Читать книгу Mutprobe - Der dritte Fall für Kommissar de Vries - Sonja Zimmer - Страница 3
ОглавлениеSonntag
Doch, das hier war wirklich der richtige Ort für die Ausstellung. Dieses kleine Schloss im neugotischen Stil war wahrlich eine Augenweide. Es war von einem breiten Wassergraben umgeben und nur über zwei Brücken zu erreichen. Vor der größeren von ihnen stand er gerade und schaute sich das Gebäude aufmerksam an. Am Ende des Vorplatzes erhob sich die Evenburg stolz in den Himmel. Zahlreiche Zinnen und Türmchen schmückten die Fassade des recht neu restaurierten Gebäudes. Sie war nicht sehr groß. Ein Geschenk des Grafen an seine Frau Eva, wie er einem Prospekt entnommen hatte. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Und das hoffentlich auch im technischen Sinne…
Neugierig blickte er auf den Schaukasten vor der Brücke. Ein Plakat darin hatte es ihm besonders angetan. Sonderausstellung in der Evenburg – Gräflicher Schmuck des 18./19. Jahrhunderts. Die Ausstellung war gestern feierlich eröffnet worden und noch für drei Wochen zu sehen. Er zog eine Augenbraue hoch. Drei Wochen. Das war nicht lang. Da musste er zusehen, dass er sich schnell…
„Hey!“
Jemand hatte ihn von hinten angerempelt und gegen den Schaukasten gestoßen. Wütend drehte er sich um und wollte demjenigen gehörig die Meinung sagen, als er sie vor sich knien sah. Jung, hübsch und, was ihm besonders gefiel, mit einem Namensschild der Evenburg. Die junge Frau suchte hektisch einen Haufen Papiere zusammen, die um sie verstreut lagen.
Er ging in die Knie und nahm ein paar der Zettel in die Hand. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“ Lächelnd reichte er ihr die Papiere. „Anna?“
„Oh, danke! Ich bitte vielmals um Entschuldigung!“ Sie griff nach den Papieren und stand eilig auf. „Ich habe Sie gar nicht gesehen, tut mir leid.“
„Kein Problem.“ Er musterte die junge Frau, die leicht verlegen vor ihm stand. Sie mochte Anfang zwanzig sein, zierlich, schulterlange blonde Haare und schöne braune Augen.
„Ja, also… Interessieren Sie sich für die Sonderausstellung?“, fragte sie ihn und strich sich dabei eine Haarsträhne hinters Ohr. „Die lohnt sich wirklich.“
Er nickte. „Haben Sie die Ausstellung schon gesehen?“
Jetzt lächelte sie ihn an. „Nicht nur das. Ich mache sogar die Führung. Wenn Sie Lust haben – in zehn Minuten beginnt die nächste. Deshalb hatte ich es auch so eilig“, fügte sie entschuldigend hinzu.
„Na, wenn das so ist, dann werde ich mich der Führung auf jeden Fall anschließen. Wollen wir?“ Er deutete auf das Schloss.
Sie nickte und zusammen gingen sie über den Vorhof zum Eingang. Durch zwei schwere Holztüren gelangten sie ins Vestibül, die große Eingangshalle. Den Boden verzierten schwarze und weiße Fliesen, die Wände waren in einem dunklen Rot gestrichen. Am Eingang hingen rechts und links große Gemälde der ehemaligen Grafen, darunter je ein großes Ledersofa in L-Form. Direkt rechts ging es in ein Zimmer, in dem alles wie zur Zeit der Grafen eingerichtet war. Links ging es zum Kassenraum. Drei hölzerne Bögen teilten die Halle. Im hinteren Teil führte eine elegante Marmortreppe hinauf ins Obergeschoss, davor zweigten rechts und links Flure ab.
Eine kleine Gruppe älterer Herrschaften hatte sich vor der Treppe versammelt und schien auf jemanden zu warten.
„Wollen Sie schon zu den anderen gehen?“, bat ihn seine neue Bekanntschaft. „Ich komme gleich, ich muss nur noch die Papiere hier… Sie sind selbstverständlich eingeladen.“
„Oh, vielen Dank!“ Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und ging dann zu der Gruppe hinüber. Besser hätte es doch gar nicht laufen können. Dieser netten, jungen Dame konnte er doch bestimmt die ein oder andere wichtige Information entlocken. Er grüßte die anderen Besucher mit einem Kopfnicken und sah sich aufmerksam um. Die breite Treppe teilte sich an einem Absatz und führte jeweils rechts und links weiter nach oben. Aber etwas anderes weckte seine Neugier. Eine Tür unter dem Treppenabsatz. Unauffällig ging er ein paar Schritte näher. Ein kleiner dunkler Flur, der als Garderobe genutzt wurde. Und von dort führte die Tür unter die Treppe. War das nur ein Abstellraum? Oder ging es dort in den Keller? Sie würde es ihm bestimmt erzählen.
Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er trat zurück zu den anderen. Anna begrüßte die Gruppe und bat sie, ihr nach oben in die Ausstellungsräume zu folgen. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal, überholte einen der älteren Herren und lief neben sie.
„Ich bin übrigens Fabian“, stellte er sich vor.
„Freut mich. Ich bin Anna.“ Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Da geht’s rein.“
Sie saß an der Angel. Eindeutig. Sein Name war nicht Fabian. Aber seinen richtigen Namen brauchte sie nicht zu wissen. Sie war nur ein Mittel zum Zweck. Während die ahnungslose Anna den anderen etwas über Geschichte und Herkunft der einzelnen kostbaren Schmuckstücke erzählte, interessierte ihn etwas ganz anderes. Die Sicherheit. Der Schmuck war in einzelnen Vitrinen ausgestellt, auf Samt und kunstvoll beleuchtet. Waren sie gesondert gesichert? Gar nicht? Langsam ging er um eine der Vitrinen herum.
„Suchst du etwas, Fabian?“
Ertappt schaute er auf und blickte in zwölf fragende Gesichter. Er hob die Hände und sah Anna verschmitzt an. „Ich habe mir nur gerade überlegt, welches der Schmuckstücke ich mitnehme, um es dir später zu schenken.“
Täuschte er sich oder wurde Anna gerade tatsächlich rot? Sie wurde. „Das solltest du lieber lassen. Die Polizei wäre schneller hier, als du das Schloss verlassen könntest. Die Vitrinen sind natürlich alle mit Alarm gesichert. Der Schmuck hat immerhin einen Gesamtwert von rund 1Million Euro.“
Er setzte ein enttäuschtes Gesicht auf. „Schade.“
Als die anderen Besucher einen Raum weitergingen, trat er eilig neben Anna. „Darf ich dich denn nach der Arbeit auf einen Kaffee einladen? Wenn ich dir schon keinen Schmuck mitbringen darf…“
Überrascht blickte sie zu ihm auf. „Gerne! Ich habe um vier Feierabend. Wollen wir uns dann drüben im Schlosscafé treffen?“
„Perfekt!“