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3.Gewaltenteilung im Grundgesetz
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169Die Konzeption der horizontalen Gewaltenteilung des Grundgesetzes ist ein System aus gegenseitiger Verschränkung, Hemmung und Zusammenwirken staatlicher Funktionen, deren Basis die klassische Dreiteilung der staatlichen Gewalt ist. Die Entscheidung für ein parlamentarisches Regierungssystem bewirkt eine enge Verzahnung von vollziehender Gewalt und Parlament59. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Entwicklung hin zu einer Parteiendemokratie, in der gleiche Parteizugehörigkeiten die Grenzen zwischen den einzelnen staatlichen Funktionen und Ämtern verwischen60. Nach der grundgesetzlichen Konzeption sind die Gewalten also nicht strikt voneinander getrennt, sondern es besteht eine Gewaltenverschränkung und zwar in organisatorischer, funktioneller und personeller Hinsicht61. Eingriffe in den Funktionsbereich einer anderen Gewalt sind nicht immer unzulässig. Der Grundsatz der Gewaltenteilung ist vielmehr erst bei einem Eingriff in den Kernbereich einer anderen Gewalt verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn seine Verletzung ein Übergewicht der einen über die andere Gewalt bedeuten würde62. Was darunter genau zu verstehen ist, muss anhand einer Bewertung des Einzelfalls ermittelt werden.
Die Einrichtung von Mitwirkungsrechten der Länder auf Bundesebene führt zu Verschränkungen auch im Bereich der im Grundgesetz vorgesehenen vertikalen Gewaltenteilung.
170a) Horizontale Gewaltenteilung. Ausgangspunkt der horizontalen Gewaltenteilung im Grundgesetz ist Art. 20 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 3. Die Staatsgewalt, die gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG vom Volke ausgeht, wird in drei Funktionen aufgeteilt:
– Gesetzgebung,
– vollziehende Gewalt,
– Rechtsprechung.
171Die Ausübung erfolgt durch besondere Organe, die jeweils getrennt voneinander nur eine dieser Funktionen erfüllen. Dies wird durch die einzelnen Vorschriften des Grundgesetzes, die die Staatsorgane benennen, ihre Einrichtung und Zusammensetzung regeln und ihnen ihre jeweilige Funktion zuweisen, konkretisiert. Die Gesetzgebung wird dem Bundestag und dem Bundesrat auferlegt, die vollziehende Gewalt der Bundesregierung und den ihr nachgeordneten Verwaltungsbehörden, die Rechtsprechung dem Bundesverfassungsgericht, den obersten Bundesgerichten und den Gerichten der Länder63.
172Allerdings erfolgt die Zuordnung nicht vollständig und exklusiv. Insbesondere zwischen Gesetzgebung und vollziehender Gewalt besteht eine weitreichende Verflechtung. So ist der Bundeskanzler vom Vertrauen des Parlaments abhängig und kann durch ein konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) abgewählt werden. Die Kontrolle der Exekutive durch die parlamentarische Mehrheit ist in der Praxis jedoch insofern eingeschränkt, als diese aufgrund der Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag zu parteipolitischer Übereinstimmung von Parlamentsmehrheit und Regierung führt. Sie findet insofern stärker durch die parlamentarische Opposition statt, der hierzu besonders ausgestaltete Minderheitsrechte eingeräumt werden (vgl. insb. Art. 44 GG)64. Häufig, aber nicht zwangsläufig, ergibt sich eine personelle Verflechtung auch dadurch, dass Bundeskanzler und Minister auch Abgeordnete des Bundestags und damit Mitglieder des zentralen Legislativorgans sind. Weitere, in der Verfassung vorgesehene Verschränkungen ergeben sich durch die Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive in Art. 80 GG und die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat im klassischen Regierungsbereich der auswärtigen Angelegenheiten (Art. 59 Abs. 2 GG).