konnte sie es auch nicht! Das Corpus delicti trug sie direkt am Leib.
„Neun Euro zwanzig!“, vernahm sie wie durch Watte die Stimme des Pizzaboys.
Mark ging auf sie zu. In seinen Augen blitzte der Schalk. Wie selbstverständlich nahm er ihr den Zehneuroschein aus der Hand und steckte ihn dem Pizzaboy in die Brusttasche.
„Onkel Mark, hast du ihr den Pyjama geschenkt oder hat sie ihn dir gemopst?“, krähte Julia und sah gespannt zu ihm hoch.
Mit einem Blick erkannte Mona die Situation.
„Julia, wir müssen los! Onkel Mark hat jetzt keine Zeit!“, drängte sie, nahm die Kleine an die Hand und küsste ihren Bruder flüchtig auf die Wange.
„Ich will aber wissen, ob die Frau Onkel Mark bemopst hat!“, quängelte Julia und ließ sich nur widerwillig von ihrer Mutter zum Aufzug ziehen.
Er ist der Onkel, jubelte es in Claudia. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl breitete sich in ihr aus. Vergiss es, versuchte sie sich gleichzeitig selbst zur Vernunft zu bringen, das wird nix! Der hält dich für eine Pyjamadiebin!
Mühsam rang sie um ihre Fassung. „Ich... ich hab‘ ihn gefunden!“, stammelte sie und sah zu Boden.
„Und ich hab' ihn gesucht!“, erwiderte er grinsend – und setzte noch eines drauf: „Stundenlang!“
„Ich konnte einfach nicht widerstehen!“, gab Claudia kleinlaut zu. Wie ein kleines Mädchen stehe ich jetzt da, schoss es ihr durch den Kopf. Fehlt nur noch, dass ich am Daumen lutsche.
„Pyjamafan?“
Sie nickte.
Mark kam näher und stützte sich am Türrahmen ab.
„Ich auch!“, bekannte er. „Aber dir steht er viel besser als mir!“
Das Du kam wie selbstverständlich über seine Lippen.
Verlegen zupfte sie an dem viel zu großen Oberteil herum.
Mark strich ihr eine vorwitzige Locke aus ihrer Stirn und murmelte leise: „Machen wir einen Deal: Ich bekomme ich Stück Pizza ab und du darfst dafür meinen Pyjama behalten!“
Verstört blickte sie zu ihm hoch und erkannte so viel Bewunderung in seinen Augen.