Читать книгу Vermintes Gelände. Eine Streitschrift gegen den Mainstream der deutschen Integrationsdebatte - Stefan Böckler - Страница 6
Warum eine Streitschrift? Warum ein Essay?
ОглавлениеDiese Grundüberzeugungen sind mit der Zeit immer deutlicher in Gegensatz zu den in seinem beruflichen und privaten Umfeld vertretenen Überzeugungen geraten, was Anlass für vielfältige Diskussionen und einschlägige Publikationen gegeben hat. Die Resonanz auf diese Interventionen war durchweg enttäuschend: Entweder wurden sie überhaupt nicht wahrgenommen oder trafen bei den Adressaten auf keinerlei Bereitschaft, die eigenen Überzeugungen zu überprüfen. Wenn man über Jahrzehnte hinweg dieselben aus der eigenen Sicht überzeugenden Argumente ins Feld führt und auf derartige Reaktionen stößt, baut sich unvermeidlich einiger Ärger auf, dem im Folgenden in entsprechendem Ton öffentlicher Ausdruck gegeben werden soll – selbstverständlich auf Basis der Annahme, dass die gelieferten Argumente jenseits eines solchen persönlichen Ärgers auch für andere mit diesem Thema Befassten zu einem besseren Verständnis der Probleme und Perspektiven von Integrationsprozessen beitragen.
Dass die daraus hervorgegangene ‚Streitschrift‘ die Form eines Essays angenommen hat, hängt mit den spezifischen Möglichkeiten zusammen, die dieses literarische Genre bietet. In gedrängter Form erlaubt es eine Entfaltung und Zuspitzung von Thesen, ohne in jedem Fall einen umfassenden und systematischen empirischen Beleg (in diesem Fall an der Literatur- und Diskussionslage) erbringen zu müssen1. Tatsächlich hätte eine im strengen Sinne wissenschaftlich-akademische Beschäftigung mit der Vielfalt der angesprochenen Aspekte des Integrationsdiskurses den Rahmen einer einzelnen Publikation mit Sicherheit gesprengt. Wenn sie doch leistbar gewesen wäre, hätte sie darüber hinaus allenfalls das engere Fachpublikum erreicht; dies wäre dem Charakter einer Streitschrift, die auf ein möglichst breites Publikum zielt, nicht gerecht geworden. (Allerdings geht der Autor davon aus, dass die von ihm gelieferte Beschreibung des Diskussionsstandes in einem umfassenderen Kontext auch einer systematischen Überprüfung standhalten würde.)
Nicht zuletzt erlaubt es der Verzicht auf eine streng wissenschaftliche Vorgehensweise auch, persönliche Forschungserfahrungen mit dem Thema einzubringen, Erfahrungen, die grundlegend für die Anliegen des Essays waren und diese häufig besser veranschaulichen können als auf Allgemeingültigkeit zielende Argumentationen.
Tatsächlich bilden solche persönlichen Erfahrungen in der Forschung zu interkulturellen und Integrationsfragen den Ausgangspunkt und das Rückgrat des Textes. Dies hat unvermeidlich zur Folge, dass dieser Text immer wieder von konkreten Personen und Institutionen und nicht nur von theoretischen Positionen und Forschungsergebnissen handeln wird. Dort wo die dargestellten Positionen und Diskussionen öffentlich dokumentiert sind, werden die jeweiligen Autoren2 und ihre Texte benannt. In Bezug auf informelle Stellungnahmen und Debatten wird hingegen das mögliche Höchstmaß an Anonymisierung gewahrt: In diesem Fall werden die Namen der Beteiligten nicht genannt und nur die für den Nachvollzug der Sachlage notwendigen Informationen geliefert. Das schließt nicht aus, dass für ‚Insider‘ der Debatte aufgrund dieser Informationen auch in solchen Fällen erschließbar ist, um welche Personen bzw. Institutionen und um welche Forschungszusammenhänge es jeweils geht. Für diesen Fall kann nur unterstrichen werden, dass es dem Text nicht in erster Linie um die Zuschreibung persönlicher oder institutioneller Verantwortlichkeiten geht, sondern die beschriebenen Fehlleistungen strukturelle Defizite des Integrationsdiskurses betreffen. Eine der Thesen des Textes besteht ja gerade darin, dass diese Defizite den Integrationsdiskurs personen- und institutionenübergreifend charakterisieren.