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ОглавлениеDefinition: Blockbuster – das Wort und seine Bedeutungen
»Blockbuster«: Der Begriff hat im deutschen Sprachraum eine bislang kurze, aber von bezeichnend durchschlagendem Erfolg gekennzeichnete Karriere erlebt. 1998 taucht der Begriff erstmals in einem Lexikon der Trendwörter auf,7 2010 wird das Wort dann schon von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) unter die häufigsten Anglizismen eingereiht, die Deutsche verwenden.8 »Blockbuster: sehr erfolgreicher Kinofilm«, heißt es bei der dpa in lapidarer Kürze. Den »durchschlagenden Erfolg« macht auch das bereits genannte Trendwörterbuch9 zum zentralen Kriterium des Begriffs und knüpft ihn gleichfalls an das Kino. »Bezeichnung für einen Film, der extrem viel Geld einspielt oder von dem man erwartet, dass er es tun wird (nachdem er extrem viel Geld gekostet hat).«10 Aus der Sicht von Filmexperten bemisst sich der Blockbuster am Einsatz großer Budgets und an den Kennzeichen des Investments, das mit Zukunftsprojektionen operiert und hohe Risiken eingeht, um einen Erfolg zu erzielen.
Der Begriff ist damit auf Kultur und Wirtschaft in gleicher Weise bezogen und an das zentrale Kriterium einer unwiderstehlichen Dynamik gekoppelt. Diese Dynamik ist nicht nur im ökonomischen Sinn zu verstehen, sie kennzeichnet auch die Fähigkeit des Wortes, ähnliche Erscheinungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu bezeichnen. 1994 wird – vom Münchener Sender Pro 7 – zum ersten Mal ein Fernsehfilm als »Blockbuster« bezeichnet und so als Ereignis von hoher Anziehungs- und Überzeugungskraft ausgewiesen. In diesen Jahren kommt es auch zur Übertragung des Begriffs auf den Kunstbereich. Daniel Birnbaum, der 2009 die Kunstausstellung der Biennale von Venedig verantworten sollte, spricht im Jahr 2000 schon von der »Blockbuster-Kultur«11 – und das in einem aufschlussreichen Begriffsgefüge. Er verknüpft Besucherzahlen, Event, Festival und Museumsneubau, um diese »Blockbuster-Kultur« zu beschreiben. Birnbaum verbindet mit diesem Bedeutungskomplex die Vorstellung von Turbulenz und Elan, die den Kunstbereich erfasst haben. Nicht ohne Grund geht es in seinem Artikel um grundsätzliche Wandlungen des Rollenverständnisses in der Museumswelt. Dabei war der Begriff »Blockbuster« offenbar erst in diesen Jahren für die Kunstwelt adaptiert worden. Jean-Christophe Ammann, seinerzeit Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst (MMK), verweist zur Erläuterung des Begriffs noch 2006 auf den erfolgreichen Kinofilm, benennt aber zugleich ein sichtbares Indiz, das die Verbindung zur Kunst- und Museumswelt herstellt: »lange Zuschauerschlangen um den Häuserblock herum«.12 Die Kriterien für das schlechthin unüberbietbare Erfolgsformat sind nicht zu übersehen, zugleich aber auch von vornherein mit dem Stigma der Oberflächlichkeit verbunden. Liegt darin der Grund dafür, dass das Wort »Blockbuster« zwar auch in der Kunstwelt längst ganz selbstverständlich verwendet, aber kaum einmal näher reflektiert wird? Die Kunstwissenschaft hat sich mit diesem Format bislang jedenfalls nicht näher beschäftigt.13
Schauen wir nicht allein auf die bereits genannten Befunde, sondern gehen wir noch einen Schritt zurück, um den Bedeutungsumfang der Vokabel »Blockbuster« richtig zu verstehen. Blockbuster ist ein martialisch klingendes Wort – nicht nur im Kontext der Kultur oder gar der Künste. Dass dieses Wort die akustische Qualität eines Knalls aufweist, ist dabei nicht einmal ein phonetischer Zufall. 1984 zitiert John Russell in der International Herald Tribune die Worterklärung des Random House Dictionary.14 Danach bezeichnet »Blockbuster« im Englischen zunächst eine hochexplosive und obendrein schwere Fliegerbombe, geschaffen für ein möglichst großes Ausmaß der Zerstörung. »Block« kann dabei auf die kompakte Form der Bombe ebenso bezogen werden wie auf das, was sie zerstören soll: den Häuserblock, der unter dem enormen Druck der Explosion der Luftmine bersten soll. »Buster« steht im Englischen für den richtigen Kerl, auch den »Alles-Zerstörer«.15 Beide Wortbestandteile haben also mit Kraft und Zerstörung zu tun. Ihre Kopplung wird durch das doppelte »B« auch klanglich zu einem wuchtigen Wort. Der »Blockbuster« klingt wie das, was er meint: maximale Durchschlagskraft. Und schlägt nicht auch manche Blockbuster-Ausstellung in die Kunst- und Kulturszene regelrecht wie ein Sprengkörper ein?
In einem figurativen Sinn überträgt sich das Wort nahtlos auf Kulturformate von hoher Durchsetzungskraft. Danach steht der »Blockbuster« zunächst einmal schlicht für einen Verkaufsknüller. Und das in vielen Bereichen: vom Kino über die Kunst bis hin zum Buchmarkt. Mit der Schrecken erregenden Definition des Wortes als Bombe hat diese Bedeutung immerhin den Aspekt des größtmöglichen Effekts gemeinsam. »Blockbuster« erscheint unmittelbar als Bezeichnung einer extremen Effizienz, als Inbegriff maximalen Wirkungsgrads.
Das Wort finden wir als Bezeichnung für Beststeller auf dem Buchmarkt. Oder als Bezeichnung für ein Medikament, das pro Jahr einen Umsatz von mindestens einer Milliarde Dollar erzielt.16 Auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen erscheint die Vokabel »Blockbuster« ganz geläufig in diesem Sinn. Definitionsfragen stellen sich in diesem Kontext also kaum, da eine objektiv zu benennende Zahl schon ausreicht, um von einem »Blockbuster« sprechen zu können.
Wichtiger als die Verwendung des Wortes in der Verlagsbranche oder in der pharmazeutischen Industrie, ist sein Erscheinen im Filmgeschäft. Von dorther entfaltet der »Blockbuster« seinen Vorbildcharakter für die Kultur- und Kunstwelt. Ob der ästhetische Code des globalen Massengeschmacks, das hohe Marketingbudget oder der Fortsetzungscharakter und die immensen Erlöse: Die Kinoindustrie hat das Profil des Kultur-Blockbusters mit scharfen Konturen versehen. Alle anderen Bereiche der Kunst und Kultur leiten ihre Verwendung des Begriffs von diesem Vorbild ab.
In der Welt des Kinos bezeichnet Blockbuster, wenig überraschend, den Erfolgsfilm. Filme wie Steven Spielbergs Der weiße Hai (1974), Star Wars oder die Batman-Filme der Warner Bros. Studios (1989–1997) gehören in diesen Bereich,17 ebenso wie James Camerons Megaseller Titanic (1997), der von dem 3-D-Abenteuer Avatar übertroffen wurde – übrigens wieder von Cameron verantwortet. Spielbergs Der weiße Hai wird jedenfalls immer wieder genannt, wenn es um den ersten Blockbuster-Film geht. Der Blockbuster-Film liefert deshalb aufschlussreiche Vergleiche, weil er als Parallelphänomen der Blockbuster-Ausstellungen erscheint. Diese kommen nämlich gleichfalls in den 1970er-Jahren auf, erinnert sei hier nur an Klaus Gallwitz’ Salvador-Dalí-Präsentation 1971 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden oder an Werner Hofmanns Ausstellung mit Werken Caspar David Friedrichs 1974 in der Hamburger Kunsthalle, eine Ausstellung, die nicht allein als Wiederentdeckung des großen Malers der Romantik, sondern auch durch die für damalige Zeiten immense, sich um das Museum herum legende Besucherschlange legendär wurde. Später sorgen historische Großausstellungen zu Beginn der 1980er-Jahre für ein verstärktes Einsetzen der Großausstellungswelle.18 Der Megafilm zeichnet vor, was auch für die Ausstellungen größten Formats Standard werden sollte: Die Verwendung erheblicher Teile des Budgets für das Marketing und nachfolgend eine Marketingstrategie, die das Erscheinen des Produkts als Ziel- und Endpunkt eines Prozesses platziert, in dessen Verlauf bei den Adressaten maximale Erwartungshaltungen erzeugt werden. Der Blockbuster definiert sich somit nicht allein als Extremwert des Einsatzes künstlerischer wie finanzieller Mittel. Er muss auch als Dynamik einer ausgefeilten Dramaturgie verstanden werden, die ein entscheidendes Ziel anvisiert: Die Konzentration maximaler Nachfrage auf ein einziges – entschiedener formuliert – auf ein solitäres Produkt. Dem Erfolg des Blockbusters entzieht sich nichts und niemand. In diesem Punkt sammelt sich der Bedeutungsgehalt des Wortes immer wieder wie in einem Brennspiegel – militärischer Gehalt inbegriffen.