Читать книгу Selbstbewusst ist das neue Sexy - Sophia Faßnacht - Страница 6
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»›Hey, Sophia, wenn du einen Gürtel anhättest, dann wäre es der Äquator‹, rief einer der Jungs. Und alle lachten. Dieser Stich traf mitten ins Herz. Ich versuchte trotzdem, cool zu wirken. Jetzt bloß nicht weinen, dachte ich mir. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich hörte mein Herz laut pochen und merkte, wie mir abwechselnd heiß und kalt wurde. Mist, mein Gesicht war gerade bestimmt knallrot angelaufen. Gerade war es doch noch lustig gewesen, wir hatten gequatscht und herumgealbert. Den ganzen Tag hatte ich mich schon auf dieses Treffen gefreut, hatte mir den neu erstandenen Pulli angezogen und Lipgloss aufgetragen.
Ich war elf Jahre alt – und alles, was ich heute wollte, war, dazuzugehören. Mit der coolen neuen Clique abhängen. Mit der, in der es auch Jungs gab, die älter waren als ich. Wer weiß, vielleicht war da ja auch einer, der mir gefiel? Meine Freundin hatte mich mitgenommen, und weil ich auf eine Mädchenschule ging, hatte ich im Allgemeinen wenig Kontakt zu Jungs. Und, nun ja, wahrscheinlich auch, weil ich – zumindest gefühlt – nicht zu den Mädchen gehörte, für die sich die Jungs sonderlich interessierten. Im Gegensatz zu meiner Freundin, die groß und schlank war, war ich klein und seit meiner Kindheit ein Pummelchen. Und weil ich mich in meinem Körper nicht besonders wohlfühlte, hatte ich mich an diesem Tag unter einer großen Bomberjacke versteckt – und trotzdem diesen Spruch kassiert.
Als ich später nach Hause kam und allein in meinem Zimmer saß, spürte ich die Verletzung, die ich vor den Augen der anderen nicht zulassen wollte. Sie fanden mich also zu fett …
ICH BESCHLOSS: SO WILL ICH MICH NIE MEHR FÜHLEN MÜSSEN.
Sophia
Von nun an begann ich, bei meinen Treffen mit der Clique bis zu vier Gürtel unter meine Shirts zu schnallen, damit mein Bauch darunter nicht mehr zum Vorschein kam. Vielleicht merkten die Jungs so, dass ich eigentlich gar nicht so hässlich war …
Dieser Nachmittag in meinem Leben als elfjähriges Mädchen ist mir im Gedächtnis geblieben. Weil die Aussage über meinen Bauchumfang ein Schlüsselerlebnis war, das dazu geführt hat, dass ich mich äußerlich verändern wollte. Und diese Veränderung bedeutete für mich vor allem eines: dünn zu werden. Der Wunsch, nicht mehr pummelig zu sein, schlug in den darauffolgenden Jahren leider ins Gegenteil um und nahm einige Zeit auch weniger gesunde Züge an.
Als mir zwei Jahre später ein Junge beim Flanieren in der Münchner Innenstadt ›du Klappergestell‹ hinterherrief, war das für mich keine Beleidigung. Im Gegenteil: Ich fühlte mich geschmeichelt. Ich hatte es geschafft – endlich war ich richtig dünn. Und ›dünn sein‹ setzte ich zum damaligen Zeitpunkt mit ›schön sein‹ gleich.
Viele Jahre aß ich sehr wenig, um mein Gewicht zu halten. Während meiner Teenagerjahre ging es also vor allem ums Kalorienzählen. Natürlich bedeutete das auch, dass ich mich jahrelang selbst unter Druck setzte. Die Erkenntnis, dass Schlanksein nicht gleich Selbstkasteiung bedeuten musste, kam leider nicht von heute auf morgen.
Ich wäre nicht ehrlich, würde ich behaupten, dass der Punkt, an dem ich heute bin, kein längerer Prozess war. Die Balance zu finden zwischen fit bleiben wollen, aber sich trotzdem die Gelüste nach einem Stück Kuchen oder dem Riegel Schokolade zuzugestehen, das hat schon einige Jahre gedauert.
Heute bin ich immer noch dünn, aber aus vollkommen anderen Gründen. Der große Unterschied zu meinem früheren Ich ist, dass es mir nicht mehr darum geht, um jeden Preis einem bestimmten Schönheitsideal nachzujagen. Und ich bin auch nicht mehr bereit, für ein Idealgewicht unnötig zu leiden. Ich ernähre mich gesund und ausgewogen und treibe regelmäßig Sport. Für mich hat mein heutiger Lebensstil jedoch viel mehr mit Selbstfürsorge zu tun – und die beginnt ganz klar mit einer liebevollen inneren Einstellung sich selbst gegenüber. Ich achte auf mein Gewicht, ja. Aber eben nicht mehr, weil es mir wichtig ist, was die anderen über mich denken. Sondern weil ich es verdient habe, mich wohlzufühlen. Und ums Wohlfühlen im eigenen Körper, egal, was dir von anderen vermittelt wird, darum geht es in diesem Buch.«
»Die Sache mit dem ›Aus-dem-Schönheitsideal-Rahmen-Fallen‹ fing bei mir eigentlich schon früh an. Allerdings nicht, weil ich ein übergewichtiges Kind war – ich war meine gesamte Kindheit normalgewichtig –, sondern weil ich schon immer die Größte in meiner Klasse war. Also wurde ich bereits im Grundschulalter gehänselt und ›der Riese‹ genannt. Bis heute läuft mir beim Wort Riese ein Schauer über den Rücken – weil ich mir Riesen immer wie furchtbar ungestüme Wesen mit Warzen im Gesicht vorgestellt habe. Der Riese zu sein war also eine der Stigmatisierungen, die mich wissen haben lassen: Du bist irgendwie anders – und weil du anders bist, stimmt etwas nicht mit dir.
Wenn ich rückblickend daran denke, was mir während meiner späteren Internatszeit alles blühte, dann war ›Riese‹ wohl noch eines der liebevolleren Dinge, die man mir bezüglich meines Körpers so an den Kopf geworfen hatte. Als ich elf oder zwölf Jahre alt war und die Pubertät einsetzte, litt ich unter starker Akne: gefundenes Fressen für meine Mitschüler im Internat. Von nun an wurde ich also auch das ›Pickel-Face‹, das täglich mit Beleidigungen traktiert wurde.
ICH BIN DICK, ABER ICH BIN KÖRPERLICH GESUND.
Verena
Ich erinnere mich gut, wie ein Freund aus meiner Heimat am Tegernsee – der das gleiche Internat wie ich besuchte und mit dem ich mich außerhalb der Schulmauern immer total gut verstanden habe – begann, sich unter dem Gruppenzwang ebenfalls dem Mob anzuschließen. In dieser Zeit, in der ich nur alle paar Wochen in den Schutz meiner Familie konnte, fühlte ich mich fürchterlich einsam. Und begann, aus Frust zu essen, was dazu führte, dass ich immer mehr an Gewicht zulegte. Jetzt war ich nicht nur der ›Riese‹ und das ›Pickel-Face‹, sondern auch noch der ›Elefant‹, die ›fette Sau‹ oder das ›fette Schwein‹. Ich war dreizehn, saß allein auf meinem Zimmer an einem Ort, der nicht mein Zuhause war, und wusste einfach nicht, was an mir so falsch sein konnte, dass man mir so unfassbar wehtun wollte. Diese Zeit war die absolute Hölle. Viele Jahre war ich ein Mobbing-Opfer – ein hochsensibles Mädchen, das sich nicht traute, sich zu wehren.
Später habe ich die Schule gewechselt und fand dort auch tolle neue Freunde, das Body-Shaming ist aber bis heute ein Teil meines Lebens geblieben. Einige Jahre nach der Schulzeit – ich war mittlerweile Studentin in München – fragte mich ein älterer Mann in der Trambahn, ob ich denn eigentlich keinen Spiegel zu Hause hätte. Er spielte auf den Rock an, den ich an diesem Tag trug. Dickere Frauen durften das seinem Geschmack nach wohl nicht – und so fühlte er sich dazu berechtigt, mich beleidigend auf mein Äußeres anzusprechen. Dieser Vorfall führte dazu, dass ich längere Zeit keine Röcke mehr trug.
Heute würde ich ihn fragen, ob er noch alle Tassen im Schrank habe. Nun ja, eigentlich würde ich ihm wahrscheinlich schlimmere Schimpfwörter an den Kopf werfen, mit denen ich mich hier aber mal zurückhalten möchte. Denn seit dieser Zeit hat sich einiges geändert.
Ich kann mittlerweile sagen, dass ich eine gute Beziehung zu mir und meinem Körper habe.
Ich bin aktiv, ich bewege mich, ich stehe erfolgreich im Leben, und ich habe seit mehr als zehn Jahren einen Partner an meiner Seite, der mich unterstützt und liebt, der mir nach all der Zeit noch immer sagt, wie schön ich für ihn bin – trotz der 40 Kilo, die ich während unserer Beziehung zugenommen habe. Ich bin nicht die ›immer glückliche Vorzeigedicke‹, in diese Rolle wollte ich mich nie pressen lassen. Ich habe Tage, da hadere ich mit meinem Gewicht. Ich schließe auch nicht aus, eines Tages abzunehmen. Nicht, weil ich mein Leben von einem bestimmten Ideal bestimmen lassen möchte, sondern weil ich mich wohlfühlen möchte – und deshalb mit meinem Körper tun und lassen kann, was ich will. Ich habe allerdings immer Respekt verdient, egal, wie mein Körper gerade aussieht. Ich bin Verena, nicht die Beleidigungen, die ich in meinem Leben über mich ergehen lassen musste. Ich falle vielleicht aus der Reihe, weil ich keinem engmaschigen Schönheitsideal entspreche – aber ich bin schön, weil ich ich bin.«