Читать книгу DIE VERSCHWÖRUNG DER SCHATTEN - Sören Prescher - Страница 5
Prolog
ОглавлениеEiskalt peitschten ihm Wind und Novemberregen ins Gesicht. Seine Kleidung war durchnässt. Norman Hancock ignorierte es ebenso wie die Tatsache, dass er fror und mit den Kräften am Ende war.
Jeder normale Mensch hätte sich irgendwohin verkrochen, wo es trocken und warm war. Für ihn kam eine Pause nicht infrage. Nicht mal für fünf Minuten. Unter freiem Himmel war er am einfachsten aufzuspüren, aber auch in normalen Gebäuden wollte er sich nicht verstecken. Jeder, der ihn irgendwo beobachtete, könnte einer ihrer Spione sein.
Im Schatten der Häuserschluchten eilte er weiter. Kaum eine Menschenseele begegnete ihm, und wenn, dann waren die Köpfe eingezogen und die Mantelkragen hochgeschlagen. Eine streunende Katze kreuzte seinen Weg und erschreckte ihn.
»Scheiße!«
Er zwang sich dazu, schneller zu laufen. Hinter ihm schepperte es. Hoffentlich nur eine Konservendose. Norman betete, dass ihm die Jäger nicht mehr auf der Spur waren.
Er warf einen Blick über die Schulter. Zu sehen war nichts. Aber er wusste besser als jeder andere, dass dies nichts zu bedeuten haben musste. Seit Beginn seiner Flucht hatte er sich oft in trügerischer Sicherheit gewogen. Jedes Mal war er danach nur um Haaresbreite dem Tod entkommen. Die dunklen Männer waren nicht dumm. Im Gegenteil. Diese gesichtslose Brut war teuflisch gefährlich und ebenso gewitzt.
Was passierte, wenn sie ihn in die Finger bekämen, wagte er sich nicht vorzustellen. Er hatte Andeutungen darüber gehört, und selbst wenn nur ein Bruchteil davon stimmte, gab es keinen Grund anzunehmen, dass sie ihn verschonen würden. Der Tod wäre etwas Harmloses im Vergleich zu dem, was ihn in dem Fall erwarten würde.
Drei Seitenstraßen weiter lag sein Ziel vor ihm. Ein graues Reihenhaus, so unscheinbar wie alle anderen in diesem Viertel. Doch so unscheinbar es auf den ersten Blick aussah, so wichtig war es für alle Eingeweihten. Wenn er hier auf die richtigen Leute traf, könnte das Schlimmste vielleicht noch abgewendet werden. Da hieß, sofern sie ihm glaubten.
Vor dem Eingang flackerte eine Laterne. Norman wusste, dass die gesamte Gegend mit Kameras überwacht wurde. Sicher war er längst bemerkt worden. Zu erkennen gab sich trotzdem niemand. Im Inneren des Hauses brannte kein Licht.
Erwartete ihn ein Hinterhalt? Über diese Frage dachte er seit Stunden nach. Doch er hatte den weiten Weg nicht auf sich genommen, um jetzt zu kneifen. Die Straßenlaternen zeichneten flüchtige Schatten an die Hauswände. Sein Magen verkrampfte sich.
Nur nicht die Nerven verlieren.
Die Haustür war unverschlossen. Ein weiteres schlechtes Zeichen. Drinnen tauchte ein Lichtsensor den Treppenflur in gelbes Neonlicht. Noch immer war niemand zu sehen, geschweige denn zu hören. Norman suchte alles ab und fühlte sich mit jedem Zimmer elender. Das Haus war leer. Absolut kein Hinweis mehr auf die Leute, die sich hier normalerweise aufhielten.
Verdammt! Waren sie aufgeflogen? Kampfspuren gab es keine, doch das hatte ebenfalls nichts zu sagen. Benommen taumelte er hinaus, weil er auf einmal das Gefühl hatte, im Hausflur keine Luft mehr zu bekommen. Draußen würgte er, übergab sich aber nicht. Was sollte er jetzt tun? Gerade eben hatte sich seine letzte Chance in Luft aufgelöst. Es gab keinen Ort mehr, an den er gehen konnte. Alles war verloren und die Welt dem Untergang geweiht.