Читать книгу Takkos langer Weg zurück (Kidschi Poseidon und Neptuns Takko, Band 2) - Siegrid Graunke Gruel - Страница 5
1 Viele Sprechworte
ОглавлениеNach einer langen Fahrt mit der Eisenbahn kommen Takko, Sonja und Henry endlich an – in Travemünde. Das ist ein hübscher kleiner Ort direkt an der Ostsee. Takko hat den Namen immerzu wiederholt, damit er ihn sich merken kann, ohne nachzufragen.
„Es ist nicht weit von hier zu unserem Haus“, sagt Sonja. „Wir gehen jetzt zu Fuß dahin, Takko.“
Sie steigen also nicht wieder in ein Taxi um, welches ein Autu ist, wie es Sonja Takko erklärt hat – und nicht etwa ein kleiner Strandlandwagen. Henry aber sagt gar nichts mehr zu Takko. Er schaut ihn bloß ab und zu mal argwöhnisch an und sieht dann schnell wieder weg. Es ist ihm wohl nicht mehr geheuer, mit einem Verrückten wie Takko unterwegs zu sein.
„Hast du deine Sprechworte verloren?“, fragt Takko ihn deshalb auf dem Weg, vorbei an den vielen kleinen und größeren Häusern und den Blumengärten, als es schon dunkel wird.
„Ja“, sagt Henry ihm aber nur kurz als eine Antwort und dann gleich zu Sonja: „Wir haben nichts zu essen im Haus. Ich habe Hunger!“
Was nur ist Hunger?, fragt sich Takko, aber sagt es dennoch nicht – denn sein silbernes Herz fühlt bereits, dass Henry ihn nicht mehr gut findet … und vielleicht nun nicht mehr sein Freund sein will.
Sie besorgen sich Lebensmittel in einer großen Halle, die innen mit Licht erhellt und angefüllt mit bunten Dingen zum Essen und Trinken ist.
Ja, so nennen die Menschen also ihre Speisen. Und Takko wiederholt auch dieses Wort ein paar Mal, um es sich zu merken. Bald darauf geht es in ein gelbes Haus, das aus eckigen, vielen Hunderten Steinen aufgetürmt wurde. Es geht durch einen Gangweg, vorbei an stacheligen Pflanzenblumen – mit einzig wunderbarem Geruch allerdings.
Im Haus dann geht es gleich in eine Küche, die so ähnlich aussieht wie die in dem Gästehaus, wo sie zusammen die Ferien verbracht haben. Sonja und Henry legen gleich alle Lebensmittel auf den Tisch – dazu noch drei flache Schalen, die sie Teller nennen, und gießen Getränke aus hohen Pappschachteln in bunte Eisgläser.
„Setz dich doch, Takko“, sagt Sonja freundlich zu ihm und legt kurz ihren Arm über seine Schultern, an seinem hinteren Kopf entlang. Da wird es Takko aber gleich wieder fremdartig warm in seiner Blutbahn und er zuckt dabei einmal etwas zusammen.
„So, wir essen jetzt erst mal, nicht Takko? Und dabei wollen Henry und ich mit dir über etwas reden“, sagt sie, während Takko sich nun auf einen ‚Schtuhl‘ setzt. Er bekommt jetzt ein großes gelbes Eisglas mit Kaviarmixlimo vor sich hingestellt.
„Gern“, sagt Takko, „und guten Dank dafür. Wenn Henry seine Sprechworte für mich wiederhat, so ist auch das gut. Und es freut mich dann.“
Da macht Henry einen tiefen Seufzer und schluckt dann einmal so, als würde etwas in seinem Hals stecken geblieben sein, denn nun hat er Gewissensbisse.
„Hör mal, Takko“, sagt er zu ihm. „Es … tut mir leid, okay? Sonny und ich, wir – wir mögen dich doch gern. Mensch, Alter! Komm, nimm erst mal diesen Pfannkuchen – also diesen leckeren Wrap hier.“
Er legt ihm eine gedrehte Pfannkuchenrolle auf seinen Teller, die man also Wrap nennt.
„Aber wir machen uns Sorgen um dich, Takko“, fährt Sonja fort.
„Weißt du, du brauchst uns keine Storys erzählen von einem Meerreich in der Unterwasserwelt oder einem Vater, der Neptun sein soll. Wir mögen dich, so wie du bist.“
Da schaut Takko sie ziemlich verdutzt mit großen Augen an.
„Es ist so, Takko“, fährt Henry mit seinen wiedergefundenen Sprechworten fort. „Sag uns doch einfach, wo du wirklich herkommst. Du brauchst dich doch deswegen nicht ‚schenieren‘.
Ich war selber auch mal in einer ‚Psüchatri‘ …“
Takko überlegt jetzt, ob er das schwierige Wort auch richtig gehört hat, und zieht etwas an seinem Ohr herum.
„Das ist doch kein Weltuntergang, Mensch, Alter; wir helfen dir doch! Aber du musst uns schon vertrauen.“
Oh, so viele Sprechworte auf einmal, ohne dass Takko deren Sinn erfassen kann! Ja, da ist das Zuhören schon anstrengend. Aber er gibt sich dennoch Mühe, denn – Unhöflichkeiten duldet Neptun, sein Vater aus der Meereswelt, nicht. Doch die vielen Sprechworte wollen ja kein Ende nehmen …
So muss Takko jetzt an seine Familie in der Meereswelt denken, an Miria und Rollmart und an die kleine Kidschi …
Oh, was da wohl jetzt los ist … zu Hause …
Deshalb verhallen nun all die vielen Worte, bevor sie in seine Ohren eindringen können und deren Sinn er nicht versteht und die kein Ende nehmen. Sie klingen jetzt wie das Rauschen des Whirlpools in der Felsenhöhle … da, wo Kidschi immer so gern badet …
Und darüber wird Takko so müde, dass er direkt auf dem Stuhl, auf dem er sitzt, einfach einschläft.
So bleibt Sonja und Henry also erst mal nichts anderes übrig, als Takko auf ihre Couch zu legen und sich selbst in ihre Zimmer zu begeben.
„Morgen bringe ich ihn zum Arzt“, sagt Henry etwas erbost zu Sonja. „Was glaubt der eigentlich, wer er ist!“
„Ja, gut, wahrscheinlich hast du recht“, sagt Sonja dazu, weil ihr jetzt auch nichts Besseres mehr einfällt.
Was Sonja und Henry aber nicht ahnen, ist, dass Takko schon sehr bald wieder aus seinen Träumen erwacht und kurz darauf den Entschluss fasst, wieder nach Haus zurückzukehren – weil die Ferien nun wohl endlich zu Ende sind. So macht er sich auf, das Haus von Sonja und Henry wieder zu verlassen. Er lässt ihnen aber, als Abschiedsgeschenk, einen seiner Grünfaserhandschuhe da, damit sie ihn nicht vergessen mögen, denn er hat ja eine schöne lustige Zeit mit ihnen verbracht.
Er geht über den ‚Autuweg‘, denn wie eine Straße genannt wird, hat er wieder vergessen. Alles kann sich ja selbst ein schlauer Meeresbewohner nicht merken.
Oh, die Menschenleute fahren aber mit vielen ‚Autus‘ hin und her …!
Außer Takko sind auch einige von ihnen zu Fuß unterwegs. Doch da sieht er auch schon den Strand, als er drüben auf der anderen Seite ankommt. Und er entdeckt voller Freude sein blaues Meer dahinter!
Oh u hu! Wie gut, dass es noch da ist!
Natürlich denkt Takko nicht wirklich, dass sein blaues, weites, tiefes Meer nicht mehr da ist, aber es jetzt wieder so nah vor sich zu haben, das ist einfach nur – wunderbar!
Und da läuft er, so schnell er es mit seinen Grünflossen kann, vorbei an den Strandkörben, direkt hinein in das blaue Ostseemeer.