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Noch ein Buch über Hitlers Hofstaat? Was ist interessant an Constanze Manziarly, Adolf Hitlers Diätköchin, und ihren Erlebnissen im Führerhauptquartier? Aufgrund der Briefe, die sie vom Obersalzberg, aus der Wolfsschanze und aus Berlin an ihre Familie geschrieben hat, wird man die Geschichte des Dritten Reichs nicht umschreiben müssen. Trotzdem sind sie eine außergewöhnliche und aufschlussreiche Quelle. Was diese Aufzeichnungen aus der Flut der Erinnerungsberichte über das Leben in Hitlers Macht- und Herrschaftszentrum abhebt, ist vor allem, dass sie Quellen im eigentlichen Sinn des Wortes sind. Es handelt sich eben nicht um Memoiren, die rückblickend, mit dem Wissen über den Ausgang der Ereignisse, geschrieben wurden und verzerrt sind vom Hang zur Rechtfertigung, von nachträglichen Interpretationen und Deutungen. Constanze Manziarly schrieb ihre Briefe für den Augenblick und nicht für die Nachwelt. So überrascht es nicht, dass ihr Blick im Vergleich zu den bekannten Erinnerungswerken oft nüchtern ist und keine theatralischen Enthüllungen bietet, wohl aber in scheinbar nebensächlichem Ton manches überraschende und bemerkenswerte Detail vermittelt. Was sie beobachtete und was sie bewegte, besticht mitunter gerade durch seine Schlichtheit und vermeintliche Banalität. Constanze Manziarlys authentische, zeitnahe und unsentimentale Innensicht vermittelt eine Ahnung von der Stimmung, der Atmosphäre und den Lebensbedingungen im Umfeld des Diktators, dessen Charakter seine ehemaligen engsten Mitarbeiter in ihren rückblickenden Schilderungen oftmals als eine Mischung von dämonisch und väterlich-fürsorglich dargestellt haben.

Ihr tragischer Tod, den sie mit größter Wahrscheinlichkeit am 2. Mai 1945, zwei Tage nach ihrem „Chef“, im umkämpften Berlin erlitt, nahm Constanze Manziarly die Möglichkeit, ihre Erinnerungen um und neu zu deuten und zu interpretieren. So sind ihre Briefe und die wenigen sonstigen Informationsbruchstücke, die auf anderem Weg, etwa telefonisch, zu ihrer Familie gelangten, in sich abgeschlossene, für sich stehende Quellen und enthüllen eine ebenso spannende wie tragische Geschichte. Dass Constanze Manziarly durch seltsam anmutende Zufälle und gegen ihren Willen für einige Monate zu einer „Nebendarstellerin der Weltgeschichte“ wurde, ist aber nur ein Teil dieser Geschichte. Ihr Leben steht in vieler Hinsicht exemplarisch für ihre Generation, für viele junge Menschen, die damals in den Strudel der dramatischen Ereignisse gerieten – manchmal unfreiwillig, oft genug aber auch willig, ja begeistert; und noch häufiger wohl, ohne sich allzu viele und in die Tiefe gehende Gedanken darüber zu machen, was um sie herum vorging und was mit ihnen und anderen geschah.

Constanze Manziarly, Jahrgang 1920, wurde von den Zeitereignissen wie viele ihrer Altersgenossen rücksichtslos aus ihren gewohnten Lebenszusammenhängen gerissen, ihre persönliche Lebensplanung war über Nacht hinfällig. Und wie viele Gleichaltrige bezahlte auch sie den Machthunger und Größenwahn Adolf Hitlers mit dem Leben. Sie gehörte einer Generation an, die einerseits zum Opfer wurde, der man andererseits aber kritische Fragen nicht ersparen kann. Einer Generation, die fanatische junge SS-Männer ebenso hervorbrachte wie Hans und Sophie Scholl – und Constanze Manziarly, die Diätköchin des „Führers“.

Anstoß, mich mit dem Leben der jungen Tirolerin zu beschäftigen, gaben die Erinnerungen einer anderen jungen Frau, die fast gleich alt war wie Constanze, eine rangmäßig ähnliche Position in Hitlers Gefolge einnahm und wohl auch vom Denken und Fühlen her als so etwas wie Constanzes Alter Ego betrachtet werden kann: Hitler-Sekretärin Traudl Junge erwähnt in ihren Erinnerungen das „Fräulein Manziarly“ als „die junge Innsbrucker Diätköchin, die eigentlich Lehrerin werden wollte und nur vorübergehend bei Hitler in Dienst getreten war“.1 Es weckte mein Interesse, hier von einer Frau zu lesen, die im Führerhauptquartier tätig gewesen war und aus derselben Gegend stammte wie ich. Ich wollte mehr über sie erfahren. Allerdings erwies sich das als schwieriger als gedacht. In der Literatur fand ich jeweils nur kurze Erwähnungen, wenige verstreute Bruchstücke über die Tirolerin in Hitlers Diensten; Bruchstücke, die noch dazu oft nicht recht zusammenpassten. Auch bei Traudl Junge, die Constanze mehrfach erwähnt, bleiben ihre Konturen als Person undeutlich, ja fast phantomhaft. Der Gedanke, in ihrer Heimatstadt Innsbruck vielleicht noch Spuren finden zu können, ließ mich nicht mehr los.

Ich begann die Recherche zögerlich, hatte dann aber unerwartet großes Glück, als es mir nicht nur gelang, Constanzes Schwester Susanne Schiessl (1918-2014) ausfindig zu machen, sondern auch das Vertrauen dieser beeindruckenden und bemerkenswert klar und kritisch denkenden alten Dame zu gewinnen. Sie stand mir trotz ihres hohen Alters nicht nur für mehrere Gespräche zur Verfügung, sondern gab mir auch Einblick in verschiedene Dokumente, darunter auch 18 Briefe, die Constanze aus Berchtesgaden bzw. aus den diversen Führerhauptquartieren an die Familie in Innsbruck geschrieben hat.2 Auch zahlreiche Fotos wurden mir zur Verfügung gestellt. So war es möglich, ein Lebensbild von Constanze Manziarly zu zeichnen, das zwar nicht lückenlos ist, aber doch so interessant, dass es wert ist, ausführlich dargestellt zu werden.

Nach dem Tod von Susanne Schiessl fand ich bei ihrer Tochter Susanne Pasnocht, Constanzes Nichte, dasselbe Interesse und viel wohlwollende Unterstützung. Herzlichen Dank dafür.

Stefan Dietrich,

Mai 2020

1Junge/Müller, S. 164

2Die Originale der Briefe und Dokumente, aus denen im Folgenden immer wieder zitiert wird, befinden sich im Besitz der Familie, Reproduktionen davon in der Sammlung des Autors.

Constanze Manziarly

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