Читать книгу Reiseabenteuer: Sonnengeflüster. Zwei Frauen offroad durch Namibia. Eine unvergessliche Safari Reise per Land Rover 4x4 durch Afrika. - Sonja Piontek - Страница 20
Von Hunger und Stärke
ОглавлениеWO GEORGE KAINGOB VON SEINEM LEBEN ERZÄHLT
Ich wurde von meiner Mutter großgezogen, mein Vater war nicht bei uns, als ich aufwuchs. Aber meine Mutter und älteren Brüder waren für mich da. Es gab Tage, da hatten wir nichts zu essen und auch keine vernünftigen Anziehsachen, aber zumindest ein Dach über unserem Kopf. Meine Mutter tat ihr Möglichstes, um ausreichende Mahlzeiten und frisches Trinkwasser auf den Tisch zu bekommen. Meist hatten wir keinen Strom, also erledigten wir unsere Aufgaben, solange es hell war. Zum Wasserholen mussten wir mehrere hundert Meter laufen, um Brennholz zu finden sogar einige Kilometer. Aber dann konnten wir Feuer machen und kochen, ab und zu auch Wasser erwärmen für ein Bad. Im Winter war es sehr kalt. Unser Haus war nicht sehr groß, sodass ich mir mit meinen Geschwistern ein Zimmer teilen musste. Wir hatten ein breites Bett, in dem wir alle gemeinsam schliefen. Wenn es regnete, tropfte das Wasser durch unser Dach und es wurde unerträglich kalt. Jede zweite Nacht gingen wir hungrig zu Bett.
Unsere Mutter arbeitete mehrere Tage die Woche, aber das Geld reichte meist nicht für mehr als einfaches Maismehl. Wir nennen den daraus gekochten Brei Pap. An guten Tagen hatten wir ein wenig Zucker, den wir zu dem Brei mischen konnten. So aufzuwachsen, war kein Spaß. Ich erinnere mich an einen Abend, an dem meine Mutter uns zu unserem Vater schickte, um nach Essen zu fragen. Meine Schwester weinte, also nahmen wir die Abkürzung durch den Fluss. Aber wir waren barfuß und im Fluss lagen viele Scherben und Dornen. Mutter tat alles, damit wir die Schule schafften. Als ich meinen Abschluss gemacht hatte, sah ich mich nach Arbeit um und bekam einen Job auf der Okapuka Lodge, wo auch mein Vater arbeitete. Ich begann als Wachmann am Eingangstor, aber das war nichts, was ich mein Leben lang machen wollte. Es war so langweilig.
Der sympathische Namibier George ist ein inspirierendes Vorbild dafür, wie man seine Chancen nutzt – auch wenn diese scheinbar gering sind – und mit uneingeschränktem Willen für ein besseres Leben kämpft.
George und Sonja kennen sich seit vielen Jahren. Heute verbindet die beiden eine enge Freundschaft und George arbeitet regelmäßig als lokaler Co-Host für Sonja.
Eines Tages fragte ich den Besitzer der Lodge nach einem anderen Job. Auf der Lodge sind viele Wildtiere, und ich liebe die Arbeit mit Tieren. Ich bekam eine neue Chance und arbeitete schon bald hinter der Bar und als Fahrer für die Mitarbeiter. Bald darauf fragte ich meinen Boss, ob ich einen game drive, also eine geführte Safari mitmachen dürfte. Ich wollte sehen, wie es geht, da ich so gern mit Tieren arbeiten wollte.
Wildtiere sind einzigartige Kreaturen, ihre Überlebensstrategie und ihre Anpassungsfähigkeit beeindrucken mich. Mein Boss sagte: »Okay, du kannst morgen mitkommen.« Am nächsten Tag war ich sehr aufgeregt und es wurde wirklich eine interessante Safari. Ich kaufte mir daraufhin einige Bücher über Tiere, Pflanzen und Vögel, und lernte in den Wochen danach alles, was darin stand. Dann sagte ich dem Besitzer von Okapuka, dass ich bereit wäre. Er schickte seinen Sohn mit mir gemeinsam los, der beobachten sollte, wie ich mich anstellte. Ich war sehr nervös, aber der Sohn meinte, ich solle einfach ich selbst sein. Doch das war in diesem Moment sehr schwer.
Wenig später durfte ich selbstständig die ersten game drives durchführen – ich war überglücklich und stolz. Ich arbeitete nach wie vor hinter der Bar und traf Menschen aus der ganzen Welt. In dieser Zeit fing ich an, mich für die deutsche Sprache und Kultur zu interessieren. Ich kaufte mir ein Buch »Deutsch in 30 Tagen«, dazu gehörte eine CD, die ich fortan ständig hörte. Wenn sie Zeit hatte, half mir eine gute Freundin mit dem Vokabular und der Grammatik. Sie und die österreichischen Besitzer der Lodge waren sehr hilfsbereit.
Die meisten Gäste, die nach Namibia kommen, sind Deutsche, das war für mich extrem spannend – nun konnte ich mit ihnen in ihrer Sprache sprechen! Nach nur einem Jahr lernte ich einen sehr netten Deutschen kennen, der mich in sein Land einlud, sodass ich meine Sprachkenntnisse verbessern konnte. Ein fremdes Land zu besuchen und eine andere Kultur kennenzulernen war das Beste, das mir je im Leben passiert ist! Als ich nach Namibia zurückkam, beurteilte ich viele Dinge anders – ich hatte nun eine breitere Perspektive und gesehen, wie Dinge in einem anderen Teil der Welt gemacht werden. In Okapuka lernte ich auch das Team der BMW Driving Experience kennen, die von hier aus regelmäßig ihre Kundentouren starteten. Jeder junge Mann liebt BMW. Wieder fragte ich meinen Boss, ob ich sehen dürfte, wie diese Autos in den Bergen und im Gelände fahren würden. Selbst an meinen freien Tagen stand ich ganz früh auf, um mit dem Team die Autos vorzubereiten, sie zu waschen, die Reifen zu wechseln und den Mechanikern mit den Werkzeugen zu helfen – einfach um dabeizusein und zuzupacken, wo immer ich konnte.
George Kaingob
Ein paar Monate später durfte ich die erste Tour begleiten – als helping hand. Nur zwei Jahre später war ich ein fester Teil des Teams und fortan als lokaler Co-Instructor mit dabei. Ich bin so glücklich darüber und freue mich auf jede Tour.
Wenn ich meine Geschichte neu schreiben sollte, würde ich nichts ändern. Die vielen Herausforderungen haben mich gelehrt, dankbar zu sein und das zu schätzen, was ich habe. Ich habe sehr hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo ich heute bin. Ich bin ein verantwortungsvoller und fleißiger junger Mann und offen dafür, jeden Tag Neues zu lernen.