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1 Einleitung

1.1 Der Übergang zur wissensbasierten Ökonomie

Die entwickelten Industrieländer sind heute durch eine zunehmend wissensintensivere Wirtschaft geprägt, die mittlerweile alle Sektoren der Wirtschaft erfasst. Dieser Strukturwandel wird durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft zusätzlich befördert (Brandt 2019, Brandt 2015). Auf Basis der hoch entwickelten Informations- und Kommunikationstechnologien ist eine wissensbasierte Ökonomie entstanden, die vor allem bei den wissensintensiven Dienstleistungen und Industrien ein dynamisches Beschäftigungswachstum aufweist. Produkt- und Technologielebenszyklen werden zunehmend kürzer und wirtschaftliches Wachstum beruht maßgeblich auf der Generierung von neuem Wissen und Innovationen. Die wissensbasierte Ökonomie ist jedoch kein homogener Wirtschaftssektor. Vielmehr beschreibt sie ein breites Spektrum unterschiedlicher Aktivitäten, deren gemeinsame Merkmale intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und eine wachsende Bedeutung von Informationsgütern oder -dienstleistungen in den jeweiligen Wertschöpfungsketten sind (vgl. Strambach 2011; Kujath, Zillmer 2010; Kujath 2005)1.

Die wissensbasierte Ökonomie ist eine „people-driven-economy“, die auf die Gewinnung hoch qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen ist. Wissen und Kreativität sind ihre wichtigsten Motoren und werden durch Investitionen in Humankapital sowie durch Lernen bestimmt. Aus- und Weiterbildungsprozessen kommt im Zuge eines „lebenslangen Lernens“ eine wachsende Bedeutung zu (Stiglitz 2015). Steigende Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die öffentliche und private Bildung gelten dabei als Investitionen in Wissen und signalisieren den Bedeutungsgewinn der Wissensarbeit (Infobox).

Mit der zunehmenden Rolle des Wissens als wichtigste Ressource einer innovationsgetriebenen Wirtschaftsentwicklung gewinnt für die Unternehmen auch die Zusammenarbeit in formellen und informellen Netzwerken bzw. Forschungskooperationen an Bedeutung. Netzwerke bzw. Kooperationen repräsentieren spezifische Organisationsformen zwischen Markt und Hierarchie, die unter bestimmten Voraussetzungen in besonderer Weise geeignet sind, den Wissensaustausch zu befördern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Preismechanismus (Markt) und der Anweisungsmechanismus (Hierarchie) nicht funktionieren bzw. zu suboptimalen Ergebnissen führen, so dass sich die Kooperation als institutionelle Zwischenform als überlegen erweist. Diesen Zusammenhang begründet Walter Powells als einer der Begründer der ökonomischen Netzwerktheorie mit spezifischen Vorteilen der Kooperation bzw. Netzwerkaktivität als eigenständigem Koordinierungsmechanismus zwischen Markt und Hierarchie: „In netzwerkartigen Formen der Ressourcenallokation finden Transaktionen weder durch diskrete Tauschprozesse noch durch administrative Anweisungen statt, sondern innerhalb von Netzwerken von Individuen, die in wechselseitige, sich gegenseitig bevorzugende und unterstützende Handlungszusammenhänge involviert sind. Netzwerke können sehr komplex sein: sie beinhalten weder die expliziten Kriterien des Marktes noch den üblichen Paternalismus von Hierarchien. Eine grundlegende Annahme bei Netzwerkbeziehungen ist, dass einzelne Parteien von den Ressourcen der anderen abhängig sind, und dass durch die Kombination von Ressourcen Vorteile erzielt werden können“ (Powell 1996, S. 224). Die Kooperation bzw. Netzwerkaktivität sind vor allem deshalb als Koordinationsmechanismus für den Austausch von Wissen prädestiniert, weil Wissen ein immaterielles Gut ist und sich zu weiten Teilen dem Preis- und Anweisungsmechanismus entzieht. Stattdessen ist der Transfer von Wissen in besonderer Weise auf Vertrauen, Reziprozität und Reputation gegründet, die für die Funktionsweise von Kooperations- bzw. Netzwerkbeziehungen von zentraler Bedeutung sind (Strambach 2011, Sukowski 2002; Genosko 1999).

INFOBOX

Wissensintensive Wirtschaft in Deutschland

Der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss verfügen, ist zwischen 2009 und 2016 von 12,6% auf 16,8% angewachsen. Positiv verlief auch die Entwicklung beim FuE-Personal. Gegenüber 2008 ist in Deutschland die Zahl der Forscher und Entwickler bis 2016 um knapp 22 Prozent auf fast 405.000 gewachsen. Während die Anzahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland insgesamt zwischen 2009 und 2015 um 4,7 Prozent gestiegen ist, erhöhte sich die Anzahl des in Forschung und Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigten Personals im gleichen Zeitraum um 17,9 Prozent. Auch das Feld der wissensintensiven Wirtschaftszweige verzeichnete in den vergangenen Jahren ein messbares Wachstum. Von 2009 bis 2016 ist die Beschäftigung der Wissensintensiven Dienstleistungen und des wissensintensiven Verarbeitenden Gewerbes um 14,5% gewachsen und damit in etwa so stark wie die Beschäftigungsentwicklung insgesamt. Darunter haben sich die Wissensintensiven Dienstleistungen (+18,1 %) deutlich positiver entwickelt als das Wissensintensive Verarbeitende Gewerbe (+8,1%). Der Anteil dieser Wirtschaftszweige an der Beschäftigung insgesamt beträgt 2016 knapp ein Drittel (31,1%).

Quelle: IAB, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

Der Wissensaustausch wird nicht zuletzt durch die fortschreitende Digitalisierung erleichtert. Digitale Netze können nur kodifiziertes Wissen (explizites Wissen) übertragen, d.h. Wissen, das in verbaler oder schriftlicher Form (auch Grafiken, Blaupausen, Algorithmen etc.) festgehalten wird und personenunabhängig transferiert werden kann. Die Digitalisierung führt aber auch zur Aufwertung der nicht kodifizierbaren und damit technisch nicht substituierbaren Wissensformen. Kodifiziertes Wissen setzt einen Fundus von kontextuellem Hintergrund- und praktischem Umsetzungswissen voraus, das auch als implizites Wissen oder „Tacit knowledge“ bezeichnet wird (Polanyi 1985).

Unter implizitem Wissen „wird das kontext- und situationsabhängige, schwer zu kommunizierende Hintergrundwissen verstanden. Es umfasst Erfahrungen, Routinen und latente Praktiken und ist in Personen und Organisationen gebunden“ (Maier, Tödtling, Trippl 2006, S. 112). Tacit knowledge ist daher definitionsgemäß nicht kodifizierbar und kann nicht schriftlich niedergelegt werden (Audretsch, Feldman 2003, S. 6; Hellbrecht 2004, S. 424; Genosko 1999, S. 38). Folglich ist das implizite Wissen schwer kommunizierbar, formalisierbar und teilbar, so dass es weitgehend nur „face to face“ weitergegeben werden kann (Brökel 2016, Brandt 2014; Strambach 2011; Franz 2002). Dies erschwert die Diffusion des impliziten Wissens über größere Distanzen hinaus (Stiglitz 1999, S. 4ff.). Räumliche Nähe ist eine wesentliche Voraussetzung für die Vermittlung von implizitem Wissen. Auch im Zeitalter moderner IuK-Technologien besteht damit eine fortdauernde Relevanz von Face-to-face- Kommunikation und räumlicher Nähe2. Dies bedeutet auch, dass den regionsspezifischen Wissensbeständen trotz einer globalisierten Informationsflut auch weiterhin eine zentrale Bedeutung für die Regionalentwicklung zukommt (vgl. Siebel 2015; Brandt 2014; Krätke 2002; Genosko 1999).

Eine Erweiterung hat das Konzept der räumlichen Nähe durch das Konzept der relationalen Nähe gefunden, wobei Nähe dabei umfassend, d.h. neben räumlicher Nähe auch als kognitive, gesellschaftliche, organisatorische und institutionelle Nähe betrachtet wird (Thierstein, Wiese 2011, Barthelt, Glückler 2012; Lüthi et al. 2013, Boschma 2005). Unter „relationaler Nähe“ werden insbesondere die Ähnlichkeiten unterschiedlicher Regionen in Hinblick auf ihre gemeinsam geteilten Verhaltensnormen, kulturellen Gepflogenheiten, ihr gegenseitiges Vertrauen, ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Kooperationsressourcen verstanden (Belderbos et al. 2012). Relationale Nähe spielt für den überregionalen Transfer von Wissensspillovern eine bedeutende Rolle, steht aber nicht in einem Gegensatz zur räumlichen Nähe. Wissen wird „erst im Austausch zwischen Menschen geschaffen, welche sich sowohl räumlich als auch in Netzwerken nahe und vertraut sind und zu diesem Austausch auch bereit sowie in der Lage sind: Räumliche und relationale Nähe spielen sich je nach Technologie- und Handlungsfeld gegenseitig und komplementär in die Hände“ (Thierstein, Wiese 2011, S. 129).

Implizites Wissen und explizites Wissen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen einander; sie verhalten sich nicht substitutiv sondern komplementär zueinander (Tsoukas 2003; Gust-Bardon 2012). Welches Gewicht den beiden Wissensarten jeweils zukommt, ist a priori nicht eindeutig zu beantworten und hängt z.T. von technologie- und branchen- sowie lebenszyklusspezifischen Konstellationen ab. Aus innovationsökonomischer Sicht lässt sich die These begründen, dass mit dem zunehmenden Austausch von explizitem Wissen die Bedeutung von Hintergrund- und Erfahrungswissen (Tacit knowledge) eher zunimmt: die Einführung neuen Wissens setzt ein breites praktisches Erfahrungswissen und damit Know how (im Unterschied zu Know what) voraus. Das explizite Wissen repräsentiert dabei, wie es Joseph Stiglitz formuliert, „nur die Spitze des Eisbergs“ (Stiglitz 1999).

An die besondere Bedeutung von Tacit knowledge knüpft César Hidalgo in seiner Netzwerktheorie an (Hidalgo 2016). Im Rahmen seines theoretischen Ansatzes liefert Hidalgo eine systematische Begründung für den wirtschaftlichen Erfolg von Volks- und Regionalwirtschaften im Kontext von Wissensnetzwerken: Da die Produktion komplexer Produkte immer eine Kombination von explizitem Wissen und Know-how verkörpert, setzt diese den Zugang zu implizitem Wissen voraus (Ebenda, S. 116). Erfolgreiches Wirtschaften basiert damit auf der Fähigkeit, Wissen und insbesondere Know-how zu akkumulieren. Die Menge von Wissen und Know-how, die auf individueller Ebene angehäuft werden kann, ist aber begrenzt, was eine Akkumulation auf kollektiver Ebene erforderlich macht und zur Bildung einer Unternehmung führt. Dieser Akkumulationsprozess erreicht unweigerlich einen kritischen Punkt, ab dem auch die Grenzen einer Unternehmung überschritten werden und weiteres Wissen und Know-how nur noch in Unternehmensnetzwerken angehäuft werden können: „Das krasse Missverhältnis zwischen den riesigen Mengen an Wissen und Know-how, die zur Erschaffung der Hightech-Wunder dieser Welt benötigt werden, und der begrenzten Know-how-Speicherkapazität von Unternehmen erklärt warum wir (…) Firmennetze benötigen, um komplexe Produkte herzustellen.“ (Hidalgo 2016, S. 134)

Die Ausweitung von Wissensnetzwerken bzw. von innovationsorientierten Kooperationen stellt eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Entwicklung einer dynamischen Wirtschaft dar. Dafür ist es von zentraler Bedeutung, wie die Gesamtstruktur des Beziehungsgeflechts beschaffen ist und an welcher strukturellen Position die jeweiligen Organisationen im Beziehungsgeflecht zu verorten sind (Brökel 2016). Netzwerke können z.B. sehr unterschiedliche Dichten und Stabilitäten aufweisen, mehr oder minder geschlossen oder offen sein und auch in räumlicher Hinsicht (regional, überregional, international) unterschiedlich verortet und strukturiert sein. Vertiefende Einblicke in diese strukturellen Eigenschaften von Wissensnetzwerken erlaubt die Netzwerkanalyse, die in diesem Buch als zentrale Analysemethode eingesetzt wird (siehe Kapitel 3–5). Die konkreten Eigenschaften von Netzwerken können, ausgehend von den analytischen Erkenntnissen, Ausgangspunkt für regionalwirtschaftliche Gestaltungsansätze sein. Wissens-, Netzwerk- und Clustermanagement, Wissensvernetzung und Strategieansätze, die auf die Förderung von lernenden Regionen abstellen, gewinnen in diesem Zusammenhang an Relevanz (siehe Kapitel 6).

Aus innovationsökonomischer Perspektive handelt es sich bei den Wissensnetzwerken um eine Form der Übertragung von Wissensspillover3 (Fritsch 2012, Brökel 2016). „Wissensspillover werden in diesem Kontext als nicht-marktlich abgegoltene Wissenstransfers zwischen Organisationen aufgefasst, die einen positiven Effekt auf die Wissensgenerierung der wissensempfangenen Organisationen haben“ (Brökel 2016, S. 44). Sie sind ein typisches Beispiel für die Existenz positiver externer Effekte, die bei der Erklärung von Wachstumsimpulsen in dynamischen Regionen eine wesentliche Rolle spielen. Dabei wird in der Regionalökonomie zwischen Lokalisationsvorteilen und Urbanisierungsvorteilen unterschieden. Erstere stellen auf intraindustrielle Externalitäten ab, die aus der räumlichen Konzentration von spezifischen Branchen bzw. Wertschöpfungsketten erwachsen (Cluster). Die Vorteile resultieren aus der Verfügbarkeit eines Arbeitskräftepools, spezialisierten Zulieferverflechtungen und Dienstleistern sowie Wissensspillover. Urbanisierungsvorteile beziehen sich auf die Größe des Marktes und die damit verbundene Diversität von qualifizierten Arbeitskräften, Branchen und sonstigen Institutionen (z.B. Forschungseinrichtungen). Gerade in der Diversität urbaner Standortqualitäten liegt ein hohes Innovationspotenzial begründet. Auch in diesem Fall profitieren die Unternehmungen von Wissensspillover, deren Inhalt aber Wissen ist, welches außerhalb ihres gewöhnlichen Aktivitätsraumes existiert (Brökel 2016, S. 46).

Für das regionale Innovationssystem ist der Wissensaustausch innerhalb der Wirtschaft und zwischen der Wirtschaft und der Wissenschaft (Wissensspillover) von zentraler Bedeutung. Wissenschaftliche Studien lassen den Schluss zu, dass ein hohes Innovationspotenzial insbesondere an den Schnittstellen und Überlappungsbereichen unterschiedlicher, aber auch verwandter Kompetenzfelder („related variety“) (Frenken et al. 2007) zu verorten ist. Related variety oder technologische Verbundenheit beschreibt in diesem Zusammenhang das Vorhandensein von Unternehmen in Branchen, welche über verschiedene, aber dennoch ähnliche Kompetenzen verfügen und daher einen relativ engen Bezug zueinander aufweisen (Brachert und Titze 2012: 210). Diese Verbundenheit zwischen verwandten bzw. komplementären Branchen schafft besonders günstige Voraussetzungen für den Wissenstransfer (EU Kommission 2012). Eine Strategie der verwandten Diversifizierung geht daher von der Erkenntnis aus, dass sich Wissen primär dort überträgt, wo Regionen mit unterschiedlichen Branchen ausgestattet sind, die aber aufgrund ihrer gemeinsamen Wissensbasis miteinander eng verbunden sind (Boschma 2008, S. 13). Gerade an den Rändern bzw. Übergängen von Kompetenzfeldern werden weitaus bedeutendere Innovationen hervorgebracht als in ihren Kernen (Menzel 2012, S. 61f.). An den Rändern bzw. Überlappungsbereichen von unterschiedlichen Netzwerken bzw. Clustern können die regionalen Akteure aufgrund ihrer besonderen innovativen Potenziale eine wichtige Rolle im Rahmen der Weiterentwicklung des regionalen Innovationssystems spielen. Auch in diesem Zusammenhang kann eine Netzwerkanalyse konstruktive Hinweise liefern, wo entsprechende Schnittstellen und Überlappungsbereiche räumlich zu verorten sind.

Der theoretischen Erklärung für einen Zusammenhang zwischen technologischer Verbundenheit und ökonomischem Erfolg liegt die Annahme zugrunde, dass Innovationssprünge in vielen Fällen auf eine (Neu)-Kombination von Kompetenzen verschiedener Wirtschaftsakteure zurückzuführen sind.

Empirisch ist es außerordentlich schwierig, den Wissensaustausch, der innerhalb der Netzwerke stattfindet, direkt zu messen. Paul Krugman hat darauf verwiesen, dass Wissensflüsse unsichtbar sind und sie keine Spuren hinterlassen, die man gegebenenfalls messen könnte (Krugman 1991, S. 53). Auch wenn in empirischen Studien gezeigt werden kann, dass durch den Austausch von Wissen und Ideen immer wieder Lernen ermöglicht wird und damit neues Wissen entsteht, ist es schwer zu bestimmen, welche der am Wissensaustausch beteiligten Parteien den größeren Nutzen davon trägt. Die Aneignung von Wissen im Kontext von Wissensnetzwerken hängt nicht zuletzt auch von der Absorptionskapazität der an den Kooperationsverflechtungen beteiligten Akteuren ab (Krätke 2011, S. 101). Wissenstransfer ist kein linearer Vorgang, sondern erfordert sowohl einen permanenten Prozess der Interaktion zwischen den Akteuren als auch die entsprechenden Verarbeitungskapazitäten, um sich fremdes Wissen produktiv aneignen zu können. Krätke plädiert daher auch dafür, dass die Rede vom Wissenstransfer oder von den Wissensflüssen mehr als Metapher „for an interaction of considerable complexity“ verstanden werden sollte (Krätke 2011).

1.2 Metropolregionen als Knotenpunkte der wissensbasierten Ökonomie

Die für die wissensbasierte Ökonomie bedeutenden Wirtschaftsbereiche konzentrieren sich vornehmlich in urbanen Agglomerationsräumen (vgl. Läpple 2016; Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014; Thierstein, Wiese 2011; Krätke 2011; Thierstein et al. 2006)4. Autoren wie Kujath, Siebel und Krätke sehen die Metropolregionen zu den bevorzugten Standorten der Wissensarbeit aufsteigen. Denn in einer wissensbasierten Ökonomie sind es gerade die großstädtischen Regionen und Agglomerationen, die die bedeutsamen Standorte darstellen (Kujath 2005, Siebel 2015; Läpple 2014; Krätke 2013; Krätke 2007; Helbrecht 2005, Eickelpasch 2017). Dabei richtet sich der Fokus immer weniger auf die urbanen Metropolen im engeren Sinne, sondern zunehmend auf ein breiter angelegtes funktionales Verständnis des urbanen Raums als Metropolregion. Die Metropolregionen, bestehend aus großstädtischen Zentren und dem damit eng verflochtenem Umland, gelten als die Knotenpunkte der wissensbasierten Ökonomie. „Gleichzeitig zeigt sich in diesen Regionen eine Regionalisierung des Städtischen. Nicht mehr einzelne Städte, sondern Stadtregionen sind die räumliche Maßstabsebene, auf der sich mehr und mehr räumliche Entwicklungsprozesse abspielen“ (Münter et al. 2016, S. 10).

Metropolregionen sind prädestinierte Orte einer wissensbasierten Ökonomie, weil sie zum einen über eine große Akteursdichte und über die Diversität verfügen, aus denen sich regionale Wissensnetzwerke und regionale Kontexte des Lernens entwickeln. „Zum anderen tragen die Ressourcen eines differenzierten Arbeitsmarktes mit spezialisierten Wissensarbeitern zu der Entwicklung bei, aber auch die Kommunikations- und Personentransportinfrastrukturen: Flughäfen, Bahnanschlüsse, Telekommunikationsnetze sowie eine breite Palette von Angeboten wie Messen. Dies alles macht Metropolregionen zu großen Informationsmarktplätzen, zu Kreuzungen des Informations- und Wissensaustausches“ (Kilper, Kujath 2006). Neben der räumlichen und institutionellen Nähe der Akteure untereinander sowie der Verfügbarkeit impliziten Wissens trägt zu dieser Einschätzung auch die Reduktion von Risiken durch die in den urbanen Räumen vorhandene höhere Kommunikationsdichte bei (vgl. Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014; Krätke 2005, Läpple 2003). Mit ihren besonderen Raumqualitäten und ihrer kritischen Masse verfügen die deutschen Metropolregionen zudem über günstige Voraussetzungen, um auch in einem europäischen Kontext wahrgenommen zu werden und entsprechend agieren zu können.

Die in einer Metropolregion vorhandene große Akteursdichte und -vielfalt ermöglicht vielfältige persönliche Kontakte, wodurch enge regionale Kommunikationsnetze und damit die Entstehung regionaler Wissenskontexte und Lernprozesse begünstigt werden (vgl. Kujath 2005). Metropolregionen bieten zudem eine hohe Dichte und Diversität von Wissensressourcen. Diese Verdichtung stellt das ideale Umfeld für eine Wissensvernetzung dar. Den Metropolregionen gelingt es darüber hinaus am ehesten, eine Kopplung von regionalen und internationalen Ressourcen zu erreichen (Krätke 2007). Die räumliche Größe schafft zudem Verbundeffekte, die eine bessere Arbeitsteilung und größere Ausstrahlungskraft ermöglicht. Die vorhandene Dichte bedingt zudem eine räumliche Nähe, die für den Austausch von implizitem Wissen und für die Anbahnung von Kooperationen besonders vorteilhaft ist.

Metropolregionen stellen einen hochwertigen Ressourcenpool in Hinblick auf qualifizierte Arbeitskräfte, Zuliefermärkte und eine gut ausgestattete Kommunikations- und Transportinfrastruktur dar. Als Knoten globaler Wissensnetzwerke bieten sie die erforderlichen Standortqualitäten für hochwertige Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung oder die Informations-, Medien- und Kreativindustrien (vgl. Bentlage, Thierstein 2013; Thierstein, Wiese 2011; Kujath 2005; Krätke 2002). Gerade bei den wissensintensiven Wirtschaftsaktivitäten lassen sich Konzentrationen auf einige wenige Standorte in Deutschland empirisch nachweisen (vgl. Bentlage, Thierstein, Lüthi 2014). Metropolregionen und große Städte repräsentieren die Standortzentren für neue wissensbasierte Wertschöpfungsketten sowie innovationsstarke Produktionscluster in wissensintensiven Industrien (IuK, Medientechnik, Biotechnologie, Medizintechnik etc.). Für den Zusammenhang zwischen Wissensgenerierung, Innovation, und Regionalentwicklung ist dabei entscheidend, dass den Netzwerken und Clustern im Sinne von regional vernetzten Ensembles von spezialisierten Unternehmen eine „kollektive Effizienz“ zugeschrieben wird, die aus Unternehmens-externen Skalenvorteilen der Produktion und aus Transaktionskostenersparnissen infolge räumlicher und kultureller Nähe der zusammenwirkenden Unternehmen hervorgeht (Krätke 2001).

Metropolregionen bieten zudem besondere personenbezogene Standortqualitäten. Dazu tragen die vielfältigen Kultur- und Freizeitangebote ebenso wie die zahlreichen Bildungseinrichtungen bei. Ein urbanes Milieu, das Offenheit und Kreativität fördert, wird zunehmend als entscheidender Faktor der Standortattraktivität angesehen. Nach Florida (2005, 2001) sind dies Faktoren, die entscheidend dazu beitragen, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und am Standort zu halten. Florida (2002) hat am Beispiel des US-amerikanischen Stadtsystems gezeigt, dass eine urbane Vielfalt mit diversen Kultur- und Freizeitangeboten und einem offenen Klima eine große Anziehungskraft auf hochqualifizierte Arbeitskräfte ausübt. Diese Ergebnisse wurden auch weitgehend für das deutsche Stadtsystem bestätigt (vgl. Fritsch 2007, v. Einem 2009). Die Kernstädte der Metropolregionen bieten ein urbanes Milieu mit vielfältigen kulturellen Angeboten, das dazugehörige Umland verfügt über ergänzende Potenziale (Wohnen, Freizeit, Erholung). Metropolregionen üben, sofern sie sich nicht von globalen Kontexten abschotten, eine erhebliche Anziehungskraft auf Wissensarbeiter und Kapital aus (vgl. Thierstein, Wiese 2011; Fritsch 2007, Kujath 2005).

Nicht zuletzt sind Metropolregionen ein „Wahrnehmungsraum“ mit Ausstrahlungseffekten, die nicht zuletzt im internationalen Rahmen eine erhöhte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein gemeinsamer Wahrnehmungsraum findet international stärkere Beachtung als seine einzelnen Teilräume. In diesem Zusammenhang ist jedoch ein Akzeptanzvorteil von historisch gewachsenen gegenüber politisch konstruierten Metropolregionen zu konstatieren, wodurch sich z.T. auch die unterschiedlichen Entwicklungsstände der institutionalisierten Kooperation in den einzelnen Metropolregionen erklären lassen. In diesem Zusammenhang zeigt sich aber auch, dass die mit den Metropolregionen gegebenen Wahrnehmungsräume auch Möglichkeitsräume bilden, die durch das aktive Zusammenspiel der regionalen Akteure mit Leben zu füllen sind.

Erkennbar ist auch eine deutliche Hierarchisierung der Metropolregionen. So sind vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen und Aktivitäten der wissensbasierten Ökonomie primär auf ausgewählte Großstadtregionen der „ersten Liga“ ausgerichtet. Dies zeigt sich europaweit mit London und Paris als führenden Standorten, aber auch innerhalb Deutschlands anhand der Vormachtstellung von Regionen wie Frankfurt/Rhein-Main, München, Hamburg oder Berlin. Innerhalb des Systems der Metropolregionen kommt es gleichzeitig zu sektoralen Spezialisierungen und zur Ausdifferenzierung von wirtschaftlichen Entwicklungspfaden (vgl. Krätke 2013, Krätke 2011, Krätke 2007). In Folge dessen können auch kleinere Metropolregionen, die als Ganzes nicht in vergleichbarem Maße stark positioniert sind, ganz im Sinne der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung und Spezialisierung innerhalb bestimmter Sektoren eine europaweite Beachtung finden. Der Anspruch, Metropolregion zu sein, kann sich somit für Regionen der „zweiten Liga“ auch aus dem strukturbildenden Potenzial einzelner Branchen ableiten. Zumal der Status „Europäische Metropolregion“ in vielen Fällen das Ergebnis eines politischen Ringens um Anerkennung ist („to be on the map“).

1.3 Metropolregionen in Deutschland und ihre Funktionen

Seit Mitte der 1990er Jahre wird auch in der deutschen Raumordnungspolitik der Bedeutung von Metropolen und Metropolregionen für die Raumentwicklung eine stärkere Beachtung beigemessen. Im 19. Jahrhundert war eine Metropole der Ort, an dem sich die politischen, kulturellen und ökonomischen Funktionen höchster Zentralität und Dichte überlagerten und der ein hohes Maß an Urbanität aufwies. Paris oder London galten lange Zeit als der Idealtyp einer Metropole (vgl. Siebel 2015, Häußermann 2000). Der Begriff Metropole entspricht damit eher den Raumvorstellungen im Zeitalter der Nationalstaaten und reicht heute nicht mehr aus, um die Verflechtungsbereiche der heutigen Metropolen, die mittlerweile weit über die politisch-administrativen Grenzen der Kernstädte hinausreichen, angemessen zu erfassen. Im Zeitalter der Globalisierung ist es angemessener von der Metropolregion, die international bedeutsame Funktionen im Raum wahrnimmt (vgl. NIW, NORD/LB 2005), als der zentralen Raumeinheit auszugehen. Diese funktionale Betrachtung markiert den Unterschied in der Definition einer heutigen Metropolregion zum herkömmlichen Metropolenverständnis.

Bereits 1995 wurden von der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) Berlin/Brandenburg, Hamburg, München, Rhein-Main, Rhein-Ruhr und Stuttgart als „Europäische Metropolregionen in Deutschland“ benannt (Priebs 2013). Hinzu kam als potenzielle Metropolregion das Sachsendreieck mit Leipzig, Dresden und Chemnitz. Im Jahr 2005 wurden die Regionen Nürnberg, das Rhein-Neckar-Dreieck, Bremen/Oldenburg sowie die heutige Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg5 von der MKRO in den Kreis der Metropolregionen aufgenommen. (vgl. Abb. 1). Mit der Metropolregion wurde somit ein neues raumordnerisches Prädikat oberhalb der bestehenden Kategorie Oberzentrum eingeführt (vgl. Priebs 2013, Priebs 2004).

In der Raumordnung wird der Begriff Metropolregion für jene Räume verwendet, die eine Konzentration politischer und wirtschaftlicher Steuerungsfunktionen, eine hohe Dichte spezialisierter Dienstleistungen, eine international wahrnehmbare kulturelle Ausstrahlung und eine hoch entwickelte Infrastrukturausstattung aufweisen (vgl. Blotevogel 2005). Es sind Regionen, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes von besonderer Bedeutung sind. Sie tragen maßgeblich zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bei, gewährleisten die weltwirtschaftliche Integration und sind Zentren des internationalen kulturellen Transfers (vgl. Priebs 2013; Krätke, Taylor 2004; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004). Metropolregionen nehmen dabei vier Hauptfunktionen wahr (vgl. Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004):

• die Entscheidungs- und Kontrollfunktion seitens wichtiger Entscheidungsträger der Privatwirtschaft, des Staates und sonstiger Organisationen, die am Standort ansässig sind,

• die Gateway-Funktion, die den Zugang zu Menschen (Fernverkehrsknotenpunkte), zu Wissen (Medien) und Märkten (Messen, Ausstellungen) durch eine überdurchschnittliche kommunikative und infrastrukturelle Anbindung und Ausstattung ermöglicht,

• die Innovations- und Wettbewerbsfunktion durch die Generierung und Verbreitung von Wissen, Einstellungen, Werten und Produkten sowie die Existenz einer leistungsfähigen materiellen sowie institutionellen Infrastruktur, die Innovationen, Wissenstransfer und Kooperationen befördert,

• die Symbolfunktion durch Erzeugung und Verbreitung von Zeichen, Vorbildern, Moden, Normen und Deutungsangeboten in vielfältigsten Formen.

Diese vier Funktionen werden nur noch teilweise innerhalb der politischen Grenzen der Kernstädte erfüllt – so befinden sich z.B. die meisten Flughäfen außerhalb der Stadtgrenzen –, sondern in einem Netzwerk unterschiedlicher Standorte innerhalb einer Region (vgl. Priebs 2004). Anders als in Frankreich mit Paris oder Großbritannien mit London gibt es in Deutschland aber aufgrund seiner föderalen und polyzentrischen Struktur keine einzelne dominierende Metropolregion. Da die Metropolenfunktionen auf mehrere Standorte im gesamten Bundesgebiet verteilt sind, zählt Deutschland aktuell elf Metropolregionen, darunter die Verdichtungsräume Hamburg, Berlin oder München, aber auch funktional und politisch mehrkernige Regionen wie Rhein-Main, das Sachsendreieck und die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. Die deutschen Metropolregionen weisen damit keine homogene Struktur auf, sondern unterscheiden sich in ihrer Größe und Ausprägung der Metropolenfunktionen erheblich voneinander.

1.4 Die Innovationsfunktion der Metropolregion

Mit dem Konzept der europäischen Metropolregion wurde ein Instrument geschaffen, mit dem urbane Regionen im internationalen Wettbewerb positioniert werden sollten. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass dort ideale Rahmenbedingungen für Wachstum und Wettbewerb geschaffen werden sollen, wo die meisten Innovationspotenziale vorhanden sind und am aussichtsreichsten gestaltet werden können (Federwisch 2014: 142). Die Innovations- und Wettbewerbsfunktion ist in diesem Zusammenhang eine der strategischen Leitfunktionen, aufgrund derer Metropolregionen ihre regionalen, nationalen und internationalen Organisations- und Entwicklungsleistungen erbringen (Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005).


Abb. 1: Die Metropolregionen in Deutschland (gemeindescharfe Abgrenzung)

Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH

Regionale Innovationsfähigkeit lässt sich definieren als das Potenzial zur Entwicklung neuer oder deutlich verbesserter Produkte, Dienstleistungen und Prozessabläufe. Die damit verbundenen Innovationsaktivitäten können sowohl im wissenschaftlichen als auch im organisatorischen oder finanziellen Bereich liegen. Insofern geht es dabei nicht nur um ökonomische und technische Innovationen. Vielmehr gewinnen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wissensökonomie verstärkt soziale und kulturelle Innovationen an Bedeutung (Blind, Wachsen 2013: 11). Bei der Analyse regionalökonomischer Zusammenhänge liefern die Investitionen der Wirtschaft in Forschung und Entwicklung einen wichtigen Hinweis auf die regionale Innovationsfähigkeit. Aber auch die Ausstattung mit entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften und das Vorhandensein einer gut ausgebauten wissenschaftlichen Infrastruktur vermag Aufschluss über vorhandene Potenziale zu geben. Zur Beurteilung der Innovationsfähigkeit einer Region können folglich sowohl qualitative als auch quantitative Merkmale herangezogen werden (Danielzyk, Blotevogel 2009: 26).

Für die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg lässt sich die metropolitane Wettbewerbs- und Innovationsfunktion vor allem aus einem reichen Besatz an Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen ableiten (Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004). Am Standort sind 21 Universitäten und Hochschulen mit rund 430 wirtschaftsrelevanten Instituten, Fakultäten und Fachbereichen vertreten. Dieser großen Zahl an Qualifikations- und Forschungseinrichtungen kommt demnach eine Schlüsselfunktion für die zukünftige Entwicklung des Wirtschaftsraums zu. Darüber hinaus haben zahlreiche bedeutende außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ihren Sitz in der Metropolregion, darunter sechs Institute der Max-Planck-Gesellschaft, fünf Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, sieben der Leibniz-Gemeinschaft und ein Zentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Das Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) an den Standorten Göttingen und Braunschweig sowie mehrere Landes- und Bundeseinrichtungen (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Bundesamt für Strahlenschutz, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Johann Heinrich von Thünen-Institut (vormals Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft)) nehmen ebenfalls Forschungs- und Entwicklungsaufgaben wahr.

Unternehmerische Innovationsaktivitäten tragen zur Verbreiterung der technologischen Basis bei und leisten somit ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des regionalen Innovationspotenzials. Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg verfügt über große betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, die in der Regel in einem engen Austausch mit den regionalen wissenschaftlichen Einrichtungen stehen (Brandt et al. 2008: 135). Diese Kooperationen im Bereich der Forschung ermöglichen eine Bündelung der Ressourcen und Potenziale der einzelnen Teilräume, wodurch die gesamte Metropolregion gestärkt im europäischen Standortwettbewerb auftreten kann.

Die verschiedenen wissenschaftlichen und betrieblichen Forschungseinrichtungen der Metropolregion konzentrieren sich vor allem in den namensgebenden Städten Hannover, Braunschweig, Göttingen und Wolfsburg. Diese Stadtregionen stellen gleichermaßen auch die bevorzugten Standorte dar, an denen sich die regionalen Wissenspotenziale in Kompetenzzentren, Netzwerken und Initiativen bündeln. Diese Institutionen fungieren als Intermediäre zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Auf diese Weise tragen sie zur Verbreitung von Wissensressourcen in der Metropolregion bei. Der Qualität und Dichte dieser wirtschaftlichen Verflechtungs- und Kommunikationsbeziehungen kommt deshalb große Bedeutung bei der Positionierung der Metropolregion als innovationsstarkem Standort zu.

Bei der Analyse regionaler Entwicklungspotenziale lässt sich die Innovationsfähigkeit von Metropolregionen unter Berücksichtigung einer Reihe quantitativer Indikatoren bewerten. Betrachtet werden dabei zum einen Input-Indikatoren, die sich auf die Ressourcen beziehen, die für den Innovationsprozess eingesetzt werden, z.B. der Anzahl der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung oder dem Besatz mit wissenschaftlichen Lehr- und Forschungspersonal. Daneben geben Output-Indikatoren wie die Gründungsintensität Aufschluss über die Folgen des regionalen Innovationsverhaltens. Die Struktur und Entwicklung einer Reihe von Innovationsindikatoren werden in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt. Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg ist insbesondere bei den Input-Faktoren gut aufgestellt: Spitzenwerte werden bei den betrieblichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, der Beschäftigung in wissensintensiven Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes sowie beim Lehr- und Forschungspersonal an Hochschulen erzielt.

Tab. 1: Funktionen von Metropolregionen
Funktionen von MetropolregionenAbgeleitete Merkmale
Entscheidungs- und Kontrollfunktion
• PrivatwirtschaftHeadquarter großer nationaler und multinationaler Unternehmen, Finanzwesen: Banken, Börsen usw., breites Spektrum an hoch spezialisierten Dienstleistungen
• StaatRegierung
• Sonstige OrganisationenSupranationale Organisationen (EU, UN), internationale Nicht-Regierungs-Organisationen
Gateway-Funktion
• Zugang zu MenschenFernverkehrsknoten, insbesondere Luftverkehr, ICE-Knoten und Autobahnknoten
• Zugang zu WissenMedien (Fernsehen, Printmedien usw.), Kongresse, Bibliotheken, Internet-Server
• Zugang zu MärktenMessen, Ausstellungen
Innovations- und Wettbewerbsfunktion
• Wirtschaftlich-technische InnovationenForschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Universitäten, wissensintensive Dienstleister
• Soziale und kulturelle InnovationenKulturelle Einrichtungen (Theater, Museen, Großveranstaltungen usw.), Orte sozialer Kommunikation (Gaststätten, Sport usw.)
Symbolfunktion
• WirtschaftMedien und Kreativwirtschaft
• Kultur und FreizeitKonzerte, Theater, Museen
• DiskurseTagungen, Kongresse, Foren
Quelle: verändert nach Blotevogel (2004); Danielzyk, Blotevogel (2009)

Die Generierung von neuem Wissen und die darauf aufbauende Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Dienstleistungen sind in erheblichem Maße von Aktivitäten im Bereich der Forschung abhängig. Investitionen in Forschung und Entwicklung gelten daher als wichtigste Triebkräfte für das Wachstum und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit einer Region. Diesem Aspekt wird ein zentraler Wert in der Erklärung von Wachstumsunterschieden beigemessen, so dass der Indikator für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen als eine der wichtigsten Inputgrößen bei der Analyse regionaler Innovationssysteme gilt (Blind, Wachsen 2013: 14). Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der Wirtschaft liegen in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg mit 4,3 Prozent des BIP sehr deutlich über den Vergleichswerten für Deutschland (2,0 Prozent) und Niedersachsen (2,5 Prozent).

Auch die Beschäftigtenanteile in wissensintensiven Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors sowie die Beschäftigung in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sind in der Metropolregion überdurchschnittlich ausgeprägt. Mit einem Beschäftigungsanteil von 13,3 Prozent setzt sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in wissensintensiven Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes der Metropolregion am deutlichsten von den Vergleichswerten für Deutschland (10,6 Prozent) und Niedersachsen (10,3 Prozent) ab. Auch die Entwicklung des Beschäftigungsanteils war in den zurückliegenden Jahren überdurchschnittlich. Aus innovationspolitischer Perspektive ist dies eine positive Entwicklung, da sich die technologie- und wissensintensiven Branchen durch eine hohe Intensität an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auszeichnen und deshalb als treibende Kräfte der Produktivitätsentwicklung und des Wachstums einer Region angesehen werden. Die Beschäftigtenanteile dieser Wirtschaftszweige erlauben einen Hinweis auf die regionale Bedeutung der jeweiligen Segmente und werden deshalb als Indikatoren für die daraus abgeleitete Innovationskraft der Metropolregion herangezogen (Blind, Wachsen 2013: 29).


Abb. 2: Innovationsindikatoren (Struktur)

Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH


Abb. 3: Innovationsindikatoren (Entwicklung)

Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH

Neben dem Anteil aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in wissensintensiven Wirtschaftszweigen stellt auch die Zahl der Ingenieure, IT-Fachleute und Naturwissenschaftler einen wichtigen Indikator für die Innovationspotenziale einer Region dar. Insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von industriellen Wertschöpfungsprozessen gewinnen systemanalytische, informationstechnologische und ingenieurwissenschaftliche Qualifikationen verstärkt an Bedeutung. Die Ingenieurberufe sind mit einem Anteil von 8,44 Prozent an der Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg stärker vertreten als auf der Bundes- (6,13 Prozent) oder Landesebene (6,14 Prozent). Für die Intensität IT- und naturwissenschaftlicher Berufe im Verarbeitenden Gewerbe gilt das nicht ganz so. In der Metropolregion liegt deren Anteil bei 5,03 Prozent (Deutschland = 5,43 Prozent/Niedersachsen = 4,53 Prozent). Allerdings könnte sich aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Anteils junger Ingenieure unter 35 Jahre zukünftig eine weitere Verschiebung der Indikatorwerte zugunsten der Metropolregion ergeben.

Ein weiterer wichtiger Indikator für das regionale Innovationspotenzial ist die Gründungsintensität. Unternehmensgründungen und Spin-offs gelten als besonders nachhaltige Form des Wissens- und Technologietransfers (EFI 2009: 41). Sie bringen Ideen und Produkte auf den Markt, die von großen Unternehmen aufgrund mangelnder Flexibilitäten eventuell nicht aufgegriffen werden. Gründungen in forschungs- und wissensintensiven Sektoren kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Gerade in neuen Technologiefeldern, beim Aufkommen neuer Nachfragetrends und in frühen Phasen der Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren eröffnen junge Unternehmen Marktnischen und verhelfen Innovationsideen zum Durchbruch, die von großen Unternehmen nicht aufgegriffen werden. Unternehmensgründungen stellen somit einen wichtigen Motor für den technologischen Wandel einer Region dar (Blind, Wachsen 2013: 47). Der Indikator für die Gründungsintensität setzt die Zahl der Gründungen ins Verhältnis zur erwerbsfähigen Bevölkerung einer Region. In der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg liegt die Anzahl der Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähigen bei 0,06 für den Bereich Spitzentechnik im Verarbeitenden Gewerbe, bei 0,14 im Bereich der höherwertigen Technik im Verarbeitenden Gewerbe und bei 1,48 im Bereich der technologieorientierten Dienstleistungen. Diese Werte liegen in etwa auf der Höhe der niedersächsischen Vergleichswerte, bleiben jedoch deutlich hinter den Gründungsintensitäten auf Bundesebene zurück. Auch die Entwicklung der Indikatorwerte zwischen den Zeiträumen 2009–2012 und 2013–2016 zeigt sich weniger dynamisch als dies auf der Ebene des Bundes der Fall ist. Im Bereich Spitzentechnik im Verarbeitenden Gewerbe hat die Metropolregion jedoch im Vergleich zum deutschen Durchschnitt aufgeholt. Die grundsätzlich positiven Indikatorwerte im Bereich der FuE-Intensität der Wirtschaft sowie für die Beschäftigtenanteile in wissensintensiven Wirtschaftszweigen schlagen sich folglich nicht stets unmittelbar in erhöhten Gründungsintensitäten nieder.


Abb. 4: Das regionale Innovationssystem

Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH

Neben den Innovationsaktivitäten der Wirtschaft sind bei der Analyse regionaler Innovationspotenziale auch die Hochschulen in den Blick zu nehmen. Während die Anzahl der Studierenden je 1.000 Einwohner in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg mit einem Wert von 33,9 sehr nah an dem Vergleichswert für Deutschland (34,0) liegt, ist für das Lehr- und Forschungspersonal an den Hochschulen der Metropolregion ein stark überdurchschnittlicher Wert festzustellen. Mit 50,8 Personen je 10.000 Einwohner, die im Bereich der Lehre und Forschung an Hochschulen beschäftigt sind, liegt der Indikatorwert deutlich über den Vergleichswerten für Deutschland (47,5) und Niedersachsen (36,3). Durch diesen vergleichsweise hohen Anteil an Humankapitalressourcen, der explizit zur Generierung neuen Wissens eingesetzt wird, kann das Innovationspotenzial der Metropolregion ebenfalls gesteigert werden.

Die Analyse quantitativer Innovationsindikatoren ermöglicht eine erste Einschätzung der regionalen Innovationskraft, kann die spezifischen Stärken, Schwächen und Wachstumspotenziale eines Wirtschaftsraums jedoch nur zum Teil abbilden. Um ein breites Verständnis für die Innovationskraft einer Region entwickeln zu können ist es deshalb notwendig, die verschiedenen Komponenten des regionalen Innovationssystems vertiefend zu analysieren sowie die Austauschbeziehungen der einzelnen Elemente zu beleuchten. Die Bedeutung solcher regionalen Zusammenhänge bei der Generierung innovativer Produkte und Dienstleistungen wird im folgenden Teilkapitel diskutiert.

1.5 Das regionale Innovationssystem

Die Metropolregion ist aufgrund ihrer hohen Diversität von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderen Institutionen eine wichtige Plattform für den Austausch von Information und Wissen und zur Generierung von Lernprozessen. Der Innovationsprozess verläuft in der Regel jedoch nicht linear. Innovationen basieren vielmehr auf starken Rückkopplungsprozessen und erfordern somit intensive Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren. Vor diesem Hintergrund hat sich in der regionalökonomischen Theorie der Begriff des Innovationssystems durchgesetzt. Diesem Verständnis nach nehmen auch soziokulturelle Faktoren eine wichtige Funktion im Innovationsgeschehen ein, da sie entscheidenden Einfluss auf die Wissensressourcen und die Austauschbeziehungen zwischen den Akteuren im Innovationsprozess haben (Revilla Diez 2002; Koschatzky 2001).

In metropolitanen Verdichtungsräumen ergeben sich viefältige Agglomerations- und Lokalisationsvorteile, die sich positiv auf die Entstehung von Innovationen auswirken: Dazu gehören das große Angebot hoch qualifizierter Arbeitskräfte, der dichte Besatz mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, spezialisierte Dienstleistungsunternehmen und die räumliche Nähe von Akteuren, die persönliche Kontakte und somit Wissensspillover begünstigt. Metropolitane Verdichtungsräume lassen sich aus diesem Grund auch als metropolitane Innovationssysteme interpretieren. Gerade in metropolitanen Innovationssystemen sind die Bedingungen für kompetenzfeldübergreifende Innovationsaktivitäten sehr günstig. Die Ergebnisse einer Vielzahl empirischer Studien deuten darüber hinaus darauf hin, dass regionale Innovationssysteme vor allem dann bedeutsame Innovationen hervorbringen, wenn die verschiedenen regionalen Kompetenzfelder inhaltliche Schnittstellen aufweisen (vgl. van Oort et al. 2014; Boschma et al. 2012; Mameli et al. 2012). Metropolregionen verfügen aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung über eine hinreichende kritische Masse, um unterschiedliche Spezialisierungen (Kompetenzfelder) herauszubilden, so dass sich i.d.R. eine Vielzahl von Optionen der „verwandten Diversifizierung“ ergeben.

Dem Konzept der Innovationssysteme zufolge existieren in Regionen „spezifische Umfeldbedingungen und Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren […], die das regionale Innovationsgeschehen beeinflussen und sich positiv oder negativ auf die Ausschöpfung des regionalen Innovationspotenzials auswirken.“ (Revilla Diez 2002: 26). Im Mittelpunkt eines solchen Innovationssystems stehen Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit ihren Innovationsaktivitäten. Darüber hinaus sind auch die regionalen Umfeldbedingungen von Bedeutung, die durch folgende Faktoren determiniert werden:

• Das Bildungssystem, welches für das Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte verschiedener Qualifikationsstufen von elementarer Bedeutung ist. Insbesondere das deutsche Modell der dualen Ausbildung hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Angebote zur berufsbegleitenden Weiterbildung gewinnen vor dem Hintergrund verkürzter Innovationszyklen und den Auswirkungen des demografischen Wandels ebenfalls an Bedeutung.

• Politische Akteure und die öffentliche Verwaltung, die beispielsweise im Rahmen der Forschungspolitik sowie durch die Konzeption von Förderprogrammen und Wettbewerben Einfluss auf das Innovationsverhalten der regionalen Akteure nehmen können.

• Innovations- und diffusionsunterstützende Einrichtungen des privaten und öffentlichen Sektors (z.B. Institutionen des Technologie- und Wissenstransfers, Technologie- und Gründerzentren, Förderbanken etc.).

• Die Unternehmenskultur, die Einfluss auf die Kooperationsneigung der Akteure haben kann.

• Der Markt, der als ein zentraler Anreizmechanismus für die Entstehung von Innovationen zu verstehen ist.

• Weitere Rahmenbedingungen wie die technische Infrastruktur, die Durchsetzbarkeit von geistigen Eigentumsrechten oder das Vorhandensein bestimmter Standards und Normierungen.

Das alleinige Vorhandensein dieser Elemente reicht jedoch nicht aus, um ein funktionierendes Innovationssystem vollständig abzubilden. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit und den Erfolg des regionalen Innovationssystems ist das effiziente Zusammenwirken dieser Faktoren. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Qualität des Wissens- und Technologietransfers zwischen den verschiedenen Elementen des Innovationssystems. Forschungseinrichtungen und Unternehmen können den Wissenstransfer auf unterschiedliche Art und Weise gestalten. Sie können dabei jeweils sowohl die Funktion des Wissensgebers als auch die des Wissensnutzers übernehmen. Entscheidend ist, wie die jeweiligen Austauschbeziehungen gestaltet sind und welche Transferkanäle für den Wissensfluss existieren und genutzt werden (Backhaus 2000).

Forschungseinrichtungen fungieren in verschiedenen Bereichen als Wissensgeber für den industriellen Innovationsinput: Dies sind die Qualifizierung des für den Innovationsprozess benötigten wissenschaftlichen Personals, die Durchführung von Grundlagen- und angewandter Forschung und damit die Generierung neuen Wissens sowie die Unterstützung von Unternehmen bei praxisrelevanten Problemlösungen durch verschiedene Formen der Zusammenarbeit. Über internationale Forschungskooperationen verschaffen sie sich zudem Zugang zu international verfügbarem Wissen, das durch eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren auch zur Lösung von spezifischen Problemen der Betriebe auf regionaler Ebene angewendet werden kann.

Auch Unternehmen sind in der Lage durch eigene FuE-Anstrengungen neues Wissen zu generieren. Neben der unternehmensinternen Wissensgenerierung, die nach wie vor einen hohen Stellenwert einnimmt, ist allerdings feststellbar, dass in zunehmendem Maße technologisches Wissen auch extern bezogen wird. Innovations- und Produktlebenszyklen werden wettbewerbsbedingt zunehmend kürzer und erfordern kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsprozesse. In der Konsequenz bedeutet dies für die Unternehmen, dass sie zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit die Ergebnisse der Forschung und Entwicklung zielorientiert und zeitnah in neue Produkte und Verfahren umsetzen müssen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die häufig über keine eigenen FuE-Abteilungen verfügen, können vor diesem Hintergrund in besonderer Weise von der Einbindung in Forschungskonsortien profitieren (Dömötör 2011; Rammer et al. 2005).

Bei der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stehen auf beiden Seiten ökonomische Interessen im Vordergrund. Öffentliche Forschungseinrichtungen versprechen sich Anregungen für Forschung und Lehre, die Anwendung ihrer Forschungsergebnisse, die Gewinnung von Praxiserfahrungen, die Rekrutierung von Personal sowie die Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen. Zu den Zielen der Unternehmen gehören, neben dem Zugang zu Expertenwissen, die Einführung neuer Produkte und Verfahren, die Risikominimierung, die Erweiterung der eigenen Wissensbestände sowie die Kontaktaufnahme zu potenziellen Arbeitskräften (Backhaus 2000).

Im Innovationsprozess existieren unterschiedliche Möglichkeiten des Transfers von Information, Wissen und Technologie zwischen verschiedenen Akteuren. Dazu gehören zum einen der Informations- oder Personaltransfer, die technisch-wissenschaftliche Ausbildung sowie Forschungs- und Entwicklungskooperationen. Zum anderen zählen dazu auch die Verwertung von Hochschulerfindungen (durch Unterstützung bei der Patentanmeldung und dem Abschluss von Lizenzverträgen) und die Gründung von Unternehmen zur Kommerzialisierung der Forschung und Technikentwicklung (Koschatzky 2005). In der Praxis kann jedoch oftmals nicht zwischen den einzelnen Transferaktivitäten unterschieden werden.

Forschungs- und Entwicklungskooperationen reichen von informellen Kontakten über die Beratung von Mitarbeitern von Forschungseinrichtungen, Auftragsforschung, bis hin zu gemeinsamen Forschungsprojekten, in denen Kooperationspartner sich ergänzende Beiträge zur Realisierung von Innovationen erbringen. Aus diesen Kooperationen ergeben sich nach Koschatzky u.a. Vorteile wie der zusätzliche Know-how- und Kompetenzgewinn, die Ausschöpfung von Größen- und Spezialisierungsvorteilen, die Nutzung von Synergieeffekten, eine bessere Risikoteilung sowie die Aneignung von externem Wissen und Stimulierung von Lerneffekten bei den Kooperationspartnern (Koschatzky 2005).

Trotz zahlreicher Vorteile, die Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit sich bringen, existieren häufig auch spezifische Hemmnisse, die das Zustandekommen von Kooperationen erschweren. Diese sind darauf zurückzuführen, dass der Wert einer FuE-Leistung von den einzelnen Akteuren unterschiedlich eingeschätzt wird und dass es schwierig ist, das Ergebnis der Forschungskooperation ex ante genau zu spezifizieren. Für einzelne Unternehmen kann es zudem ein Problem sein, externes Wissen adäquat in betriebliche Prozesse und in Innovationsvorhaben zu integrieren. Darüber hinaus besteht bei Kooperationen grundsätzlich die Gefahr des Wissensabflusses.

Eine Strategie der Förderung des regionalen Innovationssystems ist immer mit der Herausforderung verbunden, dass sich das Innovationsgeschehen als pfadabhängig erweist und damit das System Gefahr läuft, sich gegenüber konkurrierenden Problemlösungen und neuem Wissen abzuschotten (lock-in-Effekte). Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit, dass sich die regionale Wirtschaft gegenüber innovatorischen Impulsen im außerregionalen und internationalen Kontext öffnet, um die Gefahr einer Stagnation bzw. Degeneration des bislang erfolgreichen regionalen Innovationssystems zu verhindern. Regionale Strategien der Innovationsförderung sollten daher immer auch darauf abstellen, den Anschluss regionaler Netzwerke an überregionale und internationale Netzwerke, die durch relationale, fachliche und gegenstandsbezogene Nähe bestimmt werden, zu fördern (Boschma, Iammarino 2007).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg mit einer Vielzahl universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, großen betrieblichen Forschungs- und Entwicklungszentren sowie zahlreichen Kompetenzzentren und -netzen über beachtliche Innovationspotenziale verfügt. Die alleinige Präsenz dieser Akteure reicht jedoch nicht aus, um von einem funktionsfähigen Innovationssystem zu sprechen. Es ist vielmehr eine intensive Wissensvernetzung aller im Innovationsprozess relevanten Akteure erforderlich. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die Vernetzungsstrukturen der universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie der innovationsorientierten Betriebe in der Metropolregion analysiert.

1 Dies schließt auch Innovationsaktivitäten vornehmlich von KMU ein, die nicht forschungsintensiv sind (vgl. Kirner, Som, Jäger 2009; Rammer et al. 2010; Hirsch-Kreinsen 2012).

2 In der wissensökonomischen Forschung existieren zur Rolle des tacit-knowledge und der damit verbundenen face-to-face-Kommunikation bzw. der räumlichen Nähe divergierende Auffassungen (vgl. Kujath, Schmidt 2010, Rallet, Torres 2009, Strambach 2011, Gust-Bardon 2012, Boschma 2005). Diese z.T. erweiterte Perspektive des Konzeptes der Nähe relativiert unseres Erachtens nicht, dass sich explizites und implizites Wissen komplementär zueinander verhalten und daher räumliche Nähe nach wie vor für den Austausch von Wissen eine besondere Rolle spielt.

3 Neben Wissensnetzwerken können auch der Personalwechsel zwischen Organisationen sowie Spin-Offs Träger von Wissensspill-over sein. (Fritsch 2012, S. 180ff.)

4 Eine differenziertere Betrachtung zeigt, dass in Deutschland alle Branchen mehr oder weniger von wissensbasierten Aktivitäten durchdrungen werden, wobei einige Branchen durch eine besonders hohe Wissensintensität hervorstechen. Folglich finden sich auch jenseits der urbanen Verdichtungsräume durchaus wissensintensive Wirtschaftsbereiche, wenn auch vielfach nicht in der Dichte wie in den urbanen Regionen (Kujath 2014).

5 Bei der Aufnahme im Jahr 2005 wurde der regionale Kooperationsverbund zunächst Region Hannover-Braunschweig-Göttingen benannt. Im März 2008 beschloss der Vorstand der Metropolregion, dass zukünftig auch Wolfsburg als namensgebende Stadt im Titel geführt werden soll.

Wissensvernetzung und Metropolregion

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