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Vorwort
ОглавлениеEin Vorwort zu schreiben ist immer mit einer gewissen Schwierigkeit verbunden, denn wie kann man in einer kurzen Abhandlung umreißen, welche Ziele und Aspekte für den Autor relevant, welche Blickwinkel von Bedeutung und welche Einflüsse zu beachten sind?
Besonders für vorliegendes Buch ist ein Geleitwort aber unerlässlich, denn es wird die Frage auftauchen, warum ich unter den zahlreichen habsburgischen Persönlichkeiten, die in der Geschichte eine außergewöhnliche Rolle gespielt haben, gerade diese gewählt habe. Der eine oder andere Leser wird Männer und Frauen vermissen, die sicherlich ebenfalls Anspruch darauf hätten, in diesem Buch als hochbegabte und zukunftsorientierte Mitglieder des österreichischen Kaiserhauses Eingang zu finden.
Um den Rahmen nicht zu sprengen, war ich gezwungen, unter den habsburgischen Familienmitgliedern eine Auswahl zu treffen, die durchaus auch als subjektiv zu bezeichnen ist. Dennoch waren für mich bestimmte Kriterien entscheidend: Im Mittelpunkt meiner Betrachtung steht der Aspekt der Einzigartigkeit. Welche Fähigkeiten und Talente heben die Persönlichkeit von ihren Zeitgenossen ab, wenngleich diese – wie bei Kaiser Maximilian I. – häufig nicht zur Gänze ausgeschöpft werden konnten.
Als unermüdlich reisender Kaiser hatte Maximilian kaum die Chance, sein herausragendes dichterisches Talent zur Vervollkommnung zu bringen. Seine künstlerischen Ambitionen führten allerdings dazu, dass er die Maler und Bildhauer seiner Zeit finanziell unterstützte und förderte, obwohl er selber keineswegs in volle Kassen greifen konnte. Daher ist es in meinen Augen unerlässlich, den Kaiser in die Riege der hochbegabten Habsburger aufzunehmen; wie auch Herzog Rudolf IV., den Stifter, der in den wenigen Jahren, die ihm vergönnt waren, Großes vollbrachte. Er gründete nicht nur die Alma Mater in Wien, sondern schuf auch soziale Einrichtungen für Lehrer und Studierende, die für die kulturelle Entwicklung der österreichischen Länder von höchster Bedeutung waren. Natürlich war der junge Mann, der schon mit 25 Jahren starb, kein Mensch ohne Tadel, aber dies scheint in Anbetracht dessen, was er für die Zukunft bewirkte, eher vernachlässigbar.
Die Bedeutung von Kaiser Leopold I. – einer der am längsten regierenden Habsburger – wird erst durch die Forschungen heutiger Musikwissenschaftler entdeckt. Der Kaiser, der viel lieber Geistlicher geworden wäre, spielte nicht nur mehrere Instrumente und war – wie viele andere Habsburger – Musikliebhaber, er komponierte auch selbst meisterlich Hunderte Musikstücke. Mit Fug und Recht kann man sagen, dass Leopold, der geschmähte »Türkenpoldl«, der aus Angst um Leib und Leben Wien vor der zweiten Türkenbelagerung verlassen hatte, zwar politisch keineswegs ein Kaiser mit Durchschlagskraft war, aber in jedem Fall ein bedeutender Musiker und Komponist auf dem Habsburgerthron.
Die Kritiker der großen Herrscherin Maria Theresia ziehen alle Register, um am Image der bedeutenden Frau zu kratzen. Dabei kann die Politikerin und Reformerin durchaus als Wegbereiterin des aufgeklärten Zeitalters gelten, in dem später ihre beiden Söhne ihre Vorstellungen zu verwirklichen suchten. Mag sein, dass Maria Theresia in den ihr aufgezwungenen Kriegen keine glückliche Figur gemacht oder dem persönlichen Glück ihrer Kinder bei der Verheiratung zu wenig Beachtung geschenkt hat, ihre Sozialmaßnahmen und zukunftsweisenden Handlungen auf innenpolitischem Gebiet machen sie jedoch zu einer außergewöhnlichen Regentin. Ohne ihre Neuerungen wären die weiterführenden Reformen eines Joseph II. nicht möglich gewesen.
Und hier stellt sich nun für den Leser die berechtigte Frage, warum ich Joseph II. nicht in die Reihe der genialen Habsburger aufgenommen habe. Gewichtige Gründe sprächen natürlich dafür, diesen reformfreudigen Kaiser in diesem Zusammenhang zu portraitieren. Aber die Kompromisslosigkeit, mit der Joseph seine Ideen in die Tat umzusetzen suchte und durch die er schließlich viele Neuerungen wieder zurücknehmen musste, hat mich veranlasst, nicht ihn in diesem Buch zu berücksichtigen, sondern seinen moderateren Bruder Leopold, der heute noch in der Toskana als der große Reformer gilt. Wahrscheinlich waren es die gegensätzlichen Temperamente, die die beiden zweifellos genialen Brüder unterschieden. Leopold konnte, zumindest als Großherzog der Toskana, Veränderungen herbeiführen, die bis heute Gültigkeit haben. Die Mäßigung, die Leopold zu eigen war, fehlte seinem Bruder Joseph II.
Es war in der Geschichte der Habsburger verhängnisvoll, dass die Gesetze der Primogenitur absolut bindend waren. Denn so weitblickend und visionär Kaiser Leopold II. auch war, so wenig gelang es seinem erstgeborenen Sohn Franz die Gedanken und Vorstellungen seines Vaters fortzusetzen. Dabei hatte er Söhne wie Erzherzog Johann oder Erzherzog Carl, die für die hohe Position sicherlich wesentlich besser geeignet gewesen wären als Franz II. (I.). Und da dieser wahrscheinlich seine eigene Schwäche erkannte, versuchte er, dem genialen Bruder Johann Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner fortschrittlichen Ideen, die vor allem für die Steiermark von allergrößter Bedeutung waren, zu machen. Mit großer Mühe, vielen Enttäuschungen und persönlichen Einschränkungen gelang es dem Erzherzog doch, die Modernisierung des Landes auf allen Gebieten durchzusetzen. Johann hatte einen unglaublich weiten Geist – er wäre ein Herrscher gewesen, der die Monarchie in eine bessere Zukunft geführt hätte!
Auch Erzherzog Ludwig Salvator nimmt unter den Habsburgern eine Sonderstellung ein. Der Schriftsteller und Maler, Seemann und Geograf, Historiker und Weinbauer, Parvenü und Weltenbummler hatte niemals eine Chance auf den Thron. In seiner schrulligen Art schuf er aber Bleibendes für die Nachwelt, sodass ihm selbst ein in den strengen Regeln der Tradition verhafteter Kaiser Franz Joseph Achtung entgegenbrachte.
Der letzte überragende Habsburger in diesem Buch ist nicht auf den ersten Blick als Habsburger zu erkennen, hatte er doch einen portugiesischen Vater, der alles andere als genial war. Aber die habsburgische Mutter Maria Leopoldine, eine Tochter von Kaiser Franz, vererbte Dom Pedro ihre Intelligenz, ihre künstlerischen Neigungen und vor allem ihren Reformgeist. Leopoldine hatte nicht nur das Kaiserreich Brasilien gegründet, sie hatte auch begonnen, grundlegende Reformen zum Wohle der Bevölkerung durchzusetzen. Dom Pedro setzte das Werk seiner Mutter, die nicht einmal dreißig Jahre alt wurde, fort und übernahm viele ihrer Ideen. Er machte aus Brasilien einen modernen Staat. Wie es aber oft passiert, wurden seine Visionen nicht verstanden, sodass er am Ende seines Lebens Schiffbruch erlitt. Ein Schicksal, das er mit manch anderem genialen Menschen teilt.
Das vorliegende Buch will keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erheben und es sei daher jedem Leser selbst überlassen, die dargestellten Personen und ihre überzeitlichen Handlungen zu beurteilen. Es soll zur Diskussion beitragen.
Sigrid-Maria Größing