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1. Zeit

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Es ist wichtig, bevor man die Wohnung verlässt, genug Zeit für den avisierten Weg einzuplanen. Eigentlich ist das sogar die Voraussetzung für einen stressfreien, sicheren Weg. Wobei das Wort „eingeplant“ nicht nur zufällig das Wort „Plan“ beinhaltet: man sollte vorher einen konkreten Plan haben.

Bevor ich also einen Weg gehe, nehme ich mir kurz einen Augenblick Zeit und mache mir meinen Zeitplan bewusst. Dieser enthält zum Beispiel Zeiten für Fußwege sowie Straßenbahn-Fahrzeiten, jeweils mit einem zusätzlichen Zeitpuffer. So vermeide ich im Vorhinein, bei einem ungünstigen Verlauf einer oder mehrerer Dinge unter Zeitdruck zu geraten.

So gut wie immer habe ich die Erfahrung gemacht, dass Eilen unter Zeitdruck die Wahrscheinlichkeit für Fehler, Stolpern, Kollisionen und riskante Situationen stark erhöht und kaum den erhofften Effekt bringt, eher anzukommen. Es ist deswegen auch wenig ratsam, schon zu spät von zu Hause loszugehen. Lieber die nächste Bahn anpeilen und ein paar Minuten später aufbrechen.

Nicht zuletzt ist es auch für die Anderen, die außer uns ebenfalls unterwegs sind, unangenehm, plötzlich mit so einem hektischen „blinden Geschoss“ konfrontiert zu sein. Wir sind immer darauf angewiesen, dass die sehenden Passanten uns beachten und entweder ihren Weg entsprechend einrichten oder sich bemerkbar machen, und sie müssen dafür auch genug Zeit haben.

Falls man doch einmal zeitlich ins Hintertreffen gerät, ist es angesagt, sich mental strikt zu disziplinieren und zu sich zu sagen: „So, du bist jetzt spät dran und es kann sein, dass du zu spät kommst, aber: Es ist egal.“ Ein bewusstes innerliches Zurücklehnen ist jetzt nötig.

Um es zu veranschaulichen: Streicht der Personalchef, zu dessen Bewerbungsgespräch ich zu spät komme, mich deswegen aus der Bewerberliste, so ist bestimmt die Tätigkeit eintönig, anstrengend und unterbezahlt und das Kollegium beschissen. Und die Frau, mit der ich ein Date hatte und die entnervt wieder abgerückt ist, ist bestimmt extrem langweilig und hätte mich mit sinnlosem Gespräch gequält.

Oder andersrum: Ich werde superherzlich empfangen und mein Zu-spät-Kommen interessiert überhaupt niemanden. Tatsächlich ist der letztere Fall viel häufiger, nicht zuletzt deshalb, weil unsere sehenden Mitmenschen sich sowieso wundern, wie wir es alleine geschafft haben, bei ihnen anzukommen.

Deswegen gilt, soweit möglich: Als Blinde sollten wir unterwegs immer Zeit haben.


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