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Um drei Viertel drei war Carola von zu Hause weggegangen; um halb fünf hatte sie eine neue Stadt im Kolonialstil erbaut; um drei Viertel fünf befand sie sich in der würdevollen Dürftigkeit des kongregationalistischen Pfarrhauses und ließ ihre Begeisterung auf Frau Leonard Warren herabtrommeln, wie Sommerregen auf ein altes graues Dach; zwei Minuten vor fünf war eine Stadt mit ehrbaren Höfen und freundlichen Dachfenstern errichtet; und zwei Minuten nach fünf war die ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht wie Babylon.

Aufrecht in einem schwarzen Lehnstuhl vor einem Regal mit grauen und fleckigbraunen Bänden mit Predigten, Bibelkommentaren und geographischen Abhandlungen über Palästina, die sauberen schwarzen Schuhe fest auf einen Streifenteppich gestemmt, selbst von der gleichen Korrektheit und Stille wie ihr Hintergrund, hörte Frau Warren, ohne eine Bemerkung zu machen, zu, bis Carola ganz fertig war; dann antwortete sie höflich:

»Ja, ich glaube, Sie haben ein sehr hübsches Bild von etwas entworfen, das leicht Wirklichkeit werden kann – eines Tages. Ich bezweifle nicht, daß man solche Ortschaften in der Prärie finden wird – eines Tages. Aber wenn Sie mir erlauben würden, einen ganz kleinen Einwand zu machen: mir scheint, daß Sie unrecht haben, wenn Sie annehmen, daß das Rathaus ein geeigneter Anfang, oder daß der Thanatopsis das richtige Instrument wäre. Schließlich sind doch die Kirchen, nicht wahr, das eigentliche Herz der Gemeinde. Wie Sie vielleicht wissen werden, nimmt mein Mann eine hervorragende Stellung in den kongregationalistischen Kreisen des ganzen Staates ein, wegen seiner Befürwortung des Kirchenzusammenschlusses. Er hofft alle evangelischen Kirchengemeinschaften zu einer starken Körperschaft vereinigt zu sehen, die dem Katholizismus und der Christian Science Widerstand leistet und alle Bewegungen, die für Moral und Prohibition eintreten, leitet, wie es ihr ja auch zukommt. Hier könnten die vereinigten Kirchen die Mittel zu einem schönen Klubhaus aufbringen – vielleicht ein Fachwerkgebäude mit Stuck und Wasserspeiern und allen möglichen gefälligen Verzierungen, und so etwas könnte meiner Ansicht nach viel mehr Eindruck auf die gewöhnlichen Menschen machen, als ein ganz einfaches altmodisches Haus im Kolonialstil, wie Sie es beschreiben. Und das wäre auch das richtige Zentrum für alle erzieherischen und wohlgefälligen Unternehmungen, die man dann nicht in die Hände der Politiker fallen lassen müßte.«

»Es wird wohl kaum mehr als dreißig oder vierzig Jahre dauern, bis die Kirchen vereinigt sind?« fragte Carola unschuldig.

»Oh, kaum so lang; es geht ja alles so unglaublich rasch. Es wäre also ein Fehler, andere Pläne zu machen.«

Carola fand ihren Eifer erst zwei Tage später wieder, als sie es mit Frau George Edwin Mott, der Frau des Schulinspektors, versuchte.

Frau Mott meinte: »Persönlich hab' ich ja eine Menge zu tun, ich hab' jetzt große Näherei und die Schneiderin im Haus und so weiter, aber es wäre herrlich, wenn die anderen Thanatopsismitglieder die Frage aufnehmen würden. Nur eines: zu allererst und vor allem müssen wir ein neues Schulhaus haben. Herr Mott sagt, sie sind schrecklich beengt.«

Carola ging sich das Schulhaus ansehen. Die unteren Klassen und die Hochschule waren in einem muffigen gelben Ziegelgebäude vereinigt, das die engen Fenster eines alten Gefängnisses hatte – ein plumper Kasten, in dem sich Haß und Zwangserziehung ausdrückten. Sie billigte Frau Motts Forderung dermaßen, daß sie ihren eigenen Feldzugsplan auf zwei Tage fallen ließ. Dann erbaute sie Schule und Rathaus gleichzeitig als Zentrum der wiedergeborenen Stadt.

Sie wagte sich in das Haus der Frau Dave Dyer. Das Gebäude, versteckt hinter winterlich kahlem Wein und einer riesigen Veranda, die nur einen Fuß höher war als der Boden, sah so unpersönlich aus, daß Carola kein Bild davon behalten konnte. Noch konnte sie sich auf irgend etwas aus dem Inneren besinnen. Doch Frau Dyer selbst war persönlich genug. Sie bildete mit Carola, Frau Howland, Frau McGanum und Vida Sherwin ein Bindeglied zwischen der Lustigen Siebzehn und dem seriösen Thanatopsis (im Gegensatz zu Juanita Haydock, die sich unnötigerweise mit ihrer Uninteressiertheit brüstete und in aller Öffentlichkeit behauptete, sie »ließe sich lieber einsperren, bevor sie auch nur einen blödsinnigen Klubvortrag vorbereitete«). In dem Kimono, in dem sie Carola empfing, wirkte Frau Dyer überweiblich. Ihre schöne, blasse, glatte Haut ließ an schwächliche Wollüstigkeit denken. Bei den Nachmittagskaffees war sie unfreundlich gewesen, aber jetzt sprach sie mit Carola per »Liebste« und bestand darauf, Maud genannt zu werden. Carola wußte nicht recht, warum ihr in dieser Puderatmosphäre nicht ganz behaglich war, aber sie beeilte sich, in die frische Luft ihrer Pläne zu kommen.

Maud Dyer gab zu, daß die Stadt »wirklich nicht so sehr hübsch« sei, doch wie Dave sage, es habe keinen Sinn, etwas zu unternehmen, solange man keinen Staatszuschuß bekomme und das Rathaus mit einem Zeughaus für die Bürgerkriegsveteranen kombiniere. Dave habe sich dahin ausgesprochen: »Was diese großmäuligen jungen Leute, die sich im Billardzimmer herumtreiben, brauchen, das ist allgemeiner militärischer Drill. Das würde Männer aus ihnen machen.«

Frau Dyer erledigte das neue Schulhaus:

»Ah, Frau Mott hat Sie also mit ihrer fixen Idee von der Schule eingefangen. Sie plärrt davon schon so lange herum, daß es allen zum Hals heraushängt. In Wirklichkeit will sie nichts anderes haben als ein großes Büro, in dem ihr lieber kahlköpfiger Schafskopf herumsitzen und sich wichtig tun kann. Selbstverständlich, ich bewundere Frau Mott und hab' sie sehr gern. Sie ist so gescheit, obwohl sie sich immer einmischen und den Thanatopsis leiten will. Aber ich muß sagen, wir haben ihr Nörgeln satt. Für uns war das alte Schulhaus gut genug, als wir noch Kinder waren! Mir sind diese Frauen, die Politikerinnen sein wollen, widerwärtig. Ihnen nicht auch?«

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