Читать книгу Krebs ist eine Chance - Sonya Ruben - Страница 7
Die Verheilung
ОглавлениеHeute ist der Tag gekommen, die Fäden zu ziehen. Ich war wirklich gespannt wie groß die Narbe ist und ob sie gut verheilt ist. Es war schon etwas umständlich, meinen Arm beim Duschen auszulassen. Doch es funktionierte alles soweit gut. Den Kleinen verfrachtete ich noch schnell zur Oma. Perfekt, alles geklappt und los zur Praxis.
Mit großer Vorsicht zog die Arzthelferin Faden für Faden und schnitt sie ab. Es war etwas unangenehm, denn ich spürte alles. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war alles dunkelrot verkrustet. Die Helferin bedeckte mit einem Pflaster vorsichtig die Narbe. „Sieht ganz gut aus, es ist schön verheilt“, sagte sie. Zum Glück, dachte ich und stand gleich auf.
Der Arm fühlte sich aber immer noch schwach an, weil ich ihn die gesamte Woche geschont habe. Ich bedankte mich freundlich bei der Arzthelferin, nahm meine Handtasche und lief fröhlich hinaus. Die Tage vergingen und ich freute mich, dass nun endlich alles vorbei ist. Klar habe ich wieder eine Narbe, aber ich werde mir diese Narbensalbe besorgen und damit verheilt sie besser. Die Wunde bemerkte ich kaum. Nur wenn ich den Kleinen auf den Arm nahm, spürte ich hin und wieder ein Ziehen. Am Wochenende verbrachten wir einen schönen Tag mit der ganzen Familie. Ich liebe solche Tage, auch wenn sie manchmal anstrengend sind, aber sie gefallen mir. Nun sind mehr als zwei Wochen, nach dem Fäden ziehen vergangen. Am Mittwochvormittag rief die Arzthelferin der chirurgischen Praxis an. Sie bat mich freundlich, ich solle doch am Freitag vorbeikommen. Der Herr Doktor möchte mit mir sprechen. Ich fragte warum, sie antwortete: „Das bespricht der Doktor mit Ihnen um 9:30 Uhr oder um 11:30?“ Ich nahm den Termin um 11:30 Uhr. Bis Freitag fragte ich mich des Öfteren, was will er mir mitteilen?
Der Freitag kam schnell und weil ich mir dabei nichts dachte, nahm ich den Kleinen mit in die Praxis. Ich wusste ja, es wird sich nur um ein Gespräch handeln. Ich war pünktlich und um circa 11:50 Uhr an der Reihe. Das Behandlungszimmer war noch leer. Der Kleine zappelte die ganze Zeit hin und her, mittlerweile läuft er mir schon richtig weg. Ich versuchte ihn zu bändigen, aber er wollte ständig alles anschauen. Es klopfte kurz und dann betrat mein Chirurg das Zimmer. Der Kleine rannte sofort zu mir und versteckte sich hinter meinen Beinen. Ich saß so leicht schräg mit einem Schenkel auf der Liege. Er wusch sich die Hände mit Seife. Dann desinfizierte und trocknete er sie ab. Dabei sagte er zu mir: „Nun Sie sind eine erwachsene Frau und Mutter von zwei Kindern, Sie haben eine große Verantwortung.“ Ja gut das weiß ich auch und nun? Sein Blick war sehr ernst. Langsam kam er in meine Richtung. Mich würgte es auf einmal, ich musste richtig tief schlucken und dachte mir ok was kommt denn jetzt bitte?
Der Kleine fing wieder an zu zappeln. Ich versuchte ihn zu halten, hob ihn auf den linken Arm und sagte „halt still“. Der Chirurg setzte fort: „wir haben den Befund an zwei Labore gesendet.“ Warum an zwei, fragte ich mich. Er erklärte mir: „wenn der erste Befund bösartig ist, sendet man es aus Sicherheitsgründen zu einem weiteren Labor.“ Kann er meine Gedanken hören? „Es kam beim zweiten Labor genau der identische Befund mit der gleichen Diagnose heraus.“ Ja und nun? Hä ich verstehe irgendwie nur Bahnhof. Ganz langsam kamen seine Worte: „Ich muss Ihnen etwas sagen, das ist jetzt eine sehr ernste Sache.“ Seine Miene war noch ernster wie vorher. Wie bitte? Mir verschlug es den Atem. Oh Gott, was kommt jetzt, eine Entzündung oder was weiß ich? Ich hielt den Kleinen noch fester.
Der Arzt setzte fort: „Sie sind eine erwachsene Frau, hören sie jetzt gut zu.“ Lieber Gott, warum schaut er mich so ernsthaft an und beobachtet meine Gestik. „Dieser Tumor, den ich entfernt habe, war bösartig. Deswegen müssen sie jetzt alle Untersuchungen, die ich für sie plane, einhalten. Haben sie von Montag bis Mittwoch schon etwas Wichtiges vor?“
Völlig erstarrt antwortete ich: „Ich habe nichts vor, aber ich habe die Kinder.“ Was kommt jetzt? Mir wurde eiskalt, ich glaube ich wurde blass. Ich atmete ganz langsam, konnte nicht mehr klar denken. Wusste nicht, was bösartig bedeutet? Weil er so ernst schaute, hatte ich Angst irgendwas zu fragen. Muss ich erneut operiert werden, fragte ich mich. Er rief mich aus meinen Gedanken: „Ich denke, ich bekomme das hin.“ Aber warum drei Tage? Sowas sollte doch schneller gehen. Der Arzt griff zum Telefon und fragte: „Die Kinder sind dann untergebracht, das muss ich sicher wissen!“ Ich nahm mein Handy aus der Tasche, „ich muss kurz telefonieren.“ Da ich eine große Familie habe, war immer jemand für mich da, und dafür bin ich so dankbar. „Ja, alles, klappt“, nickte ich. Der Doktor wählte eine Nummer, gab Daten durch. Ich hörte nur: „Ja, ich faxe ihnen alles, einen Moment bitte.“ Er reichte mir das Telefon. „Ja bitte?“ Ich war ganz leise, hielt den Kleinen an meiner linken Hand fest, damit er nicht weglaufen konnte. Eine nette Dame mit lauter Stimme fragte: „Können Sie am Montag um 8:00 Uhr zu uns ins Klinikum kommen?“ Ich hörte im Hintergrund etliche Geräusche in einem großen Raum, der hallte. „Ja, ich werde da sein.“ Nickend reichte ich dem Arzt das Telefon zurück. Er gab noch weitere Daten durch und legte rasch auf. Er nahm meine Hand, verabschiedete sich von mir und erklärte: „sobald alle Befunde da sind, sprechen wir uns nochmal. Wir melden uns bei Ihnen.“ Ich hob den Kleinen auf meinen linken Arm.
Die Arzthelferin bat mich ihr an die Information zu folgen. Dort erhielt ich einen großen Stapel Blätter und Berichte. Den Kleinen an meiner linken Hand, die Unterlagen rechts, ging ich so schnell ich konnte aus der Praxis Richtung Auto. Ich fühlte, da ist was ganz komisch an der Sache. Doch ich wusste nicht was. Als Erstes rief ich meinen Mann an. Ich erreichte ihn an seinem Arbeitsplatz, teilte ihm mit, dass der Tumor bösartig sei. Geschockt fragte er, ob das wirklich sicher ist? Sein Entsetzen machte mir bewusst, dass es eine sehr ernste Sache sein muss. Denn meinen Mann bringt selten etwas aus der Fassung. Er versprach sofort nach Hause zu kommen und legte auf. Seine Reaktion erschütterte mich. Was habe ich nur? Was ist los mit mir? Angst machte sich breit. Meine Hände zitterten. Kaum zuhause, begann ich im Internet zu recherchieren, was es mit dem Tumor auf sich hatte. In den Unterlagen des Chirurgen stand die genaue Diagnose: Maligner fibröses Histiozytom. Zum Glück spielte der Kleine ganz ruhig mit seinen Sachen neben mir, während ich tippte.
Die medizinischen Fachbegriffe verstehe ich nicht. Mein Mann traf ein, ich stand auf, er nahm mich in den Arm. Wir drückten uns kurz. Er sah mich am Rechner arbeiten. „Hast du alle Unterlagen bekommen?“ Ich bejahte und fügte hinzu, dass ich von Montag bis Mittwoch zu Untersuchungen in das Klinikum muss. Ich wollte nur noch weiter suchen, nicht mehr reden. Setzte mich und begann erneut zu recherchieren. Also nahm er den Kleinen und spielte mit ihm. So vergingen bestimmt zwei Stunden. Überall las ich von onkologischen Praxen, dann ging es weiter zu Krebs, später fand ich Informationen über Tumorerkrankungen. Zum Schluss stieß ich auf eine Seite mit der Erklärung meiner Diagnose, in verständlichen Worten. Medizinische Fachbegriffe wurden genau erläutert und übersetzt.