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Kapitel 4 Die aufsteigende und die herabkommende Bewegung

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Die beiden Bewegungen, deren offensichtliche Widersprüchlichkeit dich verwirren, sind die beiden Enden eines einzigen Bewusstseins, deren Bewegungen, jetzt voneinander getrennt, zusammenfinden müssen, wenn die Lebens-Macht ihre immer vollkommenere Wirkungsweise und Erfüllung oder die Umwandlung, die wir erhoffen, erfahren soll.

Das vitale Wesen mit seiner Lebens-Kraft ist das eine dieser Enden; das andere ist eine latent dynamische Macht des höheren Bewusstseins, durch die die Göttliche Wahrheit wirken kann, durch die sie das Vital und seine Lebens-Kraft ergreifen und für einen größeren Zweck hier gebrauchen kann.

Die Lebens-Kraft im Vital ist das unerlässliche Instrument für jede Einwirkung der Göttlichen Macht auf die stoffliche Welt und die physische Natur. Daher kann es erst ein göttliches Leben geben, wenn dieses Vital umgewandelt und zu einem reinen und starken Instrument der Göttlichen Shakti gemacht wurde. Erst dann kann die erfolgreiche Umwandlung der physischen Natur oder eine unbehinderte, vollkommene göttliche Einwirkung auf die äußere Welt stattfinden; denn mit den Mitteln, die uns gegenwärtig zur Verfügung stehen, ist jedes derartige Wirken ausgeschlossen. Das ist der Grund, warum du fühlst, dass die vitale Bewegung alle Energie, die man braucht, verschafft, dass alle Dinge mit Hilfe dieser Energie möglich sind und du mit ihr jede Erfahrung, die du willst, haben kannst, ob gut oder schlecht, ob des gewöhnlichen oder des spirituellen Lebens – und dies ist ebenfalls der Grund, warum, sobald diese Energie kommt, du die Macht das Körper-Bewusstsein und seinen Stoff durchdringen fühlst. Was den Kontakt mit der Mutter im Vital anbelangt sowie deine Empfindung davon als einer schönen und kostbaren Erfahrung, so ist auch dies natürlich und richtig; denn das Vital, ebenso wie die Seele und jeder andere Teil des Wesens, muss die Göttliche Mutter fühlen und ihr sich gänzlich geben.

Doch das eine darf nie vergessen werden, dass das vitale Wesen und die Lebens-Kraft im Menschen vom Göttlichen Licht getrennt sind und, derart getrennt, ein Instrument für jegliche Macht sind, die sie ergreifen kann, sei es eine lichte oder finstere, eine göttliche oder ungöttliche. Meist dient die vitale Energie den gewöhnlichen dunklen oder halbbewussten Bewegungen des menschlichen Mentals und des menschlichen Lebens, seinen normalen Vorstellungen, Interessen, Leidenschaften und Begierden. Doch es ist möglich, dass die vitale Energie sich über ihre normalen Grenzen ausdehnt und derart vergrößert einen Impuls, eine Intensität und eine Steigerung oder eine Sublimierung ihrer Kräfte erfährt, durch die sie zu einem Instrument, entweder der göttlichen Mächte, der Mächte der Götter oder der Kräfte der asura werden kann, ja geradezu werden muss. Oder wenn die sichere innere Kontrolle in der Natur fehlt, kann das Wirken der vitalen Energie zu einer verworrenen Mischung dieser Gegensätze werden oder in unbeständigem Hin und Her einmal der einen und einmal der anderen Macht dienen. Es ist daher nicht genug, dass eine große vitale Energie in dir wirkt; sie muss in Kontakt mit dem höheren Bewusstsein gebracht werden, sie muss der wahren Kontrolle unterworfen werden, sie muss unter die Herrschaft des Göttlichen gelangen. Das ist auch der Grund, warum manchmal Verachtung für das Wirken der vitalen Kraft empfunden wird oder weshalb man sie verurteilt, denn sie besitzt ein unzureichendes Licht, ihre Beherrschung ist ungenügend, und sie ist mit einer unwissenden und ungöttlichen Bewegung verbunden. Daher ist es notwendig, sich der Inspiration und Macht aus höherer Quelle zu öffnen. Die vitale Energie als solche führt nirgendwohin, sie bewegt sich in wechselhaften, oft leidvollen und verderblichen Kreisen und führt sogar zum Abgrund, da sie die rechte Führung nicht hat; sie muss mit der dynamischen Macht des höheren Bewusstseins in Verbindung gebracht werden sowie mit der Göttlichen Kraft, die durch sie für einen großen und lichtvollen Zweck wirkt.

Es gibt zwei notwendige Bewegungen, damit diese Verbindung zustandekommt. Eine ist nach oben gerichtet; das Vital erhebt sich, um die Verbindung mit dem höheren Bewusstsein einzugehen, und tränkt sich mit dem Licht und dem Impuls einer höheren Kraft. Die andere ist nach unten gerichtet; das Vital verharrt schweigend, beruhigt, rein, bar der gewöhnlichen Bewegungen, und wartet, bis die dynamische Macht von darüber in es herabkommt, es in sein wahres Selbst wandelt und seine Bewegungen sowohl mit Wissen als auch mit Macht versieht. Daher fühlt der Sadhak manchmal, dass er in ein glücklicheres und edleres Bewusstsein aufsteigt, dass er in einen helleren Bereich und eine reinere Erfahrung eintritt; doch manchmal fühlt er im Gegenteil die Notwendigkeit, sich zurück ins Vital zu wenden, dort die Sadhana auszuüben und das wahre Bewusstsein in es herabzubringen. Diese beiden Bewegungen widersprechen sich nicht eigentlich; sie ergänzen sich und bedürfen einander, das Aufsteigen bewirkt das göttliche Herabkommen, das Herabkommen vollendet das, wonach das Aufsteigen strebt, und macht es unausweichlich.

Wenn du dich mit dem Vital von seinen niederen Bereichen erhebst und es der Seele verbindest, dann füllt sich dein vitales Wesen mit jener wahren Sehnsucht und Weihung, die der Seele eigen sind; gleichzeitig überträgt das Vital den Gefühlen seine eigene überschäumende Energie, es verleiht ihnen eine Dynamik für die Wandlung der gesamten Natur bis hinunter zum Allerstofflichsten und für das Herabbringen des göttlichen Bewusstseins in die Erd-Materie. Und wenn es nicht nur die Seele berührt, sondern sich auch mit dem höheren Mental verbindet, wird es fähig, mit einem größeren Licht und Wissen in Berührung zu kommen und diesen zu gehorchen. Das Vital wird gewöhnlich durch das menschliche Mental bewegt und von seinen mehr oder weniger unwissenden Befehlen beherrscht; oder aber es ergreift selbst voller Heftigkeit dieses Mental und gebraucht es zur Befriedigung seiner eigenen Leidenschaften, Impulse und Begierden. Es kann auch die beiden Bewegungen miteinander verbinden, denn das gewöhnliche menschliche Mental ist für ein besseres Wirken oder eine vollkommene Führung zu unwissend. Doch wenn das Vital sich in Kontakt mit dem höheren Mental befindet, kann es von einem größeren Licht und Wissen geführt werden, von einer höheren Intuition und Inspiration, von einer wahreren Unterscheidung und von Offenbarungen göttlicher Wahrheit und göttlichen Willens. Mit diesem Gehorsam des Vitals gegenüber der Seele und dem höheren Mental beginnt dann das yogische Bewusstsein in seinem dynamischen Wirken auf das Leben in Erscheinung zu treten.

Doch auch dies genügt nicht für das göttliche Leben. Mit dem Bewusstsein des höheren Mentals in Berührung zu kommen, reicht nicht aus, es ist sozusagen ein unerlässliches Stadium. Es muss ein Herabkommen der Göttlichen Kraft von noch erhabeneren und machtvolleren Bereichen stattfinden. Eine Umwandlung des höheren Bewusstseins in ein supramentales Licht und eine supramentale Macht, eine Umwandlung des Vitals und seiner Lebens-Kraft in ein reines, weites, ruhiges, intensives und machtvolles Instrument der Göttlichen Energie, eine Umwandlung des Physischen selbst in eine Form göttlichen Lichts und göttlichen Wirkens, göttlicher Stärke, Schönheit und Freude sind unmöglich ohne diese herabkommende Kraft von uns noch unsichtbaren Höhen. Das ist der Grund, warum in diesem Yoga der Aufstieg zum Göttlichen, den er gemein mit anderen Yogapfaden hat, nicht genügt; es muss ebenfalls eine Herabkunft des Göttlichen stattfinden, um alle Energien des Mentals, Lebens und Körpers umzuwandeln.

28. November 1929

Das Rätsel dieser Welt

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