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Die begehrteste Braut Europas

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ANNE DE BRETAGNE entsprach keineswegs dem Bild eines attraktiven jungen Mädchens. Ihr Charme lag nicht in ihren körperlichen Reizen oder ihrem wachen Geist, Anziehungskraft übte allein das Land, das sie als Mitgift bekam, auf ihre Freier aus.

Die Erbin der Bretagne war erst elf Jahre alt, als ihre Eltern das Zeitliche segneten, aber schon ein Jahr später, 1489, wurde sie – obwohl halb noch ein Kind – zur Herzogin der Bretagne gekrönt. Damit wurde sie zu einer viel umworbenen Frau, obwohl sie schon im Kindesalter dem zukünftigen König von England, Edward V., versprochen worden war. Aber wie es das Schicksal so wollte, kam diese Ehe nicht zustande, da der Tod die Pläne der Väter der beiden jungen Leute zunichtemachte. Nach dem plötzlichen Ableben Edwards IV. verschwand sein Sohn gleichen Namens im Tower, wohin ihn sein Onkel, der spätere König Richard III., hatte werfen lassen. Niemals wieder wurde etwas von dem unglücklichen Prinzen vernommen.

Nach vielen Turbulenzen um das Herzogtum Bretagne, in dem die französischen Könige ein gewichtiges Wort mitredeten, gelang es dem römisch-deutschen König und späteren Kaiser Maximilian, Anne zu überzeugen, dass er der richtige Mann an ihrer Seite wäre. Der Altersunterschied von 16 Jahren spielte für Maximilian keine Rolle, auch dass Anne leicht hinkte und über alle Maßen klein war, störte ihn wenig. Denn er war sich sicher, dass er der kleinen Anne gegenüber keine große Leidenschaft entwickeln würde, zu schmerzlich trauerte er noch immer um seine erste Gemahlin, die seine große Liebe gewesen war, Maria von Burgund. Es war die Bretagne, die den König reizte und die ihm nach der Trauung per procurationem, die in der Kathedrale von Rennes stattfand, sicher war. Er selbst war freilich nicht erschienen, Wolfgang Freiherr von Polheim nahm die Stelle des Bräutigams ein. Im Anschluss an die Hochzeitszeremonien bestieg Polheim als Stellvertreter Maximilians in voller Eisenrüstung das Hochzeitsbett, nur ein Knie war entblößt, mit dem er die Braut berühren sollte. Damit war die Sache für Maximilian erledigt und er ließ sich Zeit, mit seiner ihm nun angetrauten Gemahlin die Ehe tatsächlich zu vollziehen.

Was Maximilian nicht ahnen konnte, war, dass ihm die Monate, die er ins Land ziehen ließ, zum Verhängnis werden sollten. Plötzlich hatte auch der französische König Karl VIII. Interesse an der jungen Bretonin, obwohl er selbst schon als Kind mit Maximilians Tochter Margarete verheiratet worden war. Diese Tatsache störte Karl wenig, als es galt, seine Fühler in Richtung Bretagne auszustrecken. Immerhin gab es einen Papst, den er überzeugen konnte, die Kinderehe zu annullieren, damit er als freier Mann im März 1491 nach Westen ziehen konnte, um Anne mit oder ohne deren Zustimmung zu seiner Frau zu machen. Anne erkannte ihre aussichtslose Lage, denn ihr Ehemann Maximilian machte keine Anstalten, ihr zu Hilfe zu kommen. Da das hilflose Mädchen zunächst von den französischen Truppen unter Hausarrest gestellt wurde, willigte es schließlich in ein Treffen mit Karl ein. Ohne viel Federlesens wurde ein Hochzeitstermin festgelegt, nachdem man Polheim eine Depesche übergeben hatte, in der Maximilian mitgeteilt wurde, dass seine Frau die Gemahlin des französischen Königs werden sollte. Maximilians Tochter Margarete, die offizielle Noch-Ehefrau Karls, wurde ohne große Formalitäten nach Hause geschickt. Der Schwiegersohn heiratete die Gemahlin des Schwiegervaters! Von einem legalen Vorgehen konnte zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein.

Karl VIII., alles andere als ein Riese von einem Mann, riskierte viel, um sich in Europa einen Namen zu machen. Dabei wurde er in lang anhaltende Kämpfe in Italien verwickelt, die für ihn positiv verliefen, solange die übrigen Mächte hinter ihm standen. Als sich aber das Bündniskarussell drehte und die einstigen Freunde zu Feinden wurden, konnte er seine Eroberungen nicht auf Dauer halten.

Auch nach Frankreich zurückgekehrt, lachte ihm nicht das große Glück, denn der Tod war ein unerbittlicher Gast im Königshaus. Alle Kinder des Königspaares starben im Kleinkindalter – eine Tragödie für die Eltern. Karl selbst sollte ebenfalls kein langes Leben beschieden sein. Als hätte er geahnt, dass er mit nur 27 Jahren sterben würde, hatte er seine Nachfolge überraschend früh geregelt. Die Bretagne sollte nach seinem Tod wieder an Anne zurückfallen, damit es unter der dortigen Bevölkerung nicht zu Unruhen käme. Allerdings wurde verfügt, dass Anne, sollte sie wieder heiraten, nur dem neuen französischen König die Hand zur Ehe reichen durfte. Damit bliebe die Bretagne auf alle Fälle bei Frankreich! Es war eine ausgeklügelte, raffinierte Idee, die zum Tragen kam: Ludwig XII., einen Cousin Karls, der der nächste König auf dem Throne Frankreichs werden sollte, lockte die Bretagne.

Kaum hatte Karl VIII., der sich an einem tiefliegenden Steintürsturz den Kopf so unglücklich angestoßen hatte, dass er Tage später an einer Hirnblutung starb, das Zeitliche gesegnet, wandte sich sein Cousin Ludwig, der seit 1476 verheiratet war, mit der Bitte an den Papst, seine Ehe zu annullieren. Als Grund gab er an, dass er die Verbindung unter Zwang eingegangen war und die Ehe niemals vollzogen hatte. Als Beweis führte er seine Kinderlosigkeit an, seine Gemahlin weigerte sich allerdings, den Keuschheitstest vollziehen zu lassen. Ludwig XII. fand auch ohne Beweise bei Papst Alexander VI. ein offenes Ohr, denn der Heilige Vater hatte die Absicht, seinen Kardinalssohn Cesare mit Charlotte d’Albret, einer französischen Prinzessin, zu verheiraten, die immerhin die Schwester des Königs von Navarra war. Möglichst rasch wurde daher, nachdem der Papst hatte wissen lassen, dass er die Scheidung des Königs aussprechen würde, ein neuerlicher Ehevertrag geschlossen, in dem das Schicksal der Bretagne aufs Neue geregelt wurde. Der älteste Sohn von Ludwig XII. und Anne de Bretagne sollte Dauphin von Frankreich werden und der zweite die Bretagne erben. Immerhin hatte die 21-jährige Witwe, die Ludwig zum Altar führte, schon sechs Kindern das Leben geschenkt, weshalb zu hoffen war, dass sich auch mit ihm reichlicher Kindersegen einstellen würde.

Die Hochzeitsglocken läuteten für den frisch geschiedenen König von Frankreich und Anne de Bretagne am 8. Januar 1499 in Nantes. Obwohl die Bretonin zum zweiten Mal einen König von Frankreich geheiratet hatte, wurde sie nochmals zur Königin gekrönt. Sie schenkte ihrem Gemahl zwei Söhne, beide waren aber nicht lebensfähig, im Gegensatz zu den Töchtern Claude, die schon im Kindesalter mit Franz von Angoulême verlobt wurde, der später als Franz I. König von Frankreich werden sollte, und Renée, die den Sohn der Lucrezia Borgia heiratete. Auf diese Weise wurde eine Verbindung zu Papst Alexander hergestellt, der die Ehe zwischen Ludwig XII. und Anne ermöglicht hatte.

Obwohl Anne eine robuste Gesundheit hatte – immerhin überlebte sie die Geburten von vierzehn Kindern –, erkrankte sie im Jahre 1513 ernstlich. Da sie von schweren Koliken heimgesucht wurde, nahmen die Ärzte aufgrund der medizinischen Kenntnisse der Zeit an, dass sie an Nierensteinen litt. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchten sie, ihre Schmerzen zu lindern. Helfen konnte ihr niemand. Am 9. Januar 1514 schloss sie in Blois für immer die Augen. Ihren Leichnam überführte man nach Paris, wo auch ihr dritter Ehemann Ludwig ein Jahr später beigesetzt wurde, der freilich noch nicht mit seinem Ableben gerechnet hatte. Denn erst drei Monate zuvor hatte er Mary Tudor geheiratet, ein Mädchen, das 37 Jahre jünger war als er. Er hatte immer noch auf einen männlichen Erben gehofft.

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