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1. Highlands, wir kommen!

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„Ich fahre nach Schottland!“

Das war mal wieder typisch Finn. Schreit einfach quer über den ganzen Schulhof, was er in den Sommerferien machen wird. Als ob das jeden interessieren würde. Manchmal konnte es Tim nicht fassen, dass dieser Angeber sein bester Freund war. Wer hatte nur behauptet, man könne sich seine Freunde aussuchen? Tims Kumpel waren alle letztes Jahr auf die Realschule gewechselt, ihn dagegen hatten seinen Eltern aufs Markgrafengymnasium geschickt. Und hier ging es wieder los mit den Spitznamen: Brillenschlange, Vierauge, Steckdose. Finn wurde natürlich mit den gleichen Spottnamen bombardiert, aber er dachte gar nicht daran, das still über sich ergehen zu lassen. Er feuerte zurück. „Eh, genau, ich bin ´ne Brillenschlange. Hast du gewusst, dass das Gift dieser Kobra tödlich ist? 13,5 Sekunden, dann fällst du tot um, also geh mir besser nicht auf die Nerven.“ Diese Kampfansage beeindruckte alle, auch Tim. Und da Finn ihn fragte, ob sie nicht einen Kobraclub aufmachen sollten, da sie das gleiche Brillengestell trugen, wurden sie so etwas wie Freunde. Erst viel später gestand Finn ihm, dass das mit der Kobra eine Erfindung war.

„Ist das nicht cool?“ fragte Finn, als Tim bei ihm ankam und sein Fahrrad abschloss.

„Ja, klar. Wie kommt’s, dass ihr jetzt doch nicht nach Mallorca fliegt?“, erkundigte sich Tim möglichst beiläufig, um seine Neugier nicht allzu offen zu zeigen. Aber Neid und Bewunderung waren genau das, worauf es Finn abgesehen hatte.

„Tja, meine Mutter muss geschäftlich nach Schottland. Ihre Firma eröffnet da so eine Kette von Wellness-Hotels, sie überwacht das Ganze. Und ich darf mit. Zwei Wochen. Mensch, so richtig in die Highlands und so,“ schwärmte Finn. „Bestimmt entdecke ich das Ungeheuer von Loch Ness. Vielleicht kaufe ich mir sogar ein richtiges Highlander-Schwert. Dann führe ich dir meine besten Kampftricks vor, wenn ich wieder da bin. Das wäre cool.“

„Ja, echt super“, rang sich Tim ab. Stöhnend dachte er an die Woche Wanderurlaub im Südschwarzwald, die seine Eltern planten. Beide hatten Bürojobs und wollten in den Ferien immer „raus in die Natur“, wie sie das nannten. Das war auch ganz okay und die Aussicht, die restlichen sieben Ferienwochen im Schwimmbad zu verbringen, fand Tim eigentlich gar nicht so schlecht. Aber mit Schottland konnte dieses Freizeitkonzept eben nicht mithalten.

„Naja, ein bisschen doof ist es schon, dass Mama die ganze Zeit arbeiten muss und ich mir die ganzen Burgen allein ansehen darf“, sagte Finn. Trotz seiner eigenen Begeisterung war ihm aufgefallen, dass Tim sehr zurückhaltend reagierte.

„Ja, echt blöd“, spottete Tim und musste wider Willen grinsen.

„Eh, warum kommst du nicht mit? Meine Mutter fände es bestimmt toll, wenn du dabei wärst. Dann müsste sie sich nicht solche Sorgen machen, dass ich etwas anstelle.“

Ohne zu überlegen, so wie es seine Art war, platzte Finn mit dieser Idee heraus.

„Du spinnst. Meine Eltern würden das nie erlauben“, wehrte Tim ab. Doch wie immer, wenn Finn mal eben so etwas sagte, malte sich Tim in Gedanken sofort aus, wie das Abenteuer aussehen könnte: Er, mit einem riesigen Highlander-Schwert in der Hand, hoch oben auf den Zinnen einer mittelalterlichen Burg. Sie könnten auf einer entlegenen Hochlandweide inmitten einer Schafherde zelten, im Meer schwimmen und mit selbstgebastelten Angeln Lachse fangen. In einem Punkt hatte Finn sogar Recht: Seine Mutter wäre bestimmt beruhigt, wenn er dabei wäre. Seit Finn bei einem gemeinsamen Ausflug in den Pfälzer Wald unbedingt auf einen riesigen Sandsteinfelsen hochklettern wollte, dabei abstürzte und sich den Arm brach, galt Tim als der Vernünftige und Besonnene von beiden. Dabei hatte Tim sich einfach nur nicht getraut, diese bröckelige Wand raufzukraxeln.

Das Klingeln der Schulglocke unterbrach ihr Gespräch und erinnerte sie daran, dass es noch ein paar Wochen dauern sollte, bis die großen Ferien begannen. Heute stand erst mal der – hoffentlich letzte – Mathetest auf dem Programm.

Die verrückte, aber verlockende Idee einer gemeinsamen Schottlandtour wäre wahrscheinlich schnell in Vergessenheit geraten, wenn nicht ein glücklicher Zufall Tim zu Hilfe gekommen wäre. Und das kam so: Am Freitag vor den großen Ferien verpasste Tim das Abendessen zu Hause. Er war bei Finn gewesen. Der wohnte auf dem Turmberg, der Villengegend von Durlach. Dort hatten Finns Eltern ein Haus mit großem Garten und einem richtigen Baumhaus auf einer alten Buche, um das ihn Tim glühend beneidete. Dieses Baumhaus war ihre geheime Kobra-Club-Zentrale. Dort oben hatten sie sich mal wieder völlig verquatscht – wie meistens. Finns Mutter kam immer erst spät von der Arbeit nach Hause, sein Vater war sowieso selten da. Als Pharma-Vertreter musste er ständig Ärzte und Kliniken in ganz Deutschland besuchen. Und so war es Tim und Finn gar nicht aufgefallen, dass es schon längst halb acht war. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr schwang sich Tim zwar schnellstens aufs Fahrrad und radelte mit einem irren Tempo den Turmberg runter nach Hause. Das half aber alles nichts, er war viel zu spät dran und rechnete mit einer Standpauke. Denn seine Eltern legten großen Wert auf das gemeinsame Abendessen und es gab immer Ärger, wenn er sich vertrödelte. Doch diesmal war alles anders. Als er die Tür aufschloss, hörte er den Fernseher im Wohnzimmer laufen, seine Mutter wusch in der Küche das Geschirr ab.

„Ähm, hallo, ich bin wieder da“, sagte er kleinlaut mit einem Blick in die Küche.

„Hallo Tim, ganz schön spät geworden. Ich hab dir ein paar belegte Brote gemacht, die stehen auf dem Esstisch“, antwortete seine Mutter.

Tim blieb verdutzt im Türrahmen stehen.

„Was ist denn los?“, fragte er schließlich.

„Ach, das erklärt dir am besten der Papa. Komm, wir gehen mal rüber ins Wohnzimmer“, antwortete seine Mutter ausweichend.

Sein Vater schaltete den Fernseher aus und legte los, noch bevor Tim sich aufs Sofa setzen konnte.

„Also, ich mach’ es kurz und schmerzlos. Tim, es tut mir wirklich leid, aber wir können unsere Schwarzwaldtour leider nicht in den Sommerferien machen. Meine Firma hat einen Großauftrag bekommen und ich kann jetzt keinen Urlaub nehmen. Aber wir holen das nach, in den Herbstferien bekomme ich bestimmt frei“, mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung, weil er die Aussprache so schnell hinter sich gebracht hatte, endete sein Vater.

„Echt jetzt?“, Tim war ziemlich verdattert. Damit hatte er nicht gerechnet.

„Du weißt ja, wie wichtig es ist, dass es in der Firma wieder läuft“, fügte sein Vater entschuldigend hinzu. Klar, dass wusste Tim. Im letzten Jahr hatte die Firma Kurzarbeit angemeldet. Auch sein Vater, der als Informatiker in der Firma arbeitete, war davon betroffen gewesen. Zuerst fand es Tim ganz toll, dass sein Vater montags immer frei hatte und etwas mit ihm unternehmen konnte. Aber dann spürte Tim, wie sehr sich seine Eltern sorgten und dass sie jetzt mehr auf ihre Ausgaben achteten als früher. Zum Glück war diese Zeit vorbei und es war eigentlich ganz gut, dass es der Firma wieder besser ging. Ja, wenn er es sich genau überlegte, war es auch gar nicht schlimm, denn sie hatten den Wanderurlaub ja nur verschoben. Eine Woche länger im Freibad, was machte das schon?

Weiter dachte Tim nicht und es war Finn, der sofort den entscheidenden Schluss zog: „Dann kannst du ja mit nach Schottland kommen, jippie!“, rief er, als er am Montagmorgen in der Schule die Neuigkeit hörte. Da sie gerade Erdkunde hatten, löste sein Aufschrei allgemeine Heiterkeit aus, nur nicht bei ihrem Lehrer, Herrn Müller-Albrecht.

„Finn, wir sind gerade in der rheinischen Tiefebene“, sagte er tadelnd. „Komm doch bitte mal nach vorne und zeige uns die wichtigsten Städte entlang des Rheins auf der Karte.“ Herr Müller-Albrecht war eigentlich ganz nett, aber er konnte es nicht leiden, wenn man seinen Unterricht störte. So musste Finn den Rest der Schulstunde vorn vor der Landkarte verbringen und alle möglichen Städte, Flüsse und Berge finden.

Alles Weitere war geradezu traumhaft einfach. Finns Mutter rief bei Tims Eltern an und kam vorbei. In ihrer charmanten Art schaffte sie es tatsächlich, Tims Eltern davon zu überzeugen, dass sie ihr einen großen Gefallen tun würden, wenn Tim sie und ihren Sohn nach Schottland begleiten könnte. Denn sie sei nun mal beruflich sehr stark eingebunden und es wäre doch eine große Entlastung für sie, wenn Finns bester Freund dabei sei und die beiden gemeinsam Spaß haben würden. Außerdem sei Tim ja so zuverlässig und schon fast erwachsen. Tim erkannte sich bei diesen Lobpreisungen zwar überhaupt nicht wieder und auch seine Eltern sahen zunächst sehr skeptisch aus, aber Finns Mutter redete und redete, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Vielleicht war es das schlechte Gewissen, weil sie den eigenen Sommerurlaub verschieben mussten, vielleicht kapitulierten sie aber auch einfach vor dem Redeschwall von Finns Mutter, jedenfalls war es am Ende beschlossene Sache: Tim würde Finn nach Schottland begleiten.

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