Читать книгу Der Wettkampf der Zauberer - Solveig Kern - Страница 3

Kapitel 1: Die Weiterreise zum Tempel von Knyssar Auf Adlers Schwingen

Оглавление

Sie durchquerten die Hochebene bis zu deren anderem Ende und verließen die Elfenstadt durch einen energetischen Vorhang, der das Siedlungsgebiet des schönen Volkes vor den Menschen verbarg. Ihr Elfenführer geleitete sie durch die Berge bis zu einem Punkt, wo es nicht mehr weiterging. Sie standen auf einem Hochplateau, über dem sich ein mächtiger Berggipfel erhob. Unter ihnen fiel eine Wand fast senkrecht 600 Mannhöhen tief ins Tal ab.

„Der steinerne Reiter“, sagte Llewin andächtig, als er hinauf zum Gipfel sah. „Schon oft habe ich ihn von unten bewundert. Aus einem bestimmten Winkel betrachtet scheint er ein Gesicht zu haben, dessen Nase nach Westen weist. Wir stehen jetzt auf seinem Kragen. Er schaut hinüber zum Steinernen Sattel, wo sein Pferd auf ihn wartet. Er erreichte es nicht mehr, weil ein Fluch ihn erstarren ließ. So muss er ewig hier Wache stehen, hoch über dem fruchtbaren Melgortal. Er ist der Schutzpatron des Seekethlandes. Meine Heimat liegt zu seinen Füßen. Welch wunderbares Naturschauspiel, wenn sich die untergehende Sonne in seiner senkrechten Südwand fängt.“

„Wieso Seekethland?“ wollte Mauro wissen. Ihm war nicht bekannt gewesen, dass südlich des grauen Gebirges kethische Stämme hausten.

„Im Zentrum der fruchtbaren Ebene liegt ein riesiger, fischreicher See. Sechs kethische Stämme leben in dieser Ebene. Mein Vater ist ihr gewählter König.“ Er deutet in südliche Richtung: „Dort unten, seht nur, fließt der Melgor. Weit hinten am Horizont mündet er in den See – dort liegt meine Heimatstadt Sexten. Von hier oben sieht man nur die nördliche Festung Melgart.“ Sie folgten seinen Hinweisen und konnten tatsächlich tief unten einen Fluss und weiter hinten eine Ansiedlung erkennen.

„Wir müssen nach Melgart, doch von hier oben führt kein Weg…“ Llewin schaute ihren Elfenführer fragend an.

„Ein Weg führt hier nicht“, bestätigte dieser. „Ihr könnt zu Tale schweben.“

„Seid Ihr sicher, dass wir das können?“ fragte Morriell skeptisch.

„Wäre ich mir dessen nicht sicher, hätte ich euch nicht hierher geführt“, entgegnete der Elfe mit einem freundlichen Lächeln. „An diesem Berg gibt es Winde, die euch sanft zu Tale tragen. Hier, verwendet diese Tücher. Sie wirken wie Flügel und bremsen Euren Fall.“ Er zeigte ihnen, wie sie die Tücher und die daran befestigten Seile handhaben sollten.

„Was machen wir mit unseren Pferden?“ wollte Jago wissen.

„Das ist einfach“, antwortete Shigat. „Wir machen dasselbe wie damals, als wir Euch gegen Malwin zu Hilfe kamen. Unsere Pferde wurden dank unserer Suggestion zu bissigen Kampfhunden. Nun verwandeln wir sie in Vögel und überzeugen sie, dass sie fliegen können.“

Rüdiger hatte Zweifel: „Wenn das nur gut geht!“

Mauro mit seiner Höhenangst fand die Idee gar nicht witzig: „Gibt es nicht doch einen anderen Weg, da runter zu kommen?“

„Nicht, wenn Ihr rechtzeitig zum Ritual in Knyssar sein wollt. Der Abstieg über den steinernen Sattel nimmt mindestens eine Woche in Anspruch. Vom Norden kommt schlechtes Wetter. Bei Schneefall ist der Weg gefährlich. Nutzt den Sonnentag und vertraut Euch den Winden an.“

„Wir scheinen keine Wahl zu haben“, seufzte Mauro. „Fangen wir mit den Pferden an. Wie wäre es mit einer Verwandlung zu Flugdrachen?“

„Keine gute Idee. Sie betrachten Akila womöglich als Frühstück. Ein Happ und weg ist sie“, warnte Shigat.

„Nicht nur Akila“, gab Rüdiger zu bedenken, „Auch wir könnten für einen Flugdrachen ein willkommenes Frühstück sein.“

Shigat hatte eine bessere Idee: „Wir verwandeln sie in Raben, und Akila wird sie geleiten. Im Schwarm wagt kein Raubvogel, sie anzugreifen.“

„Es sei denn, er glaubt nicht daran, dass Raben Schwarmvögel sind“, witzelte Llewin.

Sie stellten sich im Kreis um ihre Pferde auf, um den Zauber zu bewerkstelligen. Schon bald tummelte sich eine Schar Raben auf den Felsen. Doch die Vögel zeigten keinerlei Ambitionen, sich vom Boden hinwegzuheben.

Mauro versuchte, Äsekiel den Abflug schmackhaft zu machen. Gerade er war dafür nicht der Richtige. Die Stute sah ihn mit ihren klugen Augen an und spürte seine Höhenangst. Sie blieb lieber auf festem Boden.

Akila wusste Rat. Sie zettelte mit dem Alpha-Hengst Streit an. Dieser ging sofort auf sie los. Sie lotste ihn geschickt in die Nähe der Klippen und schwang sich in die Lüfte. Der Hengst spurtete hinter ihr her. Ehe er sich’s versah, flog auch er. Auf diese Weise brachte die kluge Rabendame nach und nach alle Pferde vom Boden weg. Nur Äsekiel stand stocksteif, Auge in Auge mit ihrem Herren, als wollte sie sagen: >das meinst Du doch wohl nicht ernst<.

„Doch, Äsekiel, das meine ich ernst“, sagte Mauro zu der Raben-Stute. Er schnappte sie unter seinen Arm, nahm einen Anlauf und sprang mit ihr hinaus ins Nichts.

„Himmel, er hat sein Tuch vergessen“, schrie Jago entsetzt auf.

„Das braucht er nicht“, klärte ihn Shigat auf. „Als Zauberer sollte er in der Lage sein, sich mit dem Element zu verbinden, das er für seine Reise nutzt. Wenn seine Höhenangst das nicht zulässt, nutzt ihm auch das Tuch nichts.“

Jago sah den beiden nach. Bald schon segelten Pferd und Reiter Seite an Seite gemütlich in die Tiefe. >Siehst Du, es ist gar nicht so schlimm<, meinte Mauro klopfenden Herzens zu seiner Stute. Oder sagte sie es zu ihm?

Nun nahm auch Shigat Anlauf und segelte davon. Zum Spaß schraubte er sich noch höher in die Lüfte und rief den anderen zu: „Kommt schon, es ist herrlich da oben. Ich fühle mich wie ein Adler!“

Rüdiger und Jago waren noch unschlüssig, ob auch sie auf das Tuch verzichten sollten. „Keine Heldenaktionen“, beschloss der vorsichtige Rüdiger. „Stellen wir sicher, dass wir heil unten ankommen.“

Jago pflichtete ihm bei. Während die beiden überlegten, nahm Morriell Llewin bei der Hand und sagte: „komm mit, ich zeige Dir, wie man fliegt!“ Sie schnappte sich einen Stock, den sie mit ein paar Gräsern und Borsten in einen Besen verwandelte und lud ihren Gespielen ein, hinter ihr Platz zu nehmen. Dann startete sie durch, zog den Besenstiel vorne hoch und erhob sich in bester Hexenmanier in die Lüfte.

„Das reicht“, sagte Jago entschlossen. „Von der lasse ich mir nichts vormachen.“ Mit einem Salto katapultierte er sich hinaus ins Bodenlose.

Auch Hamon fackelte nicht lange. Trotz seines beträchtlichen Gewichtes erhob er sich mühelos in die Luft und drehte eine Ehrenrunde über dem Kopf des steinernen Reiters.

„Los, Jungs. Ziehen wir uns unsere Flügel an“, meinte Rüdiger zu Shigats Männern. Die sahen ihn verständnislos an und sprangen einer nach dem anderen ohne Hilfsmittel in die Tiefe. Sie alle waren ausgebildete Zauberer und wussten die Elemente zu nutzen.

„Nein, das mache ich nicht. Zeigt mir nochmals genau, wie man den Gleitschirm benutzt“, verlangte Rüdiger von ihrem Elfenbegleiter. Dieser erklärte ihm detailliert die Handhabung der einzelnen Leinen und Taue, die an dem Stoff befestigt waren. Rüdiger ging im Kopf nochmals alles durch. „Ich glaube, ich habe verstanden. Das ist machbar. Wie bekommt Ihr Euer Fluggerät hinterher wieder? Das ist schließlich eine große Leinwand. Selbst eine Elfe muss lange daran weben“.

„Macht Euch darum keine Sorgen“, meinte der Elfe begütigend. „Das ist nichts weiter als verdichtete Energie. Sie zerfällt und kann wiedergewonnen werden. An solchen Dingen müsst Ihr nicht festhalten. Werft sie einfach in die Höhe, wenn Ihr unten seid.“

Rüdiger war zufrieden und begab sich in Startposition. Zum letzten Mal rekapitulierte er die Anweisungen. Dann schloss er die Augen und sprang ab. Nachdem er sich in seiner ungewohnten Position unter dem bauschigen Schirm zurechtgefunden hatte, riskierte er einen Blick auf die Schönheit der vorbeiziehenden Landschaft. So schlecht war es gar nicht, das Fliegen. Rüdiger beschloss, die ungewöhnliche Transportart zu genießen.

Mittlerweile waren allerdings die Adler auf die Bewegung aufmerksam geworden. Hungrig vom langen Winter sahen sie nach, ob etwas Essbares herumflog. Ein riesiges Exemplar entschied, dass sich unter dem aufgebauschten Stoff etwas Leckeres befinden musste. Seine Partnerin unterstützte ihn bei der Jagd. Die beiden Raubvögel griffen an, hakten im Sturzflug ihre Krallen in das gespannte Tuch und zerrten es auseinander. Dabei rissen sie einen großen Fetzen heraus.

Enttäuscht betrachteten die Adler ihre Ausbeute. Nestbaumaterial, in Ordnung, aber davon wurden sie nicht satt. Da musste noch ein wenig Fleisch dran, und das hing offenbar weiter unten. Sie nahmen einen zweiten Anlauf.

Rüdiger hatte gerade mit einem Zauberspruch das entstandene Loch notdürftig geflickt. Nun musste er die Leinen loslassen, um die Adler abzuwehren. Danach konnte er gerade noch einen Zipfel fassen. Der bauschige Schirm verwandelte sich in ein flaches Segel, das den freien Fall kaum abbremste. Mit dem schwerelosen Schweben war es vorbei. Hurtig ging es abwärts. Der Boden kam rasant näher.

Gerade rechtzeitig fiel Rüdiger ein, was Shigat oben gesagt hatte. Er war schließlich ein Zauberer, der sich mit den Elementen zu verbinden vermochte. Buchstäblich in letzter Minute gelang es ihm, sich auf das Element Luft einzulassen. Er spürte, wie die Schwingen der Windsbraut seinen Körper erfassten und überließ sich ganz ihrer Macht. Sie wirbelte ihn ein paar Mal um die eigene Achse, ehe sie ihn nochmals hinauftrug auf den Berg. Dort stand der hilfreiche Elf und sah sichtlich amüsiert zu, wie Rüdiger unfreiwillig Purzelbäume im Himmel schlug. Rüdiger breitete die Arme aus und versuchte, den Flug ein wenig zu steuern. Schließlich bekam er die Situation in den Griff und schwebte langsam in spiralförmigen Kreisen der Erde entgegen.

Unten standen die lachenden Gefährten und applaudierten seiner gelungenen Darbietung. Rüdiger bekam einen hochroten Kopf und warf das, was von dem guten Tuch noch übrig war, in weitem Bogen in die Luft. Tatsächlich erhob es sich, füllte sich von unten mit Luft und stieg anmutig nach oben. Der Elfe nahm es in Empfang und winkte ihnen von oben zu: „Gute Weiterreise!“

Die Sonne stand schon weit im Westen. Sie hielten Ausschau nach einem geeigneten Quartier. Unter einem Felsvorsprung einigermaßen vor Wind und Wetter geschützt richteten sie ihr Nachtlager ein. Da sie auf kethischem Boden unterwegs waren, mussten sie die Entdeckung nicht fürchten. Zum Schutz vor unliebsamen Überraschungen teilten sie dennoch Nachtwachen ein. Sie aßen von den Vorräten, die ihnen die Elfen mitgegeben hatten und plauderten angeregt über die Erlebnisse der vergangenen Tage.

„Ich werde Königin werden!“ brüstete sich Morriell. „Ich habe es in der Schale gesehen. Ich ritt auf einem Schimmel neben einem mächtigen König eine prachtvolle Straße entlang. Sobald ich in ihre Nähe kam, fielen meine Untertanen vor mir auf die Knie!“ Dabei sah sie Llewin erwartungsvoll an.

„Dann waren Deine Untertanen keine Seekethen“, entgegnete dieser. „Unser stolzes Volk beugt sich vor niemandem. Wir knien nur vor unseren Göttern. Unseren König bestimmt die Ratsversammlung, das Thing. Ihr gehören Vertreter aller sechs Stämme an. Warum sollten wir vor jemandem in den Staub sinken, den wir selbst wählen?“

„Sie werden es schon noch lernen“, entgegnete Morriell schnippisch.

„Vielleicht wird Morriell Königin der Feuerländer. König Curon gibt sich nicht damit zufrieden, dass seine Untertanen vor ihm niederknien. Er verlangt in der Tat, dass sie wie Würmer vor ihm im Staube kriechen!“ sagte Shigat bitter.

„Das ist nicht verwunderlich“, erläuterte Jago. „König Curon fürchtet ein Attentat. Er wäre nicht der erste König der Furukim, der eines gewaltsamen Todes stirbt. Liegen die Menschen auf den Knien, sind sie leichter zu kontrollieren. Will einer sein Schwert gegen den König ziehen, muss er sich erst erheben. Das kostet Zeit und gibt dem Angegriffenen einen Vorsprung.“

„Ein nettes Land, wo der König jederzeit mit der Attacke eines Vasallen rechnen muss. Kein Wunder, dass sie dabei Angstexperten geworden sind“, lästerte Mauro mit vollem Mund.

„Schwertattacken sind un-subtil“, gab Morriell zum Besten. „Ich würde Gift bevorzugen“.

„Typisch Frau“, ätzte Mauro zurück. „Ich sollte mich wohl in Zukunft hüten, Speisen aus Eurer Hand zu essen.“

„Was habt Ihr denn aus dem Spiegel erfahren?“ fragte Morriell Llewin. Dieser wollte nicht antworten, doch sie bedrängte ihn: „Sagt schon. Ward Ihr der König an meiner Seite?“

Llewin wollte seine Erfahrungen nicht preisgeben, schon gar nicht auf diese Art. Er nahm Zuflucht zu einem Scherz: „Ob ich ein König sein werde, konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls sah ich mich im Ringkampf mit einer feurigen Gespielin!“

Morriell schnappte nach Luft und wollte schon weiter bohren, doch Mauro kam Llewin mit einer flapsigen Bemerkung zu Hilfe: „Ähnlich erging es mir, doch ich habe nur das Ergebnis des Ringkampfes gesehen: eine nette Ehefrau und eine Stube voller Töchter!“

„Töchter?“ rief Hamon entsetzt. „Ich hoffe, Du wirst nicht nur eine Ehefrau haben!“

„Was ist gegen Töchter einzuwenden?“ fragte Shigat erstaunt. „In Yian Mah kommt Ihr damit groß raus!“

„Töchter sind schon in Ordnung, denn auch an sie vererbt sich die Macht der Zauberer“, erwiderte Mauro eingedenk der Weissagung. „Für einen Kethen ist eine Ehefrau genug, Gott bewahre. Wie viele hast denn Du?“

Hamon zählte an den Fingern ab: „Insgesamt habe ich fünfmal geheiratet. Eine hat die Strapazen unserer Flucht nicht überlebt, und eine starb vor der Zeit im Kindbett. Eine weitere verlor ich kurz nach der Hochzeit, als in unserem Lande die Revolte losging. Sie geriet zwischen die Fronten, als sie zum Markt wollte. Sie wurde niedergemetzelt – kein schöner Anblick. Im Moment sind es zwei, die erste und die jüngste – die habe ich unterwegs aufgegabelt, eine wahre Schönheit mit feurigen Augen und pechschwarzen Locken. Sie brauchte Schutz. Ich erbarmte mich ihrer.“

„Wie großherzig. Und wie viele weitere Ehefrauen hast Du im Spiegel gesehen, alter Nimmersatt?“ lachte Mauro.

„Ich weiß es nicht, doch es mögen noch einige hinzukommen. Ich sah mich als gemachten Mann in einem gemütlichen Heim, im Kreise meiner Lieben. Ich hatte den Eindruck, dass ich tat, was ich am besten kann: verwalten und organisieren. Alles war üppig und prächtig, wie ich es gerne mag. Es gab keinen Mangel und vor allen Dingen war es nicht kalt und feucht wie hier! Ich brauchte mich nicht mehr auf einem Pferderücken durch die Lande zu quälen, wo ich den Gürtel beinahe täglich ein Stückchen enger schnallen muss. Ich durfte in Ruhe Speck ansetzen und von vergangenen Heldentaten erzählen, die ich mit meinem lieben Freund Mauro erlebte!“

Mauro schüttelte verständnislos den Kopf: „Hamon, Hamon, kaum vierzig Winter alt und Du möchtest schon Moos ansetzen? Da ist noch eine halbe Welt, die darauf wartet, von uns erobert zu werden.“

„Ich helfe Dir ja gerne, Mauro. Doch wenn ich die Wahl hätte, täte ich das lieber vom Schaukelstuhl aus! Wie Du richtig bemerkst, bin ich keine fünfundzwanzig mehr. Dein Tatendrang strapaziert mich.“

„Wer hat weitere gute Nachrichten zu erzählen? Was habt ihr anderen gesehen?“

Rüdiger hatte etwas beizutragen: „Da war ein Almanenfest. Es wurde gesoffen und gefeiert, wie nur Almanen das vermögen. Ich denke, zwei verfeindete Stämme stießen auf einen guten Handel an. Alle waren zufrieden. Ich hatte eine wichtige Rolle, war ein geachteter Mann, dem die Häuptlinge Respekt zollten. Und da war noch dieses Mädchen mit den enormen Brüsten … ich wollte beinahe darin versinken.“ Rüdiger lief rot an: „Mehr weiß ich nicht“, brach er rasch ab.

Shigat lachte herzlich: „Täusche ich mich oder habt Ihr alle nur eins im Kopf? Da kann ich nicht mithalten. Offenbar bin ich der einzig seriöse in diesem Kreis. So hört: ich stand auf den Zinnen des Hexenhorstes und blickte hinunter ins weite Land. Es war Frühling und die Apfelbäume entlang der Burgmauer blühten. Im Hofe hinter mir hörte ich Kinderlachen. Nicht ein Kind, sondern Dutzende. Sie spielten ein altes Reigenspiel. Unten im Tale zogen die Hirten mit ihren Herden.“ Shigats Augen gingen träumerisch in die Ferne. „Große, wohlgenährte Herden. Die Stämme waren aus der Steppe zurückgekehrt.“

„Das klingt nach Frieden…“ meinte Mauro andächtig.

„Ich habe etwas ähnliches beizutragen“, ließ sich Jago vernehmen. „Ich saß mit vielen anderen, jungen und alten Magiern, Hexen und anderem bunten Zaubervolk vor einem halbverfallenem Tempel. Wir woben einen energetischen Teppich aus unseren Hoffnungen und Gebeten. Ein mir unbekannter Mann sammelte die pure Kraft unserer Gedanken in einer Wolke und leitete sie in den Tempel. Mir ward, als würde etwas Großes daraus entstehen. Die Stimmung war so … ich kann es nicht in Worte fassen. Alles schien möglich. Als könnten wir gemeinsam Wunder vollbringen“. Jago war zutiefst ergriffen von dem, was er gesehen hatte.

Es folgte ein Moment des Schweigens, wo jeder seinen Eindrücken nachspürte. In die Stille hinein sagte Mauro: „Ist euch klar, was das bedeutet? Habt ihr kapiert?“ Er rüttelte Hamon aufgeregt an den Schultern, als müsste er ihn wecken. „Wir alle haben Bilder von Frieden gesehen. Der Plan der Unsterblichen ist, dass unsere Mission Erfolg hat! Sie wollen den Frieden. Denkt ihr, sie hätten sich die Mühe gemacht, Szenen für unsere Zukunft zu entwerfen, wenn der bevorstehende Krieg unsere Welt verschlingen sollte?“

„Mauro, Du weißt, wie das mit solchen Weissagungen ist. Sie zeigen Dir nur das, was für Deine nächsten Schritte hilfreich ist. Oft können wir ihre Botschaft gar nicht richtig interpretieren…“ Hamon versuchte, den Freund wieder auf den Boden zurückzuholen.

„Das weiß ich doch. Natürlich haben wir keine Garantie. Die Freiheit, zu versagen, wird uns keiner nehmen. Doch mit einer fairen Chance im Kreuz kämpfe ich lieber, als wenn der Untergang der Helden schon im ewigen Buche festgeschrieben wäre. Wir haben das Recht auf Zukunft. Unser Unterfangen ist alles andere als aussichtslos!“

„Natürlich ist unser Unterfangen nicht aussichtslos“, wunderte sich Jago. „Hätten wir nicht an den Erfolg geglaubt, wären Llewin und ich niemals zu dieser Reise aufgebrochen. Dann säßen wir heute nicht hier.“

„Ihr hattet eine vage Hoffnung. Nun haben wir eine konkrete Chance. Wir müssen sie bloß nutzen!“ Mauro versuchte, die anderen in seiner Begeisterung mitzureißen.

Llewin blieb skeptisch: „Ich sehe den Unterschied nicht. Habt Ihr etwa einen konkreten Plan, König Curon zu besiegen? Im Moment hängen wir immer noch am Prinzip Hoffnung.“

„Ich werde ein Wunder vollbringen, was denn sonst“, feixte Morriell.

„Ihr versteht mich nicht“, seufzte Mauro. „Da ist ein Riesenunterschied…“ Doch er verzichtete darauf, es ihnen nochmals zu erklären.

Shigat legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte leise: „ich sehe den Unterschied. Die Unsterblichen sind mit Euch. Ihr werdet siegen.“

In dieser Nacht konnte Mauro nicht schlafen. Zu sehr ging ihm das Erlebte im Kopfe umher. Hamon schnarchte neben ihm friedlich vor sich hin. Um ihn nicht zu wecken, stand er auf und vertrat sich die Beine. Dabei traf er auf Llewin, der ebenfalls keine Ruhe fand. Sie hocken sich neben einander und lauschten für ein Weilchen den Geräuschen der Nacht. Dann sagte Llewin: „Ich nehme an, Ihr erwartet von mir, dass ich Morriell heirate.“

„Warum um alles in der Welt sollte ich das von Euch erwarten?“

„Weil Ihr doch ihr Vater seid. Ich meine... ich bin mit ihr zusammen. Alle wissen es. Das könnt Ihr nicht so einfach hinnehmen.“

„Ich will Dir einmal etwas sagen, Junge. Morriell ist eine freie Hexe und alt genug, ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Wenn das hier vorbei ist, werde ich meiner Wege gehen. Vielleicht kehre ich zurück nach Yian Mah, vielleicht verschlägt es mich anderswo hin. Auf jeden Fall werde ich schnellstmöglich vergessen, dass ich ihr jemals begegnet bin. Wenn Ihr von mir einen Rat wollt, so solltet Ihr das Gleiche tun. Nehmt mich bitte nicht als Rechtfertigung, wenn Ihr Euch gegen jeden Sinn und Verstand mit ihr vermählt. War das deutlich genug?“

„Ja, das hat an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen. Schade, dass Ihr keine väterlichen Gefühle für sie empfindet. Ihr könnt wohl immer noch nicht vergeben, dass sie Euch zu Beginn unserer Reise gedemütigt hat.“

„Väterliche Gefühle empfinde ich genug, sonst wäre ich nicht mehr hier“, erwiderte Mauro unwirsch. „Wie ist das mit Euch? Liebt Ihr sie denn?“

„Ich weiß es nicht.“

„Erzählt mir doch nichts. Vor einiger Zeit hörte ich Euch sagen, dass Ihr nur mit ihr zusammen seid, weil sie sich um Eure leiblichen Bedürfnisse kümmert. Als Grund für Liebelei kann ich das akzeptieren. Für eine lebenslange Ehe reicht es nicht. Könnt Ihr Euch vorstellen, jeden Morgen neben dieser Frau aufzuwachen?“

„So einfach ist das nicht.“

„Was ist nicht so einfach?“

Llewin schwieg eine Weile, er fand die richtigen Worte nicht. Schließlich sagte er stockend: „Die Weissagung. Ihr erinnert Euch, die Sache mit der Silberschale...“ Er zögerte.

„Ich erinnere mich sehr wohl. Was ist mit der Silberschale?“

„Ich habe Morriell in der Silberschale gesehen.“

„Wie könnt Ihr so sicher sein, dass es Morriell war? Ich habe in der Weissagung keine konkreten Personen gesehen, nur energetische Abdrücke.“

„Weil Ihr die Personen noch nicht kanntet. Ich bin mir sicher, dass es Morriell gewesen ist. Wir waren zusammen, und wir waren glücklich.“

„Das waren Momentaufnahmen. Warum solltet ihr keine glücklichen Momente teilen? Ihr habt eine Menge Spaß miteinander.“

„Wenn ich einen der glücklichsten Momente meiner Zukunft mit Morriell teile... dann sollte ich sie heiraten. Vielleicht war das ein Zeichen, das mich zur Entscheidung zwingt.“

„Ich würde mir eine solche Entscheidung nicht von einer flüchtigen Spiegelung aufzwingen lassen. Bedenkt, wie weittragend die Verpflichtung ist. Ein Kethe hat nur eine Ehefrau. Die Beziehung muss vielleicht bis an Euer Lebensende halten.“

„Wäre ich mir sicher, dass es falsch ist, würde ich es nicht tun. Ich mag sie, mit all ihrer Zickigkeit. Im Grunde ihres Herzens ist sie kein schlechter Mensch. Sie ist nur – unsicher. Vielleicht sollte ich ihr helfen….“

„... Und sie erretten vor sich selbst. Ein hehres Ziel. Glaubt mir, das funktioniert nicht. Niemals können wir einen anderen vor sich selbst erretten. Schminkt Euch das ab. Keiner rettet Morriell, wenn sie es selbst nicht tut.“

„Ihr seid unangemessen hart mit ihr, weil Ihr sie nicht mögt. Keiner hier mag sie. Morriell geht allen auf die Nerven. Dabei hat sie durchaus ihre liebenswerten Seiten. Wer soll sich um sie kümmern, wenn nicht ich?“

„Tut, was Ihr für richtig haltet. Ich werde Euch nicht hindern, doch die Entscheidung trefft Ihr alleine.“

„Was meint Ihr zu der Weissagung? Ich meine ... Ihr glaubt doch an das, was wir in der Schale gesehen haben?“

„Ja, ich glaube daran. In einer Weissagung steckt immer ein Körnchen Wahrheit. Doch dieses Körnchen ist oft gut verborgen, hinter einem doppelten Sinn. Bei manchen Prophezeiungen habe ich bis heute nicht herausgefunden, was sie mir sagen wollten. Mitunter erkannte ich die Wahrheit erst, wenn ich schon mitten drinnen im Schlamassel steckte. Großartig, wenn dann einer sagt: >ich habe Dich gewarnt<. Prophezeiungen tendieren dazu, sich selbst zu erfüllen – vergesst das nicht. Wenn Ihr heiratet, bloß weil Ihr es in der Schale gesehen habt, dann bewahrheitet sich die Weissagung allein durch Eure Entscheidung.“

„Was bedeuten dann die Bilder in der Schale?“

„Ihr saht Euch selbst glücklich, in inniger physischer Verschmelzung mit einer Dame. Ihr seid überzeugt, dass es Morriell war. Ihr mögt Sex und Ihr mögt Morriell. Warum sollte Euch das nicht als günstige Perspektive angeboten werden?“ fragte Mauro zurück.

„Das ist es nicht.“ Llewin versuchte, seine Bedenken in Worte zu fassen: „Ihr anderen saht Dinge, die weit in der Zukunft liegen – zum Beispiel Eure Töchter, die noch nicht einmal geboren sind. Meine glücklichste Stunde zeigt etwas, das ich bereits genossen habe. Wie soll ich das interpretieren?“

Mauro verstand Llewins Bedenken und sagte ehrlich: „Ich habe keine Ahnung. Alles, was ich jetzt hineininterpretieren wollte, wäre aus der Luft gegriffen.“

Llewin nickte verständnisvoll: „Ich danke Euch, dennoch, für Eure ehrlichen Worte.“

„Überlegt es Euch gut – die Sache mit Morriell. In Eurem Alter neigt man dazu, mit dem Schwanz zu denken. Glaubt mir, mit dem Kopf erzielt man bessere Resultate.“

Das Tal verbreiterte sich und vor ihnen lag Melgart. Alle Nordrouten führten an dieser befestigten Ansiedlung vorbei. Wanderer, die den Steinernen Sattel überquerten, machten gerne dort Rast. Es gab alles, was ein Reisender auf seinem Weg über die rauen Berge benötigte.

Um diese Zeit kamen allerdings kaum Wanderer des Wegs. Der Steinerne Sattel war höher als der weiter östlich gelegene Wolkenpass. Im Sommer spielte das keine große Rolle, doch im Winter machten Eis, Schnee und Lawinen die Passage für viele Wochen unpassierbar. Umso überraschter waren die Bewohner, als Llewin mit seiner bunt zusammen gewürfelten Truppe Einzug hielt.

„Hier sind wir Gäste des Nordstammes. Sie nennen sich die Biberjäger“, erläuterte Llewin. „Biber gibt es mehr als genug in dieser Gegend. Sie sind wohlschmeckend“.

Der Häuptling der Biberjäger hieß den Sohn ihres Königs und dessen Begleitung standesgemäß willkommen. Mauro wunderte sich, dass Llewin hier ein gerne gesehener Gast war. Im Norden lagen die Stämme untereinander die meiste Zeit in bitterer Fehde.

„Früher war das auch bei uns so“, erläuterte Llewin. „Doch die ständige Bedrohung durch die Feuerfresser jenseits der Hügelkette schweißte die Stämme der Seekethen zusammen. Sie haben begriffen, dass sie nur gemeinsam bestehen können. So wählen sie stets den stärksten unter den Häuptlingen zu ihrem König. Seine Aufgabe ist es, Streitigkeiten zu schlichten und das Heer anzuführen, wenn die Furukim mal wieder lüstern auf die fruchtbare Ebene schielen. Bisher haben wir uns mit Erfolg behauptet.“

„Heißt das, es ist nicht sicher, dass Ihr der nächste König der Seekethen sein werdet?“ fragte Morriell enttäuscht, „obwohl Ihr König Iolairs ältester Sohn seid?“

„So ist es, werte Dame. Die Thing-Fürsten bestimmen, wer nach meinem Vater König wird. Ich kann bloß hoffen, in die engere Wahl zu kommen. Seid Ihr enttäuscht?“

„Nein“, sagte Morriell, doch ihr Gesichtsausdruck verriet etwas anderes.

„Nun wollt Ihr nicht mehr die meine werden?“ fragte Llewin hoffnungsvoll. Die Gelegenheit erschien ihm günstig, ein >nein< zu kassieren.

Morriell zögerte ein wenig. Dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht: „Habt Ihr eben um meine Hand angehalten? Das ist ja ... Ja, ich will“, rief sie entschlossen aus. „Lasst uns sogleich Hochzeit feiern!“

Llewin wurde blass. So hatte er das nicht gemeint. Alles ging ihm viel zu schnell: „Meine Sippe würde mir verübeln, wenn ich heimlich in ihrer Abwesenheit heiratete. Natürlich brauche ich die Zustimmung meiner Eltern für meine Wahl.“ Als Morriell die Mundwinkel nach untern zog, fügte er mit süß-saurem Lächeln hinzu: „Ich zweifle nicht daran, dass ich sie erhalten werde. Doch Ihr solltet vorher Euren Vater fragen.“

Morriell sah Mauro mit einem Blick an, als wollte sie sagen: >Was hat der damit zu tun?< Sie beherrschte sich jedoch und schwieg.

Mauro machte eine Geste, die besagte: >tut, was ihr wollt<.

„Wir könnten zumindest das Eheversprechen feiern“, schlug der Häuptling der Biberjäger mit breitem Grinsen vor. „Das ist bei uns so Sitte und wird König Iolair gewiss nicht verärgern. Es ist gut, noch einmal richtig zu feiern, ehe alles in die Binsen geht. Feiern stärkt Leib und Seele!“

„Davon bin ich nicht überzeugt“, meinte Hamon, der an den Kater danach dachte. „Auch bezweifle ich, dass wir dafür genügend Zeit haben.“

„Es ist nur noch ein vier-, vielleicht Fünftagesritt. Der Feuertempel von Knyssar liegt gleich hinter diesem Berg da hinten. Nur noch ein Pass ist zu überqueren, der müsste um diese Jahreszeit schneefrei sein. Ihr reist auf einem ausgetretenen Maultierpfad. Schmuggler benutzen ihn regelmäßig. Die Furukim haben kaum zu essen. Sie bieten alles zum Tausch an, was sie entbehren können. Den Weg könnt Ihr nicht verfehlen. Ein paar meiner Männer geleiten euch bis zur Grenze“, bot der Häuptling an.

„Wann wird das Ritual stattfinden?“ fragte Mauro.

Jago, der regelmäßig die Sterne beobachtete, antwortete ohne einen Hauch von Zweifel: „In acht Tagen.“

„Zu früh sollten wir auf keinen Fall ankommen“, überlegte Mauro. „Sobald wir dort aufkreuzen, sind wir unseres Lebens nicht mehr sicher. Wir dürfen weder schlafen noch essen. Ständig müssen wir auf Übergriffe gefasst sein. Das hält man nicht lange durch.“

„Knyssar ist ein uraltes Heiligtum, keine Räuberhöhle“, wies Jago ihn empört zurecht. Er hatte im Tempel mehrere Jahre zugebracht und besaß eine hohe Meinung von seiner Ausbildungsstätte. „Für den Wettkampf gibt es Regeln. Die Bewerber stehen unter dem Schutz des Tempelordens, sobald sie die Schwelle überschritten haben.“

„Trotzdem sollten wir ausgeruht ankommen“, beharrte Mauro.

„Ausgezeichnet, dann bleiben wir für drei Nächte in Melgart. Wir haben Zeit genug“, fasste Llewin zusammen und strahlte seine Auserwählte freudig an. Nachdem alles entschieden war, fühlte er sich besser.

„Ihr seid meine Gäste“, freute sich der Häuptling, der jeden Grund zum Feiern in diesen schwierigen Zeiten willkommen hieß. Was sie heute versoffen, konnten ihnen die Feuerfresser morgen nicht mehr wegnehmen. „Ich werde ein Fest vorbereiten, an das Ihr lange denken sollt!“

„Zeitlich wäre es verdammt knapp geworden, wenn wir uns gegen den Flug von der Felswand entschieden hätten“, rechnete Rüdiger nach. Nun ja, sie hatten es gut überstanden. Eine kleine Feier war das schon wert.

Sie blieben die darauf folgenden Tage in Melgart und ließen sich von ihren Gastgebern verwöhnen. Für Llewin und Morriell wurde eine kleine Zeremonie abgehalten, auf die ein üppiges Festbankett folgte. Danach hatten die beiden reichlich Gelegenheit, ungestört für sich zu sein. Morriell zeigte sich wieder einmal von ihrer netten Seite und bereitete ihrem zukünftigen Bräutigam schöne Stunden.

Auch die anderen genossen die Ablenkung, es wurde gespielt, gesungen und musiziert. Gaukler machten ihre Aufwartung und unterhielten die Gesellschaft mit allerlei Kunststücken. „Seht gut zu, Meister Randirgardh“, lästerte Llewin wohlwollend, „damit Ihr Euch bei Eurer nächsten Vorstellung nicht wieder blamiert.“

Drei Nächte gingen vorbei wie im Flug. Bald erinnerte sie Hamons Fluchen, dass sie wieder im Sattel saßen. Die Biberjäger hatten ihnen wie versprochen einige kampferprobte Männer als Geleitschutz mitgegeben. Nach zwei Tagen erreichten sie die letzte Raststation auf kethischem Boden. Es war eine schmuddelige Kneipe am Wegesrand, wo sich allerlei lichtscheues Gesindel herumtrieb.

Sie entschieden sich für das trockene Nachtquartier, da es leicht zu nieseln angefangen hatte. Mauro wandte alle seine Zauberkünste auf, um das Essen verträglich zu machen. Jago versuchte inzwischen, von den feuerländischen Schmugglern Informationen zu erhalten, doch die Kerle zeigten sich wenig gesprächsbereit.

In einer ruhigen Minute nahm Mauro Morriell zur Seite. „Wenn Ihr Llewin wirklich liebt, wie Ihr es in den letzten Tagen geschworen habt, so schickt ihn mit den Biberjägern zurück. Ein Nichtzauberer ist uns keine große Hilfe. Seine Anwesenheit könnte König Curon zu einer Strafexpedition gegen die Seekethen animieren. Es liegt in Eurer Hand, das zu vermeiden. Er kann daheim in Sexten auf Euch warten und die gemeinsame Heimstatt vorbereiten.“

Morriell sah Mauro feindselig an: „Erst habt Ihr mir Schlobart genommen. Nun versucht Ihr mir Llewin abspenstig zu machen. Ihr wollt mich in völliger Abhängigkeit halten – von Euch und den merkwürdigen Gestalten, die Ihr Freunde nennt.“ Morriell konnte weder Shigat noch Hamon ausstehen. „Das kommt nicht in Frage. Llewin geht mit uns bis Knyssar, weil ich ihn brauche!“

Mauro zuckte resigniert die Schultern und ließ den Gedanken fallen.

Am nächsten Morgen brachen sie früh auf. Ein paar Schmuggler schlossen sich ihnen an. Fremde waren in dieser Wildnis eine unkalkulierbare Gefahr. Da man den gleichen Weg hatte, konnte Mauro die anderen nicht abweisen. Kurz nach Sonnenaufgang überquerten sie den Pass. Sie legten eine kleine Rast ein. In einiger Entfernung hörten sie merkwürdige Geräusche – ein dumpfes Stampfen und Schnaufen. Die Schmuggler wurden unruhig. Ehe sie es sich versahen, waren ihre Reisebegleiter verschwunden. Das ließ Übles befürchten.

Die Gefährten versuchten, den Grund für die merkwürdigen Geräusche herauszufinden. Weit sehen konnten sie nicht. Unterhalb des Pass-Sattels lag ein ungewöhnlich düsterer Wald. Er schien zu atmen, als ob er ein Eigenleben besäße. Kein Vogel kreiste über seinen Wipfeln oder zwitscherte in seinem Geäst. Nicht einmal Insekten summten in seiner Nähe.

„Wart ihr schon einmal dort unten?“ fragte Mauro die Biberjäger.

Der Anführer schüttelte sich: „Dafür gab es keine Notwendigkeit.“

„Der Wald ist unheimlich. Keiner von uns ginge freiwillig hinein“, fügte ein zweiter hinzu.

„Vielleicht schützen sie die Grenze mit einem bösen Zauber. Furukiya ist schließlich das Land des Zauberkönigs“, bemerkte ein Dritter.

Jago hielt die Behauptung für Unfug: „Weder ich noch die Schmuggler hätten in diesem Fall die Grenze passieren können.“

„Seid Ihr durch diesen Wald gekommen?“ wollte Mauro wissen.

Jago verneinte: „Nicht hier, sondern drei Tagesritte weiter südlich. Ich reiste über Sexten, wo ich König Iolair um Unterstützung bat.“

„Etwas stimmt mit diesem Wald nicht. Was meint Ihr, Prinz Shigat?“

Shigat strich über sein Kinn: „Ein Grenzschutzzauber? Wenn es so etwas gäbe, hätten wir es in Yian Mah längst eingeführt. Doch ich gestehe, dass mir dieser Wald merkwürdig vorkommt. Knyssar ist ein uraltes Heiligtum, es existierte schon vor unserer Zeitrechnung. Ich möchte nicht ausschließen, dass sie besondere Schutzmechanismen besitzen.“

„Eine Art von Bannwald? Wir sollten ihn uns näher ansehen“, schlug Mauro vor. „Prinz Shigat, kommt Ihr mit Euren Zauberern mit? Alle anderen bleiben hier. Haltet Euch vom Wald fern und seid wachsam. Irgendetwas liegt in der Luft.“

Schritt um Schritt nach allen Seiten absichernd drangen sie in den Wald ein. Hoch wölbte sich das Blätterdach über ihren Köpfen. Kein bisschen Tageslicht drang bis zum Boden durch. Knorrige alte Bäume durchpflügten den Waldboden mit ihren kräftigen Wurzeln. Dichtes Moos dämpfte ihre Schritte und Flechten hingen gespenstisch von den Ästen.

Einer von Shigats Männern hatte eine wichtige Eingebung: „Wir sollten eine magische Leine auslegen. Wenn wir die Orientierung verlieren, finden wir nicht mehr hinaus!“

Sie markierten ihren Weg, während sie weiter in die Düsternis des alten Waldes vordrangen. Nach einer Weile blieb Shigat stehen: „Ich weiß nicht recht. Der Wald ist zwar unheimlich, doch alte Bäume haben oft eine bedrohliche Aura. Daran kann ich nichts Außergewöhnliches finden. Wonach suchen wir eigentlich?“

Mauro überlegte. Dann kam ihm ein Gedanke: „Es ist nicht der Wald selbst. Es ist etwas, das in ihm wohnt. Erinnert Ihr Euch an das Stampfen, dass wir vorher gehört haben? Jetzt höre ich es direkt hinter uns!“

„In dieser Richtung haben wir die Gefährten zurückgelassen. Rasch, lasst uns umkehren!“

In Windeseile folgten sie ihrer magischen Leine zurück. Sobald sie den Waldrand erreichten, sahen sie, was das Stampfen verursachte. Eine Horde Bergtrolle hatte die Gefährten angegriffen.

Die Trolle waren erheblich größer und kräftiger als ein Mensch. Die Gefährten wehrten sich verbissen gegen die Übermacht, doch ihre Pfeile blieben in der dicken Haut der Trolle stecken und reizten ihre Wut. Es gab nur wenige Stellen an ihrem Körper, wo ein Schwert die dichte Fettschicht durchdringen und den Troll tödlich verwunden konnte. Um dorthin zu gelangen, musste man ihn erst durch Zauberei außer Gefecht setzen. Das war nicht ganz einfach, zumal die Angreifergruppe ziemlich groß war.

Shigat und seine Männer zogen ihre Zauberschwerter und warfen sich sofort in den Kampf. Mauro griff nach seiner blanken Metallscheibe und suchte nach einem Ziel. Sowohl Jago als auch Llewin waren in arger Bedrängnis.

Eines der Ungetüme holte gerade mit seiner gewaltigen Holzkeule aus, um den am Boden liegenden Jago zu zerschmettern. Mauro zielte auf eine energetische Lücke im Hautpanzer des Trolls. Die Wurfscheibe drang direkt in dessen Herz. Ein Zucken ging durch den riesigen Körper, und die Keule schlug ins Leere. Jago schaffte es gerade noch, darunter wegzurollen, ehe der Koloss in sich zusammenbrach.

Mauro wandte seine Aufmerksamkeit sofort Llewin zu. Ein Troll hatte den jungen Mann ergriffen und hob ihn hoch, als wäre er ein Spielzeug. Llewin versuchte verzweifelt, sich aus dem derben Griff herauszuwinden, doch er konnte nur hilflos mit den Armen und Beinen zappeln. Mauro sprang auf einen Felsen und schickte in Windeseile einen Immobilisierungs-Zauber gegen den Troll. Da er sich in seiner Hast ungenügend geerdet hatte, fehlte es dem Fluch an Kraft. Der Troll wankte ein wenig, doch er wurde nicht bewegungsunfähig.

Nun war das Untier auf Mauro aufmerksam geworden. Erstaunt sah es den Angreifer aus blutunterlaufenen Augen an. Mit einem wütenden Grunzen hob es Llewins Körper noch höher über seinen Kopf und schickte sich an, ihn gegen Mauro zu schleudern. Mauro umklammerte sein Schwert mit beiden Händen und warf sich mit voller Wucht dem Troll in die Seite. Die Spitze drang durch die Leiste tief in die Eingeweide.

Mauro war zu langsam. Noch während das Fledermausschwert in seinen Körper eindrang, schleuderte der Troll Llewins Körper mit gewaltiger Wucht gegen den Felsblock, auf dem Mauro gerade noch gestanden hatte. Erst danach bemerkte er seine Wunde. Der Troll brüllte zornig und fasste nach Mauro. Mit seinen Klauen zog er eine Kratzspur über dessen Wange, ehe er nach der Seite einbrach und verendete.

Mauro wischte mit dem Ärmel das Blut ab und warf einen Blick auf Llewin, der mit verrenkten Gliedmaßen an dem Felsen hing. Die Augen des jungen Mannes waren weit geöffnet und starrten blicklos in den Himmel. Mauros verzweifelter Angriff konnte ihn nicht mehr retten. Llewin war tot.

Shigats Männer kämpften wacker gegen die Trolle. Erst bannten sie sie, dann stachen sie mit dem Schwert zu. Wie bei Mauro glückte der Immobilisierungszauber nicht immer auf Anhieb. Die Trolle schlugen mit aller Härte zurück. Mauro konnte einen der Männer mit einem Energiestoß aus der Angriffslinie retten. Wenige Schritte daneben wurde ein anderer vom Troll in Stücke gerissen.

In Begleitung der Trolle befanden sich einige Bären, die nach ihrem Winterschlaf nach Frischfleisch lechzten. Schon machten die ersten sich über die Körper der am Boden liegenden Männer her.

Jago verstand sich hervorragend darauf, Bären zu beschwören. Der junge Mann stimmte einen merkwürdigen Singsang an. Das Auf- und Abschwellen des Tones erregte die Aufmerksamkeit der Bären. Sie wandten ihre Köpfe dem Sänger zu. Auf dem Schlachtfeld befand sich ein gutes Dutzend der braunen Kolosse. Jagos Singsang schien ihnen zu gefallen. Sie wiegten sich, als tanzten sie zu einer feinen Melodie.

„Wir treiben sie gegen die Trolle“, gestikulierte Jago, während er seinen Singsang zu einem tiefen Brummen veränderte. Mauro nickte seine Zustimmung und blockierte einen der möglichen Fluchtwege. Die Bären gehorchten Jagos Befehl umgehend und wandten sich angriffslustig den Trollen zu.

Die Trolle reagierten erschrocken. Mit einem Male waren alle anderen Gegner bedeutungslos. Sie fürchteten die Tiere genug, um umgehend ihr Heil in der Flucht zu suchen. Die Bären liefen hinter ihnen her. Bald waren Bären wie Trolle verschwunden. Es war vorüber.

Der Angriff der Bergtrolle hatte bitteren Blutzoll unter den Biberjägern gefordert. Auch Shigat musste einen seiner Männer begraben. Während sie ihre Toten zusammentrugen, warf Morriell sich aufschluchzend über den übel zugerichteten Leichnam ihres Bräutigams. Die Gefährten versammelten sich, um Llewin die letzte Ehre zu erweisen. Morriell sah Mauro vorwurfsvoll an: „Warum hast Du das getan?“

„Warum habe ich was getan?“

„Du hattest die Wahl, entweder Jago oder Llewin zu retten. Du hast Dich für Jago entschieden und damit Llewin zum Tode verurteilt! Warum hast Du das getan?“

„Großer Gott, Morriell, ich habe mich nicht bewusst für den einen oder anderen entschieden. Vielleicht war ich an Jago näher dran, oder der Winkel für die Wurfscheibe war günstiger. Ich weiß es nicht mehr, alles ging sehr schnell. Mir Llewins Tod vorzuwerfen ist mehr als ungerecht. Ich habe getan, was ich konnte. Natürlich hätte ich lieber beide gerettet, doch besser einen als gar keinen. Jago konnte uns immerhin die Bären vom Hals schaffen, vergiss das nicht!“

„Du hast mich zur Witwe gemacht, noch ehe ich seine Frau geworden bin“, fuhr Morriell unbeeindruckt fort. „Du mochtest ihn nie, wolltest ihn gar zurückschicken. Jetzt bist Du ihn los.“

„Er hatte düstere Vorahnungen. Deshalb empfahl ich ihm, zurückzubleiben!“ protestierte Mauro ungehalten. Sie starrten einander für einige Momente feindselig an. Schließlich sagte er: „Komm erst einmal zu Dir, ehe wir weiterreden. Der Schmerz nimmt Dir den Verstand!“ Er wandte sich ab und half den Biberjägern, ihre Toten zu bestatten.

Shigat wollte für seinen Mann ein Feuerbegräbnis, wie es ihren Bräuchen entsprach. Er sah jedoch ein, dass ein weithin sichtbares Feuer ihrer Weiterreise nicht förderlich wäre. Der Steppenkrieger wurde mit den anderen an Ort und Stelle begraben.

Es kostete sie einige Überzeugungsarbeit, Morriell zur Herausgabe von Llewins Leichnam zu überreden. Schließlich wurde er mit den anderen zur letzten Ruhe gebettet. Wie zu jener Zeit bei den Stämmen üblich, bedeckten sie ihre Toten mit Erde und befestigten die Grabhügel mit schweren Steinen. Davon gab es dort oben genug, und auch genügend Zauberer, die sie bewegen konnten. Den Gefallenen wurde ein eindrucksvolles Grabmal errichtet.

Zum Schluss brannte Morriell mit ihrem Zauberstab eine Inschrift ein, die von Tapferkeit und Treue ihres Liebsten zeugte. Daneben hinterließ Shigat einige Hexenzeichen, die Störenfriede abhalten sollten. Hätte Schlobart diese Zeichen gesehen, wäre er erschaudert ob der Dämonen, die hier zu Wächtern kethischer Gräber berufen wurden.

Schweren Herzens verabschiedeten sie sich von den Biberjägern, die mit trauriger Kunde zu ihrem Stamm zurückkehrten. Morriell, Mauro, Rüdiger, Hamon, Jago, Shigat und seine Männer setzten ihren Weg fort. Bald schon entzog sie der düstere Wald den Blicken der heimkehrenden Biberjäger.

„Wollt Ihr mit ihnen zurückkehren?“ fragte Shigat ein letztes Mal. „Noch ist es Zeit. Ihr wisst genau, dass Ihr gegen den greisen Zauberkönig keine echte Chance habt. Keiner hier nimmt Euch übel, wenn Ihr darauf verzichtet, sinnlos Euer Leben aufs Spiel zu setzen.“

Morriell schüttelte nur stumm den Kopf.

Die Pferde am Zügel schritten sie tiefer und tiefer in den Wald hinein. Die Düsternis ihrer Umgebung passte bestens zu ihrer Stimmung. Schweigend marschierten sie hintereinander einher. Plötzlich hob Shigat etwas auf und rief: „Hier waren wir schon einmal! Wir sind im Kreis gegangen! Kann es sein, dass wir längst den Weg verloren haben?“

Sie versuchten, ihrer alten Spur zurück zu folgen, doch schon nach wenigen Schritten stellten sie fest, dass der Waldboden ihre Fußabdrücke verschlungen hatte. Sie wussten weder, welche Tageszeit war noch in welche Richtung sie gingen.

Shigat hatte die Führung übernommen: „Haltet an. Lasst uns nachdenken, statt einfach weiterzurennen. Der Zauberwald führt uns gewiss an einen Ort, wo wir nicht hinwollen.“

„Ja, lasst uns ein wenig rasten“, stöhnte Hamon, dem Fußmärsche ein Gräuel waren. Er ließ sich ins weiche Moos fallen. Die anderen folgten Hamons Beispiel und suchten sich einen Rastplatz.

Shigat war sauer: „Sind wir nicht Vollidioten? Keiner von uns Zauberern dachte an die magische Leine. Zuvor hatten wir doch auch eine gelegt!“

Auch Hamon war besorgt: „Vielleicht finden wir niemals den Weg...“

„Lasst uns bloß mit Eurer Schwarzseherei in Ruhe“, wies ihn Shigat zurecht. „Wer aufgibt, hat schon verloren.“

„Klugscheißer“, murrte Hamon.

„Was sagten die Biberjäger? Es wäre ein Spaziergang, vom Pass aus in drei Tagen nach Knyssar zu marschieren“, ereiferte sich Rüdiger. „In Wirklichkeit war keiner von denen je da. Hätten wir uns bloß nicht darauf verlassen! Wahrscheinlich kommen wir zu spät zum Wettkampf.“

„Wir haben doch einen ortskundigen Führer“, ätzte Hamon. „Nur leider kennt Jago gerade diesen Weg nicht!“

Jago wurde purpurrot und schwieg.

„Jago ist nutzlos. Um hier zu verrecken, hätte Mauro sein Leben nicht retten müssen. Meinen Bräutigam hingegen ließ er einfach sterben!“ Morriell heulte theatralisch auf.

„Hört endlich auf, auf Mauro herumzuhacken. Er hatte gar keine andere Wahl. Ich habe es gesehen!“ knurrte Rüdiger sie an.

„Doch, die hatte er. Ihr seht wohl auch nur, was Ihr sehen wollt!“ schimpfte Morriell zurück.

„Keiner verliert gerne einen Freund.“ Shigat übte sich in Mäßigung. „Mauro fragt sich bestimmt, wie er Llewins Tod hätte vermeiden können.“

„Ich fühle mich nicht gut dabei, dass ich lebe, während Llewin unter der Erde liegt“, warf Jago leise ein.

„Sentimentales Gewäsch“, erwiderte Rüdiger gereizt. „Llewins Zeit war gekommen. Er selbst hat es gewusst. Mauro hätte ihn nicht retten können, selbst wenn er in der Lage wäre, Wunder zu vollbringen. Keiner von uns kann seinem Schicksal entrinnen. Der Schutz des mächtigsten Zauberers erreicht nur die, die die Option haben, weiterzuleben. Deinen Namen hatte die Todesbotin nicht aufgerufen.“

„Mauro hat das mit Absicht gemacht, um mich zu treffen“, behauptete Morriell. „Von wegen Freund! Er konnte Llewin nicht ausstehen!“.

„Wo ist Mauro überhaupt?“

„Er hat sich zurückgezogen. Kein Wunder, dass er sich das nicht anhören mag“, ließ sich Rüdiger vernehmen. „Er hält seinen Kopf hin. Als Dank kassiert er Prügel für alles, was misslingt. Ich an seiner Stelle wäre längst fortgegangen.“

Shigat schlug in dieselbe Kerbe: „Auch ich hielte es für klüger, alleine weiterzureisen. Was in drei Dämonen Namen wollen wir hier noch? Die Reise ist ohnedies für die Katz! Morriell stiftet nur Unfrieden. Wenn sie dem Erain Norn gegenübersteht, winselt sie um Gnade. Genau so hat sie es bei dem schwarzen Zauberer mit der Rose gemacht.“

„Ich bin nun einmal die einzige Nachfahrin des Erain Norn, die für diese Aufgabe zur Verfügung steht. Ihr braucht mich – auch wenn Euch meine Nase nicht gefällt, Prinz Shigat! Mir gefällt die Eure übrigens auch nicht“, giftete Morriell zurück.

Shigat fletschte die Zähne: „Großartig. Dann trennen sich unsere Wege hier an dieser Stelle!“

„Alleine weiterreisen ist eine fabelhafte Idee. Welchen Weg wollt Ihr denn nehmen?“ feixte Hamon.

Die Stimmung war am Tiefpunkt angekommen. Die Gemeinschaft stand vor dem Auseinanderbrechen.

Mauro hockte einen Steinwurf entfernt in einer kleinen Mulde und schottete sich gegenüber dem Lärm der Stimmen ab. Wie häufig, wenn er nicht weiter wusste, ließ er seine Gedanken kreisen und achtete auf spontane Impulse. Das Gespräch mit Schlobart kam ihm in den Sinn. Der alte Zauberer hatte ihm Unterstützung versprochen – Energie, die er ihm von weither schicken würde: durch die Adern der Erde.

Die Adern der Erde – Was, wenn keine dort wären? Und selbst wenn, würde er sie fühlen im Innersten des Tempels? Mit der Nutzung von Leylines hatte er keine Erfahrung. So beschloss er, es sogleich auszuprobieren. Er legte sich flach ins weiche Moos und konzentrierte sich darauf, mit dem Boden zu verschmelzen. Bald schon schienen sich seine Konturen aufzulösen und er wurde zu einem Teil der Landschaft. Er fühlte nach den Kraftlinien. In einiger Entfernung meinte er, ein leichtes Pulsieren wahrzunehmen. Er folgte seiner Wahrnehmung bis zu der Stelle, wo ihm das Pulsieren am stärksten erschien, und legte sich dort nieder. Kein Zweifel, er hatte eine Kraftlinie gefunden. Eine außergewöhnlich kraftvolle noch dazu. Deutlich spürte er das Pulsieren unter ihm. Als läge er auf einer Hauptschlagader. Irgendwo, in nicht allzu weiter Ferne, schlug ein starkes Herz. Ein Energiezentrum, eines der Chakren der Erde. Knyssar!

Könnte das ihre Rettung sein? Mauro ließ sich auf das Pulsieren ein und nahm mit der Kraft der Erde Kontakt auf. Die Wirkung war heftig. Der Energiestrom übermannte ihn, sodass er meinte, fortgespült zu werden. In der Ferne hörte er ein wundersames Lied. Sein Herz öffnete sich und mit unbestechlicher Klarheit konnte er erkennen, dass Knyssar von Anfang an sein Ziel gewesen war. Es hatte nie eine Wahlmöglichkeit gegeben. Der Tempel hatte ihn gerufen, und er war diesem unhörbaren Ruf gefolgt. Nun musste er die Gefährten zurücklassen und den Weg alleine zu Ende gehen. Er empfand die anderen plötzlich als Ballast, der ihn am Fortkommen hinderte. Unwiderstehlich fühlte Mauro sich zum Tempel hingezogen.

Mauro erhob sich und schickte sich an, der Kraftlinie zu folgen. Leicht wie ein Fisch im Wasser, wie ein Adler in den Lüften strebte er dem Ort seiner Bestimmung entgegen. Aus der Ferne drangen die erregten Stimmen der Gefährten zu ihm durch. Sie hatten gerade begonnen, einander unbequeme Wahrheiten zu sagen. Jeder warf dem anderen Dinge an den Kopf, die ihn schon immer gestört hatten. Angewidert schüttelte Mauro den Kopf und eilte weiter. Doch die ihm zuteil gewordene Hellsichtigkeit zeigte ihm auch klar die Konsequenzen seines Handelns. Für die Zurückgelassenen gab es kein Entrinnen. Vor seinem inneren Auge konnte er sehen, wie sie sich gegenseitig töteten oder im Dickicht des Waldes im Kreise liefen, bis sie vor Hunger und Erschöpfung zusammenbrachen.

Das durfte er nicht zulassen. Es war von Anfang an seine Mission gewesen. Sie waren um seinetwillen hier. Jeder von ihnen hatte seinen Beitrag geleistet, ihn bis hierher zu bringen. Allen voran Morriell, seine widerspenstige Tochter. Er war der einzige, der den Weg aus dem Zauberwald heraus kannte. Er war der Berufene, ihn würde die Kraftlinie zu seinem Bestimmungsort führen. Also musste er die Gefährten zwingen, ihm zu folgen. Auch wenn es ihn Kraft kostete, die er später dringend brauchen würde. Auch wenn er sich selbst dadurch in Gefahr brachte. Sie waren in einem dunklen Zauber gefangen, durch den sie in jedem einen Feind sahen. Doch die Schuld, sie dem sicheren Tode überlassen zu haben, würde ihn am Ende ebenfalls schwächen. Kurz entschlossen machte Mauro kehrt und eilte zur Gruppe zurück.

Die Gefährten hackten gerade mit vereinten Kräften auf den Empfindsamsten unter ihnen ein. Sie machten Jago verantwortlich für Llewins Tod und für alles, was in der Vergangenheit schief gegangen war. Bald fühlte er sich als nutzloser Versager. Gepeinigt von Selbstvorwürfen und angespornt von jenen, die noch vor kurzem seine Freunde waren, machte er sich bereit, sich in sein Schwert zu stürzen. Da packte Mauro ihn am Kragen und schüttelte ihn wie eine Katze ihr Junges. „Schluss jetzt“, befahl er mit gebieterischer Stimme. „Packt zusammen und folgt mir, wenn ihr hier lebend rauskommen wollt. Und noch etwas: ich möchte kein Wort von Euch hören. Wer mir widerspricht, verlässt auf der Stelle die Gruppe.“ In Haltung und Gestik machte er unmissverständlich klar, dass er meinte, was er sagte. Dann machte er sich auf den Weg, ohne sich auch nur einmal umzusehen.

Mauro verstand es, so viel Druck aufzubauen, dass alle auf der Stelle ihre Sachen zusammenpackten und ihm widerspruchslos folgten. Er legte ein hohes Tempo vor. Gnadenlos trieb er sie über Felsen und Abhänge, über Wurzeln und durch dichtes Unterholz, immer der Kraftlinie entlang. Hamon wimmerte um eine Verschnaufpause, doch Mauro schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen. Wohl merkte er, dass immer wieder Kobolde auftauchten, die ihm gefällig einen anderen Weg zu weisen versuchten, doch er folgte unbeirrbar seiner inneren Führung. Nicht so Shigat. An einem gefährlichen Abhang, den sie kaum mit den Pferden bewältigen konnten, verweigerte er Mauro die Gefolgschaft: „Ich sehe nicht ein, warum wir hier Kopf und Kragen riskieren, wo nicht einmal ein Weg zu sehen ist. Da drüben geht ein ausgetretener Schmugglerpfad, den Ihr schon die ganze Zeit geflissentlich ignoriert. Das ist unser Weg, dem müssen wir folgen.“

„Wenn das für Euch der richtige Weg ist, müsst Ihr ihn gehen!“ sagte Mauro ungerührt. Als er merkte, dass die anderen Gefährten dazu tendierten, sich Shigat anzuschließen, schrie er sie an: „Habt ihr es immer noch nicht begriffen, ihr Dummköpfe? Das ist ein Zauberwald und ich bin der einzige, der euch herausführen kann. Ich weiß den Weg!“

Hamon rief angstvoll: „Du bist verblendet, Du folgst einem Dämon. Längst kannst auch Du den richtigen Weg nicht mehr erkennen. Warum hättest Du es sonst so eilig? Warum holperten wir über Stock und Stein? Wir alle sind des Todes, wenn wir Dir folgen. Shigat, ich komme mit Euch.“

Mauro überlegte, wie er sie zur Vernunft bringen konnte. Auf keinen Fall durfte er ihnen verraten, dass er einer Kraftlinie folgte, denn das konnten sie auch ohne ihn. Sie würden ihn umgehend in Stücke reißen. Er musste sie anders überzeugen. Er gab seiner Stimme so viel Überzeugungskraft und Volumen wie möglich und donnerte weithin vernehmbar: „Ich habe den Ruf des Tempels von Knyssar vernommen. Die große Muttergöttin, die Erde selbst, weist mir den Weg. Ich befahl euch zu schweigen, um über Eurem Geschwätz den Kontakt zu den Stimmen nicht zu verlieren. Wer mir nicht folgen will, springt am besten gleich in diese Schlucht. Das ist der schnellste Weg in den Tod. Und jetzt weiter.“ Schon begann er, Äsekiel am Zügel, den Abhang hinabzuklettern.

Jago sah Mauro stumm und ehrfürchtig an. Er glaubte jedes Wort. Wenn einer den Ruf der Hüter des Tempels vernahm, so war er zweifellos der Auserwählte. Für keinen sonst würden die Geister der sechs weisen Könige ihre Stimmen erheben. Nur ihm würde es gelingen, ihrem Ruf zu folgen, unbeeindruckt von all dem faulen Zauber, der sie hier umgab. Mit einem Schlag begriff er, dass es Mauro war, nicht Morriell, den Jagos Mission nach Knyssar bringen sollte. Er nahm sein Pferd am Zügel und folgte.

„Von wegen Ruf von Knyssar“, rief Morriell schnippisch. „Wer sollte hier einen solchen Ruf vernehmen, wenn nicht ich.“

Shigat, der Jagos Gesichtsausdruck beobachtete und sich seinen Teil dazu dachte, gab ihr eine Absage: „Da sei die Göttin davor! Wenn ich schon einem folgen muss, der sich berufen fühlt, dann Mauro“, knurrte er und begann ebenfalls, den Hang hinunterzuklettern.

Die anderen folgten nach und nach. Schließlich bequemte sich auch Morriell, die selbst bei angestrengtem Lauschen keinen Ruf zu hören vermochte.

Mauro behielt sein hohes Tempo bei, wenngleich sie alle am Rande der Erschöpfung waren. Wohl wusste er, dass jede Pause die Streitereien unter ihnen wieder aufflammen lassen würde. Auch den mentalen Druck hielt er aufrecht, der ihn zusätzliche Kraft kostete. Doch irgendwann kam die Nacht. Kaum sahen sie die Hand vor Augen, und jeder weitere Schritt war ein Wagnis. Schweren Herzens ließ Mauro zu, dass sie lagerten. Er suchte sich einen Platz etwas abseits und machte sich bewusst, dass an Schlafen nicht zu denken war. Jeder einzelne seiner Gefährten könnte unter dem Eindruck des bösen Zaubers die Nacht zu einem Übergriff nutzen. Also würde er trotz seiner Erschöpfung wach bleiben müssen.

Hamon sagte einige Schritte weiter zu Shigat: „Etwas Düsteres in diesem Wald lag schwer auf meiner Brust. Ich bin froh, dass wir ihn hinter uns gelassen haben. Jetzt kann ich wieder frei atmen und mein Kopf ist klar. Warum haben wir einander eigentlich so angegiftet?“

Da wurde Mauro bewusst, dass sich die Landschaft geändert hatte. Die Senke mit dem dichten Waldbestand lag hinter ihnen. Seit einiger Zeit schon wanderten sie auf felsigem Untergrund bergan. Vom Wind zerzauste Kiefern, wie es für das Vorgebirge typisch war, säumten ihren Weg. Der Zauberwald mit seinem düsteren Einfluss lag hinter ihnen. Mauro atmete erleichtert auf. Sie hatten es geschafft.

Doch standen sie auf der richtigen Seite? „Wahrscheinlich sind wir im Kreis gegangen und befinden uns jetzt wieder in der Nähe von Llewins Grab“, mutmaßte Morriell deprimiert.

„Unsinn“, wies Rüdiger sie zurecht. „Mauro wusste, was er tat.“ Sein Vertrauen in den Meister war zurückgekehrt.

Jago wies auf das sternenklare Firmament: „Seht, da oben ist der Naykon. Und da das Sternbild der Demiris. Beinahe ist es so weit. Übermorgen bei Sonnenuntergang wird der Ithrynmaeth beginnen. Mein Gefühl sagt mir, dass es nicht mehr weit ist. Mit einem bisschen Glück schaffen wir es rechtzeitig.“

„Dann wäre es sinnvoll, sich jetzt auszuruhen“, schlug Mauro vor und richtete sich eine Lagerstatt auf dem harten Felsboden ein. Nun konnte er beruhigt die Augen schließen. Von den Gefährten drohte keine Gefahr. Im Einschlafen hörte er noch, wie Rüdiger Hamon fragte: „Ist das wirklich Eure Meinung, dass ich langweilig, umständlich wie ein Kräuterweib und flexibel wie ein Besenstil bin?“

„Nun ja, das war nicht abwertend gemeint“, druckste Hamon herum. „Ich wollte damit nur sagen, dass Ihr eben ein typischer Gelehrter vom Elfenbeinturm seid.“

„Für die bin ich offenbar nicht langweilig genug“, entgegnete Rüdiger bitter. Neldor hatte ihn als Schüler zurückgewiesen.

Hamon nahm ihn in den Arm und drückte ihn: „Bist schon in Ordnung, Junge“.

Trotz seiner tiefen Abneigung gegen Körperkontakt brachte Rüdiger ein versöhnliches Lächeln zustande: „Manchmal ist es besser, nicht zu wissen, was die anderen über einen denken.“

Am nächsten Tag überquerten sie eine Anhöhe. Jago eilte voran. Er stand auf der Kuppe und rief ihnen schon von weitem zu: „Wir haben es geschafft! Da unten liegt Knyssar.“

Mauro und die anderen eilten zu ihm. Doch im Tale lag dichter Nebel. Sie konnten keine Konturen erkennen.

„Ich kann nichts sehen“, murrte der herbeigeeilte Shigat.

„Ich irre mich nicht. Deutlich fühle ich die Nähe des Tempels. Wir sind fast da.“

Mauro nickte stumm. Das starke Herz, dessen Ruf er gefolgt war, lag direkt zu ihren Füßen.

„Es wird auch langsam Zeit, dass wir ankommen“, meinte Morriell genervt. „Seit heute Mittag lahmt mein Pferd, doch ich finde die Ursache nicht. Das Humpeln wird schlimmer. Wenn es so weiter geht, kann ich das letzte Stück zu Fuß gehen.“

„Es ist ein schlechtes Vorzeichen, auf einem lahmenden Pferd in Knyssar einzureiten“, sagte Jago erschrocken.

„Viel schlechter können die Vorzeichen nicht mehr werden, als sie ohnedies schon sind“, jammerte Morriell. „Oder glaubt irgendeiner daran, dass das alles Sinn macht?“

„Ich glaube daran“, sagte Mauro aus fester Überzeugung. „Lasst Euch jetzt nicht hängen. Dort geht es weiter.“

Von ihrem Standort aus konnten sie einen ausgetretenen Pfad erkennen, der sie in weiten Serpentinen mühelos ins Tal brachte. Im Laufe des Tages klarte es auf. Von einer Felsnase am halben Hang stehend bot sich ihnen ein atemberaubender Anblick. Sie blickten in eine beinahe kreisrunde Senke. In deren Mitte auf einem Hügel lag stolz und uneinnehmbar der Tempel zu Knyssar. Aus der Senke liefen Täler in alle Himmelsrichtungen, entsprechend der Kraftlinien, die die Energie ins Land hinaus trugen. Sie alle empfanden die starke Energie des Ortes, die sie mit Zuversicht und Freude erfüllte.

Am Talboden schlugen sie zum letzten Mal ein gemeinsames Nachtlager auf. Jago hatte gute Nachrichten: „Ich habe eine Botschaft vom Netzwerk erhalten. Es hat lange gedauert, doch nun sind sie sicher. Sedh wurde in die Hauptstadt Mandrilar gebracht. Vor etwa neun Tagen ist er dort eingetroffen. Es besteht kein Zweifel. Er war am Leben.“

„Mandrilar“, stöhnte Shigat.

„Denkt gar nicht erst daran, ihn dort herauszuholen“, warnte Hamon. „Die wahnwitzige Idee, Tandim zu befreien, hat schon genug Leben gekostet. Rennt nicht auch noch hinterher!“

„Zu viele gut ausgebildete Zauberer sind in den düsteren Jahren König Curons Blutdurst zum Opfer gefallen“, erwiderte Shigat resigniert. „Es macht keinen großen Unterschied, ob wir am Schlachtfeld hingemetzelt oder in seinen Verließen zu Tode gefoltert werden. Unser Geschlecht ist dem Untergang geweiht.“

„Der bevorstehende Krieg wird mehr als eines der großen Zaubergeschlechter auslöschen, auf beiden Seiten des Gilgor. Dunkler Aberglaube greift im Lande um sich wie ein wucherndes Geschwür. Das alte Wissen von Ambar geht für immer verloren. Wenn es uns nicht gelingt, den Erain Norn zu stoppen, ist die Welt, wie wir sie kennen, dem Untergang geweiht.“ Mauro erinnerte sich an die heftige Diskussion, die er mit Schlobart in Eithil Ista geführt hatte.

„Wir sitzen alle in einem Boot. Der Krieg muss verhindert werden. Wir können Sedh nicht retten, doch Ihr könnt. Und mit ihm die Söhne der Amber, Maiyar, Xalmeidas, Tolegos, und wie die alten Geschlechter alle heißen. Ihr müsst siegen“, beschwor Shigat Mauro leidenschaftlich.

„Vergesst nicht die Wüstensöhne, die an diesen Gestaden Zuflucht gefunden haben“, fügte Hamon hinzu. „Du wirst gehen, nicht wahr? Morriell ist nicht stark genug. Ich hatte schon die ganze Zeit so ein Gefühl…“

„Wir werden sehen, was der morgige Tag bringt“, wiegelte Mauro ab. Er wollte sich noch nicht in die Karten schauen lassen. „Lasst uns schlafen. Prinz Shigat, würdet Ihr mit Euren Männern Nachtwache halten? Ihr habt morgen Zeit zum Rasten.“

„Lasst mich die erste Wache halten“, schlug Jago vor. „Ich schulde Euch etwas.“

„Papperlapapp.“ Mauro legte den Arm um Jagos Schulter. „Hört auf, Euch mit Selbstvorwürfen zu geißeln. Seht, was erreicht wurde. Eure Mission war ein Erfolg. Ihr habt die erbetene Unterstützung hierher gebracht. Der Rest ist unsere Sache. Ihr kehrt morgen in jedem Fall als Sieger heim.“

Jago lächelte Mauro dankbar an. Tränen der Erleichterung kullerten über seine Wangen. Voller Zuversicht sagte er: „Und Ihr übermorgen.“

„Was werdet Ihr tun, wenn alles vorbei ist?“ fragte Shigat.

Jago strahlte: „So schnell wie möglich heimreiten nach Maikanar. Dann werde ich stolz vor meinen Vater hintreten und sagen: Herr, Euer Sohn ist zurückgekehrt aus dem fernen Winterland. Ich habe den Auftrag des Netzwerkes ausgeführt. Die Mission war ein Erfolg. Ich vermelde einen großen Sieg!“

Alle lachten ob des Doppelsinnes der Worte. Optimismus war jetzt angebracht.

„Und dann stehle ich mich in die Küche, stopfe mich mit süßem Gebäck voll, erzähle von meinen Heldentaten und geh nimmermehr fort“, fügte Jago sehnsüchtig hinzu. Das Heimweh hatte ihm oft schwer zu schaffen gemacht.

Shigat und seine Reiter nahmen bei Tagesanbruch Abschied. Sie waren übereingekommen, König Curon keinen Anlass für einen Übergriff auf den Hexenhorst zu liefern. Den Weiterreisenden gaben sie ihre guten Wünsche und die Hoffnungen von Yian Mah mit auf den Weg.

Jago verabschiedete sich ebenfalls: „Ich nehme einen anderen Weg zum Tempel. Es wäre nicht klug, vor aller Augen in Eurer Gesellschaft durch das große Tor zu reiten. Ihr könnt den Weg jetzt nicht mehr verfehlen. Vielleicht sehen wir uns in Knyssar. Als ehemaliger Tempelschüler kann ich hoffentlich dafür sorgen, dass ich Euch zur Betreuung zugeteilt werde!“

Mauro verabschiedete sich von Jago: „Ich danke Dir für alles, mein Freund. Leg Dir eine Schatulle mit schönen Erinnerungen zu. Immer, wenn Dich die Traurigkeit überkommt, oder der Schmerz über einen Verlust, nimm eine davon heraus und betrachte sie. Rufe das gute Gefühl in Dir wach, das damit verbunden war. Glaub mir, das hilft.“

Jago verabschiedete sich mit Tränen in den Augen und ritt auf getrenntem Wege nach Knyssar. Mauro, Morriell, Rüdiger und Hamon brachen zur letzten Etappe ihres gemeinsamen Weges auf.

Der Wettkampf der Zauberer

Подняться наверх