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Dritte Kreativitätsstrategie: Ein großer Visionär.

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Seit er 1882 in Budapest als Telegrafenamtstechniker bei einer der europäischen Repräsentantenfirmen von Thomas Edison arbeitete, wollte er den großen Erfinder kennenlernen. Denn seit er sich mit der Gramme-Maschine, einem neuartigen Gleichstromgenerator während seines Studiums an der Technischen Hochschule in Graz beschäftigte, tüftelt er an einer Idee. Ein Magnet rotiert in einer Spule und wechselt damit nach einer Bewegung von 180 Grad automatisch seine Polarität. Damit wechselt der Strom regelmäßig von Plus nach Minus und die Spannung lässt sich wechselseitig abgreifen. Mit anderen Worten: die elektrischen Teilchen bewegen sich nicht gleichförmig, sondern sie Wechseln die Fließrichtung. Dadurch kann ein so genanntes Drehfeld erzeugt und damit direkt Motoren angetrieben werden. Zumindest in der Vorstellung des jungen Physikstudenten. Seine Idee Motoren durch wechselnde Magnetfelder anzutreiben, verulkte sein damaliger Physikprofessor mit der höhnischen Bemerkung, dass sei ja ein Perpetuum Mobile. Doch so ein genialer Denker wir Edison, der werde das verstehen, davon war der junge Telegrafenmechaniker, der nie sein Studium abgeschlossen hatte, überzeugt. Was er damals nicht ahnte war, dass Edison gar kein Denker war, er war ein Tester. Edison probierte und probierte bis es klappt. Im Gegensatz zu unserem jungen Mechaniker, der war in der Lage, sich eine technische Lösung vorzustellen und baute sie dann einfach nach. So jemanden wie ihn werde Edison gut gebrauchen können. Sein Name: Nikola Tesla. Seine Leistung: Die Idee, Motoren mit rotierenden Magnetfeldern anzutreiben. Mit seiner Idee und seinem Selbstbewusstsein machte sich Tesla fast mittellos von Europa auf den Weg nach New York, um Edison kennenzulernen. In der Tasche hatte er ein Empfehlungsschreiben eines der Firmenvertreter Edisons in Paris. Auf dem Schiff zur USA verlor er sein Geld, viele seiner persönlichen Dokumente und wäre fast bei einer Meuterei ums Leben gekommen. Doch nun stand er 1884 im berühmten Menlo-Park in New Jersey, überall wurde an elektrischen Geräten, an Kabeln und an Glühbirnen gearbeitet. Eine Wunderland für den technikverrückten Tesla. Edison hatte in Lower Manhattan um die Pearl-Street-Station ein ganzes Stadtviertel mit Strom versorgt - durch das erste Gleichstromkraftwerk der Welt. Edisons hatte mittlerweile einen Großteil seiner Aktivitäten nach New York verlegt. Völlig geschafft von der gefährlichen Reise, aber förmlich elektrisiert von der bevorstehenden Begegnung mit Edison, überreichte Tesla dem großen Erfinder sein Empfehlungsschreiben. Edison las die Worte des Briefes: „Ich kenne zwei große Männer. Der eine sind Sie, mein lieber Edison und der andere ist eben dieser junge Mann“. Edison stellte Tesla kurzerhand ein und übertrug ihm eine schwierige Aufgabe, die Reparatur eines auf einem Schiff installierten Generators. Tesla durchschaute das Gerät schnell und schaffte die Aufgabe mit Bravour. Nun wollte er die Gelegenheit nutzten und Edison von seinem Wechselstromgenerator überzeugen. Zu unsicher sei diese Art von Strom, der berühmteste Erfinder Amerikas lehnte ab. Er versprach Tesla allerdings 50.000$ für die Lösung einer weiteren kniffligen Aufgabe. Enttäuscht von dem Misserfolg machte er sich an die neue Aufgabe. Als Tesla auch diese Aufgabe erfüllte, behauptet Edison, sein Versprechen, er bekäme 50.000$, sei ein Scherz gewesen. Er müsse sich an amerikanischen Humor gewöhnen. Daraufhin verlässt Tesla Edisons Firma. Nun steht er wieder an einem Neuanfang. Doch das schreckt Tesla nicht. Denn er steht ja nicht mit leeren Händen da, er hat eine Vision. Die Vision, die ganze Welt mit Strom zu versorgen, mit Wechselstrom. Visionäre benötigen meist Menschen, die bereit sind, Mittel bereitzustellen, um die Vision umzusetzen. Tesla fand diese Unterstützer in Alfred S. Brown und den Anwalt Charles F. Peck von der Western Union und später, als diesen der finanzielle Atem aus ging, in dem Großindustriellen Georg Westinghouse. Mit Westinghouse entwickelt Tesla sein System des Wechselstroms und es entsteht das was als „Stromkrieg“ in die Geschichte einging. Edison führte eine Marketingkampagne gegen den „Todesstrom“ und bewies die Gefahr durch Wechselstrom indem er Tiere mit Stromschlägen tötete - überliefert sind Filmaufnahmen eines durch Strom getöteten Elefanten. Der Höhepunkt Edisons Kriegszug war seine Empfehlung mit Wechselstrom einen verurteilten Mörder hinzurichten, was auch geschah. Die Stimmung in der Bevölkerung ist zwar durch Edison geprägt, jedoch liegen die zentralen Vorteile des Wechselstroms auf der Hand, nämlich die Möglichkeit den Strom über weite Distanzen ohne große Spannungsverluste zu transportieren. Edison muss mit seinem Konzept des Gleichstroms alle paar Kilometer eine neue Travostation aufbauen. Schließlich erhält die Westinghouse Company den Auftrag, die Niagarafälle für die Stromgewinnung zu nutzen. Entschieden wird der Stromkrieg dann durch den staatlichen Auftrag, die Weltausstellung 1893 in Chicago zu beleuchten. Teslas Vision wird Wirklichkeit als am 1. Mai Präsident Grover Cleveland die Weltausstellung eröffnet und das gesamte Gelände von tausenden Glühbirnen (nicht jenen von Edison) beleuchtet wurde.

Ist das der Funktionsplan der Innovation? Jemand mit einer Vision und der Kühnheit diese realisieren zu wollen in Kombination mit jemanden, der die Mittel und den Wille hat, die Vision zu finanzieren? Also bedarf es für das Neue einer glasklaren Vision und einer Person, die gegen alle Widerstände, fast selbstzerstörerisch, diese Vision unterstützt? Diese Antwort ist etwas zu einfach. Aber wir sind damit schon nah an dem Schlüssel zu Kreativität und Innovation. Denn die drei Beispiele erzählen drei gleichermaßen unterschiedliche wie auch gültige Geschichten der Kreativität:

 Zeit und Geduld!

 Fähigkeiten und Genie!

 Vision und Durchsetzungsvermögen!

Die Antwort auf die Frage was Kreativität konkret bedeutet fällt uns viel leichter als die Frage nach den Quellen der Kreativität. Kreativität ist das Produkt eines langen evolutionären Prozesses und findet seinen Ausdruck in der Fähigkeit aus Chaos Ordnung zu schaffen, vorhandene Informationen zu verarbeiten, einzuschätzen und daraus überlebenswirksame Verhaltensmuster zu entwickeln. Wenn das gelingt, dann können wir eine noch nie erfahrene Situation meistern. Diese Definition ist relativ unumstritten. Aber wie kommen wir dahin? Wie entsteht Kreativität?

Die drei vorgestellten Wege zum kreativen Erfolg können kaum unterschiedlicher sein und doch sind durch kreative Leistungen vollbracht worden. Kreative erklären die Welt, andere Kreative verbessern sie und wieder andere Kreative erfinden eine völlig neue Welt. Was bedeutet das für Kreative Arbeit? Ist Kreative Arbeit eng an den Handlungsstil einer einzelnen Person gebunden und somit mit dieser Person gleichzusetzen? Ist Kreativität damit eigentlich nicht extern oder bewusst zu gestalten? Bleibt uns nichts anderes übrig als auf das kreative Genie zu vertrauen? Die Antwort lautet: Nein! Es gibt annähernd bestimmbare übergeordnete Strukturmerkmale von Kreativität, mit denen wir Kreative Arbeit gestalten können und mit denen wir das Kreative Kapital eines Vorhabens einschätzen können. In der vorliegenden Beschreibung von Kreativität und in den Geschichten kreativer Persönlichkeiten und innovativer Produkte wird deutlich, dass Kreatives Kapital neben den individuellen Fähigkeiten und der materiellen Ausstattung auch von der Passung der beteiligten Personen und dem situativen Design abhängen, es steht zudem in einem engen Nexus zu dem gesellschaftlichen und unternehmerischen Milieu – und nicht zuletzt hängt kreativer Erfolg von der motivationalen Frage des ethischen Imperativs ab. Kreatives Kapital ist das Gesamt an förderlichen Rahmenbedingungen, die für das Entstehen von Kreativität bedeutsam sind. Die zentrale Frage, die mit dem Modell des Kreativen Kapitals beleuchtet werden soll, ist daher:

Lassen sich Anzeichen für kreativen Erfolg diagnostizieren?

Kreativität ist kein schwammiges Phänomen, welches sich kaum fassen lässt und irgendwann, irgendwo und irgendwie passiert. Die Handlungsebene der Kreativität, die Kreative Arbeit, lässt sich zumindest bis zu einem annähernden Grad definieren und damit förderliche Umweltbedingungen kultivieren und kreative Prozesse beschreiben. Und doch steht die Qualität kreativer Arbeit immer auch in einem engen Verhältnis zu einem bestimmten Sinngeber. Diese Person ist kein sagenumworbenes Genie, sondern ein Prozessgestalter und ein Team-Genie. In diesem Buch werden die gestaltbaren Rahmenbedingungen für das Entstehen von Kreativität herausgearbeitet und mit konkreten Interventionsstrategien handhabbarer gemacht.

Was haben nun Charles Darwin, Konrad Zuse und Nikola Tesla gemeinsam? Alle drei sind jung und unerfahren und dadurch draufgängerisch. Darwin hinterfragt die göttliche Ordnung, Zuse kündigt in unsicheren Zeiten seine sichere Arbeitsstelle und Tesla kümmert sich nicht darum was die anderen sagen. Ältere und Erfahrenere würden sie vielleicht sogar als blauäugig bezeichnen. Das was wir bei Darwin, Zuse und Tesla beobachten können ist jedoch vielmehr eine zentrale Eigenschaft kreativer Personen: Ambiguitätstoleranz – die Fähigkeit also, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungen zu ertragen und mit der Unsicherheit einer unkontrollierten Situation umzugehen. Aber das allein macht sie noch nicht zu Kreativen. Denn vor allem eint sie eines und unterscheidet sie von vielen anderen: Diesen drei Kreativen ist es gelungen, das für sie förderliche Umfeld und die für sie förderlichen Unterstützer zur Freisetzung ihrer individuellen Kreativität zu finden und zu gestalten. Das ist die zentrale Erkenntnis aus 150 Jahren wissenschaftlicher Kreativitätsforschung: Nicht das Genie einer singulären Person ist entscheidend für Innovation, sondern das Konstruieren eines kreativitätsfördernden Umfeldes zur Freisetzung kollaborativer Kreativität. Wenn das gelingt, dann ist, wie der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow (1999, 2015) betont, mit dem richtigen Team und in dem richtigen Feld jeder in der Lage, kreative Leistungen zu vollbringen. Und darum wird es in diesem Buch gehen: um die Konstruktion kreativitätsförderlicher Umgebungen und um das Ausschöpfen kollaborativer Kreativität.

Kreatives Kapital erzählt die Geschichten von zahlreichen kreativen Personen und analysiert ihr kulturelles und interpersonales Umfeld. Wir erfahren, warum diese Personen kreativ wurden und wie sie es machten. Es wird deutlich, dass diese Kreativen selten Ausreißer oder Überflieger sind. Es sind vielmehr Kreative, die es schaffen, die Innovationskraft von miteinander arbeitenden Menschen zu bündeln und die Gruppe in einen Flow zu bringen. So z.B. Rainer Mallebrein, der 1968 bei AEG-Telefunken in Konstanz eine erste Computermaus entwickelt hat. Eine weitere Geschichte erzählt vom Aufkommen der Kaffeehauskultur in Europa und welches Strukturmerkmal der Kreativität dahinter steht. Wir lassen uns von einer unbekannten, einer ethischen Seite von Rudolf Diesel überraschen und erfahren, dass gerade Diesel die Nachhaltigkeit der Umwelt von Anfang an im Blick hatte. Wir begleiten den Franziskanermönch Berthold dabei, wie gerade dieser Gottesmann vermeintlich das Kriegshandwerk disruptiv effizienter machte. Erkenntnisreiche Details für das Bestimmen förderlicher Rahmenbedingungen eröffnet uns auch die Geschichte des Computers von Baggage über Zuse bis hin zu google. Spannend daran: es ist auch eine Geschichte der übersehenen Chancen. Wir schauen, welche Herausforderungen die digitale Transformation für Kreative Arbeit bereithält und was die Propheten des Silicon Valleys dazu denken. Wir erkennen die Erfolgsstrategie von Steve Jobs. Diese Geschichten und Analysen werden zum Modell des Kreativen Kapitals verdichtet, welches als Handlungsschablone für die Gestaltung Kreativer Arbeit dienen kann. Ziel des Buchs ist die Entwicklung konkreter Orientierungsmerkmale für Führungskräfte, Teamleiter und Entrepreneure, um Kreative Arbeit zu initiieren und zu gestalten.

Kapitel 1: Wie verändert sich Kreative Arbeit in einer sich stetig entwickelnden Welt?

Kapitel 2: Was ist das Kreative Kapital und wie können wir es nutzen?

Kapitel 3: Was sind die neuralgischen Eckpunkte kreativer Kooperation?

Kapitel 4: Was sind die Faktoren und Handlungsfelder Kreativer Arbeit?

Kapitel 5: Wie können wir unser Kreatives Kapital ausschöpfen und gestalten?

Kreatives Kapital - oder aus welchem Stoff Innovationen sind

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