Читать книгу Für immer Shane ~2~ - Simone Lilly - Страница 4

2.

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Liebe Britney,


ich vermisse dich so sehr, das kann ich dir gar nicht sagen. Noch dazu vermisse ich es, dir SMS zu schreiben, was viel einfacher war, als diese dämlichen Briefe. Ich hoffe dein Handy ist bald wieder repariert?

Wie geht es dir?

Bei mir hat sich nicht sehr viel getan. Ich arbeite immer noch bei Billy & Sons, worüber ich sehr glücklich bin. Niemals hätte ich gedacht eines Tages wirklich zu Malen.


Das Bild hing an ihrer Wand. Obwohl sie schon vor gut einem Jahr von Tennessee nach New York City gezogen waren, hatte sie es immer an der selben Stelle angebracht. Über ihrem Bett. „Damit es meine Träume bewacht“, hatte Britney ihrem Bruder gesagt, der daraufhin gelacht hatte. Ob es nun lustig war oder nicht, sie empfand es so.

Joan hatte ein neues Angebot bekommen als Arzt in New York anzufangen, was er natürlich sofort angenommen hatte. Britney störte es nicht. Sie liebte New York, mehr sogar, als ihre alte Heimat, mehr als ihren Geburtsort.

„Wie ist die Antwort?“

Rasch klappte sie ihr Biologie Buch über dem Brief zusammen und versuchte vorzutäuschen, dem Unterricht gefolgt zu sein. Gelang es ihr wirklich gut? Sie hoffte es. Seitdem Shanes Brief eine Woche zuvor bei ihr eingetroffen war, hatte Britney ihn nicht mehr aus der Hand legen können. Er war schon ganz zerlesen und abgegriffen. Doch gerade das, so fand sie, machte ihn attraktiv.


es macht mir Spaß und ich kann mir nicht vorstellen, jemals in einem Büro zu sitzen.

Jedesmal wenn ich Lea mit Mac sehe, werde ich ganz wehmütig. Warum können sie zusammen sein, sich jeden Tag sehen und wir nicht?

Aber vielleicht hat es auch seinen Grund. Du lachst bestimmt, aber ich denke, dass Gott uns eine Aufgabe stellt.


… Oh ja, Shane war sehr gläubig. Sie musste lachen. Eine Aufgabe stellen? Wohl eher foltern.


Möglicherweise will er uns damit testen, uns auf die Probe stellen.


… „oder uns foltern.“, flüsterte sie in Gedanken und verbarg den Brief erneut vor den Augen ihres Lehrers. Es war die letzte Stunde vor den Weihnachtsferien, konnte er nicht einfach sagen, er wolle sie gehen lassen und es auch tun?

Sie seufzte, rümpfte die Nase und las heimlich weiter. Umständlich, denn sie konnte das Buch nur zur Hälfte öffnen, sonst wäre es zu auffallend.


Aber soll ich dir was sagen? – er tut es umsonst. Ich weiß, dass ich dich immer lieben werde.


Hinter dem Satz war ein kleines Herzchen gemalt worden. Es war schön, was Britney nicht wunderte, denn wenn Shane eines konnte, dann war es Malen.

Ungewöhnlich war, dass der Brief harmlos weiterging, normalerweise – besonders bei SMS – schrieb Shane gerne anzüglichere, schmutzige Sachen. Schon wieder musste sie lachen. Was er während er das schrieb tat, wollte sie lieber nicht wissen. Doch ihr gefiel es. Manchmal, abends, klingelte das Handy unaufhörlich. Er schrieb ihr, was er tun würde, wäre sie bei ihm. Sie schrieb ihm, was er denn ihrer Meinung nach tun sollte.


Manchmal vermisse ich dich so sehr, dass es richtig schmerzt. Geht es dir auch so?


… Natürlich.


Ich hoffe es, denn wir werden uns – wenn du es willst – wiedersehen. Ich kann zu dir kommen – noch dieses Jahr – wenn du es möchtest.


Britney war an diesem Morgen nicht zur Schule gegangen, sie war krank gewesen. Joey hatte sie davon überzeugen können, ihr dabei zu helfen ihrem Vater zu sagen, sie hätte sich erkältet und könnte nicht in die Schule. Die Wahrheit war aber gewesen, dass an diesem Tag Shanes Geburtstag gewesen war. schon wieder zu wissen, dass er älter wurde und sie nicht bei ihm sein konnte, hatte sie wirklich krank gemacht. So war sie, als ihre Eltern und ihr Bruder das Haus verlassen hatten, den ganzen Tag vor dem Fernseher gesessen, hatte peinlichst genau darauf geachtet keine Liebesfilme anzusehen und sich gleich alle fünf „Saw – Filme“ angesehen. Sie hatte sie eingesogen wie die Luft zum Atmen. Dankbar, um die Grausamkeit, die darin zu finden war.

Gegen Nachmittag hatte es dann an der Tür geklingelt. Lustlos und mit nur einem Bademantel bekleidet, war sie aufgestanden und hatte sie geöffnet.

„Post für Sie.“

„Danke sehr.“

Neugierig war sie auf ihr Zimmer gegangen.

Post für Sie“ war in der letzten Zeit der schönste Satz, den sie sich vorstellen konnte. Wann immer sie ihn hörte, machte ihr Herz einen gewaltigen Sprung und sie glaubte die Welt umarmen zu können.

Also war sie in ihr Zimmer gegangen, hatte sich an ihren Schreibtisch gesetzt und ihn gelesen. Seitdem immer wieder und wieder und wieder.


Ich habe genug Geld gespart, müsste aber bald wissen, ob es in Ordnung ist. Besonders wegen deinem Vater.


Ginge es nach Britney, hätte sie Shane schier aus dem Brief herausgezogen, gierig angesprungen und ihn erst wieder losgelassen, wenn man sie gewaltsam von ihm trennen musste. Aber wann ging es schon nach ihr.

Es läutete. Endlich! Noch vor den anderen, packte sie ihre Tasche, schulterte sie und stürmte aus dem Klassenzimmer. Draußen war es noch herrlich warm, selbst zu dieser Jahreszeit. Der Wetterbericht hatte zwar angekündigt es würde herrliche weiße Weihnacht geben, doch glaubte Britney nicht recht an diese Prophezeihung. Der Weg bis zu ihrem neuen Haus war nicht weit. Diesmal hatten sie ein eigenes. Es war groß, viel größer als ihre alte Wohnung, und auch freundlicher.


Natürlich hatte Britney gleich nachdem ihr Vater am Abend von der Arbeit nachhause gekommen war, gemütlich gegessen hatte und damit milde gestimmt worden war, gefragt, ob es denn in Ordnung ginge, wenn Shane sie besuchte.

Das ist doch der Ire?“, hatte er gefragt.

Der Ire, der mich gerettet hat“, hatte sie geantwortet und nervös auf den Fingern gekaut, einen flehenden Blick zu Joey, der oben an der Treppe wartete, geworfen und gebetet.

Er hat dir das Bild geschenkt, nicht?“Ihr freundlich aufgesetztes Lachen erstarb. Er mochte ihn immer noch nocht. Zwar war er dankbar, dass Shane seine Tochter gerettet hatte, das konnte man Joan eingestehen. Mehr war es aber nicht. Bei jeder Erwähnung, bei jedem Besuch in ihrem Zimmer, wenn sein Blick auf das gemalte Bild fiel, konnte man Joans‘ Hass in seinen Augen nicht verkennen. Wie sollte seine jahrelange Abneigung auch nur in einem Moment verfliegen?

Er hatte Angst, Angst davor, Britney an einen Iren verlieren zu können. So wie ihre Mom.

Dad, er bringt mich doch nicht um!“

Nein, aber ich möchte dich auch in keiner anderen Weise verlieren.“

Ihr Kopf dröhnte. Warum half ihr Joey nicht. Hatte er nicht gesagt, er würde Shane richtig mögen?

Was konnte sie ihrem Dad sagen, was sollte Joan klar machen, dass er sie nicht an Shane – einen Iren – verlieren würde? Obwohl er das schon längst hatte. In dem Augenblick als Shane sie geküsst hatte.

Immer wieder hatte ihr Bruder nur ahnungslos und ebenso verzweifelt wie sie es war mit den Schultern gezuckt, war aber nicht eingeschritten.

Letzten Endes und sicherlich aus lauter Verzweiflung und Sehnsucht nach ihm, hatte sie die Worte ausgesprochen, Worte, von denen sie noch nicht sicher sagen konnte, ob sie sie bereuhen würde, oder nicht.

Dad, du kannst mich nicht an ihn verlieren … er ist nämlich … schwul“


Mit ihrer Stimme, die sie lebendig neben sich hören konnte, die sie auf Schritt und Tritt verfolgte , im Kopf, erklomm sie die, vom schon gefallenen Schnee, nassen Stufen zu ihrem Haus, sperrte die Tür auf und trat ein.

Jetzt war es soweit, Shane würde schon morgen bei ihr sein. Britney schloss kurz die Augen, um sich ihn vorzustellen. Wie er sie anlachte, bis über beide Ohren, strahlte und sie in die Arme schloss.


So, schwul?“

Es gab eine lange Pause, in der ihr Vater anscheinend überlegen musste. Wenn er schwul war, konnte er Britney nichts tun. Höchstens Joey. Ihr wurde schelcht, Joey? Oh mein Gott. Hoffentlich würde es ihrem Vater nicht in den Sinn kommen.


Es war ihm nicht in den Sinn gekommen. Beinahe freundlich hatte er zugestimmt. Glücklich übersprang sie die wenigen Stufen bis zu ihrem Zimmer, warf ihre Tasche in eine Ecke und schmiss sich auf das weiche und frisch gemachte Bett.

Wie oft hatte sie auf ihrer Fensterbank gesessen? Erst recht vergangenen Winter. Hatte die verschneite Landschaft beobachtet und einen heißen Kakao getrunken, auf vorbeilaufende Menschen geblickt und gehofft, Shane wäre unter ihnen.

Die Tür wurde geöffnet und Joey lugte vorsichtig zu ihr hinein. Seit Tagen gab es zwischen den Geschwistern kein anderes Thema. Nichts als Shane. Gemeinsam hatten sie einen Plan ausgeheckt um ihre Liebe, ihre Beziehung vor Joan und Evia, ihrer Stiefmutter zu verbergen. Um das zu tun half es natürlich alles nichts. Sie hatte die schwere Aufgabe, Shane in einer SMS zu sagen, wie schwer sie ihren Vater angelogen hatte und ihm in ihrer Not gesagt hatte, er wäre homosexuel.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.


Ok, ich färb‘ mir die Haare aber nicht rosa!


Damit war alles gesagt. Ob ihr Freund sich darüber amüsierte, oder wirklich ärgerte wusste sie nicht. Hoffte aber, dass er es verstand.


Für immer Shane ~2~

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