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Kapitel 3 Die Abstufung der Welten
ОглавлениеWenn wir die Abstufung der Welten oder Ebenen als Ganzes betrachten, erkennen wir sie als eine große, zusammenhängende, komplexe Bewegung; die höheren wirken auf die niederen ein, die niederen reagieren auf die höheren und entwickeln und manifestieren in sich - innerhalb ihrer eigenen Gegebenheiten - etwas, das der höheren Macht und deren Wirken entspricht. So entfaltete die stoffliche Welt, indem sie einem Druck der vitalen Ebene nachgab, das Leben und später das Mental, indem sie einem Druck der mentalen Ebene folgte. Nun versucht sie, das Supramental zu entfalten, einem Druck der supramentalen Ebene gehorchend. Dies heißt im einzelnen, dass bestimmte Kräfte, Bewegungen, Mächte und Wesenheiten einer höheren Welt in eine niedere eindringen können, um dort entsprechende und korrespondierende Formen zu schaffen, die sie mit dem stofflichen Bereich verbinden und dort ihr Wirken gleichsam nachbilden oder übertragen. Und alles, was hier geschaffen wurde, besitzt feinstoffliche Hüllen oder Formen, die es stützen und erhalten und die es mit den von oben wirkenden Kräften verbinden. Der Mensch zum Beispiel besitzt neben seinem grobstofflichen physischen Körper feinstofflichere Hüllen oder Körper, durch welche er im Verborgenen in direkter Verbindung mit überstofflichen Bewusstseinsebenen steht und durch deren Mächte, Bewegungen und Wesenheiten er beeinflusst werden kann. Was im Leben stattfindet, hat immer präexistente Bewegungen und Formen in den okkult-vitalen Ebenen hinter sich; was im Mental stattfindet, setzt präexistente Bewegungen und Formen in den okkult-mentalen Ebenen voraus. Dies ist ein Aspekt der Dinge, der immer offenkundiger, eindringlicher und wichtiger wird, je weiter wir in einem dynamischen Yoga voranschreiten.
Doch all dies darf nicht in einem zu starren, mechanischen Sinn aufgefasst werden. Es ist eine ungeheuer plastische Bewegung, voll das Spiels der Möglichkeiten, und muss mit anpassungsfähigem und feinem Empfinden oder Sinn von einem aufmerksamen Bewusstsein erfasst werden. Man kann es auf keine unerbittlich logische oder mathematische Formel zurückführen. Zwei oder drei Punkte will ich hervorheben, damit wir diese Plastizität nicht aus dem Auge verlieren.
Erstens: Jede Ebene ist trotz ihrer Verbindung mit anderen darüber oder darunter dennoch eine Welt für sich mit eigenen Bewegungen, Kräften, Wesenheiten, Typen und Formen, die um ihrer selbst und derentwillen besteht, ihren eigenen Gesetzen gemäß, für ihre eigene Manifestation ohne wahrnehmbaren Bezug zu anderen Gliedern der großen Reihen. Daher sehen wir, wenn wir die vitale oder feinstofflich-physische Ebene betrachten, große Bereiche, die meist für sich bestehen, ohne jede Beziehung zur stofflichen Welt und ohne Neigung, eine entsprechende Manifestation in diese herabzusenden. Wir können bestenfalls sagen, dass das Vorhandensein einer Sache auf der vitalen oder feinstofflich-physischen oder auf irgendeiner anderen Ebene die Möglichkeit für eine entsprechende Manifestation in der physischen Welt schafft. Es ist jedoch ein Übriges erforderlich, damit diese statische oder latente Möglichkeit sich in eine dynamische Macht oder in einen tatsächlichen Impuls zu einer stofflichen Gestaltung wandelt. Dieses Übrige kann in einem Ruf von der stofflichen Ebene bestehen, z.B. eine Kraft oder ein Mensch im physischen Dasein tritt in Kontakt mit einer überphysischen Macht oder Welt oder einem Teil von ihr und wird veranlasst, diese in das Erdenleben herabzubringen. Oder aber es kann ein Impuls sein, der aus der vitalen oder einer anderen Ebene selbst stammt, z.B. ein vitales Wesen wird veranlasst, sein Wirken auf die Erde auszudehnen und dort ein Königreich für sich oder für das Spiel der Kräfte in seinem ureigenen Bereich zu errichten. Oder es kann auch durch einen Druck von darüber sein; wenn z.B. eine supramentale oder mentale Macht ihre Gestaltung von oben herabbringt und Formen und Bewegungen auf der vitalen Ebene als einem Durchgangsbereich für deren Gestaltung in der stofflichen Welt entwickelt. Oder aber es kann sein, dass alle diese Dinge zusammenwirken, wobei dann die größte Wahrscheinlichkeit einer wirklichen Gestaltung [in der Materie] besteht.
Daraus folgt als nächstes, dass nur ein kleiner Teil der Tätigkeit der vitalen oder einer anderen höheren Ebene das Erdendasein betrifft. Doch selbst dies erzeugt eine Unzahl von Möglichkeiten, die viel größer ist, als die Erde in der ihr eigenen, weniger plastischen Struktur gleichzeitig manifestieren oder enthalten kann. Nicht alle diese Möglichkeiten verwirklichen sich; einige scheitern völlig und hinterlassen bestenfalls eine Idee, die zu nichts führt; einige versuchen es ernsthaft, doch sie werden zurückgedrängt und vereitelt, und selbst wenn sie eine Zeit lang tätig sind, führen sie zu nichts. Andere bewirken eine halbe Manifestation; dies ist das häufigste Ergebnis, umso mehr als diese vitalen oder anderen überstofflichen Kräfte in Widerstreit miteinander geraten und nicht nur den Widerstand des physischen Bewusstseins und der Materie überwinden müssen, sondern ebenfalls ihren eigenen verbissenen Widerstand gegeneinander. Einer gewissen Anzahl gelingt es, eine vollständigere und erfolgreichere Schöpfung herabzubringen, und wenn du diese mit ihrem Original auf der höheren Ebene vergleichst, wirst du eine starke Ähnlichkeit erkennen oder sogar eine scheinbar genaue Nachbildung oder Übertragung von der überphysischen auf die physische Struktur. Doch selbst hier ist die Genauigkeit nur eine scheinbare; allein die Tatsache der Übertragung auf eine andere Substanz oder einen anderen Rhythmus der Manifestation bedingt eine Verschiedenheit. Es ist etwas Neues, das sich manifestiert, und das ist es, was diese Erschaffung lohnend macht. Welchen Wert zum Beispiel hätte eine supramentale Schöpfung auf Erden, wenn sie nur die Wiederholung einer supramentalen Schöpfung auf der supramentalen Ebene wäre? Sie ist es im Prinzip, und doch ist sie etwas anderes, nämlich eine siegreiche neue Selbst-Entdeckung des Göttlichen in Voraussetzungen, die nirgendwo anders zu finden sind.
Kein Zweifel, das Feinstofflich-Physische ist dem Physischen am nächsten und ähnlichsten. Und dennoch unterscheiden sich die Voraussetzungen und die Sache selbst. Zum Beispiel hat das Feinstofflich-Physische eine Freiheit, Plastizität, Intensität, eine Macht, Farbe, Weite, ein mannigfaches Spiel (tausende von Dingen gibt es dort, die hier nicht sind), für die wir bislang noch keine Möglichkeit auf Erden haben. Und doch gibt es hier etwas, eine Macht des Göttlichen, welche jenes andere – trotz seiner größeren Freiheiten – nicht besitzt, etwas, das die Erschaffung schwieriger macht, doch letzten Endes die Mühe lohnt.
1. September 1930