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2.1.2 Die Religion Islam sowie die Ideologie Islamismus und der Jihad
ОглавлениеJihad ist mehr als nur „heiliger Kampf oder „heiliger Krieg“, ein Begriff, der u.a. auch mit den christlichen Kreuzzügen ins Morgenland verbunden ist, allerdings religiös-politisch ein durchaus neutraler Überbegriff für harb, quital und weitere Begriffe mit Referenz auf Kampf, Krieg, Angriff oder Schlacht der Primärquelle Koran und zahlreicher Sekundärquellen des Islam ist. Die religiös-politische Konzeption Jihad ist umfassender als ein rein militärischer Krieg. Jihad ist eine religiös-politische Theologie, Kultur und Strategie des Krieges, eine Kultur des Todes, Kultur der Apokalypse. Der Begriff Jihad ist über 1400 Jahre alt, findet sich – gemeinsam mit anknüpfenden Begriffen wie Kampf, Angriff, Feldzug, etc. – an zahlreichen Stellen im Koran und hat als Theologie, politisch-religiöse Ideologie und Konzept bis heute verschiedene Interpretationen erfahren.[1]
Die international anerkannte Encyclopedia of Islam erklärt Jihad mit
warfare with spiritual significance und in law, according to general doctrine and in historical tradition, the jihad consists of military action with the object of expansion of Islam and, if need be, of its defense.[2]
Der frühe Islam des 7. Jahrhunderts wird von der herrschenden Meinung der internationalen Islamwissenschaft als vom Jihad dominiert beschrieben.[3] So werden die letzten zehn Jahre des Propheten Mohammed übereinstimmend als al maghazi (die Angriffe) bezeichnet.[4] Der Prophet Mohammed soll mindestens 27 militärische Offensiven persönlich angeführt und mindestens 59 weitere militärische Offensiven befohlen haben.[5]
In Bezug auf die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt, Religion und Terrorismus, Islam und Jihad muss konstatiert werden, dass das islamistisch-jihadistische Rekurrieren auf den Jihad als religiöse Pflicht „der Muslime“ evident mit der Darstellung des Propheten Mohammed im Koran verbunden ist.[6] Die Theologie des Jihad lässt sich im Koran in der dritten und vierten Phase Mohammeds verorten, die mit der Schlacht von Badr im Jahre 624 beginnt, als Mohammed dem göttlichen Befehl zum Kampf gegen die Verfechter der Vielgötterei (Sure 2, Verse 191-194 sowie Sure 47, Verse 4-5[7]) folgt.[8]
Festzustellen ist, dass der Islam des 7. bis zum 9. Jahrhundert und die sich ausführlich auf diese Zeit beziehenden Suren und Verse des Koran von göttlichen Offenbarungen gegenüber Mohammed geprägt sind, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Kapitulation der Mekkaner und der Einnahme Mekkas durch die Muslime Ende 629 stehen.[9]
Für die Frage nach dem konkreten „politischen Gehalt“ des Jihad und seinen Konsequenzen sind die sog. Schwertverse in Sure 9 von vitaler Bedeutung. Beispielsweise erhalten die Muslime in Vers 5, Sure 9 den Befehl, den Kampf gegen die „Götzenanbeter“ („Ungläubige“) weiterzuführen. Darüber hinaus ruft Vers 29 der Sure 9 die Muslime auch zum Kampf gegen die sog. „Buchbesitzer“ (Juden und Christen als historisch ältere monotheistische Religionen) auf, bis diese den Tribut entrichten und ihre Unterwerfung anerkennen.[10] Vers 40 der Sure 9 befiehlt den Muslimen im Imperativ, so lange zu kämpfen, bis es keine Unterdrückung oder: Verführung zum Abfall vom Glauben (fitna) mehr gibt.[11]
Der Prophet Mohammed erhielt seine göttlichen Offenbarungen, die im Koran verankert wurden, in einem Jahrzehnt der Kriege und militärischen Offensiven. So sagt Sure 22 Vers 40 und 41:
Erlaubnis sich zu verteidigen ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah – und Allah hat fürwahr die Macht, ihnen zu helfen. Jene, die schuldlos aus ihren Häusern vertrieben wurden, nur weil sie sprachen: Unser Herr ist Allah. […] Allah wird sicherlich dem beistehen, der ihm beisteht. Allah ist fürwahr allmächtig, gewaltig. [12]
Der Koran identifiziert Allah als den Handelnden der Schlacht und die Ursache des Sieges der Muslime. Weiter wird in den Versen 16-18 der Sure 8 ausgeführt:
Oh die ihr glaubt, wenn ihr auf die Ungläubigen stoßt, die im Heerzug vorrücken, so kehrt ihnen nicht den Rücken. Und wer ihnen an einem solchen Tage den Rücken kehrt, es sei denn, er schwenke ab zur Schlacht oder zum Anschluss an einen Trupp, der lädt führwahr Allahs Zorn auf sich und seine Herberge soll die Hölle sein. Schlimm ist die Bestimmung!
Nicht ihr habt sie erschlagen, sondern Allah erschlug sie. Und du warfest nicht, als du warfest, sondern Allah warf, auf dass er den Gläubigen eine große Gnade von sich selbst bezeige.
Zahlreiche Suren des Koran thematisieren den Jihad, so u.a. die Suren 8, 9, 33, 48. Sure 9, Vers 5 des Koran stellt dabei – von der herrschenden Meinung der internationalen Islamwissenschaften anerkannt – einen entscheidenden Vers für den Jihad im Koran dar:
Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener [Polytheisten], wo ihr sie trefft, und ergreift sie, und belagert sie, und lauert ihnen auf in jedem Hinterhalt. [13]
Der Jihad, wie er in Sure 9 des Koran entwickelt wird, fokussiert sich auf das dualistische Verhältnis von Gläubigen (Muslime) und Nicht-Gläubigen bzw. Ungläubigen. So fordert Sure 9, Vers 28 des Koran im Imperativ:
Kämpfet wider diejenigen aus dem Volk der Schrift, die nicht an Allah und den jüngsten Tag glauben und die nicht als unerlaubt erachten, was Allah und sein Gesandter als unerlaubt erklärt haben, und die nicht dem wahren Bekenntnis folgen, bis sie aus freien Stücken den Tribut entrichten und ihre Unterwerfung anerkennen.[14]
Eine islamistische, jihadistische Auslegung des Koran versteht die oben zitierten Suren und Verse zum einen wörtlich (ihrem Literalsinn nach) und beruft sich darüber hinaus auf weltweit bedeutende muslimische Rechtsschulen wie den Wahhabismus, der in Saudi-Arabien den Status einer Staatsreligion hat, sowie auf den hanbalitischen Rechtsgelehrten Ibn Taymiyya.[15] Die Interpretation des „großen Jihad“ als „innerer Kampf des individuellen muslimischen Gläubigen gegen die eigenen inneren Schwächen“ ist innerhalb der islamischen Rechtslehre höchst umstritten, da sich die Interpretation „großer Jihad“ auf einen Hadith, eine Überlieferung, beruft, dessen Authentizität innerislamisch angezweifelt wird.[16]
Zusammenfassend: Eine Verbindung der Primärquelle Korantext zu jihadistischer, terroristischer Gewalt ist im Literalsinn des Koran nach ebenso festzustellen wie in den Sekundärdokumenten der sunnitischen Rechtsschulen und in den Gutachten diverser islamischer Rechtslehrer. Die jihadistische Lesart des Koran nutzt also einerseits den Koran im Literalsinn (siehe die oben zitierten Suren und Verse) und beruft sich andererseits auf wichtige muslimische Rechtsschulen, wie beispielsweise den Wahhabismus und den Hanbalismus sowie auf alte und neue Prediger des Jihad.