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Kapitel 2 Gedanken und Einblicke
ОглавлениеManchen scheint es anmaßend, an eine besondere Vorsehung zu glauben oder sich für ein Werkzeug in den Händen Gottes zu halten; aber ich finde, dass jeder seine besondere Vorsehung hat, und ich sehe, dass Gott sich der Hacke des Arbeiters bedient und im Mund eines kleinen Kindes plappert.
Vorsehung ist nicht nur, was mich aus dem Schiffbruch rettet, in dem alle anderen untergingen. Vorsehung ist auch, was mir die letzte Planke der Sicherheit entreißt, während alle anderen gerettet werden, und mich im einsamen Ozean ertrinken lässt.
Die Siegesfreude ist manchmal geringer als der Reiz von Kampf und Leid; trotzdem sollte der Lorbeer das Ziel der erobernden menschlichen Seele sein und nicht das Kreuz.
Seelen, die nicht streben, sind Gottes Versager; aber die Natur ist zufrieden und vermehrt sie gern, denn sie sichern ihr die Beständigkeit und verlängern ihre Herrschaft.
Nicht die Armen, Unwissenden, Niedriggeborenen und Ungebildeten machen die gewöhnliche Herde aus, sondern all jene, die sich mit Kleinlichkeit und Durchschnittsmenschentum zufrieden geben.
Hilf den Menschen, aber beraube sie nicht der eigenen Energie; führe und lehre sie, aber sieh zu, dass ihre Initiative und Originalität nichts einbüße; nimm andere in dich auf, aber gib ihnen dafür die volle Göttlichkeit ihrer Natur. Wer das vermag, ist der Führende und der Guru.
Gott hat die Welt zum Schlachtfeld gemacht und sie mit dem Stampfen der Streiter und dem Geschrei eines großen Ringens und Kämpfens erfüllt. Willst du Seinen Frieden erschleichen, ohne den Preis zu zahlen, den Er dafür festgesetzt hat?
Misstraue einem scheinbar vollkommenen Erfolg; freue dich, wenn du nach einem solchen immer noch viel zu tun findest, und gehe weiter; denn die Arbeit bis zur wahren Vollkommenheit währt lange.
Es gibt keinen lähmenderen Irrtum, als eine Stufe für das Ziel zu halten oder zu lange an einem Ruheplatz zu verweilen.
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Wo immer du ein großes Ende siehst, darfst du eines großen Anfangs sicher sein. Entsetzt eine ungeheure, schmerzvolle Zerstörung dein Mental, so tröste es mit der Gewissheit einer großen und weiten Schöpfung. Gott ist nicht nur in der leisen, ruhigen Stimme, sondern auch im Feuer und im Wirbelsturm.
Je größer die Zerstörung, desto freier die Gelegenheiten zum Schaffen; doch schleppt die Zerstörung sich oft lange und bedrückend hin, und die Schöpfung säumt oder wird in ihrem Triumph unterbrochen. Immer wieder kehrt die Nacht zurück und der Tag stockt oder scheint sogar ein trügerischer Anbruch gewesen zu sein. Verzweifle deswegen nicht, sondern wache und wirke. Wer ungestüm hofft, verzagt schnell: Hoffe weder noch fürchte, sondern sei dir Gottes Absicht und deines Willens, zu vollbringen, gewiss.
Die Hand des göttlichen Künstlers arbeitet oft, als wäre sie ihres Könnens und ihres Materials nicht sicher. Sie scheint zu tasten, zu prüfen und abzulassen, aufzugreifen und wegzuwerfen, dann wieder aufzugreifen, sich anzustrengen und zu versagen, auszubessern und zusammenzuflicken. Überraschungen und Enttäuschungen gehören zu seiner Arbeit, bis alles bereit ist. Was ausgewählt war, wird in den Abgrund des Verworfenen geschleudert; was verschmäht war, wird Eckstein eines mächtigen Bauwerks. Hinter alldem aber ist das sichere Auge eines Wissens, das unsere Vernunft übersteigt, und das langmütige Lächeln einer unendlichen Meisterschaft.
Gott hat alle Zeit vor sich und braucht sich nicht dauernd zu beeilen. Er ist sich seines Zieles und Erfolges sicher, und es macht ihm nichts aus, sein Werk hundertmal zu zerbrechen, um es der Vollkommenheit näher zu bringen. Geduld ist unsere erste große notwendige Lektion, jedoch nicht die stumpfe Zurückhaltung des Schüchternen, Zweifelnden, Überdrüssigen, Faulen, Ehrgeizlosen oder Schwachen, sondern eine Geduld voll Ruhe und gesammelter Kraft, die wacht und sich vorbereitet für die Stunde schneller und starker Schläge, zwar weniger, doch genug, um das Schicksal zu ändern.
Warum hämmert Gott so grimmig auf seiner Welt herum, tritt und knetet sie wie Teig, wirft sie so oft in das Blutbad und die rote Höllenhitze des Schmelzofens? Weil die Menschheit in ihrer Masse immer noch ein hartes, grobes oder gemeines Erz ist, das sich anders nicht schmelzen und formen lässt; wie das Material, so die Methode. Möge es mithelfen, sich in ein edleres und reineres Metall zu verwandeln, und Gott wird mit ihm sanfter und angenehmer verfahren, es viel reiner und schöner verwenden.
Warum er solches Material wählte oder schuf, wo er doch aus der ganzen unendlichen Möglichkeit wählen konnte? Weil seine göttliche Idee nicht nur Schönheit, Süße und Reinheit vor sich sah, sondern auch Kraft, Willen und Größe. Verachte die Kraft nicht, noch hasse sie wegen der Hässlichkeit einiger ihrer Gesichter, noch wähne, einzig Liebe sei Gott. Alle vollendete Vollkommenheit muss etwas vom Helden und sogar vom Titanen in sich haben. Die größte Kraft aber wird aus der größten Schwierigkeit geboren.
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Alles würde sich ändern, könnte der Mensch einmal einwilligen, sich spiritualisieren zu lassen; aber seine mentale, vitale und physische Natur lehnen sich gegen das höhere Gesetz auf. Er liebt seine Unvollkommenheiten.
Der Spirituelle Geist ist die Wahrheit unseres Wesens; Mental, Leben und Körper in ihrer Unvollkommenheit sind seine Masken: in ihrer Vollkommenheit aber sollten sie seine Gussformen sein. Nur spirituell zu sein ist nicht genug; das bereitet zwar eine Anzahl Seelen für den Himmel vor, lässt aber die Erde da, wo sie war. Auch ein Kompromiss ist nicht der Weg zum Heil.
Die Welt kennt drei Arten von Revolution. Die materielle zeitigt große Ergebnisse, die moralische und intellektuelle sind unendlich viel weiter in ihrem Ausmaß und reicher in ihrem Ertrag, aber die spirituellen sind die großen Aussaaten.
Könnte diese dreifache Wandlung in völliger Übereinstimmung zusammentreffen, so würde ein makelloses Werk vollbracht; doch Mental und Körper der Menschheit vermögen ein starkes spirituelles Einströmen nicht vollkommen zu fassen: das meiste wird verschüttet, viel vom Übrigen verdirbt. Viele intellektuelle und physische Umbrüche benötigt unsere Erdscholle, damit ein kleiner Ertrag aus einer großen spirituellen Aussaat erwachse.
Jede Religion hat der Menschheit geholfen. Das Heidentum mehrte im Menschen das Licht der Schönheit, die Weite und Höhe seines Lebens, sein Streben nach vielseitiger Vollkommenheit; das Christentum gab ihm eine gewisse Schau der göttlichen Liebe und Güte; der Buddhismus wies ihm einen edlen Pfad, weiser, milder und reiner zu werden, Judentum und Islam lehrten ihn fromme Gläubigkeit im Tun und eifrige Hingabe an Gott; der Hinduismus eröffnete ihm die weitesten und tiefsten spirituellen Möglichkeiten. Es wäre etwas Großes, könnten all diese Gott-Visionen zusammenfinden und ineinander aufgehen; aber intellektuelles Dogma und Kult-Egoismus stehen im Wege.
Alle Religionen haben eine Anzahl Seelen gerettet, aber keine hat es bisher vermocht, die Menschheit zu spiritualisieren. Dazu braucht es weder Kult noch Kredo, sondern eine beständige und alles in sich fassende Bemühung spiritueller Selbstentfaltung.
Die Veränderungen, die wir heute in der Welt sehen, sind intellektuell, moralisch und physisch ihrer Idee und Absicht nach: die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde und wirft inzwischen hier und da ihre Wellen. Bis sie kommt, lässt sich der Sinn der anderen nicht verstehen, und bis dahin sind alle Deutungen des gegenwärtigen Geschehens und alle Voraussagen der Zukunft des Menschen eitel. Denn die Natur dieser Revolution, ihre Kraft und ihr Ablauf sind es, die den nächsten Zyklus unserer Menschheit bestimmen werden.
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