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»Wir wollen uns den ganzen Tag frei machen und auf die Jagd gehen. Ich möchte, daß du die Gegend hier kennenlernst«, verkündete Kennicott beim Frühstück. »Ich würde das Auto nehmen – du sollst sehen, wie fein es jetzt läuft, nachdem ich einen neuen Kolben montiert hab'. Aber wir wollen den Wagen nehmen, damit wir gut in die Felder kommen können. Es sind zwar jetzt nicht mehr viel Präriehühner da, aber wir könnten ja vielleicht doch auf eine kleine Kette stoßen.«

Er machte sich an seiner Jagdausrüstung zu schaffen. Er zog seine Wasserstiefel zu voller Länge aus und untersuchte sie auf Löcher. Er zählte aufgeregt seine Patronen und hielt ihr einen Vortrag über die Eigenschaften des rauchlosen Pulvers. Er zog seine neue hammerlose Flinte aus dem schweren Lederfutteral und ließ sie durch die Läufe sehen, um ihr zu zeigen, wie gut sie geputzt waren.

Kennicott hatte sich Jackson Elders rotweiß gefleckten Setter geborgt, einen freundlichen Hund, dessen wedelnder silbergrauer Schweif im Sonnenlicht funkelte. Als sie aufbrachen, bellte der Hund und sprang nach den Pferdeköpfen, bis Kennicott ihn in den Wagen nahm, wo er sich an Carolas Knie schmiegte und sich ab und zu hinauslehnte, um Bauernköter anzukläffen.

Die Grauen klapperten auf der harten Straße dahin. Es war früh und frisch, die Luft pfiff, glitzernder Reif lag auf dem goldenen Wundkraut am Weg. Als die Sonne die Welt der Stoppeln in ein Meer von Gelb verwandelt hatte, bogen sie von der Chaussee ab, fuhren durch einen Farmhof in ein Feld hinaus, holperten langsam über die unebene Erde. In einer Vertiefung der gewellten Prärie verloren sie die Landstraße aus den Augen. Es war warm und still. Heuschrecken zirpten zwischen den trockenen Weizenhalmen, und schimmernde kleine Fliegen flitzten quer durch den Wagen. Ein zufriedenes Summen erfüllte die Luft. Krähen flogen am Himmel faul umher und schwätzten.

Der Hund war hinausgelassen worden, und nach aufgeregtem Hin- und Herspringen machte er sich an ein gelassenes Absuchen des Feldes, vor und zurück, vor und zurück, die Nase am Boden.

»Die Farm gehört Pete Rustad, und er hat mir erzählt, daß er vorige Woche eine kleine Kette Hühner gesehen hat, gegen Westen zu. Vielleicht kommen wir doch noch zur Jagd«, sagte Kennicott fröhlich.

Gespannt sah Carola dem Hund zu; so oft er zu stehen schien, atmete sie schneller. Sie sehnte sich nicht danach, Vögel zu töten, aber sie hatte den Wunsch, zu Kennicotts Welt zu gehören.

Der Hund blieb stehen, eine Vorderpfote in der Luft.

»Weiß Gott! Er hat eine Spur! Komm!« rief Kennicott. Er sprang aus dem Wagen, schlang die Zügel um den Peitschenstiel, hob sie heraus, nahm seine Flinte, steckte zwei Patronen hinein, schritt auf den bewegungslosen Hund zu, Carola hinter ihm drein. Der Setter schlich weiter vor, mit zitterndem Schwanz, den Bauch dicht an den Stoppeln. Carola war nervös. Sie erwartete, daß jeden Augenblick Wolken von großen Vögeln auffliegen würden. Ihre Augen schmerzten vom angestrengten Schauen. Doch sie folgten eine Viertelmeile dem Hund, der sich umwandte, seine eigene Spur kreuzte, über zwei niedrige Hügel kam, durch Gestrüpp schlich, zwischen den Drähten eines Stacheldrahtzauns hindurchkroch. Das Gehen fiel ihren pflastergewohnten Füßen schwer. Die Erde war klumpig, die Stoppeln stachlig, mit Gras, Disteln und verkümmertem Klee durchsetzt.

Sie hörte Kennicott flüstern: »Schau!« Drei graue Vögel flogen aus den Stoppeln auf, sie waren rund und plump wie ungeheure Hummeln. Kennicott zielte, bewegte den Lauf. Sie war aufgeregt, warum schoß er nicht? Die Vögel würden fort sein! Dann ein Krach, ein zweiter, und zwei Vögel überschlugen sich in der Luft und stürzten zu Boden.

Als er ihr die Vögel zeigte, hatte sie nicht die Empfindung, daß Blut vergossen sei. Diese Federhäufchen waren so weich und unbeschädigt, man konnte bei ihrem Anblick gar nicht an den Tod denken. Sie sah ihrem siegreichen Mann zu, wie er die Beute in seine Jagdtasche steckte, und ging mit ihm zum Wagen zurück.

An diesem Vormittag fanden sie keine Präriehühner mehr.

Gegen Mittag fuhren sie in den ersten Farmhof ein, den Carola kennenlernte – ein weißes Haus, das nur einen niedrigen und recht schmutzigen Vorbau an der Hinterfront hatte, eine rote Scheune mit weißen Vertrumpfungen, ein Silo aus glasierten Ziegeln, ein Wagenschuppen, der jetzt einem Ford als Garage diente, ein ungestrichener Kuhstall, ein Hühnerhaus, ein Schweinekoben, ein Maisschuppen, ein Kornspeicher und ein Windmühlenturm aus verzinktem Eisen. Der Vorhof war aus festgetretenem gelben Lehm, ohne Bäume, graslos, übersät mit rostigen Pflugscharen und Rädern außer Dienst gestellter Ackergeräte. Gehärteter, festgetretener Schlamm, wie Lava, füllte den Schweinekoben. Die Haustür war verschmutzt, die Regentraufen verrostet, und das Kind, das sie aus dem Küchenfenster anstarrte, hatte ein schmieriges Gesicht. Aber hinter der Scheune war ein Büschel scharlachroter Geranien, die Präriebrise war bewegter Sonnenschein, die blinkenden Metallflügel der Windmühle drehten sich munter summend; ein Pferd wieherte, ein Hahn krähte, Schwalben flogen im Kuhstall ein und aus.

Eine kleine dürre Frau mit flachsblondem Haar kam aus dem Haus. Sie näselte in schwedischem Dialekt – sie sprach nicht monoton wie Engländer, sie sang ihre Worte in lyrisch wehmütigem Ton: »Pete hat mir gesagt, daß Sie bald jagen kommen wollen, Doktor. Je, das ist schön, daß Sie da sind. Ist das die junge Frau? Oh! Wir haben grade gestern abend gesagt, daß wir sie hoffentlich einmal sehen werden. Je, eine so hübsche Dame!« Frau Rustad glänzte vor Begrüßungseifer. »Ja, ja! Hoffentlich gefällt Ihnen das Land! Wollen Sie nicht zum Essen bleiben, Doktor?«

»Nein, aber könnten Sie uns vielleicht ein Glas Milch geben?« fragte Kennicott leutselig.

»Na freilich will ich das! Warten Sie hier eine Sekunde, ich lauf zum Milchhaus hinüber!« Aufgeregt eilte sie zu einem kleinen roten Schuppen neben der Windmühle; sie kam mit einem Krug Milch zurück, aus dem Carola die Thermosflasche füllte.

Als sie weiterfuhren, sagte Carola bewundernd: »Sie ist das reizendste Ding, das ich gesehen hab'. Und sie betet dich an. Du bist hier der Gutsherr.«

»Ach nein,« erwiderte er sehr geschmeichelt, »aber sie fragen mich doch bei allem möglichen um Rat. Großartige Leute, die skandinavischen Farmer. Und sie bringen 's auch zu was. Helga Rustad, sie selber hat wohl noch Angst vor Amerika, aber ihre Kinder werden Rechtsanwälte und Staatsgouverneure sein, und alles, was sie wollen.«

»Ob –« Carola war wieder in ihren Weltschmerz von der vorigen Nacht zurückgefallen. »Ob diese Farmer nicht größer sind als wir? Sie sind so einfach und arbeiten so schwer. Die Stadt lebt von ihnen. Wir Städter sind Parasiten, und trotzdem fühlen wir uns ihnen überlegen. Gestern abend hab' ich Herrn Haydock von ›Bauernschädeln‹ reden hören. Anscheinend verachtet er die Farmer, weil sie nicht die gesellschaftliche Höhe erreicht haben, Zwirn und Knöpfe zu verkaufen.«

»Parasiten? Wir? Wo wären die Farmer ohne die Stadt? Wer leiht ihnen Geld? Wer – also, wir liefern ihnen doch alles!«

»Glaubst du nicht, daß manche Farmer meinen, sie bezahlen die Dienste der Städte zu teuer?«

»Ach, natürlich gibt's unter den Farmern ebenso eine Menge Narren wie in jeder anderen Klasse. Wenn man ein paar von den Querschädeln zuhört, könnte man glauben, daß die Farmer den Staat und das ganze Schützenfest leiten sollten – wahrscheinlich würden sie, wenn man sie ließe, die Regierung mit einem Haufen Bauern in Dreckstiefeln füllen – ja, und dann würden sie daherkommen und mir sagen, daß ich von jetzt an auf Gehalt angestellt bin und meine Honorare nicht mehr festsetzen kann. Das wäre schön für dich, was?«

»Ja, warum sollten sie denn nicht?«

»Warum? Dieser Haufen von – Mir sagen – Ach, um Gottes willen, hören wir auf zu streiten. Das ganze Disputieren ist ja vielleicht bei einer Gesellschaft ganz in Ordnung, aber denken wir nicht dran, solang wir auf der Jagd sind.«

»Ich weiß. Der Wissensdurst – das scheint eben ein viel schlimmeres Leiden zu sein als die Wanderlust. Ich möchte nur wissen –«

Sie sagte sich, daß sie alles auf der Welt hätte. Und nach jedem Selbstvorwurf stolperte sie wieder über ein »Ich möcht' nur wissen –« Sie aßen ihre belegten Brote an einem Präriebruch: langes Gras, das aus klarem Wasser herauswuchs, bemooste Erdhügelchen, Beutelstare, der Schaum auf dem Wasser ein goldgrüner Schimmer. Kennicott rauchte eine Pfeife, während sie sich im Wagen zurücklehnte und ihren müden Geist in dem Nirwana des schönen Himmels aufgehen ließ.

Sie schwankten zur Chaussee zurück und erwachten beim Klang der klappernden Hufe aus ihrem sonnenmüden Schlummer. Sie hielten an, um nach Rebhühnern Ausschau zu halten, am Rand kleiner Wäldchen – leuchtend, sauber, munter, Silberbirken und Pappeln mit tadellos grünen Stämmen, die einen See mit sandigem Boden säumten.

Kennicott holte ein dickes rotes Eichhörnchen herunter, und in der Dämmerung kam er zu Schuß auf einen Flug Enten, die von oben herunterwirbelten, über den See glitten und sofort wieder verschwanden.

Mit der untergehenden Sonne fuhren sie heim. Strohpuppen und Weizenmännchen wie Bienenkörbe standen rosa und golden da, und die grün durchwachsenen Stoppeln glitzerten. Als der ungeheure Purpurgürtel sich dunkler färbte, wurde das Land herbstlich in tiefem Rot und Braun. Die schwarze Straße vor dem Wagen wurde zart lila, dann versank sie in unbestimmtes Grau. Vieh kam in einer langen Reihe zu den Toren der Farmhöfe, und über dem ruhenden Land lag ein dunkles Leuchten.

Carola hatte die Würde und Größe gefunden, die sie in der Hauptstraße entbehrt hatte.

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