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Kapitel 1: Ein Tagebuch geschnappt

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1995-07-27, DO: New York City (Jugendherberge) mit Ulli1, 4 DIN-A-5-Seiten{...} Ich werde Michael2 nach dem Schreiben nochmal anrufen. Er fühlt sich vernachlässigt. {...}

1995-08-04, FR: New Orleans, 2 DIN-A-5-Seiten{...} Reisen macht Spaß. Ich habe nur meine Kreditkarte, und die ist schon belastet. Doch: wo ein Wille ist, ist ein Weg. Es wird schon werden. Ich will Michael nicht des Geldes wegen, bedränge ihn auch nicht, mir welches zu schicken – was er mir eigentlich von {sich aus} zugesagt hatte; {kam} freiwillig von ihm. {...}

1995-08-05, SA: New Orleans, 1 DIN-A-5-Seite{Nix über Arbeit}

1995-08-14, MO: Im Bus nach St. Louis, 7½ DIN-A-5-Seiten{...} Gestern zog ich Bilanz mit meinen Finanzen: Fast $800 habe ich bereits durch meine Kreditkarte fließen lassen. Wenn ich insgesamt auf $1500 komme, bin ich zufrieden. Bis $2000 ist im Rahmen. Mehr kann ich aber nicht.

Sobald ich nach Philadelphia zurückkomme, will ich arbeiten und den Schuldenberg aufholen. Ich rechne nicht damit, dass Michael mir viel Geld geben wird, und ich finde es gut, wenn ich es mir selbst verdienen kann. Ich will hart dafür arbeiten, bevor ich zurück nach Deutschland fliege – {falls} ich zurückfliege. Gut, dass ich diese Möglichkeit habe. Wenn mir Michael zu blöd kommt, lasse ich ihn einfach hinter mir und fange von vorne an, baue mir selber etwas auf. {...}

Memphis hat mir nicht so gut gefallen. Die nehmen oft keine Kreditkarten. Dabei ist mein Plastikgeld mein Leben. Zuletzt bin ich nur noch mit einem Penny im Portemonnaie gereist. Ulli hat Cash durch ihre Traveler Checks. Das werde ich nun auch machen müssen. Dabei graut es mir, zur Bank zu gehen, weil ich befürchte, dass die meine Karte gleich einbehalten. {...}

1995-08-30, MI:, 1 DIN-A-5-Seite{Nix über Arbeit}

1995-09-14, DO: Philadelphia (Temple University), 9 DIN-A-5-SeitenNun sieht alles schon wieder ganz anders aus: ich sitze auf dem Temple University-Gelände und habe meine ersten drei Classes hinter mir. Es gefällt mir so sehr, dass ich daran denke, hier mit Michael zu bleiben. Das hieße, mich niederzulassen, das Suchen in ein „Gefunden“ zu tauschen, mich mit dem zurfriedenzugeben und glücklich zu sein, was ich habe – und auch dafür zu kämpfen, wenn es sein muss. {...}

Ich denke daran, meine Möbel rüberzuholen, alles passt so gut. Ich kann meinen Schreibtisch, mein Bett und das Anlagenbord schon in dem kleinen Zimmer sehen. Ich studiere. Ich bekomme meine Ausbildung, und Michael steht voll hinter mir. {...}

Dennoch denke ich, etwas zu verpassen. Selbst, wenn ich in der Uni-Stunde sitze, denke ich, etwas zu versäumen. Ich will reisen, reisen, reisen. „Später“ könnte man sagen, doch dann will ich es vielleicht gar nicht mehr, und habe es dann verpasst. Aber ohne Geld kein Reisen. Michael sagt, er wird meine Schulden begleichen. Jetzt dürften es nur noch zwei Wochen sein, bis er das große Geld bekommt. Hoffentlich zögert sich das nicht heraus. Ich bin mit 3500 Mark im Minus. Und Mangal3 schulde ich auch noch 330 Mark. {...}

Manchmal denke ich, ich bin zu jung, um mich festzulegen. Und Michael {...} ist zu alt für mich. Dann frage ich mich, was ich denn sonst machen sollte, wenn ich nicht mit ihm {zusammen} wäre. Was kann ich erreichen? Sicherlich kann ich auf eigenen Beinen stehen, doch der Aufbau ist so frustrierend, der Erfolg dabei jedoch umso belohnender. Eine starke Frau: macht sie das Beste aus der Lage oder sucht sie sich ’was Neues? {...}

Oft fühle ich mich immer noch verloren. Ich weiß nicht, wo ich in dieser Stadt fußfassen soll. {...}

Britta4 ist eine gute Mutter. Ich bin noch längst nicht so weit. In zwei/drei Jahren vielleicht. Das habe ich auch Michael gesagt. Erst mal die Ausbildung, dann alles andere. {...} Und ein Studium in Amerika macht sich doch immer gut im Lebenslauf. Ich weiß nur nicht, ob ich es so lange mit Michael aushalte. Aber eigentlich würde alles so gut passen. In zwei/drei Jahren wollte er auch aufs Land ziehen, und dann könnten wir Kinder haben. {...}

Oh je, vorgestern war es noch {so}, dass ich mir ganz sicher war, nicht hier studieren zu wollen. Und nun will ich es doch. {...} Ich mag diese Uni wirklich. Aber ich will nicht zur Uni gehen, wenn es auf Kosten meines Glücks geht. Ich will glücklich sein und nicht Zeit meines Lebens verschwenden, auch wenn es mir von Nutzen ist. Die Beziehung mit Michael soll glücklich und harmonisch sein. Dann habe ich mein Lebensglück erreicht. {...}

1995-09-15, FR: Philadelphia, 2 DIN-A-5-SeitenHeute war ein wunderbarer Tag! Michael fuhr mich zur Uni, und dort brachte ich alles zusammen, dass ich jetzt schon für Photography registriert bin. Ich kann mich auch für andere Kurse einschreiben lassen. Die nächste Woche wird sehr busy sein, weil ich alle Kurse mitmache und dann entscheide, welche ich nehme bzw. nehmen kann. Ich habe schon so viel arrangiert, dass ich in der Uni drin bin, dabei aber leider Michael verpasst habe. Hoffentlich ist er nicht böse, aber er steht ja hinter mir, hat er gesagt. {...}

Ich bin überglücklich! Durch die Uni bin ich zufrieden mit mir selbst. Das gefällt mir total gut. Nun hoffe ich, dass mit Michael alles gut ist. Wir sind glücklich. Ich liebe das Leben! {...}

1995-09-18, MO: Philadelphia, 4½ DIN-A-5-SeitenIch weiß nun gar nicht mehr, wo ich anfangen soll mit meinem Studium. Ich dachte, Photography sei sicher, doch Michael war dagegen, weil der Professor Interesse an mir zeigte. Ich denke, für mich kann dies eine gute Gelegenheit sein, mich {bei Michael und vor mir selbst} zu behaupten {...}. Andererseits kostet der Kurs $1246 – und das für etwas, was ich schon in der Schule gelernt habe.

Morgen ist {die} Deadline. Dann muss ich wissen, welche Kurse ich nehme. Blöderweise habe ich heute die letzte Chance verpasst, mir die „Introduction into Mass Media“ („Einführung in die Massenmedien“) anzusehen. Auf blauen Dunst anmelden? Ist noch Zeit oder bin ich schon zu spät? Habe ich schon zu viel verpasst?

Ich fand heute Finanzierungsmöglichkeiten heraus: der Temple Easy Payment Plan erlaubt eine Teilung der Kosten: die erste Hälfte wäre bis Freitag zu zahlen, ein Viertel der Kosten im Oktober und das restliche Viertel im November. Mit Michaels {Unterstützung} könnte ich erst mal Kurse für 6 Credits besuchen, {also} fast $1000 diese Woche.

{Michael} streitet auch nicht mehr wegen des Photo-Kurses. Lieber hat er mich in der {Uni} als gar nicht {bei sich}. Wir hatten wieder eine heftige Auseinandersetzung {...}.

Wir haben jetzt ein kleines Kätzchen. {...} Das ist eine gute Möglichkeit zu lernen, wie man mit Kindern umgeht. Später. Erst mal die Ausbildung! Of course.

1995-09-27, MI: Philadelphia (Capriccio Café), 8½ DIN-A-5-SeitenIch fühle mich jeden Morgen schlecht. Es ist frustrierend, wenn ich nicht weiß, wofür ich aufstehe. Ich habe kein Leben {...}.

Die Uni war super. Leider kam ich jedes Mal zu spät,5 und nun studiere ich gar nicht, weil das Geld fehlt.

Wegen {meiner} Schulden unterschrieb Michael einen Brief an die Haspa6, dass er jede Woche $250 schickt und sich als mein Verlobter für mich verantwortlich macht. Zehn Wochen dauert es, um allein die Haspa-Schulden abzubezahlen. Dann die {…} und 330 Mark an Mangal.

Das große Geld, auf das Michael wartet, verschiebt sich von Woche zu Woche. {…} Wenn ich ehrlich bin, dann ist das Geld ein {wichtiger Grund}, warum ich hier bleibe. Ich weiß nicht, wie ich sonst meine Schulden zahlen soll. So hält mich Michael hier an der finanziellen Leine. {Er hat Macht über mich} „in the financial area“ – genau was ich nicht wollte!

Andererseits vergeht die Zeit. Noch immer ging kein Geld an die Haspa. Stattdessen geben wir Hunderte {von Dollars} aus für die Einrichtung der Wohnung – und für mich wird es immer schwieriger, das Geld aus eigener Kraft aufzubringen. Das Beste wäre {es}, wenn ich ab jetzt hier {arbeitete}.

Michael bot mir an, für ihn zu tippen. Das ist noch frustrierender. Ich hänge da {bei ihm in der Firma} rum, habe nichts Richtiges zu tun, und er bezahlt mich – wie gehabt – von seinem Gehalt. Frustrierend. {...}

Was soll ich tun? Ich habe das Gefühl, es ist gut, bis November hierzubleiben, dann gehe ich zurück und studiere in aller Ruhe in Hamburg (Völkerkunde). Aber ich zweifle daran, ob ich da {dann} glücklich wäre. Ich frage mich, ob ich überhaupt glücklich sein kann. {...}

Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu leisten, und das macht mich fertig. Ich komme auch nicht zu anderen Dingen, wie Haushalt oder eine Geburtstagskarte an Mom. Ich will keine Haushälterin hauptberuflich sein und „Nutte“ außerdem. {...} Ich will so nicht sein. Ich bin die ideale Ergänzung für Michaels Leben. Das ist alles. Ich habe nichts Eigenes. {...}

Ich fühlte mich so wohl an der {Temple} Uni...

Ich hätte gern eine eigene Wohnung in Deutschland, einen guten Job und ein Studium, das mir gefällt. Soll ich schon im Oktober zurück und das Studium beginnen? Kann man das Fach noch wechseln? Was will ich? Diese Beziehung hier ist {...} nicht stabil. {...}

Hoppla! Heute habe ich Arbeit {beim} „City Paper“ – unbezahlt. {Damit fühle ich mich nicht besser}. „Unbezahlt“ hatte ich schon so vieles. Und ich brauche Geld. Und ich erledige die Arbeit nicht gut. Ich bin zu langsam. Ich bin blockiert.

Zu „Philadelphia Weekly7 ging ich erst gar nicht hin. Ich suche bezahlte Arbeit und sehe mich sogar als Verkäuferin oder „Kaffeetante“8. In diesem Café suchen sie jemanden. Let’s see!

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