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Kapitel 1

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»Es reicht.« Nathans Stimme war kalt. Vor einigen Jahren hätte er jetzt vermutlich losgeschrien. Doch zu solchen Gefühlsausbrüchen ließ er sich schon lange nicht mehr hinreißen.

Er warf der blonden Frau zu seinen Füßen nur einen kurzen Blick zu, ehe er an ihr vorbei ging. Für ihn war dieses Treffen beendet. Einmal zu oft hatte sie versucht, seine Regeln zu umgehen.

»Warte.« Ihre gefesselten Hände schossen hervor, versuchten, nach ihm zu greifen. Der nächste Fehler. Nathans Augen wurden schmal. Nicht, dass sie es sehen konnte. Die Maske über ihren Augen verhinderte dies, auch wenn sie versucht hatte, ihn dazu zu bringen, sie abnehmen zu dürfen. Fehler Nummer Eins.

Gelangweilt sah er zu ihr herab, beobachtete, wie ihre Zunge langsam über ihre Lippen glitt, ehe sie ein kleines Lächeln versuchte.

»Es muss doch noch nicht vorbei sein.«

Lächerlich. Nathan verspürte den Drang, laut loszulachen, widerstand ihm jedoch mit spielerischer Leichtigkeit.

»Doch, muss es«, widersprach er ihr und schob ihre suchenden Hände unwirsch zur Seite.

»Aber wieso denn?« Ihre Stimme sollte ihn locken. So, wie ihre Hände, die sie jetzt über ihren Hals streicheln ließ, über den Ansatz ihrer Brüste. Das Seufzen, das ihr entfuhr, klang einstudiert. Unecht. So wie sie.

»Weil ich es sage.« Er drehte sich nicht mehr zu ihr um, als er den Raum verließ und sie allein ließ. Er würde Theodore Bescheid sagen, dass die junge Dame aus dem Haus begleitet werden sollte. Ihr Geld sollte sie bekommen, auch wenn er es keine halbe Stunde mit ihr ausgehalten hatte. Es ihr nicht zu geben, würde ihm nur größeren Ärger einhandeln.

Das Klicken der Tür, als er sie ins Schloss zog, klang endgültig in seinen Ohren. Auf gewisse Weise stimmte das auch. Er war es leid. Er war sie leid. Jedes Mal das altbekannte Spiel von vorne. Eine neue Frau, die ihre Dienste für eine entsprechende Entlohnung anbot, sich aber in den wenigsten Fällen auch an die Vereinbarungen hielt. Immer wieder versuchte eine von ihnen, ihn zu berühren, einen Blick auf ihn zu erhaschen, seinen Namen zu erfahren.

Nathan hatte endgültig genug davon. Er zog sich in sein Büro zurück und nahm den Hörer vom Telefon, um Theodore auf der Hausleitung zu erreichen.

»Bring sie raus.«

»Sehr wohl, Mr. Blackbourne.«

Nathan legte den Hörer auf und ließ sich in den Ledersessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Gedankenverloren kratzte er an seinem Kinn, während er über eine Lösung für dieses Problem nachdachte. Ein zölibatäres Leben kam erst gar nicht in Betracht, aber er wollte nicht mehr jedes Mal, wenn er Lust auf Sex hatte, darauf warten müssen, dass die Agenturen, die er bemühte, ihm eine angeblich passende Kandidatin schickten. Nur um dann herauszufinden, dass sie überaus unpassend war.

Seine Finger verkrampften sich, als ihm bewusst wurde, dass er dabei war, eine alte Narbe aufzukratzen. Er ballte die Hand zur Faust, um das unwillkommene Zittern zu überdecken.

»Es reicht«, flüsterte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dies war sein Leben, sein Haus. Hier galten seine Regeln, verdammt noch mal. Kurzentschlossen öffnete er das Adressbuch seines Telefons und löschte mit einigen Klicks die Agenturen aus seinem Verzeichnis. Wer nicht zu seiner Zufriedenheit arbeiten konnte, sollte besser gar nicht erst für ihn arbeiten. An dieser Devise hatte sich nichts geändert. Wenigstens etwas, dachte er mit einem verächtlichen Schnauben.

Mit ruckartigen Bewegungen griff er zur Computermaus und öffnete seine Mails. Zehn Neueingänge, seit er vor beinahe einer Stunde zum letzten Mal danach gesehen hatte. Es schien ein ruhiger Tag zu werden. Nathan fuhr sich mit der Hand durchs kurze, schwarze Haar. Wenn ihn selbst seine Arbeit ihm Stich ließ, war das ein sehr schlechter Tag.

Theodore klopfte an der Tür und Nathan bat ihn herein. Der alte Mann trug ein Tablett in den Händen, eine Flasche flüssigen Golds und ein Glas darauf.

»Ich habe die junge Dame von Jennings zurück in die Stadt fahren lassen und ihr den vollen Preis ausgehändigt.«

Nathan nickte nur, als Theodore das Glas vor ihm auf den Tisch stellte und die Flasche daneben.

»Ich dachte mir, Sie könnten einen Whisky vertragen, Mr. Blackbourne.«

Nathan seufzte und goss sich ein Glas ein. Während er es an die Lippen führte, sah er über den Rand des Glases hinweg seinen ältesten Vertrauten an.

»Was mache ich nur, wenn Sie gehen, Theo?«

»Nun, ich gehe davon aus, Sie werden sich nach einem Ersatz umsehen, Mr. Blackbourne.«

Die selbstverständliche Antwort brachte Nathan zum Schmunzeln. Er ließ den Whisky über seine Zunge gleiten und den Hals hinabfließen. Das leichte Brennen in seiner Kehle wirkte angenehm belebend.

»Einen Monat, sagten Sie?«

»Einen Monat noch, Mr. Blackbourne«, bestätigte Theodore. »Ich bleibe natürlich noch ein paar Tage länger, wenn ich jemanden einarbeiten muss. Wenn Sie es wünschen, Mr. Blackbourne, kann ich mich auch gerne nach geeigneten Nachfolgern erkundigen.«

Nathan war bereits dabei, zu nicken, als er innehielt. Eine Idee kam ihm in den Sinn, die ihm zunächst zwar abwegig erschien, bei näherer Überlegung jedoch durchaus ihren Reiz hatte. Zum ersten Mal an diesem Tag stahl sich ein echtes Lächeln auf seine Lippen. Nathan ignorierte das Ziehen auf seiner Haut, das diese Geste verursachte und widerstand dem Drang, über sein verletztes Gesicht zu fahren.

»Danke, Theo, das wird nicht nötig sein. Ich kümmere mich selbst um einen Nachfolger. Ich werde Matt gleich darauf ansetzen.«

Sein Sekretär bemühte sich offenkundig, seine Überraschung über diese Aussage nicht zu zeigen und ließ Nathan allein. Dieser griff zum Hörer und wählte die Nummer seines besten Freundes.


»Es tut mir leid, dass wir keine besseren Neuigkeiten für Sie haben, Miss Sullivan.«

Sie spürte Dr. Miles’ mitleidigen Blick auf sich, auch wenn sie es nicht schaffte, zu ihm aufzusehen. Zwei Monate, vielleicht drei, eher weniger. Emma konnte die Maschinen, an denen ihr Vater angeschlossen war, selbst hier auf dem Flur piepsen hören. Die Maschinen, die sie so sehr hasste und die ihren Vater doch am Leben hielten.

»Aber gibt es denn wirklich nichts, was Sie noch tun können? Die Medizin hat in den letzten Jahren doch Fortschritte gemacht und …« Sie hielt inne, kämpfte gegen die Tränen an, die als dicker Kloß in ihrem Hals brannten und schluckte sie mühsam herunter.

»Irgendetwas, Dr. Miles?« Als Emma zu ihm aufsah, nickte der Mediziner langsam. Seine Augen wanderten über die weiße Wand hinter ihr.

»Es gibt neue Forschungsergebnisse und Methoden, die sich in den letzten Testphasen befinden. Bisher liefern sie sehr positive Resultate, wobei man nie sagen kann, wie jeder einzelne Patient auf sie anspricht.«

»Aber?« Es lag wie eine düstere Wolke über seinen Worten. Dieses kleine Wort, das alles zerstören konnte.

»Aber die Behandlungskosten belaufen sich geschätzt auf eine halbe Million Pfund.«

Eine halbe Million. Fünfhunderttausend. Emma wurde schwindelig. Der Boden schien ihr unter den Füßen weggezogen. Sie hatten bereits den Buchladen verkauft, den ihre Familie seit Generationen führte, um die bisherigen Behandlungen bezahlen zu können. Der Verkauf hatte die Kosten gedeckt und es war auch noch ein wenig davon übrig, aber noch nicht einmal mehr fünfzigtausend, geschweige denn fünfhunderttausend Pfund.

»Deswegen wollte ich es gar nicht erst erwähnen. Es ist eine sehr teure und dennoch unsichere Behandlungsmethode und …«

»Wie viel länger könnte er damit leben?« Die Frage kam automatisch. Denken konnte sie im Moment gar nicht mehr. Sie starrte auf das Namensschild an Dr. Miles weißem Kittel, während ihr Verstand auf Hochtouren lief, um zu rechnen, jeden Penny umzudrehen, den sie irgendwo vermutete.

»Miss Sullivan, wie gesagt, es gibt positive Ergebnisse, aber keine absolute Garantie …«

»Wie lange?«

Dr. Miles seufzte. »Die Probanden, die positiv auf die Behandlung reagierten, befinden sich derzeit auf dem Weg der Besserung. Die ersten Tests wurden vor etwa drei Jahren durchgeführt und diese Patienten zeigen eine Stärkung ihres Körpers, was ihre Ärzte dazu veranlasst, ihnen eine beinahe normale Lebenserwartung zu versichern.«

»Beinahe normal?«

»Nun, wir reden hier nicht über eine Erkältung. Die Organe dieser Patienten, allen voran das Herz, haben gelitten. Aber ihre Lebenserwartung beträgt derzeit etwa siebzig bis fünfundsiebzig Jahre, bei einem derzeitigen Alter von durchschnittlich sechzig.«

Ihr Vater war neunundfünfzig. Emma nickte langsam, rechnete erneut alles durch. Sie hatte das Geld nicht. Nicht einmal annähernd.

»Gut«, flüsterte sie. »Ich werde das Geld irgendwie beschaffen.«

»Miss Sullivan …«

Sie sah zu ihm auf, kümmerte sich nicht darum, dass die Tränen längst über den Kloß in ihrem Hals hinausgewachsen waren und in ihren Augen standen. »Tun Sie, was Sie können, um meinem Vater zu helfen. Ich werde es auf den letzten Penny bezahlen, das schwöre ich!«

Dr. Miles sah so aus, als wollte er ihr noch einmal widersprechen. Stattdessen schüttelte er langsam den Kopf.

»Ich suche die Unterlagen zusammen und gebe sie Ihnen und Ihrem Vater noch einmal zum genauen Durchlesen. Vorher sollten Sie keine Entscheidung treffen.«

Emma biss die Zähne aufeinander. Sie hatte ihre Entscheidung bereits getroffen. Ihr Vater würde nicht sterben, durfte nicht sterben. Reichte es denn nicht, dass ihre Mutter bereits diesem verdammten Krebs zum Opfer gefallen war? Sollte sie jetzt wirklich noch ihren Vater daran verlieren müssen? Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie ballte die Hände zu Fäusten, vergrub sie jedoch in den Taschen ihrer Strickjacke. Sollte Dr. Miles noch ein wenig daran glauben, dass er sie umstimmen könnte.

Der Arzt verabschiedete sich fürs Erste von ihr und Emma kehrte ins Krankenzimmer ihres Vaters zurück. John lächelte sie müde an, als sie sich neben seinem Bett auf einen Stuhl setzte und seine Hand ergriff.

»Na, welche Hiobsbotschaften hat der Arzt dir heute verkündet?«

»Keine Hiobsbotschaften«, log Emma. John schüttelte leicht den Kopf und hob seine freie Hand, um sie über Emmas Wange streichen zu lassen.

»Du bist eine schlechte Lügnerin, meine Kleine. Seit man mich hier eingeliefert hat, behandelt man mich wie ein kleines Kind. Nicht einmal über meinen Zustand will man mich informieren. Ich weiß, was das bedeutet.«

»Das bedeutet, dass es nichts gibt, worüber du dir Sorgen machen musst, Dad. Es wird alles wieder gut. Dr. Miles hat mir von einer neuen Behandlungsmethode erzählt.«

Emma bemühte sich, ihre Stimme fröhlich klingen zu lassen und schwärmte ihrem Vater von den Erfolgen der Behandlung vor. John lächelte nur und hörte ihr zu, während sie ihre Luftschlösser baute. Als sie Luft holte, tätschelte er ihre Hand.

»Ich wünschte mir, wenigstens du würdest mich nicht wie ein Kind behandeln, meine Kleine. Sag mir ehrlich, wie schlimm es um mich steht.«

Dr. Miles klopfte an den Türrahmen und hielt eine weiße Mappe mit blauen Mustern in den Händen.

»Die Unterlagen, von denen ich Ihnen erzählte, Miss Sullivan. Wie gesagt, Sie sollten sich diese beide gründlich durchlesen, ehe Sie irgendeine Entscheidung treffen. Wir können nächste Woche noch einmal darüber reden.«

Emma stand hastig auf und ging auf Dr. Miles zu, um ihm die Unterlagen aus der Hand zu nehmen. Mit einem breiten Lächeln kehrte sie zu ihrem Vater zurück.

»Siehst du, Dad? Ich sagte doch, es gibt eine neue Behandlungsmethode. Ich nehme mir die Unterlagen heute mit und lese sie zuhause und bringe sie dir gleich morgen wieder mit.« Sobald sie alles, was auf den Preis der Behandlung hinwies, aus den Unterlagen vernichtet hatte. Ihr Vater brauchte seine Kraft, um gegen den Krebs zu kämpfen, er sollte sie nicht darauf verschwenden, wie sie das Geld auftreiben würde, das ihm sein Leben zurückgeben würde. Wenn sie mehr sparte, in eine kleinere Wohnung ziehen würde … und sie musste sich ohnehin einen Job suchen, nachdem sie den Buchladen verkauft hatten. Wieso dann nicht gleich zwei oder auch drei. Sie wäre nicht die erste, die sich in diesen Zeiten die Nächte mit einem Zweit- oder Drittjob um die Ohren schlug. Irgendwie würde sie das Geld zusammenbekommen. Sie musste Dr. Miles nur davon überzeugen, dass sie die Behandlungskosten abstottern durfte.

In ihrem Kopf formte sich langsam ein Plan. Ein Bild ihrer Zukunft und sie war überzeugt davon, es zu schaffen. Gleich heute Abend, wenn sie nach Hause kam, würde sie im Internet und in der Zeitung die Stellenanzeigen durchgehen.


Nathan presste Daumen und Zeigefinger der rechten Hand auf seine Nasenwurzel und atmete tief durch. Matthew war von seiner Idee alles andere als begeistert gewesen. Nur widerwillig hatte er sich darauf eingelassen, die Bewerbungsgespräche für Nathan zu führen. Dabei hatte Nathan erwartet, dass Matthew ihn verstehen würde. Oder zumindest seine Beweggründe. Doch stattdessen hatte er ihm versucht klar zu machen, dass sein Plan, nicht nur einen Ersatz für Theodore zu suchen, sondern diesen mit seinem in letzter Zeit viel zu kurz gekommenen Sexleben zu verbinden, Matthews Meinung nach an Wahnsinn grenzte.

»Was glaubst du, werden die Frauen sagen, sobald ich ihnen eröffne, was genau diese Stelle beinhaltet?«, hatte er ihn gefragt und Nathan hatte selbst durch das Telefon gehört, dass sein alter Freund unruhig hin und her lief.

»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden, Matt. Und ich denke, du schätzt Frauen vollkommen falsch ein. Zwei Millionen Pfund für ein Jahr. Unter dieser Bedingung werden die meisten zustimmen.«

Nathan war noch immer davon überzeugt. Matthews Zweifel hatte er beiseitegeschoben und das Telefonat zügig beendet. Nun saß er mit einem zweiten Glas Whisky vor seinem Computer und stellte die Stellenanzeige online.

Warten war noch nie seine Stärke gewesen und die letzten Jahre hatten es nicht besser gemacht. Nein, korrigierte er sich im Stillen. Eigentlich war es im Krankenhaus noch schlimmer geworden. Es hatte ihn wahnsinnig gemacht, jeden Tag nur geringe Fortschritte an sich wahrzunehmen. Die Hand ein wenig höher heben, ein paar Schritte mehr gehen, ehe er erschöpft in einem Rollstuhl zusammenbrach.

Ein drittes Glas Whisky brannte seine Kehle hinab. Doch die Erinnerungen konnte der Alkohol nicht auslöschen. Die Schmerzen hatte er zwar überwunden, doch noch immer verging kein Augenblick in seinem Leben, an dem er nicht daran erinnert wurde, was er verloren hatte. Er hörte den Regen, die laute Musik im Radio, hörte das Quietschen seiner Reifen, als er die Kurve zu schnell nahm.

Nathan stand hastig auf und durchquerte sein Büro. Er würde sich diesen Tag nicht noch weiter ruinieren lassen.


Emma schaltete das Licht nicht ein, als sie am Abend die Wohnung betrat. Ihre Handtasche mit den Unterlagen für die Behandlung ihres Vaters fiel wie ein Stein zu Boden. Sie wollte nur noch unter die Bettdecke kriechen und darauf warten, aus diesem Albtraum zu erwachen. Doch die Erinnerung an ihren Vater, angeschlossen an diesen Maschinen, die in einer Tour piepsten, machten ihr noch einmal allzu deutlich, dass es aus diesem Albtraum kein Erwachen geben würde. Und sie schuldete es ihrem Vater, sich vor dieser Wahrheit nicht zu verstecken. Es würde ihm nicht helfen, wenn sie sich die Decke über den Kopf zog und sich vor der Welt versteckte. Sie musste kämpfen.

So erlaubte sie sich nur für ein paar Minuten die Grausamkeit der Welt auszusperren, während sie versuchte, sich mit einer heißen Dusche zu entspannen. Emma vermisste die Badewanne, die im Bad ihres Elternhauses gestanden hatte. Um ihrem Vater die nötige Behandlung zu finanzieren, wäre sie jedoch sogar bereit, gänzlich auf ein eigenes Badezimmer zu verzichten.

Die Unterlagen waren das erste, was sie sich griff, als sie aus dem Bad kam. Im Schlafanzug setzte sie sich auf die Couch in ihrem Wohnzimmer und zog die Broschüre aus der Mappe. Sie las sich die beschriebene Behandlungsmethode durch, die Ergebnisse der letzten Studien, Berichte von behandelnden Ärzten. Irgendwann schwirrte ihr der Kopf von Zahlen, Prognosen und Fachtermini. Als sie die Broschüre zur Seite legte, starrten ihr aus der Mappe die für die Behandlung zu erwartenden Kosten entgegen. Emmas Finger zitterten, als sie nach dem Blatt griff und es aus der Mappe nahm. Fünfhunderttausend Pfund. Wie lange würde sie arbeiten müssen, um diese Summe bezahlen zu können?

Sie ballte das Papier zusammen und warf es wütend gegen die Wand, stopfte die Broschüre zurück in die Mappe und legte sie auf den Tisch. Mit fahrigen Bewegungen strich sie sich durch das lange, braune Haar. Sie schloss für einen Moment die Augen und verbarg ihr Gesicht in den Händen.

Auf einmal fühlte sie sich entsetzlich erschöpft. Als sie die Augen öffnete, fiel ihr Blick auf den Laptop. Sie hatte nach Stellen sehen wollen, doch sie war zu müde, um auch nur den Arm danach auszustrecken.

»Morgen«, versprach sie sich und streckte sich auf der Couch aus. Sie war sogar zu erschöpft, um ins Bett zu gehen. Sie zog sich die Wolldecke bis zu den Schultern hoch und versuchte, die Bilder aus dem Krankenhaus nicht mit in ihre Träume zu nehmen.

Blinde Leidenschaften

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