Читать книгу Gamification - Spielend lernen (E-Book) - Silke Fischer - Страница 6

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1Gamification im Unterricht

In diesem Kapitel wird zuerst eine begriffliche Abgrenzung zu anderen im Zusammenhang mit Gamification verwendeten Begrifflichkeiten vorgenommen, wie zum Beispiel (Digital) Game-based Learning (dt.: auf Spielen basiertes [digitales] Lernen) und Serious Games (dt.: ernsthafte Spiele; siehe Abschnitt 1.1). In Abschnitt 1.2 werden einige Gründe zur Implementierung von Gamification in der Berufsbildung erläutert. Gamification ist beispielsweise ein adäquates Mittel, um das Prinzip der Handlungskompetenzorientierung umzusetzen und die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts bei den Lernenden zu fördern.

1.1Gamification, Game-based Learning und Serious Games

Nach Sailer (2016) gibt es bis heute keine allgemeingültige Definition des Begriffs «Gamification». Die meisten wissenschaftlichen Publikationen beziehen sich auf die Definition von Deterding et al. (2011a), die auch hier zugrunde gelegt wird.

Definition

Gamification bezeichnet den Einsatz von spieltypischen Elementen in nicht spielerischen Kontexten.

(Nach Deterding et al., 2011a, S. 2)

Mit spieltypischen Elementen sind beispielsweise Badges, Fortschrittsbalken oder Ranglisten gemeint (siehe Kapitel 3). Im Rahmen von Gamification werden solche spieltypischen Elemente ausserhalb ihrer ursprünglichen Zielsetzung, der Unterhaltung, genutzt, weshalb von nicht spielerischen Kontexten gesprochen wird. Eine Zielsetzung von Gamification wurde von Deterding et al. (2011a) bewusst nicht benannt, um das Konzept nicht zu beschränken. Nichtsdestotrotz kann Gamification beispielsweise die folgenden Zielsetzungen verfolgen: Verhaltensänderungen, Motivationssteigerung, Förderung von Lernen sowie Förderung von Problemlösen (vgl. Kapp, 2012; Schmidt, 2015; Zichermann & Cunningham, 2011). Dabei kann die Umsetzung von Gamification digital oder auch analog erfolgen.

Im Gegensatz zu Gamification, die lediglich die Nutzung spieltypischer Elemente beinhaltet, bezeichnet Game-based Learning den Einsatz von vollständigen, meist digitalen Spielen zur Vermittlung von Lerninhalten (Jacob & Teuteberg, 2017). Ein Beispiel für ein solches Spiel ist das Lernspiel «Fischteich» der Lehr- und Lernplattform Iconomix.2 Um zu verdeutlichen, dass es sich um digitale Spiele handelt, wird häufig der Zusatz «digital» ergänzt (vgl. Le, Weber & Ebner, 2013). Grundsätzlich kann das Konzept des Game-based Learning aber auch nicht digitale, haptische Spiele umfassen. Eine eindeutige Abgrenzung zu anderen in diesem Kontext genutzten Begriffen wie Serious Games gibt es bisher nicht (Fromme, Biermann & Unger, 2010), weshalb diese Begrifflichkeiten hier synonym verwendet werden. Die Verbindung dieser Konzeptionen besteht darin, dass zur Vermittlung von Lerninhalten beziehungsweise zur Erfüllung kognitiver Lernziele – quasi mit ernsten Absichten – gespielt wird.

Die Unterschiede respektive Gemeinsamkeiten zwischen Gamification und Game-based Learning beziehungsweise Serious Games veranschaulicht Abbildung 1: Beide Konzeptionen beruhen auf der Gaming-Komponente des Spielens, das heisst auf regelbasierten Spielformen, die klar auf ein Ziel ausgerichtet sind und nicht nur der Unterhaltung dienen. Dagegen bezeichnet Playing in diesem Kontext zweckfreie, rein auf Spass ausgerichtete Spielformen.


Abbildung 1: Gamification zwischen Game und Play, als Ganzes und in Teilen (nach Deterding, Khaled, Nacke & Dixon, 2011b, S. 13)

Die Einschätzung, ob es sich bei einer Anwendung um gamifizierte Elemente (Gamification) oder ein komplettes Spiel (Game-based Learning/Serious Games) handelt, ist oft nicht eindeutig und obliegt der subjektiven Einschätzung und der individuellen Nutzung durch die Beurteilenden (Deterding et al., 2011a).

1.2Gamification in der Berufsbildung

In der Berufsbildung haben E-Learning-Elemente mittlerweile in allen Bereichen des Curriculums Einzug gehalten. Die Forderung, neue Technologien in den Unterricht zu implementieren, ist daher keinesfalls neu und wird kontinuierlich von allen schulischen Akteuren (Eltern, Politik usw.) erhoben. Allerdings fehlt es den Lernenden und zum Teil auch den Lehrpersonen häufig an Motivation, die neu implementierten E-Learning-Anwendungen auch wirklich im Unterricht zu nutzen (Knautz, 2015). Dieser Mangel an Motivation soll durch den Einsatz von gamifizierten Anwendungen behoben werden, indem durch Spass am Spielen auch der Spass am Lernen forciert wird. Abgesehen davon, dass durch Gamification die Motivation gesteigert werden kann, gibt es weitere Gründe, die für eine Aufnahme von Gamification in den Unterricht sprechen.

Erstens zählen die heutigen Lernenden zu den «digital natives» (Prensky, 2001) und sind seit frühester Jugend mit Computerspielen vertraut. Allerdings werden Spiele beziehungsweise spielerische Elemente im Bildungsbereich meist nur bis zum Ende der Grundschulzeit genutzt, obwohl die Lernenden über die notwendigen Fähigkeiten, Spielszenarien zu lernen, bereits verfügen (Erenli, 2013). Ferner eignen sich Jugendliche heutzutage in ihrer Freizeit oftmals Fähigkeiten, Kompetenzen und sogar Lernmethoden durch das Spielen von (Computer-)Spielen an, weshalb es für Erenli (2013) kontraintuitiv erscheint, solche Vermittlungsmethoden in Bildungseinrichtungen ungenutzt zu lassen.

Zweitens sind Spiele heutzutage an vielen Arbeitsplätzen präsent: Rund die Hälfte der befragten (deutschen) Arbeitnehmenden spielt am Arbeitsplatz (Erenli, 2013). IBM nutzt beispielsweise das Onlinespiel «Innov8» in der betrieblichen Weiterbildung, um Mitarbeitende in der Handhabung von Businessprozessen zu schulen (Erenli, 2013). Die Anwendung von Gamification in der Berufsbildung kann demnach auch dabei unterstützen, die Lernenden adäquat auf solche Arbeits- und Weiterbildungsformate vorzubereiten.

Drittens ist Gamification ein geeignetes Mittel, um die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts – kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation und Kreativität (vgl. Sterel, Pfiffner & Caduff, 2018) – zu fördern (Qian & Clark, 2016). In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich durch Gamification die Problemlösefähigkeiten (Yang, 2012) sowie die Fähigkeit zum kritischen Denken (Yang & Chang, 2013) der Probandinnen und Probanden signifikant verbessert haben. Zudem konnte gezeigt werden, dass Lernende, die ihr eigenes Spiel selbst gestalteten, ein signifikant höheres Interesse und eine signifikant höhere Kompetenzwahrnehmung haben (Vos, van der Meijden & Denessen, 2011).

Viertens trägt Gamification dem derzeit hochrelevanten Prinzip der Handlungskompetenzorientierung Rechnung (vgl. Rahmenlehrpläne der Sekundarstufe II/Berufsbildung sowie Lehrplan 21). Durch die Auswahl von verschiedenen gamifizierten Aufgabensets (Quests) können verschiedene Kompetenzen (Fach-, Methoden-, Sozial-, Selbstkompetenzen) sukzessiv gemäss einem Kompetenzmodell, etwa dem von Meyer (2012), aufgebaut und gefördert werden. Der Lernfortschritt und -stand der Lernenden lässt sich auf diese Weise anhand verschiedener Kompetenzstufen erfassen. So können Sozialkompetenzen, zum Beispiel die Team- und Kommunikationsfähigkeit, unter anderem durch die Förderung von Interaktion zwischen den Spielenden beziehungsweise Lernenden gefördert werden. Gamification kann überdies die unterschiedlichen Vorbedingungen der Lernenden berücksichtigen und durch den Einsatz von unterschiedlichen Geschichten individuelle Lerngeschwindigkeiten ermöglichen (Bartel, Figas & Hagel, 2015). Überdies können die Lernenden ihr Lerntempo mittels speziell eingesetzter Aufgaben individuell bestimmen und sich dank vielfältiger Feedbackmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Lernenden einschätzen.

Fünftens stellt Gamification einen neuen Ansatz dar, der wiederkehrende Kritikpunkte an der bestehenden Unterrichtspraxis entkräftigt; dazu zählen insbesondere: eine zu kleinschrittige Vorgehensweise (Klieme, Schümer & Knoll, 2001), die Dominanz fragend-entwickelnder Unterrichtsformen (Pauli & Reusser, 2003) sowie kurzfristige und wenig vernetzte Wissensprozesse (Stern, 2006). Beispielsweise können Fallstudien, die sich durch einen hohen Grad an Anwendungs- und Problemorientierung auszeichnen, gamifiziert werden. Die Spielenden können diese dann in selbstgesteuerten Lernprozessen bearbeiten. So können Theorie und Praxis miteinander verbunden und Aufgaben konzipiert werden, die von den Lernenden ganzheitliche und problemorientierte Lernstrategien erfordern. Da Spielen Lernende allgemein motiviert, eignet sich Gamification besonders bei Unterrichtsthemen und -einheiten, die sich durch einen geringen Grad an intrinsischer Motivation vonseiten der Lernenden auszeichnen und durch abstrakte Lerninhalte sowie komplexe Aufgabenstellungen gekennzeichnet sind.

Gamification - Spielend lernen (E-Book)

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