Читать книгу Kompetenzorientierter Unterricht mit Portfolio - Franz König, Stefan Keller - Страница 6
3 Portfolio als Unterstützung von Kompetenzerwerb 3.1 Differenzierte Lernprozesse sichtbar machen und begleiten
ОглавлениеKompetenzen werden in langen und komplexen Lernprozessen erworben, wobei fachliche Problemlösefähigkeiten nicht (nur) instruktiv vermittelt werden können, sondern aktiv und individuell in konkreten Situationen durch Auseinandersetzung bestimmten Anforderungen erarbeitet werden können (vgl. Weinert 2001). Kompetenzerwerb stellt damit eine autonome, konstruktive Leistung eines Individuums dar, wobei Lernfortschritte nur dann gemacht werden, wenn das Bestehende sinnvoll mit neuem Wissen und erweiterten Handlungsoptionen verknüpft werden kann. Der Lehrplan 21 drückt das so aus:
Bedeutsame fachliche und überfachliche Kompetenzen lassen sich nicht kurzfristig in einer einzelnen Unterrichtseinheit erwerben. Sie erfordern eine kontinuierliche und längerfristige Bearbeitung im Sinne des kumulativen Lernens. Dies setzt eine langfristige Planung und Beobachtung der Zielerreichung im Unterricht voraus. In der aktiven Auseinandersetzung mit Lerninhalten erwerben die Schülerinnen und Schüler Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Bereitschaften, Haltungen und Einstellungen auf unterschiedlichen Qualitätsebenen. Dies führt vom reinen Faktenwissen über das Verstehen, Analysieren und Strukturieren von Informationen hin zum Lösen von Problemen und zur Anwendung des erworbenen Wissens in neuen Zusammenhängen.
(EDK 2016, S. 26)
Entscheidend dabei ist, dass die Qualität der erworbenen Kompetenzen in überwiegendem Maße von der Qualität der Prozesse abhängt, in denen diese erworben wurden (vgl. Lersch 2006, S. 32). Bei kompetenzorientiertem Unterricht muss also neben der Qualifikation von Lehrkräften und der Gestaltung von Lernumgebungen auch »der Prozessebene des Unterrichts die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt werden« (Oelkers und Reusser 2008, S. 406). Diese Qualität der Lernprozesse ist es, die für die Qualität des Lernerfolgs als ›Output‹ letztlich verantwortlich zeichnet.
Portfolios haben eine besondere Stärke bei der Dokumentation von Lernprozessen, etwa, wenn Schülerinnen und Schüler über eine längere Zeit an einem Thema arbeiten und ihre Lerntätigkeit mit unterschiedlichen Dokumenten belegen. Nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Bemühungen und Fortschritte der Jugendlichen können sichtbar gemacht werden, was allen Akteurinnen und Akteuren, die am schulischen Lernen beteiligt sind, vertiefte Einsichten in den Verlauf von Lernprozessen ermöglicht. Sie haben also das Potenzial, die Lernenden »auf ihrem Weg des langfristigen, kumulativen Kompetenzerwerbs zu unterstützen, Lernen als konstruktive, schrittweise selbstregulierte und reflexive Prozesse situationsbezogen zu gestalten und wirksam didaktisch zu unterstützen« (EDK 2013).
Indem die Portfolios die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf die Prozesse des Lernens lenken, schulen sie auch ein Bewusstsein für metakognitive (bzw. reflexive) Komponenten des Lernens. Dies beinhaltet einen kritischen Blick auf die eigenen Lernfortschritte, Erfolge und Lernschwierigkeiten. Die Arbeit mit Portfolios – allein und mit anderen – ist eine Möglichkeit, Fähigkeiten der Selbststeuerung sukzessive aufzubauen. Gerade auf höheren Schulstufen wird es zentral, dass junge Menschen Lernprozesse nicht nur durchlaufen, sondern auch auswerten und ihre Wirkung verstehen. Damit sie lernen, die eigenen Lernprozesse aktiv zu hinterfragen anstatt dem Unterricht nur passiv zu folgen, sollte früh, von den ersten Jahren der Volksschule an, damit begonnen werden, die Kinder als aktive »Sense-makers« zu verstehen. Die Praxisbeispiele in diesem Buch setzen deshalb bereits in den ersten Schuljahren an und enden mit dem Abitur- bzw. Maturaniveau.