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Die Atmosphäre

Inhalt

2.1 Zusammensetzung

2.2 Aufbau

2.3 Ozon, Aerosole und chemische Vorgänge

2.4 Kondensation und Wolkenbildung

2.5 Die Clausius-Clapeyron-Beziehung

In diesem Kapitel stehen die Zusammensetzung sowie der Aufbau der Atmosphäre im Vordergrund. Die trockene Atmosphäre besteht aus 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, einem knappen Prozent Argon sowie Spurengasen, welche durch natürliche Prozesse (aus Pflanzen, Böden oder Feuer) oder durch den Menschen ausgestoßen werden. Besonders wichtig sind dabei langlebige Treibhausgase und Ozon. Außerdem enthält die Atmosphäre eine variable Menge an Wasserdampf sowie Aerosole, d.h. flüssige oder feste Schwebeteilchen. Sie wirken sich auf den Strahlungshaushalt, die Wolkenbildung und auf chemische Vorgänge aus.

Die Atmosphäre ist gemessen am Erdumfang extrem dünn. Die unterste Schicht, die Troposphäre, in welcher sich die gesamten Wettervorgänge der Atmosphäre abspielen, erstreckt sich über die untersten 8 bis 16 km. Hier findet vertikaler Austausch (in Form von Konvektion) statt, und die Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab. Darüber liegt die trockene Stratosphäre, in welcher sich die Ozonschicht befindet. In ihr nimmt die Temperatur infolge der Strahlungsabsorption durch Sauerstoff und Ozon nach oben zu. Vertikale Bewegungen sind weitgehend unterbunden.

Atmosphärenchemische Vorgänge sind für das Klimasystem wichtig. Die Bildung und Zerstörung von Ozon (dreiatomigem Sauerstoff) aus zweiatomigem Sauerstoff wirkt als Filter gegen energiereiche Ultraviolettstrahlung. In der Troposphäre fördert Ozon die Selbstreinigungskapazität der Atmosphäre, indem es den Abbau vieler Spurengase einleitet. Ozon ist auch für Strahlungsvorgänge zentral. Aerosole spielen bei der Wolkenbildung eine wichtige Rolle, indem sie durch ihre Löslichkeit die für Tröpfchenbildung nötige Übersättigung heruntersetzen.

Wolkentröpfchen entstehen bevorzugt, wenn genügend Aerosole vorhanden sind. Die Niederschlagsbildung erfolgt dann oft über die Eisphase. Regentropfen sind also in der Regel geschmolzene Schneeflocken. Die Abhängigkeit des Sättigungsdampfdrucks für Wasserdampf von der Temperatur (Clausius-Clapeyron-Gleichung) ist eine zentrale Beziehung für das Klimasystem. Temperaturänderungen, Wasserkreislauf, Energietransport und damit die atmosphärische Zirkulation hängen über die Clausius-Clapeyron-Beziehung miteinander zusammen.

2.1 | Zusammensetzung

Die Atmosphäre wird durch Schwerkraft auf der Erde gehalten

Warum hat die Erde eine Atmosphäre? Die Schwerkraft der Erde ist stark genug, um die meisten Gase vom Entweichen in den Weltraum (durch die Eigenbewegung der Moleküle) abzuhalten. Planeten mit geringerer Schwerkraft haben keine oder nur viel dünnere Atmosphären (vgl. Tab. 1-1). Zwar ist in der oberen Atmosphäre die kinetische Energie und die freie Weglänge für Wasserstoff (H2) und Helium (He) genügend groß, sodass diese Moleküle das Schwerefeld der Erde überwinden und in den Weltraum entweichen können. Mengenmäßig ist dies allerdings nicht relevant.

Atmosphärischer Sauerstoff wurde durch Lebewesen produziert

Die Zusammensetzung der Erdatmosphäre war nicht immer so, wie sie sich uns heute präsentiert, und ihre Zusammensetzung ändert sich weiter. Die Ur-Atmosphäre bestand aus Wasserstoff, Helium, Methan und Ammoniak. Diese leichten Gase gingen aber in der Folge fast vollständig an den Weltraum verloren. Es bildete sich eine Atmosphäre aus Wasserdampf, CO2 und H2S. Die Atmosphäre war lebensfeindlich, sodass Leben nur im Wasser entstehen konnte. Erst allmählich reicherte sich Sauerstoff an. Abb. 2-1 zeigt die Entwicklung des Sauerstoffs und des Ozons in der Erdatmosphäre. Frühe Lebensformen wie das Cyanobakterium gaben Sauerstoff (O2) an die Umwelt ab. Dieser konnte sich allerdings zunächst nicht in der Atmosphäre anreichern: Die Atmosphäre und die Erdoberfläche waren stark reduzierend und damit eine Senke für Sauerstoff. Bevor sich also eine hohe Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre aufbauen konnte, mussten die gesamte Atmosphäre und die Erdoberfläche (beispielsweise eisenhaltige Gesteine) oxidiert werden.

Abb. 2-1 |Entwicklung der Sauerstoff- und Ozonkonzentration in der Erdgeschichte (nach Wayne 2000).


78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, 1 % Argon und Wasserdampf

Spurengase machen <0.05 % der Atmosphäre aus, sind aber wichtig für das Klima

Erst danach konnte sich Sauerstoff in der Atmosphäre anreichern. Es bildete sich eine Ozonschicht, wodurch die Erdoberfläche für Leben bewohnbar wurde. Der atmosphärische Stickstoff (N2) stammt aus der festen Erde und gelangt durch Vulkanausbrüche oder andere geologische Vorgänge in die Atmosphäre. Stickstoff ist praktisch inert, d.h., reagiert in der Atmosphäre kaum (außer bei Blitzen oder bei Beschuss durch kosmische Strahlung), und konnte sich deswegen anreichern. Heute machen Stickstoff 78 % und Sauerstoff 21 % des atmosphärischen Volumens aus. Argon, ein ebenfalls inertes Edelgas, kommt mit knapp 1 % an dritter Stelle. An vierter Stelle kommt global gesehen der Wasserdampf, der allerdings räumlich und zeitlich hoch variabel ist. Abgesehen von Wasserdampf und den Spurengasen verändert sich die Zusammensetzung der Atmosphäre in klimatischen Zeitskalen nicht. Die Konzentrationen von N2 und O2 sind auch bis in große Höhen unverändert. Die weiteren Bestandteile der Atmosphäre machen zusammen weniger als 0.05 % aus, haben aber auf das Klima einen bedeutenden Einfluss. Einige dieser Gase (CO2, CH4) haben wir bereits kennengelernt. Je nach chemischer Lebensdauer sind diese Spurengase global gut gemischt oder geprägt von großen regionalen oder lokalen Unterschieden und vor allem auch von Unterschieden in der Höhenverteilung (vgl. Kap. 2.2). Abb. 2-2 zeigt die wichtigsten Spurengasmoleküle der Atmosphäre: die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) sowie Ozon (O3) und Wasserdampf (H2O).

Abb. 2-2 |Struktur einiger wichtiger mehratomiger Moleküle in der Atmosphäre.


Tab. 2-1 |Die Zusammensetzung der trockenen reinen Atmosphäre (NOAA, Bliefert 2002). Ebenfalls angegeben ist der variable Wasserdampfgehalt, ppm = parts per million = 0.0001 % (zu Konzentrationsmassen vgl. Box 2.2).


2.2 | Aufbau

Die Atmosphäre ist eine dünne Schicht

Nach der Zusammensetzung der Atmosphäre wollen wir in diesem Kapitel den Aufbau der Atmosphäre betrachten, also die Stockwerke der Atmosphäre, die sich bezüglich Temperatur und Druck (und damit Dichte), aber auch hinsichtlich der Spurengaskonzentration (vgl. oben) unterscheiden. Als Folge davon unterscheiden sich auch Strahlungsvorgänge sowie Transport- und Mischungsprozesse in den einzelnen Stockwerken deutlich voneinander. Abb. 2-3 zeigt die Dicke der atmosphärischen Schichten maßstabgetreu im Verhältnis zur Erdkugel. Die Atmosphäre ist eine sehr dünne Schicht. Es ist leicht ersichtlich, dass Bewegungen vor allem horizontal sind, obschon Vertikalbewegungen eine besonders wichtige Rolle spielen. Aber auch die Sicht aus dem Weltraum ( Abb. 2-4) zeigt die Atmosphäre als dünne Hülle.

Abb. 2-3 |Die Erde und ihre Atmosphäre, maßstabgetreu dargestellt. Die Vergrößerung zeigt das Vertikalprofil der Temperatur sowie schematisch der Konzentrationen von Wasserdampf und Ozon. Links ist eine Höhenskala, rechts eine Druckskala angegeben.


Die Troposphäre ist die «Wetterschicht» und enthält fast den gesamten Wasserdampf

Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab

Das zentrale Studienobjekt der Meteorologie und Klimatologie ist die Troposphäre. Sie umfasst die untersten 8 km (in den hohen Breiten) bis 16 km der Atmosphäre (in den Tropen). In ihr spielen sich die meisten wetterbildenden Prozesse ab. Der Name leitet sich aus dem griechischen Wort «tropos» ab, welches «Wendung» oder «Bewegung» bedeutet. Die Troposphäre ist also die bewegte Schicht. Sie umfasst 85–90 % der Masse der Atmosphäre und beinhaltet fast den gesamten Wasserdampf. In der Troposphäre findet vor allem durch Konvektion intensiver vertikaler Austausch statt. Die Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab, an einem Sommertag in Mitteleuropa von ca. 25 °C auf ca. –65 °C (vgl. Kap. 4). Dieses Buch wird sich in der Folge fast ausschließlich mit der Troposphäre befassen.

Die Troposphäre wird in sich noch weiter unterteilt (vgl. auch Abb. 1-6). Die untersten 1–1.5 km bilden die planetare Grenzschicht ( Abb. 2-6), welche durch den Erdboden thermisch und mechanisch beeinflusst wird und in welcher die meisten Stoffflüsse in die Atmosphäre stattfinden (vgl. Kap. 8.3). Darüber liegt die freie Troposphäre, welche von der Erdoberfläche nicht mehr direkt beeinflusst wird und in welcher sich die meisten Wettervorgänge abspielen. Die Tropopausenregion, die kälteste Region der Atmosphäre, stellt den Übergang in die Stratosphäre dar. Die Tropopause unterbindet respektive reguliert den Austausch zwischen der Troposphäre und der Stratosphäre.

Die Tropopause ist keine klare Grenze, sondern eine Übergangsschicht

Die Tropopause ist die Grenze zwischen der turbulenten Troposphäre und der von Strahlungsvorgängen bestimmten Stratosphäre. Sie wird in der Regel durch den plötzlichen Temperaturanstieg mit der Höhe definiert. Hier ändern sich auch andere Eigenschaften der Atmosphäre. So nimmt oberhalb der Tropopause der Wasserdampf stark ab und die Ozonkonzentration zu. Auch die Vorticity (vgl. Kap. 5, auf Deutsch auch «Wirbelstärke» oder «Wirbelgröße» genannt; wir bleiben hier aber beim englischen Ausdruck) nimmt sprunghaft zu. Prozesse an der Tropopause spielen für meteorologische Vorgänge, aber vor allem auch für den Spurengashaushalt eine zentrale Rolle. Sie regulieren den Austausch mit der Stratosphäre, wo einige in der Troposphäre stabile Spurengase photolytisch abgebaut werden, andere dagegen aufgrund der Trockenheit und Kälte eine sehr lange Lebensdauer haben. Sich die Tropopause als klar definierte Fläche zu denken, wäre allerdings sehr vereinfachend. Die Tropopausenregion ist vielmehr eine Übergangsschicht.

Abb. 2-4 |Foto der Atmosphäre aus dem Weltraum. Die Atmosphäre wird als dünne Hülle sichtbar (Bild: NASA).


Durch UV-Absorption in der Ozonschicht nimmt die stratosphärische Temperatur mit der Höhe zu

In der Stratosphäre befindet sich die Ozonschicht, hier wird Ozon durch photochemische Prozesse gebildet, gleichzeitig wird dadurch UV-Strahlung absorbiert, sodass sie die Erdoberfläche nicht erreicht. Auf die chemischen Mechanismen sowie auf die Rolle des Ozons im Strahlungshaushalt wird in diesem sowie im nächsten Kapitel eingegangen.

Wegen der Strahlungsabsorption durch Sauerstoff und Ozon wird die Stratosphäre erwärmt. Die Temperatur nimmt deshalb in der Stratosphäre mit der Höhe zu. Wie wir in Kap. 4 sehen werden, unterbindet eine solche Temperaturschichtung vertikale Austauschprozesse fast vollständig. Daher rührt auch der Name der Stratosphäre (aus dem Lateinischen: straetum = Decke). Auch für meteorologische Vorgänge hat die Stratosphäre eine gewisse Bedeutung, insbesondere für Wettersysteme in den Mittelbreiten.

Oberhalb der Stratosphäre befindet sich die Mesosphäre, darüber die Thermosphäre, welche den Übergang in den Weltraum darstellt. In diesen beiden Sphären befinden sich Schichten mit ionisierter Luft, Ionosphäre genannt. Diese Schichten ermöglichen die Radioverbindung zwischen weit voneinander entfernt liegenden Stationen, und sie sind der Ursprung der spektakulären Nordlichter. Die Mesosphäre und Thermosphäre sind allerdings für das Klima am Erdboden praktisch nicht von Bedeutung und werden hier nicht weiter behandelt.

Die Höhe der Tropopause ist räumlich und zeitlich variabel. Über den Mittelbreiten ist die Tropopause im Sommer höher als im Winter, und sie ist während Hochdrucklagen höher als bei Tiefdrucklagen. Ein Querschnitt der atmosphärischen Temperatur ( Abb. 2-5) zeigt, dass die Höhe der Tropopause auch räumlich stark variiert. Über den Tropen liegt die Tropopause oft auf 16 km Höhe, während sie über den polaren Regionen eher um 8–9 km Höhe liegt. In Bodennähe nimmt die Temperatur von den äquatorialen Regionen zu den Polen um 40–50 °C ab. Auf einer Höhe von ca. 15 km ist es allerdings über den Tropen kühler als über den Polen, der Gradient dreht sich also um. Die niedrigsten Temperaturen in der Erdatmosphäre werden vermutlich in der tropischen Tropopausenregion erreicht, wo –90 °C vorkommen (vgl. Box 2.1).

Abb. 2-5 |Links Temperaturquerschnitt durch die Atmosphäre als Funktion der geographischen Breite (Daten: NCEP/NCAR). Die gestrichelte Linie zeigt die Tropopause. Rechts: Historische Temperaturprofile von Assmann und Berson in Berlin und Ostafrika (Brönnimann und Stickler 2013).


Box 2.1

Die Entdeckung der Tropopause und der Ozonschicht

In den 1890er-Jahren wurden vor allem von zwei Forschungsgruppen in Frankreich (in Trappes bei Versaille) und im Deutschen Reich (in Straßburg, später in Berlin und Lindenberg) Registrierballone entwickelt, die Vorläufer der heutigen Wetterballone. Die Registrierballone trugen meteorologische Geräte, welche die Daten auf Papierstreifen aufzeichneten. Man musste die Geräte also jedesmal wiederfinden, was für operationelle Zwecke wie die Wettervorhersage natürlich unbrauchbar war. Trotzdem war diese Technologie für die Wissenschaft enorm wichtig. Bald erreichten Ballone Höhen von über 10 km. In diesen Höhen fand der französische Meteorologe Gustave Hermite höhere Temperaturen als erwartet. Lange Zeit hielt man diese für Messfehler: Das Messgerät erhitzte sich aufgrund der Sonnenstrahlung, und diese Wärme konnte in der immer dünner werdenden Luft nicht mehr abgeführt werden (der Strahlungsfehler betrifft in abgeschwächter Form auch heutige Ballonmessungen und muss korrigiert werden). Erst duch viele Aufstiege mit unterschiedlichen Systemen, am Tag und in der Nacht, und letztlich sogar mit einem gleichzeitig mit einem Wetterballon aufsteigenden bemannten Ballon 1901 konnte der Einfluss der Strahlung ausgeschlossen werden. In diesem Aufstieg führten die beiden Piloten Arthur Berson und Reinhard Süring in einer offenen Gondel bis auf 10.5 km Höhe Messungen durch und stellten damit gleichzeitig einen Höhenrekord auf, der 30 Jahre Bestand hatte.

Innerhalb kurzer Zeit, im Jahr 1902, publizierten die beiden Gruppen um Louis Teisserenc de Bort und Richard Assmann unabhängig voneinander ihre Resultate. Zwei Aufstiege Assmanns in Berlin sind in Abb. 2-5 (rechts) gezeigt; die Tropopause zeigt sich deutlich bei knapp 10 km Höhe. Assmanns Assistent Arthur Berson führte 1908 erstmals Messungen in den Tropen durch und fand, dass dort die Temperatur auch oberhalb von 10 km weiter abnimmt und erst bei 16–18 km konstant wird. Er vermutete, dass seine dort gefundene Temperatur von –90 °C die wohl niedrigste bis anhin gemessene Temperatur der Atmosphäre war. Die Bezeichnungen «Stratosphäre» und «Tropopause» folgten erst später, anfangs nannte man das Phänomen einfach «obere Inversion» (eine Inversion ist eine Sperrschicht, welche vertikalen Austausch unterbindet; vgl. Kap. 4).

Interessanterweise fand Berson in der äquatorialen Stratosphäre Westwinde statt der erwarteten (und nach dem Krakatauausbruch anhand der Zugrichtung der Aschewolke beobachteten) Ostwinde. Es gelang erst 55 Jahre später, die beiden Beobachtungen zu vereinen: Die Winde in der äquatorialen unteren Statosphäre wehen jeweils ungefähr ein Jahr von West nach Ost, danach ungefähr ein Jahr von Ost nach West, die «Quasi-Bienniale Oszillation» (vgl. Kap. 10.2).

Fünf Jahre nach Bersons Messungen bestimmte Charles Fabry anhand der Absorption ultravioletter Strahlung erstmals die Ozonmenge in der Atmosphäre. Er fand, dass diese sehr viel größer war, als aufgrund der Konzentrationen in der Troposphäre erklärt werden konnte. Weiter oben musste sich also eine große Menge Ozon befinden. Er postulierte eine stratosphärische Ozonschicht. Seit den 1920er-Jahren wurde dann die gesamtatmosphärische Ozonmenge zuerst in Oxford, dann in Arosa in der Schweiz mittels UV-Absorption fast täglich gemessen. Die Reihe in Arosa wird bis heute weitergeführt.

2.3 | Ozon, Aerosole und chemische Vorgänge

Chemische Vorgänge spielen in der Atmosphäre eine wichtige Rolle. Die Ozonschicht in der Stratosphäre schützt Leben auf der Erdoberfläche vor schädlicher Strahlung und bestimmt durch Strahlungsabsorption das Temperaturprofil der Stratosphäre. In der Troposphäre besorgen chemische Reaktionen, meist ausgelöst durch das Hydroxylradikal OH, die Entfernung von Schadgasen. Dabei können auch flüssige oder feste Teilchen – Aerosole – entstehen. Da viele Spurengase und Aerosole Strahlung absorbieren, sind die chemischen Vorgänge und die klimatischen Vorgänge miteinander gekoppelt. In diesem Kapitel werfen wir einen kurzen Blick auf chemische Vorgänge in der Atmosphäre. Dabei stellen wir die Ozonchemie in den Vordergrund, da Ozon nicht nur in mehrfacher Weise für Mensch und Klima relevant ist, sondern beispielhaft für das Zusammenspiel von chemischen Vorgängen, Strahlung und Transportprozessen steht. Ozon stellt außerdem via Bildung von OH-Radikalen den Ausgangspunkt vieler anderer chemischer Vorgänge der Troposphäre dar.

In der Stratosphäre befindet sich am meisten Ozon; in Bodennähe kann es zu menschgemachtem Ozonsmog kommen

Ozon ist in der Atmosphäre vertikal sehr ungleich verteilt ( Abb. 2-3). Abb. 2-6 zeigt ein Ozonprofil über der Schweiz an einem Sommertag, einmal ausgedrückt als Partialdruck (Skala unten), was der Massenkonzentration entspricht, einmal als Volumenmischungsverhältnis (Skala oben). Der größte Teil des Ozons (also der Masse) befindet sich in der Stratosphäre. Mengenmäßig liegt das Maximum bei 20–25 km, die Konzentration ist auf etwa 30–35 km am höchsten. In Bodennähe kann es im Sommer zu photochemischer Produktion von Ozon aus menschgemachten Vorläuferschadstoffen kommen, sogenanntem Sommersmog. Allerdings sind die Ozonkonzentrationen deutlich geringer als diejenigen in der Stratosphäre. Ein Volumenmischungsverhältnis von 75 ppb Ozon (vgl. Box 2.2) in der bodennahen Luft ist aus gesundheitlicher Sicht bedenklich; in der Stratosphäre erreicht das Mischungsverhältnis das Hundertfache.

Box 2.2

Konzentrationsmaße

In einem Kontinuum wie der Atmosphäre interessiert uns oft nicht die Stoffmenge sondern die Konzentration. Stoffkonzentrationen können auf ganz verschiedene Arten angegeben werden. Da das Volumen eines idealen Gases nur von Temperatur und Druck abhängig ist (vgl. Kap. 4.2), also die gleiche Stoffmenge unterschiedlicher Gase immer dasselbe Volumen hat, bietet sich das Volumenmischungsverhältnis als Maß an. Dieses kann in Prozent ausgedrückt werden, dies macht aber nur für die drei häufigsten Gase Stickstoff, Sauerstoff und Argon Sinn, da alle anderen Gase nur winzige Bruchteile eines Prozents ausmachen (vgl. Tab. 2-1). Kleinere Einheiten sind parts per million (ppm, entspricht 0.0001 %), parts per billion (ppb, oder 0.0000001 %) oder parts per trillion (ppt). Oft werden Volumenmischungsverhältnisse auch in Mol ausgedrückt: 1 ppm ist dasselbe wie 1 μmol/mol (1 ppb = 1 nmol/mol). Ein großer Vorteil von Volumenmischungsverhältnissen ist, dass sie sich bei Vertikalbewegungen eines Luftpakets nicht ändern.

In der Chemie, insbesondere bei der Angabe von Reaktionsraten, werden Konzentrationen meist als Teilchendichten in Molekülen pro Volumen angegeben (englisch molecules/cm3). Grenzwerte für Luftschadstoffe sind dagegen oft als Massenkonzentrationen angegeben, in der Regel μg/m3. Diese beiden Maße sind allerdings nicht mehr invariant bei Vertikalbewegungen. Die Massenkonzentration eines Schadstoffs wird geringer, wenn sich ein Luftpaket nach oben bewegt und dabei ausdehnt.

Absolut kann eine Gasmenge auch als Partialdruck angegeben werden. Das ist der Druck, den dieses Gas alleine ausüben würde. Die Summe der Partialdrucke aller Gase eines Gasgemischs wie Luft ergibt den Luftdruck. In Abb. 2-6 wird die Ozonmenge in nbar (= Nanobar = 10–9 bar) angegeben. Mit der Gasgleichung, die in Kap. 4 eingeführt wird, können die Einheiten ineinander umgerechnet werden.

Ozonbildung aus Sauerstoff mit UV-Strahlung

Wie entsteht Ozon? Sauerstoff kann durch sehr kurzwellige UV-Strahlung (Wellenlängen kleiner als 240 nm, vgl. Abb. 3-7) aufgespalten werden, die frei werdenden Sauerstoffatome können mit Sauerstoffmolekülen reagieren und dreiatomigen Sauerstoff (Ozon, O3, vgl. Abb. 2-2) bilden. Allerdings wird Ozon ebenfalls durch UV-Strahlung aufgespalten, sodass schließlich ein Gleichgewicht entsteht (die sogenannten Chapman-Reaktionen; hυ steht hier für die Absorption von Photonen der Wellenlänge λ, M steht für einen unbeteiligtes Molekül, beispielsweise N2, welches als Stoßpartner die Energie abführt):

Abb. 2-6 |Vertikalprofil von Ozon (links) und der Temperatur (rechts), gemessen mit einer Radiosonde über Payerne, Schweiz, an einem Sommertag 1996. Die Ozonkonzentration ist einerseits als Partialdruck angegeben, andererseits als Volumenmischungsverhältnis (vgl. Box 2.2). Die Temperatur ist als Absoluttemperatur sowie als potentielle Temperatur (vgl. Kap. 4) angegeben (aus Brönnimann 2013).



In diesem Gleichgewicht wird letzlich Strahlung in Wärme umgewandelt. Dadurch wird die «harte» UV-Strahlung (UV-Strahlung mit Wellenlängen unterhalb von 240 nm, vgl. Abb. 3-7) fast vollständig absorbiert. Ozon wird deshalb vor allem in der tropischen und subtropischen, mittleren und oberen Stratosphäre gebildet. In die untere Stratosphäre dringt zu wenig «harte» Strahlung vor, sodass Sauerstoff nicht aufgespaltet werden kann.

«Natürliches» troposphärisches Ozon stammt aus der Stratosphäre

Die Zirkulation der Stratosphäre besorgt die Verteilung von Ozon über den Erdball. Die Ozonmenge an einem bestimmten Ort ist deshalb sehr stark von der Zirkulation abhängig. Besonders in der unteren Stratosphäre ist die Dynamik ausgeprägt. Dabei kann es vorkommen, dass stratosphärische Luftpakete in die Troposphäre eindringen. Ein Teil des troposphärischen Ozons ist in der Tat stratosphärischen Ursprungs, der größte Teil ist allerdings in der Troposphäre entstanden.

Auch in der Troposphäre befindet sich Ozon in einem photochemischen Gleichgewicht, wobei hier aber Stickoxide eine Rolle spielen:


Die benötigte Strahlung (λ < 420 nm) liegt im Bereich von sichtbarem violetten Licht sowie im sogenannten UVA-Bereich (400–315 nm, vgl. Abb. 3-7), der bis zum Erdboden vordringt. In diesem Gleichgewicht wirken die Stickoxide NO und NO2 (oft als NOx zusammengefasst) als Katalysatoren. Die Ozonkonzentration erhöht sich entweder bei höherer Strahlung oder dann, wenn das Verhältnis von NO2 zu NO zunimmt. Wenn also weitere Reaktionen existieren, welche NO zu NO2 oxidieren, ohne O3 aufzubrauchen (also Reaktion R7 umgangen wird), verschiebt sich das Gleichgewicht hin zu höherer Ozonkonzentration. Tatsächlich geschieht dies beim Abbau von Kohlenwasserstoffen.

Zur Ozonbildung braucht es daher Stickoxide als Katalysator, Kohlenwasserstoffe als «Brennstoff» sowie Sonnenstrahlung als Energiequelle. Durch den Ausstoß dieser Gase trägt der Mensch den größten Teil zum troposphärischen Ozon bei. Kohlenwasserstoffe stammen dabei aus Industrie, Verkehr und Haushalten, aber auch die natürlichen Emissionen durch die Vegetation spielen eine Rolle. Stickoxide entstehen in Verbrennungsmotoren und entweichen aus gedüngten, landwirtschaflichen Böden. Sie haben nur geringe natürliche Quellen (beispielsweise Blitze).

In der Troposphäre wird Ozon zerstört, wenn es in Kontakt mit der Boden- oder Pflanzenoberfläche kommt. Auch chemischer Abbau in der Atmosphäre ist möglich. Ozon wird netto auch zerstört, wenn das in Reaktion R7 gebildete NO2 nicht wieder zur Ozonbildung führt, sondern anders weiter reagiert.

Stratosphärischer Ozonabbau durch HOx, NOx, ClOx und BrOx

In der Stratosphäre spielen wegen der tiefen Temperatur, der hohen Strahlung und der viel geringeren Konzentrationen von Wasserdampf und Stickoxid andere Vorgänge als in der Troposphäre eine Rolle. Hier gibt es mehrere Reaktionszyklen, welche Ozon abbauen. Dazu gehören die Reaktionen mit den Radikalen HOx, NOx, ClOx und BrOx. Radikale sind besonders reaktive Verbindungen mit einem ungepaarten Elektron. Der Buchstabe x symbolisiert hier eine Familie: Radikale, die schnell ineinander umgewandelt werden, deren Summe sich jedoch nur sehr viel langsamer verändert. Die HOx–Familie umfasst das Hydroxylradikal OH und das Wasserstoffperoxyradikal HO2. NOx haben wir bereits oben kennengelernt.

Anthropogene FCKWs sind eine Quelle für ClOx und bewirken Ozonabbau

Wichtig für den Ozonabbau sind vor allem die Chlorradikale ClOx, welche aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs) entstehen. FCKWs sind sehr stabile Verbindungen, die früher vielfältig eingesetzt wurden. Sie setzten in der Stratosphäre die Chlorradikale Cl und ClO frei, welche Ozon katalytisch zerstören können. Chlor liegt in der Stratosphäre allerdings nur kurz in dieser Form vor. Die Radikale reagieren schnell miteinander oder mit anderen Radikalen und bilden andere Chlorverbindungen wie HCl oder ClONO2; man spricht dann von deaktiviertem Chlor.

Diese Verbindungen können allerdings photolytisch aufgespalten werden und wiederum Chlorradikale freisetzen. Dazu kommen weitere Reaktionen, welche sich auf der Oberfläche von stratosphärischen Wolkenpartikeln abspielen. Zwar ist die Stratosphäre normalerweise zu trocken für Wolken, doch bei sehr tiefen Temperaturen, wie sie über der antarktischen Stratosphäre zuweilen vorkommen, können sich Wolken aus Wasser und Salpetersäure bilden (die Temperaturen können über der Antarktis so tief sinken, weil die stabile Zirkulation die polare Luft von den Mittelbreiten isoliert und sich die Luft daher abkühen kann). Auf diesen Oberflächen können sich die deaktivierten Chlorverbindungen umwandeln in molekulares Chlor Cl2. Wenn die Sonne nach dem Ende der Polarnacht über dem Horizont erscheint, kann das Cl2 photolytisch aufgespalten werden und erneut Chlorradikale bilden.

Abb. 2-7 |Das Ozonloch über der Antarktis am 26. September 2016 (blaue Farben = wenig Ozon, graue Farben = viel Ozon, Bild: NASA).


Ozonloch über der Antarktis

Mitte der 1980er-Jahre bemerkten Forscher des Britischen Antarktisdienstes einen starken Rückgang der Ozonschicht über der Antarktis: das Ozonloch. Es zeigte sich, dass jeden Frühling über der Antarktis das Ozon in gewissen Höhenschichten vollständig abgebaut worden war. In der atmosphärischen Säule verblieb noch weniger als die Hälfte der normalen Ozonmenge. Die Entdeckung des Ozonlochs – und dessen große Symbolkraft in der Öffentlichkeit – schreckte die internationale Staatengemeinschaft auf. Innerhalb kurzer Zeit wurden weitreichende Beschränkungen und Verbote für die Herstellung ozonabbauender Substanzen erlassen. Das 1987 angenommene Montreal-Protokoll und Folgeprotokolle haben seither den Ausstoß reaktiver Chlorverbindungen erfolgreich beschränkt. Dreißig Jahre später ist die Ozonschicht auf dem Weg zur Erholung. Es wird allerdings noch 30–50 Jahre dauern, bis sich die Ozonschicht vollständig erholt hat. Das Ozonloch öffnet sich immer noch jedes Jahr über der Antarktis (vgl. Abb. 2-7).

FCKWs sind nicht nur ozonabbauende Gase, sondern auch sehr starke und langlebige Treibhausgase (vgl. Tab. 1-5). Der Schutz der Ozonschicht war damit gleichzeitig eine Maßnahme gegen den Klimawandel. Die Industrie suchte nach Ersatzstoffen für FCKWs, von welchen sich einige ebenfalls als ozonabbauend herausstellten. Die Liste der unter den Protokollen zum Schutz der Ozonschicht verbotenen Gase wird daher ständig revidiert.

Eine zentrale Funktion in der Atmosphärenchemie, nicht nur für Ozonabbau, spielt das Hydroxylradikal OH, das wiederum aus der Photolyse von Ozon (vgl. Reaktion R3 oben) und anschließender Reaktion mit Wasserdampf entsteht:


Die benötigte UVB-Strahlung wird teilweise in der Stratosphäre absorbiert, ein Teil dringt aber auch bis zum Erdboden vor.

Die Atmosphäre oxidiert Luftfremdstoffe

OH leitet den Abbau der meisten atmosphärischen Luftfremdstoffe ein und reagiert auch mit Aerosolen oder Wolkentropfen. Effektiv ist die Lebensdauer (vgl. Kap. 1) der meisten atmosphärischen Spurengase durch die Reaktion mit OH bestimmt. Es wird daher oft auch als «Waschmittel der Atmosphäre» bezeichnet. Ozon spielt damit für die troposphärische Chemie eine wichtige Rolle – OH und Ozon machen die Atmosphäre zu einem oxidierenden Medium. So werden beispielsweise alle Kohlenwasserstoffe durch Reaktion mit OH über mehrere Stufen schließlich zu CO2 und Wasserdampf abgebaut.

Aerosole stammen aus Industrie und Biomassenverbrennung

Die Emissionen (Schadstoffausstoß) von Spurengasen und Aerosolen sind räumlich und zeitlich variabel. Als Beispiel zeigt Abb. 2-8 die geschätzten Emissionen von Schwefeldioxid und Russ für den Monat September für die Verhältnisse in den 1990er-Jahren, als die Emissionen besonders hoch waren. Schwefeldioxid wird vor allem in den industrialisierten Regionen (Nordamerika, Europa, Ostasien) ausgestoßen, ebenfalls sichtbar sind die Schiffsrouten über die Ozeane. Eine zweite Quellregion sind die Tropen, insbesondere Brasilien und Afrika. Die wichtigste Quelle ist hier die Biomassenverbrennung in der Trockenzeit. Letztere ist auch eine wichtige Quelle für Russ. Heute sind die Emissionen von SO2 dank der getroffenen Maßnahmen und trotz des in einigen Regionen der Erde starken Wirtschaftswachstums wieder gesunken.

Abb. 2-8 |Geschätzte Emissionen von Schwefel (links) und Russ (rechts) für den Monat September für die Situation in den 1990er-Jahren, als die globalen Schwefelemissionen besonders hoch waren (aus Brönnimann 2015).


Abb. 2-9 |Mikroskopaufnahmen von verschiedenen Aerosolen (Bilder: USGS, UMBC, Arizona State University).


Aerosole sind flüssige oder feste Partikel in der Atmosphäre

Aerosole, flüssige oder feste Schwebeteilchen in der Atmosphäre, werden einerseits durch Verbrennungsprozesse ausgestoßen (primäre Aerosole wie beispielsweise Russ) oder entstehen in der Atmosphäre durch chemische Vorgänge (sekundäre Aerosole). Einige Mikroskopaufnahmen von Aerosolen sind in Abb. 2-9 gezeigt. Aerosolpartikel haben ganz unterschiedliche Größen, Formen und Eigenschaften. Aerosole absorbieren und streuen kurz- und langwellige Strahlung (vgl. Kap. 3) und beeinflussen dadurch auch die Temperatur. Außerdem sind sie an der Wolkenbildung beteiligt (vgl. Kap. 2.4); sie sind also doppelt in den Strahlungshaushalt der Atmosphäre eingebunden. Aerosole haben auf das Klima insgesamt eine abkühlende Wirkung, die Unsicherheit über das Ausmaß ist in der Wissenschaft allerdings nach wie vor sehr groß. Die Klimaprozesse werden im Detail in Kap. 10 erläutert.

Zu den natürlichen Aerosolen gehören Mineralstaub, Salzkristalle über dem Meer, biologische Aerosole (Pollen, Bakterien, Sporen) und vulkanische Sulfataerosole. Der Mensch trägt insbesondere große Mengen an Russ sowie Sulfat- und Nitrataerosole bei. Gerade für die Wolkenbildung sind auch sekundäre Aerosole wichtig. So können von Bäumen emittierte Terpene (eine Gruppe von Kohlenwasserstoffen) zur Bildung von Wolkenkeimen führen.

Gasförmige Luftverschmutzung und Aerosole beeinträchtigen nicht nur das Klima, sondern auch Ökosysteme und die menschliche Gesundheit. Durch die prekäre Luftsituation in den 1980er-Jahren in Europa wurden See-Ökosysteme geschädigt und ein großflächiges «Waldsterben» wurde befürchtet, das in dieser Form aber glücklicherweise nicht eingetreten ist. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde der Sommersmog als Umweltproblem erkannt. Strengere Emissionsvorschriften haben seither zwar zu tieferen Spitzenwerten geführt, die Anzahl der Ozongrenzwertüberschreitungen ist aber nach wie vor sehr hoch.

Feinstaub ist stark gesundheitsgefährdend

Besonders gesundheitsschädigend ist Feinstaub, der ebenfalls entweder durch Verbrennungsprozesse oder mechanische Vorgänge ausgestoßen wird (primärer Feinstaub) oder in der Atmosphäre bei Abbauvorgängen als Zwischenprodukt entsteht (sekundärer Feinstaub). Teilchen, die kleiner als 10 Mikrometer sind, werden PM10 genannt (für «particulate matter below 10 μm»). Sie können eingeatmet werden. Teilchen, die kleiner als 2.5 Mikrometer (PM2.5) sind, können sogar tief in die Lungen eindringen. Feinstaub beeinträchtigt die Atemwege (führt dort zu Entzündungen) und kann zu Herz-Kreislauf-Störungen führen. Auch eine krebserregende Wirkung ist nachgewiesen. Besonders bei austauscharmen winterlichen Inversionslagen (vgl. Kap. 8.3.2) kann die Feinstaubkonzentration gesundheitsgefährdende Werte erreichen.

2.4 | Kondensation und Wolkenbildung

Aerosole spielen bei der Wolkenbildung in mehrfacher Weise eine zentrale Rolle. In der Folge sollen die wichtigsten Vorgänge der Wolkenbildung von der physikalischen Seite her beleuchtet werden. Dazu müssen wir uns zunächst einige Gedanken zum Verdunsten und Kondensieren von Wasser machen.

Sättigungsdampfdruck: Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Anlagerung

Wie oben erwähnt, besitzt das Wassermolekül ein Dipolmoment, d.h. im flüssigen Zustand sind die Moleküle unter sich durch Wasserstoffbrücken leicht gebunden. Moleküle an der Oberfläche müssen erst diese Bindungen überwinden, um in die Atmosphäre überzutreten ( Abb. 2-10, links). Man nennt dies die Oberflächenspannung. Umgekehrt müssen die Wassermoleküle in der Gasphase gegen die Oberflächenspannung Arbeit verrichten und dabei ihre latente Energie abgeben. Bei einer gegebenen Temperatur stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei welchem genau gleich viele Moleküle die Wasseroberfläche verlassen wie Moleküle aus der Gasphase in die flüssige Phase übertreten. Der Dampfdruck in diesem Gleichgewicht heißt Sättigungsdampfdruck. Er hängt von der Temperatur ab.

Abb. 2-10 |Schematische Darstellung des Sättigungsdampfdrucks über einer ebenen Fläche (links) sowie über einem kleinen Tröpfchen (rechts).


Kelvin-Effekt: Kleiner Tröpfchenradius erhöht Sättigungsdampfdruck

Für die Bildung von Wolken muss berücksichtigt werden, dass Wolkentröpfchen gewölbte Oberflächen haben ( Abb. 2-10, rechts). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen aus der äußersten Schicht das Tröpfchen verlässt, ist jetzt höher. Die Moleküle tendieren daher stärker zur Gasphase. Es braucht einen entsprechend höheren Dampfdruck, um dem entgegenzuwirken. Der Sättigungsdampfdruck ist deshalb über einer gewölbten Fläche höher als über einer ebenen Fläche. Dieser Effekt heißt Kelvin-Effekt und ist sehr stark von der Tröpfchengröße abhängig.

Lösungseffekt: Wasseranlagerung an Aerosole und deren Löslichkeit senken den Sättigungsdampfdruck

Wie können jetzt Wolken entstehen? In der Anfangsphase eines Wolkentropfens ist dieser sehr klein, der benötigte Dampfdruck deshalb sehr hoch ( Abb. 2-11). Um in dieser Situation überhaupt Wolkentröpfchen zu bilden, wären massive Übersättigungen im Vergleich zur Sättigung über einer ebenen Fläche nötig. Es könnte sich kaum Niederschlag bilden. Aerosole dienen in dieser Situation als Kondensationskerne: Wassermoleküle können sich an diese anlagern. Dies geschieht bereits, bevor Sättigung erreicht ist. Dadurch wachsen die Aerosole, und es entstehen allmählich Tröpfchen und damit chemische Lösungen. Dieser Effekt wird Lösungseffekt genannt. Auch diese Tröpfchen benötigen zum Wachstum noch eine Übersättigung relativ zu einer ebenen Wasserfläche. Je nach Aerosolzusammensetzung und Löslichkeit ist die benötigte Übersättigung aber weit geringer als über reinen Wassertröpfchen, denn die Wassermoleküle sind in den Lösungstropfen stärker gebunden. Diese Kombination von Lösungseffekt und Kelvin-Effekt wird Köhler-Effekt genannt. Abb. 2-11 zeigt diese entsprechenden Kurven für Ammoniumsulfat (NH4)2SO4. Auf diese Weise können in der Atmosphäre Tröpfchen entstehen.

Abb. 2-11 |Abhängigkeit der zur Kondensation von Wasser bei 293 K benötigten Übersättigung als Funktion des Tröpfchenradius. Gezeigt sind Kurven für reines Wasser sowie für Ammoniumsulfataerosole verschiedenen Durchmessers (nach Andreae und Rosenfeld 2008).


Damit können wir die Bildung von Wolkentröpfchen erklären: In einem aufsteigenden Luftpaket sinkt die Temperatur (und damit der Sättigungsdampfdruck), und die Luft nähert sich der Sättigung. Gewisse Aerosole in der Atmosphäre erlauben eine Anlagerung von Wasser, sodass kleine Lösungströpfchen entstehen, deren Sättigungsdampfdruck kleiner ist als derjenige über reinem Wasser. Wenn eine bestimmte, von der Größe und Art der Aerosole abhängige Übersättigung (0.1–0.4 %) erreicht ist, können die Tröpfchen wachsen, solange das Luftpaket weiter aufsteigt, da der Sättigungsdampfdruck weiter abnimmt. Durch Koagulation und Zusammenfließen wachsen die Tröpfchen weiter, allerdings nicht beliebig, denn große Tropfen ab einigen Millimetern sind hydrodynamisch instabil und zerfallen wieder. Nur Niederschlagsereignisse mit kleinen Tröpfchen wie Regen aus tiefen Schichtwolken im Sommer oder Nieselregen können so erklärt werden, zumal die Tröpfchen außerdem unterhalb der Wolke zu verdunsten beginnen. Für größere Regenereignisse wie Gewitterregen ist noch ein weiterer Vorgang entscheidend: der Übergang in die Eisphase.

Im oberen Teil einer Wolke liegen die Temperaturen oft weit unter dem Gefrierpunkt. Reine Wassertropfen brauchen allerdings sehr hohe Unterkühlung, um zu gefrieren (homogenes Gefrieren). Auch hier spielen Aerosole eine Rolle. Als Eiskeime können sie heterogenes Gefrieren auslösen. Wenn ein unterkühltes Wolkentröpfchen mit einem solchen Kern kollidiert (oder bereits einen solchen enthält), kann es bereits bei wenigen Minusgraden gefrieren. Wasser kann sich auch direkt an Aerosole anlagern. Eiskeime sind allerdings selten, sodass oft sehr hohe Übersättigungen beziehungsweise Unterkühlungen erreicht werden. Nicht alle Kondensationskerne sind auch gute Eiskeime. Typische Eiskeime sind Tonmineralien, aber auch biologische Aerosole wie Pollen und Sporen.

Für das weitere Wachstum ist nun entscheidend, dass der Sättigungsdampfdruck über Eis geringer ist als über Wasser (vgl. Abb. 2-12).


Bergeron-Findeisen-Prozess: Eiskristalle wachsen auf Kosten der Wassertröpfchen

Wasserdampf lagert sich deshalb bevorzugt an Eis an. Wenn ein Luftpaket sowohl Eiskristalle als auch Wassertröpfchen enthält, kann sich die Feuchtigkeit in einem Bereich einpendeln, in welchem die Luft bezüglich des flüssigen Wassers untersättigt ist, also Wasser verdunstet wird, während sie gleichzeitig in Bezug auf Eis übersättigt ist, also dort Eis angelagert wird. Als Resultat wachsen die Eiskristalle auf Kosten der Wassertropfen. Diese Tatsache ist uns aus dem Alltag bekannt: Ein schlecht abgetauter Kühlschrank mit einem stark vereisten Kühlaggregat wird dem im Kühlschrank gelagerten Salat Wasser entziehen, der Salat trocknet aus, während das Eis am Kühlaggregat schnell zunimmt. Nach seinen Entdeckern wird der Vorgang Bergeron-Findeisen-Prozess oder auch Wegener-Bergeron-Findeisen-Prozess genannt (zu Wegener vgl. Box 10.2).

Durch Anlagerung und Gefrieren kleinster Wassertröpfchen an vorhandene Eiskristalle entstehen Schneeflocken. Diese können zu umfangreicheren Größen heranwachsen als Wassertropfen. Fallen sie aus der Wolke, dann schmelzen sie beim Durchgang durch die wärmeren Luftschichten. Die Tropfen können weitere Tropfen anlagern oder wieder in kleinere Tröpfchen zerfallen. Die Tropfen, welche die Erdoberfläche erreichen, sind bei diesen Niederschlagsformen aber größer als bei Niederschlag aus reinen Wassertröpfchen. Typische Gewitterregen laufen auf diese Weise ab.

Abb. 2-12 |Sättigungsdampfdruck über Eis und über Wasser.


Abb. 2-13 |Schematische Darstellung der Prozesse bei der Wolken- und Niederschlagsbildung.


Wolkenteilchen können auch mehrmals durch einen solchen Zyklus laufen, weil sie immer wieder von Aufwinden nach oben getragen werden. So können große Hagelkörner heranwachsen.

Der gesamte Prozess der Wolken- und Niederschlagsbildung mit Eisphase ist in Abb. 2-13 zusammengefasst. Sie zeigt links ein aufsteigendes Luftpaket, in welchem Wolkenkondensationskerne aktiviert werden (d.h., Wasser angelagert wird), dann Tröpfchen gebildet werden, welche durch Kollision und Zusammenfließen weiter wachsen. Im kalten Teil der Wolke ermöglichen Eiskeime das Gefrieren. Dann kommt der Bergeron-Findeisen-Prozess zum Tragen. Das direkte Gefrieren von Wassertropfen kann nur bei sehr tiefen Temperaturen, also in großer Höhe erfolgen. Die Schneeflocken wachsen in der Wolke durch Anlagern von Wasserdampf und unterkühlten Wassertröpfchen. Beim Fallen durch den warmen Teil der Wolke schmelzen die Schneeflocken. Unterhalb der Wolke schließlich kommt es zur Verdunstung, wenn die Luftfeuchtigkeit entsprechend gering ist.

2.5 | Die Clausius-Clapeyron-Beziehung

Die Abhängigkeit des Sättigungsdampfdrucks von der Temperatur haben wir für die Wolkenbildung eingangs angesprochen. Nur deshalb führt Aufsteigen zum Kondensieren. Die Bedeutung dieser Abhängigkeit, der sogenannten Clausius-Clapeyron-Beziehung, geht aber weit über die Wolkenbildung hinaus. Sie ist eine der fundamentalen physikalischen Grundlagen des Klimasystems, denn diese Beziehung verknüpft die Frage der Energie mit derjenigen der Massenflüsse (Wasserdampf) und schließlich mit der atmosphärischen Zirkulation.

Clausius-Clapeyron: Pro °C Erwärmung nimmt die Feuchte um 7 % zu

In einfachster Form ausgedrückt besagt die Clausius-Clapeyron-Beziehung, dass der Sättigungsdampfdruck pro 1 K Temperaturzunahme um ca. 7 % ansteigt ( Abb. 2-14). Das bedeutet, dass warme Luft mehr Wasserdampf enthalten kann als kalte Luft (oft wird gesagt, warme Luft kann mehr Wasserdampf «aufnehmen», allerdings ist es nicht die Luft, die Wasserdampf «aufnimmt»; dasselbe würde der Fall sein, wenn es in der Atmosphäre nur Wasserdampf gäbe).

Etwas genauer sagt die Gleichung, dass eine Änderung des Sättigungsdampfdrucks es abhängig ist von der spezifischen Verdampfungsenthalpie (Lv für Wasser bei 20 °C: 2453 kJ kg–1, vgl. Tab. 4-1) und der Temperatur T (RW ist die spezifische Gaskonstante für Wasser, 461.4 J kg–1 K–1; in Kap. 4 gehen wir näher auf die Gaskonstante ein):


Für Temperaturen zwischen 0 und 20 °C ergibt sich daraus eine Zunahme von es um 6–7 % K–1. Diese Beziehung hat weitreichende Folgen für die Art und Weise, wie die Atmosphäre Energie transportieren kann. Wenn die Verdunstung nicht limitierend ist und die relative Feuchte konstant bleibt, dann wird um 1 K erwärmte Luft um 7 % feuchter. Entsprechend wird sie auch sehr viel energiereicher. Damit werden die Energieströme bei gleichbleibender Zirkulation viel größer. Dies wiederum hat Folgen für die atmosphärische Zirkulation und deren Aufgabe, Energieunterschiede auszugleichen.

Abb. 2-14 |Abhängigkeit des Sättigungsdampfdrucks für Wasserdampf von der Temperatur: die Clausius-Clapeyron-Beziehung.


Wenn mehr Wasserdampf transportiert wird und kondensiert, wird auch mehr Energie freigesetzt. Diese muss letztlich abgestrahlt werden. Die Abstrahlung nimmt gemäß dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (vgl. Kap. 3) mit der Temperatur nur um ca. 1.4 % K–1 zu. Dazu kommen zwar komplizierte Rückkopplungseffekte, doch letztlich kann die Strahlungszunahme nicht mit der Clausius-Clapeyron-Zunahme mithalten. Die frei werdende Energie erwärmt die obere Troposphäre stärker als die bodennahen Schichten und führt somit – im zeitlichen Mittel – zu einer Stabilisierung der Atmosphäre (vgl. Kap. 4). Das betrifft auch die Zirkulation und den Energietransport durch die Atmospäre, zumindest unter Annahme konstanter relativer Feuchte und konstanten Energietransports durch Atmosphäre und Ozean. Diese Annahmen treffen in der realen Welt zwar nicht zu. Global gemittelt nimmt die relative Feuchte ab, und die Ozeane spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Beispiel zeigt aber, wie eng globale Temperaturzunahme, Wasserkreislauf, Energieflüsse und atmosphärische Zirkulation miteinander verknüpft sind. Ursache dafür ist vor allem die Clausius-Clapeyron-Beziehung. Wir werden in den folgenden Kapiteln darauf zurückkommen. Im nächsten Kapitel werden wir dazu die Grundlagen der Energiebilanz der Erde erarbeiten.

Verwendete Literatur

Andreae, M. O., D. Rosenfeld (2008) Aerosol–cloud–precipitation interactions. Part 1. The nature and sources of cloud-active aerosols. Earth-Science Reviews, 89, 13–41.

Bliefert, C. (2002) Umweltchemie. 3. Aufl. Wiley, Weinheim.

Brönnimann, S. (2013) Ozon in der Atmosphäre. Haupt und Geographica Bernensia, Bern.

Brönnimann, S. (2015) Climatic Changes Since 1700. Springer.

Brönnimann, S., A. Stickler (2013) Aerological observations in the Tropics in the Early Twentieth Century. Meteorol. Z., 3, 349–358.

Wayne, R. P. (2000) Chemistry of Atmospheres. 3. Aufl. Oxford University Press, Oxford.

Weiterführende Literatur

Lohmann, U., F. Lüönd, F. Mahrt (2016) An Introduction to Clouds: From the microscale to climate. Cambridge University Press.

Seinfeld, J. H., S. N. Pandis (2006) Atmospheric Chemistry and Physics: From Air Pollution to Climate Change. 2. Aufl. Wiley, New York.

Wallace, J. M., P. V. Hobbs (2006) Atmospheric Science. An Introductory Survey, 2. Aufl. Academic Press.

Klimatologie

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