Читать книгу Krebs ist eine Chance - Sonya Ruben - Страница 6

Jede Erfahrung hat immer etwas Gutes!

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Genau darum geht es: meine Erfahrung hat mich weiter gebracht.

Ich war 29. Mit meinem zweiten Kind im sechsten Monat glücklich schwanger. Es war ein Wunschkind und ich wusste, es wird ein Junge. Meine wundervolle Tochter, die schon voller Vorfreude auf ihren kleinen Bruder wartete, streichelte täglich meinen Bauch und redete immer mit ihm. Zu ihrem fünften Geburtstag wünschte sie sich nur eins, einen kleinen Bruder mit dem sie spielen darf. Jeden Abend betete sie mit mir, dass sie sich einen Bruder wünscht. Es klappte zwar nicht ganz zum fünften Geburtstag, aber sie wusste schon, dass Mama einen Bruder für sie bekommt und freute sich sehr darauf. Sie sprach immer so gern davon, was sie alles mit ihm machen würde.

Dass er mit all ihren Sachen spielen darf und sie immer auf ihn aufpassen wird. Es war unbeschreiblich schön diese Glücksgefühle in ihr zu sehen, dass sie voller Liebe und Hingabe diesen Bauch streichelte und sich mit ihm unterhielt. Das Leuchten in ihren Augen bereitete mir immer einen riesigen Schub an Lebensfreude.


Eines Morgens brachte ich meine Tochter zum Kindergarten, den sie sehr gern besuchte und wollte anschließend zu meiner Frauenärztin zur regelmäßigen Untersuchung. Sie kennt mich seit vielen Jahren und ich gehe sehr gern zu ihr. Was nicht selbstverständlich ist für Gynäkologen. Gerade in dieser Zeit war ich immer sehr neugierig, was sich in meinen Bauch tat. Sie ist eine wundervolle ruhige Frau, ihre schönen glatten blonden Haare haben etwas Engelhaftes. Die blauen Augen geben mir das Gefühl, ich könnte ihr alles anvertrauen und ihre Stimme ist so beruhigend. Es ist faszinierend, wie ein Mensch es schafft mit seiner Stimme sein Umfeld zu beruhigen. Da ich immer auf Achse bin, genieße ich es sehr, wenn jemand so etwas Beruhigendes an sich hat.


Während sie mich untersuchte und mir erklärte, was sich alles in meinem Babybauch tat, sagte ich ihr, dass ich mich wohl fühle. Sie freute sich darüber und erwiderte, dass sie das nicht oft hört. Das bestätigte mir, dass meine Schwangerschaft etwas ganz Besonderes war. Wir unterhielten uns und beobachteten im Ultraschall wie sich das Baby entwickelt. Ihre Angaben und Ergebnisse waren alle zufriedenstellend. Nebensächlich erwähnte ich, dass ich so eine Art Knoten im rechten Oberarm hätte. Diesen hatte ich seit einiger Zeit beim Duschen bemerkt. Er fühlte sich nur hart an. Er tat weder weh noch war er irgendwie auffällig, er war nur in der Muskelinnenseite und das war’s. Dennoch hatte ich ihn im Hinterkopf und wollte Klarheit. Nachdem wir die Babyuntersuchungen abgeschlossen haben, tastete sie ihn vorsichtig ab.


Sie beruhigte mich und erklärte mir, dass die Lymphknoten in der Schwangerschaft oft Ablagerungen haben. Doch zur medizinischen Abklärung, sollte ich zum Hautarzt gehen. Sie hat mir genau das gesagt, was ich hören wollte, dass ich meine Schwangerschaft weiterhin genießen konnte. Ich liebte diese Schwangerschaft, meine Haut war seidig glatt und strahlte so schön. Meine Augen hatten dieses besondere Funkeln. Ich fühlte mich vollkommen wohl in meinem Körper, was für eine werdende Mutter nicht selbstverständlich ist. Doch dieses Baby in mir löste wundervolle Glückshormone aus. Ich fühlte mich schön, stark und vor allem gesund. Die Wochen vergingen sehr angenehm, das Leben fühlte sich fantastisch an und ich bereitete mich langsam auf meinen Sohn vor.


Ich machte alle üblichen Besorgungen und baute die wichtigsten Dinge für ihn auf. Egal was ich unternahm, ich unternahm es immer voller Lebensfreude und Gelassenheit. Nur wenn ich duschte und diesen Bobbel – so nannte ich den Knoten im Oberarm - spürte, fragte ich mich, wann gehst Du endlich zum Hautarzt. So verging die Zeit bis zur Geburt meines Sohnes. Mitte November kam er zur Welt. Ich war dankbar, dass wir beide wohl auf waren. Alles war im grünen Bereich und die nächsten Monate verliefen wunderbar.


Eine Veränderung tut sich auf


Am Ende des Sommers bekam ich einen komischen Hautausschlag am ganzen Körper. Er juckte wahnsinnig, Tag und Nacht. Diese kleinen Blasen, zwangen mich ständig zum Kratzen, teilweise bis auf’s Blut.


Ich probierte mehrere Hausmittel wie Cremen, Quark, Joghurt, feuchte Lappen. Nichts wirkte länger als eine Stunde. Dieses ständige Kribbeln unter der Haut. Es war unerträglich. Hinzu kam die extreme Hitze in diesem Sommer. Ich wachte jede Nacht mehrmals auf und kratzte mich wie eine Wahnsinnige. Zunächst dachte ich, das kommt, weil ich etwas Komisches gegessen habe. Nach ein paar Tagen Juck-Qualen, raffte ich mich auf und ging zum Hautarzt. Zum vereinbarten Termin fuhr ich mit meinem Sohn im Maxikosi. Zum Glück war der Kleine ein Ruhiger, den ich überall mitnehmen konnte. Sein Schnuller, sein Hund im Arm und er war völlig entspannt. Nach nur kurzer Wartezeit kam der Hautarzt und fragte, was er für mich tun könnte.


Ich erklärte ihm, was mit meiner Haut sei und er schaute sich den Ausschlag an. Nach einem ausführlichen Gespräch mit mir, diagnostizierte er mit hoher Wahrscheinlichkeit Stress als Ursache. Er verschrieb mir eine Salbe für den Körper sowie eine parfümfreie Badesubstanz und beruhigte mich, dass Linderung in ein paar Tagen eintreten werde. Nebenbei erwähnte ich den kleinen Bobbel in meinem Arm und erklärte ihm, dass ich das Ding schon länger hätte.


Zum Glück fiel mir das noch ein, sonst hätte ich mich geärgert. Denn ich war ja mit meinen Ausschlag so extrem beschäftigt. Er fasste den Bobbel an und sah mir in die Augen. Seine Finger umkreisten ihn, dabei schaute er kurz weg, als ob er etwas suchen würde. Mit leichtem Druck schob er das Ding hin und her, was mir ziemlich unangenehm war. Seine Augen suchten meinen Blick, was mich leicht verunsicherte. Deswegen schaute ich zu meinem Sohn, der im Maxikosi friedlich schlief.



Mein Hautarzt ist schon etwas älter, seine braunen Augen mit der Brille auf der Nase und sein weißes Haar hatten etwas Hochintelligentes. Ich fühlte mich immer wohl bei ihm. Da ich eine sensible Kopfhaut habe, besuche ich ihn wegen meines Shampoos regelmäßig. Seine Stille machte mir irgendwie Angst.


Es muss operiert werden


Mit einem Blick auf den Knoten, platzte aus mir heraus: „Was ist das?“ Er schnurrte mit einem leisen „Hm, keine Ahnung, aber es muss entfernt werden, dafür sprechen Größe, Festigkeit und Beweglichkeit.“ Mein Atmen klang genervt. Ich will nicht aufgeschlitzt werden, habe schon so viele Operationen hinter mir und davon Narben, weil ich mir mehrere Muttermale entfernen ließ. Schon wieder ein Schönheitsdefekt. Den auch noch am Oberarm, den man im Sommer immer sieht. Naja, zumindest ist es an der Innenseite meines Armes.


Er überwies mich an einen Chirurgen, dessen Kompetenz er vertraute. Ich solle einen Termin vereinbaren und zum Entfernen gehen. Zuhause habe ich mir das nochmal durch den Kopf gehen lassen, aber nach wie vor nichts dabei gedacht. Schlimmer für mich war mein Hautausschlag, der mich quälte. Die Creme trug ich gleich am Abend auf. Gott sei Dank hat sie sofort gewirkt. Nach Tagen konnte ich mich wieder entspannen. Was für eine Wohltat!


Ein paar Wochen später hatte ich einen Termin bei der Chirurgie und nahm den Kleinen mit. Jetzt konnte er schon laufen, was die Sache etwas anstrengender machte. Er wollte nie an der Hand bleiben und natürlich alles anfassen. Doch zum Glück ging erneut alles recht schnell.


Das Behandlungszimmer betrat ein riesiger Mann. Er begrüßte mich und mit seinen großen grauen Locken, wirkte er etwas verplant. Ich fand es amüsant zu beobachten, wie er vom Waschbecken auf mich zu ging und seine Locken auf und ab wippten. „Wie kann ich ihnen helfen?“ fragte er recht forsch. Ich trug ein Top, damit ich nichts ausziehen musste und forderte ihn auf den „Bobbel“ zu untersuchen. Er tastete ihn ab, fragte seit wann ich ihn habe und ob er schmerzt. Meine Antworten kamen recht schnell, da ich das Gefühl hatte, er hat es sehr eilig. „Gut möglich, dass es eine Ablagerung der Lymphknoten sein könnte, aber auf Grund der Größe von etwa ein bis zwei Zentimeter und der Härte müsse man das Geschwulst entfernen“, erklärte er. Er fügte noch hinzu, dass es nur ein kleiner Eingriff werden würde. Anschließend dürfe ich direkt nach Hause. Also nur eine Mininarbe, dachte ich und war zufrieden. Ich nahm den Kleinen an die Hand, der den Doktor die ganze Zeit still beobachtete und ging zur Anmeldung, um für den nächsten Monat einen Termin zu vereinbaren. Früher war keiner frei. Trotzdem verging dieser Monat recht schnell und ich fühlte mich auch wieder wohl, da mein Ausschlag am Körper verheilt war. Das machte mich stark für meinen nächsten Schritt. Mittlerweile war es Herbst geworden. Ich liebe den Herbst, die Farben der Natur sind die schönsten des ganzen Jahres. Am Tag meines Eingriffs war ich entspannt und wollte nur, dass alles möglichst rasch vorbeigeht. Die Kinder waren versorgt.


Nun lag ich im OP, alle Vorkehrungen wurden vorgenommen, das Geschirr war bereits gerichtet. Ich fühlte mich etwas mulmig, so allein in diesem sterilen Raum, bis zur Decke mit gelbem Fließen ausgestattet – einfach nur kalt. Hilft nichts, da muss ich durch, holte ich mich wieder ins reale Leben. Die Arzthelferin kam herein, begrüßte mich kurz und legte gleich los. Sie desinfizierte alles mit Jod, bevor sie mich mit dem dunkelgrünen Tuch bedeckte. Der Arzt betrat das Zimmer. Nach einer kurzen Begrüßung ging es sofort zur Sache. „Jetzt kommt ein kleiner Pieks“, meldete er, die Spritze, puh, tief einatmen, lockerlassen, holte ich mir ins Gedächtnis. Das grüne Tuch wurde über meinen Arm und mein Gesicht gelegt, nur ein kleiner Schlitz erlaubte mir den Blick zum Gesicht des Arztes.


Die Betäubung wirkte anscheinend recht zügig, denn der Arzt begann sofort zu schneiden. Er fragte noch, ob alles ok sei, ich bejahte und die nette Arzthelferin gab ihm alles auf Befehl in die Hand. Es war komisch, denn ich spürte rein gar nichts, deswegen versuchte ich mich zu entspannen und drehte mich weg. Nach einigen Minuten hörte ich ein Aufatmen. Er holte den Bobbel raus und sagte: „Schauen Sie, da ist er.“ Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. Er ist milchig weiß, hat die Größe einer Olive von circa 1,5 Zentimeter Durchmesser.


In der Zange, mit der er ihn hielt, sah der Bobbel noch irgendwie weich aus. Ich nickte leicht, wollte es schnell hinter mich bringen. Alles was mit Operationen, Spritzen, Blut zu tun hat, mag ich nicht. Deswegen wollte ich auch nie einen Beruf ergreifen, der mit Medizin zu tun hat. Allein der Gedanke an Spritzen, jagt mir immer einen dunklen Schauer über den Rücken. Wenn ich zu meinen Blutabnahmen gehe, schaue ich grundsätzlich weg. Er legte das Ding in ein wassergefülltes Gefäß. Mir wurde irgendwie schlecht, dennoch war ich erleichtert.



Dieser Raum, dieses Blut, einfach alles, waren mir etwas zu viel. Es konnte mir gar nicht schnell genug gehen, das Ganze abzuschließen. Der Chirurg erklärte mir nebenbei: „so nun beginnen wir mit dem Nähen der Wunde, da ich ziemlich tief schneiden musste.“ Gütiger Himmel! Warum musste er mir nur alles berichten. Ich wollte das gar nicht wissen.


Ich wendete meinen Kopf erneut von ihm ab. Doch seitlich konnte ich genau wahrnehmen, wie er meine Haut zunähte. Der Faden hatte eine Länge von bestimmt 30 Zentimeter, die er immer wieder in die Luft hob. Ich schloss meine Augen und das beruhigte mich. Im Raum bewegte sich die Arzthelferin. Ich hörte, wenn er was von ihr verlangte. Das war eine gute Ablenkung und dafür war ich dankbar. „So nun sind wir fertig“, hieß es plötzlich. Halleluja, rief ich innerlich und atmete tief ein und aus. Nach dem Säubern, erklärte er mir, diesen Bereich die nächste Woche nicht zu waschen. Danach kommen die Fäden raus. Die Arzthelferin räumte inzwischen alles ab. Er fügte noch hinzu: „Wir schicken das Ding ins Labor und ich werde sie benachrichtigen, was dabei rausgekommen ist.“ Wieso gab er dem Ding keinen Namen, fragte ich mich. Während unserer Unterhaltung nahm er das Tuch vorsichtig von meinem Gesicht. Zu all seinen Erklärungen kam von mir nur ein Nicken. Mir fiel erst jetzt auf, dass seine Haare heute kürzer waren und die Locken damit fast weg. Das wirkte irgendwie strenger. Er befahl der Arzthelferin, mir gleich einen Termin zum Fäden ziehen zu geben.


Die freundliche Dame fragte, ob ich Hilfe beim Anziehen benötige. Ich nickte und sie half mir in meinen weiten Pulli. Zum Glück hatte ich im Vorfeld daran gedacht, mir etwas Bequemes anzuziehen. Sie bat mich anschließend zur Information zu kommen. Ich nickte erneut. Ganz langsam und leicht benommen, ging ich dorthin. Es fiel mir schwer, zu reden. Wir vereinbarten einen Termin. Beim Verlassen der Praxis, atmete ich tief ein und wieder aus und fühlte mich erleichtert. Mein Auto stand im Innenhof. Ich setzte mich vorsichtig auf den Fahrersitz. Mit dem Lenkrad vor mir wollte ich starten, aber es ging nicht.


Eine Starre kam über mich. Erneut atmete ich aus und holte mich aus meinen Gedankenchaos. Was ist eigentlich los mit mir? Egal, ich versuchte sofort wieder den nächsten Schritt zu sehen.


Ich fuhr direkt meinen Sohn abholen. Zuhause angekommen, wollte ich mich nur hinlegen und mich ausruhen, aber der Haushalt schrie nach mir. Den Kleinen legte ich schlafen und begann sofort Essen zu kochen.


Am Abend, nach meinen Haushaltsalltag, war ich sehr froh, dass dieser Tag ein Ende hatte. Im Bett liegend hatte ich noch immer dieses Gefühl der Erleichterung. Woher das kam wusste ich nicht, ich dachte nur: endlich vorbei. Nach über einem Jahr in meinem Arm war der Bobbel endlich weg. Am nächsten Morgen piekte mich was im Arm. Davon bin ich aufgewacht. Es war natürlich meine Narbe, die mich weckte. Klar, die Betäubung hatte nachgelassen und die Schmerzen begannen.


Zum Glück konnte ich auch auf dem Bauch schlafen, was den Arm beim Schlafen entlastet. Ich drehte mich zur Seite, schaute auf mein Handy und war glücklich, dass ich noch eine Stunde weiter schlafen konnte. Plötzlich weckte mich der Wecker. Huch, das ging schnell vorbei. Ich bereitete meine Tochter für die Schule vor. Der Kleine schlief noch ganz friedlich. Das wiederum brachte mich erneut ins Bett. Mit einen freudigen Grinsen, schlummerte ich wieder ein. Es gibt nichts Schöneres für eine Mutter, als ausschlafen zu können, murmelte ich in Gedanken und schlief schließlich wieder ein.

Krebs ist eine Chance

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