Читать книгу Ein Dorf schweigt - Silke Naujoks - Страница 3
Kapitel 1
Оглавление»Lauf Nummer vier!«, schrie ich.
»Nummer zwei! Abbu! Streng dich an! Nun mach schon, du musst gewinnen!«, schrie neben mir, Kim Wagenheber, meine Cousine.
Ihre ansonsten blassen Wangen waren heute stark gerötet und ihre braunen Locken hingen ihr wild in die Stirn. Sie wippte immer zu auf den Zehenspitzen, hatte die Hände zu Fäusten geballt und ruderte damit durch die Luft, als könnte dadurch ihr Windhund schneller rennen als meiner.
»Abbu, du darfst mich nicht enttäuschen«, rief sie aufgeregt.
Aber der Hund hatte keine Chance gegen die Nummer vier, deren Namen ich nicht behalten konnte. Er hieß Ibby oder Ikki oder Indy. Egal. Für mich war er die Nummer vier, und wenn er gewann, konnte ich mir am Wettschalter einen netten kleinen Gewinn abholen.
»Lauf!«, schrie ich wieder.
Ich strengte mich fast genauso an, wie der Hund, der hinter dem Hasenbalg herjagte. Abbu holte auf den letzten paar Metern auf, aber er war keine Gefahr für meinen Favoriten. Als der Sieger feststand, warf ich die Arme hoch und jubelte.
»JAAAAAA! Wir haben gewonnen!« Lächelnd umarmte ich meine Cousine und tanzte mit ihr, obwohl sie an meiner Freude nicht teilhaben konnte, denn ihr Hund hatte ja nur den ehrenvollen zweiten Platz gemacht. Mit saurem Gesicht, hüpfte Kim mit mir ein paar Mal im Kreis. Sie war ein Mädchen, das nicht verlieren konnte, ganz gleich, wobei. Aber das Leben und ich hatten ihr wieder einmal gezeigt, dass es niemanden auf der Welt gibt, der immer nur gewinnt. Eine Lehre, die ich der zarten Kim gern erteilte. Sie war so alt wie ich, also noch nicht ganz zwanzig und ich kann mit ehrlichem Gewissen sagen, dass wir einander gern hatten. Wenn Kim ihre Anwandlungen hatte, war es besser sie zu meiden, denn dann wurde sie leicht ungenießbar. Im Augenblick drohte sie diese Anwandlung wieder zu bekommen, deshalb ließ ich von ihr ab und holte meinen Gewinn, den mir meine Cousine selbstverständlich nicht gönnte. Um so mehr freute es mich, dass Abbu auf Platz zwei gelandet war.
Die gesamte Familie Arend war mit mir zum Hunderennen gegangen. Tante Liz, Onkel Wolfgang und deren Söhne Jo und Wilfred. Vor zehn Jahren hatte ich zum letzten Mal meine Schulferien hier verbracht. Dann war es meinen Eltern finanziell besser gegangen und sie hatten Spanien für uns als ideales Reiseziel entdeckt. Jahr für Jahr hatte Onkel Wolfgang sein Angebot erneuert, ich könne im Sommer wieder bei ihm wohnen. Vor allem Kim würde sich darüber freuen, weil sie dann eine gleichaltrige Spielgefährtin hätte, doch verbrachte ich die Ferien viel lieber im heißen, sonnigen Spanien. Erst in diesem Jahr entdeckte ich die alte Heimat als Urlaubsziel wieder und die Familie Arend freute sich über meinen Entschluss, zu ihr zu kommen. Ganz kurz, für zwei bis drei Tage waren meine Eltern mit mir hier auch während der vergangenen Jahre aufgetaucht. Oder die Arends waren für ein paar Tage zu uns nach Berlin gekommen, damit die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht einfroren. Nur einen richtigen und schönen Urlaub hatte ich im Osten Deutschlands, der auch seine Reize hatte, schon lange nicht mehr verbracht.
Das nächste Rennen wurde angesagt.
»He, Cousinchen, auf welchen Hund setzt du diesmal?«, wollte Jo wissen. Er war dunkelhaarig und sportlich, wirkte manchmal ein bisschen steif und versnobt.
»Ich habe einmal gewonnen, ein zweites Mal fordere ich das Schicksal nicht heraus«, erwiderte ich. »Ich möchte das schöne Geld, das ich gewonnen habe, nicht wieder verlieren.«
»Das ist sehr vernünftig von dir«, lobte Tante Liz.
Ihr schönstes Kleid hatte sie aus dem Schrank geholt, um dem Ereignis einen würdigen Rahmen zu geben. Da konnte ich in Jeans und Pullover nicht mithalten, aber ich fühlte mich in dieser Kleidung am wohlsten. Vater sagte manchmal, ich wäre ein besserer Junge geworden und manchmal bedauere ich es wirklich schon, eine Frau zu sein, obwohl man mir sagte, dass ich hübsch sei. Nun hässlich bin ich nicht, aber selbst ist man immer kritischer als die anderen. Wenn ich schlechte Laune hatte und vor dem Spiegel stand, gefiel mir an meinem Gesicht so einiges nicht. Worauf ich aber immer stolz war, war mein langes goldblondes Haar mir den Naturwellen, um die mich Tante Liz schon oft beneidet hatte, denn ihr braunes Haar war glatt und sie musste jede Woche zum Frisör gehen, damit es nicht strähnig und unansehnlich wurde.
Ich hatte die ganze Zeit schon das Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden. Mehrmals hatte ich mich bereits suchend umgesehen, doch ich war dabei niemandes Blick begegnet. Jetzt wandte ich mich wieder um, während die Windhunde an den Start gebracht wurden.
»He«, rief Jo lachend, »das Rennen findet hier statt, Cousinchen. Nicht dort hinten.«
»Ist mir bekannt«, gab ich abgelenkt zurück.
Wenn ich doch nur gewusst hätte, wer sich für mich interessierte und aus welchem Grund.
Wilfred hastete noch schnell zum Wettschalter, und als er zurückkehrte, glänzten seine Augen als hätte er Fieber. Er war leicht übergewichtig, sah aber trotzdem gut aus. Man musste sich vor ihm jedoch in acht nehmen. Wenn man sich seinen Hass zuzog, war er imstande, einem das Leben zur Hölle zu machen.
Das zweite Rennen wurde gestartet. Da ich nicht gewettet hatte, hatte die Sache keinen Reiz für mich. Ich hielt Wilfreds Windhund ein wenig die Daumen, das war alles. Vielleicht wurde das Tier deshalb vorletzter. Wieder glaubte ich, dass mich jemand beobachtete, während Wilfred seinen Wettschein verdrossen auf den Boden warf und darauf trat, ließ ich meinen Blick erneut schweifen und nun entdeckte ich einen jungen, gutaussehenden Mann mit schwarzem Haar und dunklen Augen. Er schaute mich an und mir kam es vor, als sei er traurig. Als er merkte, dass ich ihn entdeckt hatte, sah er ganz schnell woanders hin. Ich stieß Kim an. Sie war ein umschwärmtes Mädchen. Ich hoffte, sie könnte mir sagen, wer dieser attraktive junge Mann war.
»Ja, was ist?«, fragte meine Cousine.
Ich schmunzelte. »Ich glaube, ich habe eine Eroberung gemacht.«
Dafür hatte sie immer Verständnis. Ihr Ärger darüber, dass sie beim vorherigen Rennen nicht gewonnen hatte, verflog. »Wirklich? Wer ist es?«
Heimlich wies ich auf den betreffenden Mann und wunderte mich, dass meine Cousine plötzlich blass wurde. Sie war wütend, entrüstet, empört. Ich konnte ihre heftige Reaktion nicht verstehen. »Kannst Du mir erklären ...«, begann ich, doch Kim beachtete mich nicht mehr.
Sie wandte sich an ihre Brüder und an die Eltern und alle reagierten mit der gleichen Empörung. »Dass er es wagt, sich in aller Öffentlichkeit zu zeigen«, sagte Tante Liz verächtlich.
»Wieso?«, fragte ich. »Wer ist das?« Sie überhörte meine Frage.
»Ich möchte, dass wir gehen«, sagte Onkel Wolfgang.
»Aber wieso denn?«, fragte ich. »Es kommen doch noch drei Rennen.«
»Wir haben keine Lust, länger hier zu bleiben«, stellte Onkel Wolfgang fest.
Na schön, er und seine Familie hatten vielleicht keine Lust mehr, aber ich wäre sehr gerne noch geblieben, doch ich musste mich den strengen Worten meines Onkels fügen. Wenn er sagte: ›Wir gehen nach Hause, dann gingen wir nach Hause, und zwar alle.‹
Einverstanden, ich wollte ja gar nicht stänkern, aber sie hätten mir wenigstens sagen können, warum ihnen dieser junge Mann so gründlich die Laune verdorben hatte. Merkwürdig. Obwohl ich nicht glaubte, ihn schon einmal gesehen zu haben, kam er mir nicht fremd vor. Da war etwas Vertrautes in seinen Zügen. War ich ihm vor zehn oder mehr Jahren schon mal begegnet? Hatten wir zusammen gespielt, als wir Kinder waren? Ich wäre am liebsten zu ihm gegangen und hätte ihn gefragt: ›Warum haben Sie mich die ganze Zeit beobachtet? Wer sind sie? Was wollen Sie von mir?‹
Jetzt hatte ich das Gefühl, meine Verwandtschaft wolle mich vor ihm in Sicherheit bringen. Meine beiden Cousins schirmten mich regelrecht ab. Wie Leibwächter kamen sie mir vor. Was sollte das? Stellte der junge Mann eine Bedrohung für mich dar? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Er machte auf mich keinen gefährlichen Eindruck, aber ich musste zugeben, dass es mit meiner Menschenkenntnis nicht weit her war. Meine Verwandten drängten mich zum Parkplatz. Nach wie vor kannte ich den Namen des Mannes nicht. Die Arends hatten anscheinend vor, mich dumm sterben zu lassen und das ärgerte mich.
»Dürfte ich nun endlich erfahren, was ...«, begann ich, als wir Onkel Wolfgangs Wagen erreichten.
»Steig ein, Pam«, sagte er zu mir und seine Miene war schon lange nicht mehr so finster gewesen.
Ich gehorchte. Kim nahm neben mir Platz, Tante Liz setzte sich neben ihren Mann und Jo und Wilfred begaben sich zu dessen Wagen. Ein schöner Sonntagnachmittag war plötzlich umgeschlagen. Das Barometer zeigte auf einmal Schlechtwetter und ich hatte nicht den leisesten Schimmer, warum das so war. Wir fuhren durch den kleinen unscheinbaren Ort mit den lieblichen eng aneinander geschmiegten Häusern. Es war ein malerischer, ein wenig verträumter Ort und ich musste zugeben, dass es richtig gewesen war, ihn solange links liegen zu lassen. Der Ort war es wert, dass man öfter kam. Ich nahm mir vor, wenigstens jedes zweite Jahr hier meinen Urlaub zu verbringen, das ging natürlich nur, solange ich frei und ungebunden war. Wie lange ich das noch sein würde, hing nicht von mir alleine ab. Während der Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Ich versuchte es zweimal, doch die Antwort war gleich null und so gab ich mein Bemühen erst mal auf, zu erfahren, wer der junge Mann war. Ewig konnten die ja nicht schweigen. Ich hoffte, dass sie zu Hause die Katze aus dem Sack lassen würden.
Zu Hause, das war ein altes Herrenhaus aus dem vorherigen Jahrhundert. Ein wenig unheimlich war es schon. Vor zehn Jahren war mir das nicht aufgefallen. Damals hatte ich noch die Unbekümmertheit eines Kindes besessen. Heute empfand ich anders und das Leben hatte mir trotz meiner Jugend ein paar Wunden geschlagen, die mich vorsichtiger und misstrauischer werden ließen. Deshalb hatte es mich zunächst ein bisschen erschreckt, als ich das Haus der Arends wiedersah, denn so düster und unheimlich war es mir nie vorgekommen. Doch nach nur zwei Tagen war das Unbehagen weg gewesen und ich fasste langsam Vertrauen zu dem Gebäude mit den dämmrigen Fluren und schummerigen Ecken und Winkeln. Das Haus der Arends stand außerhalb des Ortes und war umgeben von einem dichten, finsteren Wald, in dem man sich glatt verirren konnte. Während Kim und ich lieber in unseren Zimmern mit Puppen gespielt hatten, waren Jo und Wilfred viel in den Wäldern herumgezogen und es gab kaum einen Baum, an dem sie damals nicht hochgeklettert waren. Max, der alte Diener, empfing uns. Er sagte, er hätte uns noch nicht zurückerwartet und meine Verwandten machten es mit ihm genauso wie mit mir. Der junge Mann von der Windhundbahn wurde einfach totgeschwiegen, aber gerade dadurch war er besonders lebendig für uns. Man konnte ihn in unserer Mitte spüren. Hatten meine Verwandten Angst vor ihm? Wieso mieden sie seine Nähe, als hätte er irgendeine entsetzliche, ansteckende Krankheit? Dass sie partout nicht über ihn reden wollten, sah ich nicht ein, warum ich mich an ihrem eifrigen Schweigen beteiligen sollte. Nicht reden konnte ich auch in meinem Zimmer, deshalb zog ich mich dorthin zurück und niemand hatte etwas dagegen.
Der Raum war erst vor meiner Ankunft neu tapeziert und eingerichtet worden. Kein Möbelstück erinnerte mich an meine früheren Aufenthalte in diesem Haus. Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, setzte ich mich vor den Frisörspiegel und kämmte mein blondes Haar. Aber eine Dauerbeschäftigung war das nicht. Nachdenklich betrachtete ich mein Spiegelbild und ich fragte mich, ob ich so wenig vertrauenswürdig war, das meine Verwandten nicht über alles mit mir sprechen wollten. Um die Zeit bis zum Abendessen totzuschlagen, begab ich mich zu dem kleinen Schreibtisch beim Fenster und begann einen Brief an meine Eltern zu schreiben.
›Liebe Eltern, heute habe ich etwas Merkwürdiges erlebt ...‹
Der Anfang gefiel mir nicht, ich knüllte das Papier zusammen und warf es auf den Boden. Warum eigentlich nicht in den Papierkorb?
›Liebe Eltern,
ich hoffe, es geht Euch gut. Schade, dass ihr nicht hier sein könnt. Ich vermisse Euch ...‹
Auch nichts. Der nächste Papierball landete auf dem Teppich.
›Liebe Eltern ...‹
Nun gefiel mir noch nicht einmal mehr die Anrede!
›Liebe Mutter, lieber Vater ...‹
Ach was. Ich gab auf, beim Aufstehen sammelte ich die Knäule ein und warf sie in den Papierkorb und lehnte mich neben dem Fenster an die Wand. Ein milder Lufthauch streichelte mein Gesicht. Mit halb gesenkten Lidern genoss ich die friedliche Atmosphäre. Das leise Rauschen der Bäume, das unermüdliche Zwitschern der Vögel. Die Natur brachte keinen Misston hervor und doch fühlte ich mich nach einer Weile unbehaglich. Wieder fühlte ich mich beobachtet. War das diesmal ein erstes Anzeichen von Verfolgungswahn? Ich versuchte zu vergessen und nach einer Weile gelang es mir auch. Stattdessen dachte ich an meine Kollegen in der Bank, von denen die meisten ihren Urlaub bereits hinter sich hatten. Simon Klausen kam mir in den Sinn, rötliches Haar, vorstehende Zähne, zuständig für die Schließfächer. Er hatte eine Schwäche für mich, aber ich nicht für ihn und ich hatte ihm das auch klipp und klar gesagt. Aber das hinderte ihn nicht daran, mich zu fragen, ob ich im Herbst mit ihm für ein paar Tage nach Irland reisen wollte. Meine Antwort war natürlich nein. Er kannte sie schon, bevor ich sie aussprach, doch ich konnte sicher sein, dass er mir bald einen ähnlichen Vorschlag machen würde. Simon Klausen war einer meiner hartnäckigsten Verehrer. Wahrscheinlich sagte er sich, Beharrlichkeit ist alles. Für mich jedenfalls nicht, das stand fest und Simon würde seinen Irrtum eines Tages einsehen und sich auf ein Mädchen, bei dem seine Chancen größer waren, konzentrieren. Eine Weile hatte ich Simon ganz deutlich vor mir. Dann wechselte das Bild und Simon Klausen wurde zu einem schwarzhaarigen, gutaussehenden Mann ohne Namen. Die Dämmerung setzte ein, ohne dass es mir bewusst wurde.
Kim klopfte an meine Tür. »Abendessen, Pam.«
›Großer Gott‹ ... Ich war noch nicht einmal umgezogen. Onkel Wolfgang liebte es nicht, wenn man nicht pünktlich am Tisch saß. Es hätte ihm auch missfallen, wenn ich in Jeans und Pullover erschienen wäre. Er hielt sehr viel auf Etikette. Dazu gehörte, dass ein weibliches Wesen während der Mahlzeiten ein Kleid trug.
»Ich komme sofort!«, rief ich und holte rasch ein Kleid aus dem Eichenschrank. Trotz der Eile hängte ich die Jeans über einen Kleiderhaken und legte den Pullover ordentlich zusammen. So viel Zeit musste sein, denn so hatten meine Eltern mich erzogen. Die Mienen meiner Verwandten hatten sich noch nicht geändert. Sie waren immer noch grimmig und verschlossen. Das bedeutete für mich, dass das Thema ›junger Mann‹ in diesem Haus nach wie vor tabu war. Dadurch schnellte meine Neugier natürlich noch weiter nach oben. Nach dem Abendessen spielte Kim für uns auf dem Klavier, lustlos wie mir schien, und es hörte ihr auch keiner interessiert zu. Sie spielte einfach, weil ihr Vater sie darum gebeten hatte und ich nahm an, er tat es, damit ich nicht wieder unbequeme Fragen stellte.
Schwer und schwarz breitete sich die Nacht über das alte Haus. Der unheimliche Ruf eines Käuzchens flog durch die Dunkelheit und ließ mich erschaudern. Ich befand mich wieder allein in meinem Zimmer, konnte mich aber noch nicht entschließen, zu Bett zu gehen. Bald würde der Mond aufgehen und sein silbernes Licht in mein Reich schicken. Ich beschloss, auf ihn zu warten. Versonnen näherte ich mich dem Fenster und im nächsten Moment zuckte ich leicht zusammen ...
Dort unten zwischen den Bäumen stand jemand. Ich konnte ihn nur vage erkennen, bildete mir aber ein, dass es der Mann von der Windhundrennbahn war. Was wollte er hier? Stand er meinetwegen dort unten? Meine Hand umschloss die Gardine. Ich hielt mich daran fest. Reglos wie eine Statue stand die Gestalt in der Finsternis. Je länger ich hinuntersah, desto undeutlicher wurde sie und bald war ich nicht mehr sicher, ob ich tatsächlich jemanden sah oder es mir nur einbildete. Mein Herz schlug ein bisschen schneller und ich nagte nervös an der Unterlippe. Sollte ich meine Verwandten alarmieren? Wenn ich mich irrte, scheuchte ich sie grundlos aus den Betten. Die Gestalt dort unten konnte durchaus auch nur in meiner Einbildung existieren. Rasch schloss ich die Augen, schüttelte den Kopf, und als ich die Lider wieder hob, war der Platz zwischen den Bäumen leer. Hatte ich ein Trugbild gesehen? Mir verging die Lust, auf den Mond zu warten. Ich legte mich ins Bett und wartete auf den Schlaf, der mich auch bald übermannte.