Читать книгу Der Fianna Zyklus: Der Stein von Temair - Sophia West - Страница 5
1. Das Versprechen
ОглавлениеÉriu, das Inselreich des Nordens, bestand aus fünf Provinzen. Ulaidh lag im Norden, Connacht im Westen, Laighin im Osten und Mumhain lag ganz im Süden der Insel. Das Mittelreich, Midhe, hielt die anderen Provinzen zusammen; Midhe grenzte an jede der übrigen Provinzen. In Temair, der Hauptstadt von Midhe, hatte der Hochkönig von Érui seinen Sitz. Die übrigen Provinzen hatten ihre eigenen Hauptstädte: Ulaidh hatte Emhain Mhacha als Hauptstadt, Connacht hatte das stolze Cruachan Aí, in Laighin war Dún Ailinne die Hauptstadt und in Mumhain Caiséal. Obwohl auch diese bedeutende Städte waren, war doch keine Stadt in Ériu wichtiger als Temair. Dort war das politische, kulturelle und militärische Zentrum von Ériu. Unweit von Temair befand sich Almhuin, das Hauptquartier der Fianna, der Armee Érius. In Temair tagte der Hohe Rat, wo die Könige der Provinzen sich mit dem Hochkönig berieten. Temair war aber auch kulturell und wirtschaftlich von großer Bedeutung. Hier trafen sich die Händler der bekannten Welt und verkauften ihre Waren. Hier wurden die großen Feste gefeiert. Kurzum: Wer etwas auf sich hielt, der lebte in Temair.
Ériu blickte auf eine kriegerische Geschichte zurück. Verschiedene Völker hatten im Laufe der Zeit versucht Ériu zu beherrschen. Einige waren dabei mehr erfolgreich, einige weniger. Die Tuatha de Danaan gehörten zweifellos zu den erfolgreicheren. Sie kamen angeblich mit gewaltigen Schiffen über das Meer im Norden, auch wenn niemand diese Schiffe jemals zu Gesicht bekommen hatte. Die Tuatha de Danaan marschierten von Ulaidh nach Connacht, bis sie zur Ebene von Magh Tuireadh kamen. Ihre Herzen waren zufrieden, denn sie hatten das Land ihrer Vorfahren erreicht. Als die Firbolg, die Érui damals beherrschten, von der Ankunft der Invasoren erfuhren, machten sie sich ebenfalls auf den Weg nach Magh Tuireadh, um die Tuatha de Danaan auszuspionieren. Als die Firbolg die Tuatha de Danaan erblickten, sahen sie die schönsten Kreaturen, die sie jemals gesehen hatten. Sie waren groß und schlank und dunkelhaarig. Gut und scharf bewaffnet, begabt in der Musik und im Spiel - zweifellos die begabtesten die jemals über das Meer gekommen waren. Die Firbolg bekamen Angst, denn die Tuatha de Danaan übertrafen alle Völker der bekannten Welt in jeder Kunst.
Die Firbolg beschlossen einen einzelnen Krieger zu den Tuatha de Danaan zu schicken. Sie entschieden sich für Sreng, einen besonders großen und geschickten Krieger. Also ging Sreng, Sohn von Sengann, über die Ebene von Magh Tuireadh. Als die Tuatha de Danaan bemerkten, dass sich ihnen ein furchteinflößender Krieger näherte, schickten auch sie einen der ihren, nämlich Bres, Sohn von Elatha. Als sich die beiden trafen, waren beide von der Größe und den Waffen des jeweils anderen überrascht. Beide hoben vorsorglich ihre Schilde hoch und hielten sich dahinter verborgen, abwartend und lauernd. Dann sprach Bres einen kurzen Gruß und Sreng antwortete. So erkannten beide, dass sie dieselbe Sprache sprachen und dieselben Ahnen haben mussten. Bres und Sreng senkten ihre Schilde und betrachteten den anderen nun genauer.
„Was siehst du?“, fragte Sreng.
„Große Waffen mit breiten, scharf-gewetzten Spitzen. Tod ist in der Waffe mächtigen Schlägen, Wunden in ihrem Gebrauch. Ihr Schrecken ist überwältigend. Wie nennt ihr sie?“, fragte Bres.
„Wir nennen sie Schlachtspeere“, antwortete Sreng.
„Das sind gute Waffen. Sie bedeuten gebrochene Knochen und zerborstene Schilde, Narben und Leid. Den Tod und ewigen Makel bedeuten sie. Diese Waffen zu benutzen, wäre Brudermord. Wir sollten ein Abkommen treffen“, sagte Bres und Sreng war derselben Meinung. So ging Bres zurück zu den Tuatha de Danaan und Sreng zurück zu den Firbolg. Sie berichteten ihren Königen von den mächtigen Waffen der anderen. Bres berichtete über die Schlachtspeere und Streng erzählte von dem mächtigen Schwert, das Bres trug. Beide schlugen ihrem König ein Abkommen vor und beide stießen auf taube Ohren. Eochaid, Hochkönig der Firbolg und Nuada, König der Tuatha de Danaan, wollten den Kampf und so kam es zur ersten Schlacht von Magh Tuireadh zwischen den Tuatha de Danaan und den Firbolg, den Völkern, die einst Brüder gewesen waren. Die Rahmen von Schilden wurden gebrochen, Klingen brachen von den Griffen der Schwerter und von den Speeren fielen die Spitzen ab. So manch ein großer Krieger fiel auf den Torfboden von Magh Tuireadh in den ewigen Schlaf. Während der ersten beiden Tagen traten die Tuatha de Danaan und die Firbolg als ebenbürtige Gegner auf, doch am dritten Tag wurde nicht zuletzt auch den Firbolg klar, dass sie unterliegen würden. Trotzdem kämpften sie weiter, denn sie wollten Ériu und ihre Hauptstadt Temair nicht verlieren. Erst nachdem eine große Anzahl der Firbolg gefallen war, gaben sie auf. Auch die Tuatha de Danaan wollten nicht weiter kämpfen, da einer ihrer Seher bereits neues Unheil am Horizont erkannte hatte. So gaben die Tuatha de Danaan den Firbolg die Provinz Connacht, während sie selbst als neue Herren von Temair nach Süden zogen und fortan den Rest von Érui beherrschten. Für eine kurze Zeit war Frieden zwischen den Tuatha de Danaan und den Firbolg, ein Frieden der jedoch für die Tuatha de Danaan nur von kurzer Dauer war.
Denn der Seher der Tuatha de Danaan hatte sich nicht geirrt und die Zeichen richtig gedeutet. An den steilen Küsten der nördlichen Provinz Ulaidh krochen die Fomoire empor. Sie hatten das Leben in der Tiefe des Halbdunkeln satt und beschlossen in Ériu, das grün und fruchtbar war, einzufallen. Anders als die Firbolg hatten die Fomoire nichts mit den Tuatha de Danaan gemein. Die Fomoire waren schrecklich anzuschauen und mehr tierisch als menschlich. Sie waren dunkel und am ganzen Körper behaart. Zudem hatten sie lange Eckzähne wie Raubtiere.
Die Tuatha de Danaan bereiteten sich auf die Schlacht vor. Unter der Führung von Lugh leistete jeder Handwerker, jeder Druide und jeder Zauberer seinen Beitrag. Die Handwerker schmiedeten mächtige Waffen und die Zauberer ließen die Berge Érius erzittern, sodass große Steine auf die Angreifer fielen. Die Druiden schickten einen Feuerregen und behinderten so die Sicht der Fomoire mit einem dichten Nebel. So wurde die Truppenstärke der Fomoire um ein Drittel dezimiert, bevor sie die Tuatha de Danaan überhaupt erreichten.
Die Fomoire wurden von Balor mit dem teuflischen Auge angeführt. Sein rechtes Auge musste er ständig bedeckt halten, denn was immer dieses Auge erblickte, zerfiel zu Staub. Die beiden Armeen trafen auf der Ebene von Magh Tuireadh zusammen, wo die Tuatha de Danaan bereits gegen die Firbolg gekämpft hatten. Balor stand vor der Armee der Tuatha de Danaan und öffnete langsam sein rechtes Auge, als Lugh einen Stein nahm und ihn mit einer Schleuder durch Balors Auge und dessen Hinterkopf feuerte. Für einen Moment erblickte Balors Auge dessen eigene Armee an. Die gesamte Armee der Fomoire wurde so ausgelöscht und nicht ein einziger blieb am Leben. Erneut waren die Tuatha de Danaan siegreich.
Doch sie fanden auch jetzt keine Ruhe. Die Firbolg wollten die durch den Kampf scheinbar geschwächten Tuatha de Danaan überraschen. Die Firbolg gingen davon aus, dass sich die Tuatha de Danaan an den Fomoire aufgerieben hatten und dachten, dass sie nun ein leichtes Spiel hätten. Doch in Wahrheit hatten die Tuatha de Danaan die Fomoire besiegt, ohne dass sie ein einziges Schwert gehoben hatten. Diesmal überlegten die Tuatha de Danaan nicht lange und es wurden auch keine Gesandten geschickt. Sie trieben die Firbolg aus Connacht nach Ulaidh über die Klippen ins Meer; genau über den Weg, den die Fomoire zuvor gekommen waren. Die Tuatha de Danaan zeigten dabei keine Gnade. So kam es, dass die Tuatha de Danaan für lange Zeit ganz Ériu beherrschten und die Firbolg ins Tír Fá Tonn, der ehemaligen Heimat der Fomoire, gelangten.
Viele Zyklen vergingen, in denen die Tuatha de Danaan die unangefochtenen Herrscher von Ériu waren. Sie brachten den Lia Fáil, den Stein des Schicksals, nach Temair. Der Lia Fáil war eines von vier Heiligtümern, die die Tuatha de Danaan nach Ériu brachten. Der magische Stein schützte Ériu vor bösen Mächten wie den Fomoire. Solange der Lia Fáil in Temair stand, war Ériu vor Angreifern aus der Anderswelt sicher. Was die Tuatha de Danaan nicht erwarteten war, dass ihnen ganz irdische Wesen die Herrschaft über Ériu streitig machen würden. Doch genau das sollte geschehen.
Míl, Führer der Gaeil, fiel mit seinen Söhnen und vielen hundert Kämpfern in Ériu ein. Sie kamen aus dem Süden über das Meer Die Tuatha de Danaan hatten viele hundert Zyklen in Frieden und Wohlstand gelebt. Sie hatten Städte und Siedlungen errichtet, Straßen gebaut und den Ackerbau und die Viehzucht verfeinert. Sie übten sich in Tanz und Spiel und gaben sich allgemein gerne dem Schöngeistigen hin. In der Kunst des Kampfes übten sie sich jedoch nicht mehr. Außer für die Jagd hatten sie für Waffen keine Verwendung. Der Angriff der Gaeil kam vollkommen unerwartet. Hinzu kam, dass die Gaeil die Tuatha de Danaan von verschiedenen Seiten angriffen: Eremón, Sohn von Míl, kam von Westen, Amergin, Sohn von Míl, fiel mit seinen Männern im Süden ein und Eimher Mac Míl kam vom Norden. Míl selber kam aus dem Osten und nahm sich Temair vor. Nach kurzer, erbitterter Schlacht nahe der Stadt Tailtiu in der Provinz Midhe verloren die Tuatha de Danaan die Herrschaft über Érui. Die Gaeil machten Temair zu ihrer eigenen Hauptstadt und nahmen den Lia Fáil an sich. Zum Schutze Érius gründeten die Gaeil die Fianna, die erste stehende Armee der Insel. Die Gaeil wollten nicht denselben Fehler wie die Tuatha de Danaan machen. Auch wenn sie nun ganz Ériu beherrschten, wollten sie sich weiter in der Kunst des Krieges üben.
Die Tuatha de Danaan aber wollten nicht mit den Gaeil als Herrscher über Ériu leben. Dafür waren sie ein zu stolzes Volk. Ériu verlassen wollten sie jedoch auch nicht. Die Tuatha de Danaan überließen es Manannan, Sohn von Lir, der ihr größter Zauberer und Druide war, eine Lösung für ihr Dilemma zu finden. Manannan sollte Orte in Ériu finden, an denen die Tuatha de Danaan in Ruhe und in Sicherheit existieren könnten. So suchte Manannan einige der schönsten Plätze in Ériu aus und versah diese mit verborgenen Mauern, durch die niemand durchschauen konnte und durch die nur die Tuatha de Danaan gehen konnten. Zusammen mit Goibniu, dem Schmied, der sich auch mit der Alkoholherstellung bestens auskannte, braute er ein besonderes Bier und veranstaltete ein großes Festmahl in der neuen Heimat. Alle Tuatha de Danaan tranken bei diesem Festmahl von dem Bier und es machte sie immun gegen Alter und Krankheit. Solange sie keine tödlichen Wunden erlitten, waren alle Tuatha de Danaan seit dem Festmahl von Goibniu und Manannan unsterblich. Die Herrschaft über Ériu hatten die Tuatha de Danaan jedoch für immer an die Gaeil verloren.
Für die Gaeil zahlte es sich bald aus, dass sie die Fianna gegründet hatten. Denn nachdem die Gaeil wie zuvor die Tuatha de Danaan einige Jahre Ériu unangefochten beherrscht hatten, wurden auch sie zum Kampf gefordert. Ein junger König und mutiger Krieger namens Daire Donn landete mit seinen Schiffen am An Trá Bhán in Connacht. Woher er kam, wussten die Gaeil nicht. Was sie jedoch sahen war, dass Daire Donn eine Armee mitgebracht hatte, die Ériu noch nicht gesehen hatte, so gewaltig war sie. Die Fianna machte sich sofort auf den Weg nach An Trá Bhán, den weißen Strand von Corca Dhuibhne. Angeführt wurde die Fianna von Finn, dem Sohn des Königs von Connacht. Die Schlacht von An Trá Bhán sollte die größte werden, die Ériu bis dahin gesehen hatte und lange sah es so aus, als ob die Fianna die Armee Daire Donns nicht schlagen würde. Viele mutige Männer verloren binnen weniger Tage ihr Leben. Daire Donn selbst trug eine Rüstung, die ihn unbesiegbar machte. Als die Fianna erkannte, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen war, schickten sie einen Boten nach Temair zum Hochkönig Cairbre Lifechair. Doch Cairbre Lifechair verweigerte seine Hilfe. Nur sein ältester Sohn war bereit, mit der Fianna in den Kampf zu ziehen. Er fand seinen Tod in dieser Schlacht. Dies konnte Cairbre Lifechair der Fianna niemals verzeihen. Die einzigen, die der Fianna schließlich zur Hilfe kamen, waren seltsamerweise die Tuatha de Danaan, die einstigen Feinde der Gaeil. Lange wurde später darüber gerätselt, warum die Tuatha de Danaan dies taten. Die meisten glaubten, dass die Tuatha de Danaan einfach keinen Tribut an Daire Donn, den sie noch mehr verabscheuten als die Gaeil, zahlen wollten. Jedenfalls waren die Tuatha de Danaan es, die der Fianna zum Sieg verhalfen. Sie gaben Finn ein Schwert, das die Rüstung von Daire Donn durchdringen konnte, und so fand er dann in der Schlacht von An Trá Bhán sein Ende: Durch das Schwert der Tuatha de Danaan in der Hand eines Gaeils.
Doch auch die Zeit der Gaeil und der Fianna neigte sich irgendwann ihrem Ende zu. Alles begann damit, dass dem Hochkönig Cairbre Lifechair die Fianna zu mächtig wurde. Denn obwohl viele Krieger der Fianna die Schlacht von An Trá Bhán nicht überlebt hatten, machte diese Schlacht die Fianna mächtiger als je zuvor. Neben einem enormen Prestigegewinn, erbeutete die Fianna eine nicht geringe Menge an Gold und Silber von den Angreifern und ihren Schiffen. Der Hochkönig baute im Geheimen seine eigene Armee auf. Es kam zur Schlacht von Gabhra, nahe Temairs. Die Armee des Hochkönigs war der Fianna zahlenmäßig weit überlegen. Die Fianna kämpfte mutig und obwohl der Hochkönig in dieser Schlacht getötet wurde, verließ die Fianna das Schlachtfeld nicht als siegreiche Partei, denn die meisten ihrer Anhänger fielen ebenfalls. Die wenigen Überlebenden der Schlacht von Gabhra verteilten sich in alle Himmelsrichtungen. Eine Ära ging zu Ende.
Die Zeiten glorreicher Schlachten und die Blütezeit der Herrschaft der Gaeil waren vorbei und als der König von Connacht starb, blieb der Thron verwaist. Des Königs einziger Sohn, Finn, der einstige Führer der Fianna und Held der Schlacht von An Trá Bhán, war seit vielen Zyklen verschwunden. Chaos und Hunger herrschten in dem Land, das einst blühte. Connacht wurde von den schwarzen Reitern heimgesucht, die Unglück und Verderben über das Land brachten. Niemand wusste, woher sie kamen. Es gab Gerüchte, dass sie tief aus dem Süden Érius stammten. Einige glaubten auch, dass sie aus der Anderswelt kamen, wie einst die Fomoire, die versuchten hatten, ganz Ériu zu unterwerfen. Andere glaubten sogar, dass die schwarzen Reiter von den Tuatha de Danaan geschickt wurden, um sich an den Gaeil, die Ériu immer noch beherrschten, zu rächen. Ériu an die Gaeil zu verlieren, war eine Schmach gewesen, die die Tuatha de Danaan nur schwer ertragen konnten. Deshalb existierten die Tuatha de Danaan auch nur noch im Verborgen, wo sie weiter ihren geheimen Künsten nachgingen. Der neue Glaube, der aus einem fernen Land nach Ériu gebracht worden war, behauptete gar, dass die Tuatha de Danaan niemals existiert hatten und eine Erfindung von alten Männern seien, die einer längst vergangen Zeit nachtrauerten. Die meisten wussten es jedoch besser.
Donn, der eingesetzte Verwalter Connachts, schickte Boten zum neuen Hochkönig Fiacha Sraibhtine, um von ihm militärische Hilfe gegen die Angreifer zu erbitten. Doch keiner der Boten kehrte je zurück. Niemand wusste, was mit dem Hochkönig, dem Hüter des Steins von Temair, passiert war. Dunkelheit lag über Temair, dem heiligen Berg Érius, Dunkelheit und Verzweiflung. Die anderen Königreiche Ulaidh, Mumhain und Laighin verweigerten Connacht die Bündnistreue. Sie gaben an, eigene Probleme zu haben. Ériu drohte zu zerfallen.
Und in all dieser Not blieb der Mann, der Connacht retten konnte, verschwunden. Seit der Schlacht von Gabhra, die vor 20 Zyklen stattgefunden hatte, war er nicht mehr gesehen worden. Man sagte, dass er sein Herz an die Tochter des Herrschers des Königreiches Tír fa Tonn verloren hatte. Die Gaeil hielten die Firbolg für feenähnliche Kreaturen, die ihre Gestalt verändern konnten und sogar die Fähigkeit besitzen sollten, sich in Luft zu verwandeln. Die Gaeil erzählten sich, dass man im Tír Fá Tonn langsamer alterte, denn in der Mitte dieses Königreichs sollte sich ein Jungbrunnen befinden, aus dem alle Bewohner des Königreichs ihr Wasser bezogen. Und neben dem Brunnen sollte der Baum stehen, an dem die neun Haselnüsse der Weisheit wuchsen. Wer von diesen magischen Nüssen aß, würde ewige Weisheit erlangen, meinten die Gaeil. Wie es im Tír Fá Tonn wirklich aussah und warum die Firbolg dort lebten, wussten die Gaeil jedoch nicht.
In dieses sagenumwobene Königreich war Finn, Sohn von Cumhal, hinabgestiegen. Er erblickte Ríoghnach, die Tochter des Firbolg-Königs Conall, und vergaß. Er vergaß seinen Vater. Er vergaß die Fianna, seine Gefährten. Er vergaß seine Bestimmung. Geblendet von Ríoghnachs Schönheit vergaß er schließlich sogar die Zeit. Aus Sommer wurde Herbst, aus Herbst wurde Winter. Und so vergingen die Jahre, ohne dass Finn es merkte. Ríoghnach liebte Finn sehr, doch ohne es zu wollen, hielt sie ihn davon ab, sein Schicksal zu erfüllen. Ríoghnach hörte die Gerüchte, die von oben in ihre Welt eindrangen. Ériu versinke im Chaos und werde von einer dunklen Macht heimgesucht, die niemanden am Leben ließe. Und so trat sie vor ihren Vater und bat ihn, sie gehen zu lassen. Sie wollte zusammen mit Finn an die Oberfläche gehen und dort mit ihm zusammen leben. Finn war froh, dass Ríoghnach dies tat, denn obwohl es ihm im Tír Fá Tonn gefiel, wollte er zurück in seine Heimat. Er fragte sich, was aus den anderen Kämpfern der Fianna geworden war. Finn versprach Conall gut auf seine Tochter zu achten. Doch Conall zeigte sich von ihrem Gesuch, das Tír Fá Tonn gemeinsam zu verlassen, wenig beeindruckt. Er hatte vor Jahren seinen einzigen Sohn an die Oberfläche verloren. Ríoghnach war zu jung gewesen, um sich daran zu erinnern. Doch seitdem Ríoghnachs Bruder an die Oberfläche gestiegen und nicht zurückgekehrt war, glaubte Conall, dass alles, was sich über seinem Königreich befand, abgrundtief verdorben war. Auch Finn vertraute er nicht. Obwohl er der Sohn des Königs von Connacht und daher von königlichem Blut war, wollte er ihm seine Tochter nicht zur Frau geben. Zu tief war der Hass auf alles über den Wellen. Er stellte Finn vor unlösbare Aufgaben und obwohl Finn sie dennoch bestand, traute er ihm nicht. Im Gegenteil, es machte Conall nur noch argwöhnischer. Er stellte klar, dass Finn das Tír Fá Tonn jederzeit verlassen dürfe – ohne seine Tochter. Das jedoch wollte Finn nicht.
Schließlich fasste Ríoghnach einen Entschluss. Sie wollte mit Finn gehen – ohne das Einverständnis ihres Vaters. Eines Nachts als alle schliefen, schlichen sie zur Balla Mhór, der großen Felswand. Jeder Firbolg wusste, dass man die Oberfläche erreichte, wenn man diese große Felswand nach oben kletterte. Jedoch hätte kaum ein Firbolg dies freiwillig getan, denn im Laufe der Zeit hatten sie aus dem Tír Fá Tonn einiges gemacht. Es war nicht mehr der kalte, dunkle Ort wie damals als sie hier ankamen. Die Firbolg waren hier zufrieden und an die Oberfläche geschickt zu werden, war neben dem Tod die härteste Strafe, die einem Firbolg auferlegt werden konnte. Finn und Ríoghnach machten sich also auf den Weg und konnten sich sicher sein, dass sie nicht verfolgt würden, denn Conall konnte niemanden an die Oberfläche schicken, der nicht eine schwerwiegende Missetat begangen hatte.
Als Finn mit Ríoghnach Ulaidh, das Königreich des Nordens, erreichte, spürte dieser sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Ériu war nicht mehr das Land, dass er vor einem Zyklus verlassen hatte. Finn und Ríoghnach zogen durch ganz Ulaidh nach Connacht und trafen außer ein paar verängstigte Bauern, die zu keiner Auskunft bereit waren, keinen Menschen. Als sie schließlich in Cruachan Aí ankamen, fanden sie es in einem desolaten Zustand vor. Dort berichtete man ihnen, dass der König schon vor vielen Zyklen gestorben sei. 20 Zyklen hatte Finn im Königreich Tír Fá Tonn verbracht und es war ihm nicht länger als einer vorgekommen, was auch nicht verwunderlich war, denn er war auch nicht mehr als einen Zyklus gealtert. Über die schwarzen Reiter, die an der Verwüstung des Landes Schuld hatten, erfuhren Finn und Ríoghnach wenig. Wie viele gab es von ihnen? Woher kamen sie? Niemand wusste es. Die Menschen in Cruachan Aí wussten nur, dass sie ihre Ernte zerstört und viele ihrer Freunde und Verwandten getötet hatten.
Das Volk von Connacht erinnerte sich nicht mehr an Finn, den verschollenen Sohn des Königs, und es wollte sich auch nicht an ihn erinnern. Die Menschen fühlten sich verraten und im Stich gelassen, denn ihr König war nicht da gewesen, als sie ihn am nötigsten gebraucht hätten. Jetzt wollte das Volk von Connacht Finn nicht mehr als König haben. Jetzt war es zu spät. Alle Heldentaten Finns konnten das erlittene Unrecht nicht mehr aufwiegen. Den Bewohnern von Connacht viel es zu schwer, Finns Worten glauben zu schenken, dass er etwas ändern könnte und mit einer neuen Fianna, das Land wieder sicher machen wollte.
Am Grab seines Vaters fiel Finn auf die Knie und versprach, das Unrecht wieder gut zu machen. Er versprach, die schwarzen Reiter zu finden und sie auszulöschen. Obwohl Finn die meiste Zeit seines Lebens nicht in Connacht verbracht hatte, fühlte er sich für sein Volk verantwortlich. Den Ring, den er von seinem Vater bekommen hatte und der ihn als den Thronfolger von Connacht identifizierte, hatte er immer an seinem rechten Ringfinger getragen. Er hatte sich nie viel daraus gemacht, der offizielle Thronfolger von Connacht zu sein. Es war ihm eher lästig gewesen. Warum er dennoch den Ring seines Vaters nie abgenommen hatte, war ihm bis jetzt nicht klar gewesen. Finn beschloss sich seiner Verantwortung zu stellen. Er war nicht der Führer der Fianna geworden, weil er davonlief, wenn es schwierig wurde. Finn hatte immerhin Daire Donn bei der Schlacht von An Trá Bhán, die die meisten schon für verloren gehalten hatten, besiegt. Doch nun war es mehr als schwierig. Die Fianna existierte nicht mehr und alleine konnte er die schwarzen Reiter nicht besiegen. Also bat er die Bewohner von Cruachan Aí ihn zu unterstützen, doch seinem Aufruf folgten nur drei Mann: Cáilte, Sohn von Ronan, Diarmuid, Sohn von Conn und Oisín, von dem niemand genau wusste woher er kam. Ronan hatte ihn als kleinen Jungen beim Jagen im Wald gefunden. Er nahm ihn bei sich auf und gab ihm den Namen Oisín. Ronan und Conn, die bereits verstorben waren, hatten zusammen mit Finn in der Fianna gedient. Sie waren gute und mutige Kämpfer gewesen, aber ob Finn auch auf Cáilte, Diarmuid und Oisín zählen konnte, wusste er nicht, aber er musste es zumindest versuchen, denn eine Wahl hatte er nicht. Aber bevor Finn sich mit den dreien auf Abenteuer einließ, wollte er zumindest testen, wie sie sich im Schwertkampf machten. Finn passte es nicht, das Cáilte und Diarmuid Léine und Brat, die traditionelle Kleidung der Bessergestellten, trugen. Was ihn störte war nicht, dass Cáilte und Diarmuid damit unterstrichen, dass sie der Oberschicht angehörten, sondern dass Léine und Brat unpraktische Kleidungsstücke waren, die einem beim Kampf nur behinderten. Ein langes Gewand und darüber noch ein Mantel ohne Ärmel. Finn fragte sich, wer solch unpraktische Kleidung wohl erfunden hatte und wer erlassen hatte, dass jeder der etwas auf sich hielt, das tragen sollte. Was Finn an Oisíns Auftreten nicht gefiel, war etwas ganz anderes. Zwar trug Oisín wie Finn selbst Inar und Truin - einen kurzen Mantel mit Ärmeln und einer Hose - doch Oisíns Inar und Truin wirkten nicht nur ärmlich. Was Oisín trug, unterstrich ganz deutlich, dass er sich einen Dreck darum scherte, was die Leute von ihm dachten.
Doch als Finn Cáilte, Diarmuid und Oisín zum Zweikampf bat, war dieser positiv überrascht. Cáilte und Diarmuid kämpften trotz ihrer anmaßenden und unpraktischen Kleidung recht passabel und von Oisín wäre er beinahe geschlagen worden. Finn musste zweifellos ein wenig aus der Übung sein und Oisín war offenbar gut von Ronan, seinem Ziehvater, unterrichtet worden. Warum hatte Ronan seinen leiblichen Sohn nicht genau so gut unterrichtet, fragte sich Finn. Aber Finn war klar, dass Unterricht nicht alles war. Oisín hatte einfach Talent und das fehlte Cáilte und Diarmuid.
Da Finn genaue Informationen über die schwarzen Reiter fehlten, beschloss er den weisen Druiden von Garrán Dubh aufzusuchen. Der Garrán Dubh lag in der Nähe von Loch Dearg, am äußersten Ende von Connacht. Der Weg von Cruachan Aí war recht weit. Der Druide und sein dunkler Wald wurden in Connacht gefürchtet. Einige glaubten sogar, dass der Druide zu den Tuatha de Danaan gehörte. Finn machte das keine Angst. Er hatte vielmehr Angst, dass der Druide, von dem man ihm erzählt hatte, inzwischen auch gestorben war.
Also zog Finn mit Oisín, Cailte und Diarmuid los. Auch Ríoghnach nahm Finn mit. Er wollte sie nicht alleine in Cruachan Aí zurücklassen. Mit ihren langen blonden Haaren, ihrem langen blauen Léine und ihrem goldenen Schmuck fiel sie dort zu sehr auf, wie eine weiße Blume unter hundert roten. Finn hatte Angst, dass Ríoghnach in Cruachan Aí in seiner Abwesenheit etwas zustoßen könnte und so nahm er sie kurzerhand mit. Ríoghnach selbst kam nur widerwillig mit, denn Diarmuid und Cáilte hatten es nicht versäumt, ihr Schauergeschichten über den Druiden und den dunklen Wald zu erzählen.