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Arschkrank

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Die Neonröhren erwachten zuckend und flackernd zum Leben und der vormals dunkle Laden wurde hell erleuchtet. Heinrich Simon war stets der Erste, der eintraf. Als Filialleiter hatte er nicht nur die Aufgabe, die Mitarbeiter zu führen, sondern auch, den Laden aufzusperren, Licht anzumachen und die Alarmanlage auszuschalten. Ohne ihn kamen auch die anderen nicht rein. Natürlich hatte er auch eine Vertretung, falls er mal krank wäre oder Urlaub hatte. Das war Frau Kasper. Lisa. Aber eigentlich war Heinrich immer da. Immer pünktlich, immer zuverlässig. Mit Ende 30 hatte er jetzt den Posten des Filialleiters inne und mehr war eigentlich auch nicht drin. Die Bekleidungskette «Pou-Waer«, deren Filiale er leitete, ließ nur selten jemanden noch höher aufsteigen und ins Management überwechseln. Heinrich hatte auch gar keine Lust dazu, er wollte hier in dem netten Ort bleiben und nicht nach Frankfurt ziehen, wo die Zentrale des Konzerns saß. Man musste auch mal zufrieden sein mit dem, was man hatte, sagte er immer.

Lisa Kasper rannte vom Auto schnell zum Hintereingang der Filiale, als sie sah, dass Heinrich gerade aufschloss. Es schüttete heftig und sie hatte mal wieder keinen Schirm im Wagen.

»Hey, warte auf mich!«, rief sie im Laufen. Heinrich stand schon in der Tür, hatte gerade das Licht angeschaltet, drehte sich um und sah Lisa auf ihn zu laufen. Er hielt ihr die Tür auf, damit sie direkt hinein sprinten konnte.

»Was für ein Wetter«, prustete sie, als sie den Hintereingang erreicht hatte. »Morgen, Heinrich!«

»Morgen, Lisa! Ja, aber nur draußen!«

»Was?«

»Das Wetter - nur draußen!«, grinste Heinrich. Es war noch früh am Morgen und der kleine Gag war noch nicht richtig angekommen bei Lisa.

»Ach so, ja klar. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt, gell?«, lachte sie.

»Genau«, sagte Heinrich. Er ging vor, nachdem jetzt die Lichter brannten. Er schloss den Safe auf, um das Wechselgeld zu entnehmen, startete die PC's und Lisa schmiss die Kaffeemaschine an.

Als stellvertretende Filialleiterin arbeitete Lisa hauptsächlich im Büro, machte die Warenbestellungen, Reklamationen, druckte neue Preisschilder und erledigte alle möglichen administrativen Arbeiten. Die Filiale hatte noch drei Verkäuferinnen, die auch abwechselnd an der Kasse saßen. Alle waren beschäftigt, der Kundenandrang war wie immer.

So verlief der Vormittag wie gewohnt und nichts Außergewöhnliches geschah. Aber das sollte sich gleich ändern...

Vor ein paar Wochen bemerkte Lisa bei der turnusmäßigen Inventur, dass sich die Zahl der Diebstähle erhöht hatte und zwar in einem Maße, der durchaus als wirklich geschäftsschädigend zu bezeichnen war. Sie überlegte mit Heinrich, was zu tun wäre und Heinrich hatte eine Idee. Er wollte in den Umkleidekabinen Kameras installieren. Ganz kleine, versteckte Kameras. Das war natürlich illegal, denn wer möchte sich schon beim Anprobieren von Kleidung filmen lassen? Heinrich wusste das auch und obwohl Lisa ihn davon abhalten wollte, besorgte Heinrich für die vier Umkleiden solche Kameras. Die Konzernzentrale konnte er natürlich nicht einweihen, denn die hätten das auf keinen Fall genehmigt oder sich gar an den Kosten beteiligt.

Also legten Heinrich und Lisa, die in diesem Punkt sicherlich zu loyal war, eine Nachtschicht ein und installierten die Dinger jeweils schräg über den Kabinen. Sie waren so klein und in der Deckenverkleidung versteckt, dass man sie eigentlich nicht entdecken konnte. Die Verkabelung zum PC in Lisas Büro war schon etwas aufwändiger, aber Heinrich bekam es hin.

Seitdem gehörte es auch zu Lisas Aufgaben, immer wenn Zeit war, auf dem PC den Splitscreen mit den vier Kamerabildern zu beobachten, um einen Dieb oder Diebin auf frischer Tat zu erwischen. Drei hatten sie auch schon ertappt. Heinrich kümmerte sich dann jeweils darum. Von den Kameras erzählte er natürlich niemandem, er sagte einfach aus, der Kunde sei mit drei Teilen in die Kabine gegangen und nur mit Zweien wieder herausgekommen und das sei ihm als aufmerksamem Filialleiter aufgefallen.

Lisa saß also jetzt vor ihrem PC, hatte eine Tasse Kaffee und aß ein belegtes Brötchen. Die holte sie sich immer von der Metzgerei gleich gegenüber. Waren echt lecker und preiswert. Drei der vier Kabinen waren besetzt, zwei Frauen, ein Mann. Eher gelangweilt und durch das Brötchen abgelenkt, schaute sie eher beiläufig auf den Monitor.

Da! Was zum Teufel... Sie legte das Brötchen weg und klickte das Bild der oberen rechten Kabine an, wodurch es sich vergrößerte und die anderen Bilder überlagerte. Was sie da sah, konnte sie nicht glauben. Es war fast schon unheimlich. Lisa hatte so etwas noch nie gesehen. Sie stierte auf den Bildschirm. Die Kundin in der Kabine nahm die Kleider über den Arm und verließ gerade den Umkleidebereich.

Heinrich! Wo ist Heinrich? Verdammt, was sollte sie jetzt machen? Sie konnte die Kundin nicht aufhalten, aber Heinrich sollte das auf jeden Fall sehen.

Heinrich war nicht in seinem Büro und auch nicht im Lager. Na klar, typisch. Wenn man ihn einmal braucht! Lisa ging in den Laden und da kam Heinrich gerade herein. Er hatte sich wohl auch gerade ein Brötchen geholt und außerdem die Zeit für eine Zigarette genutzt. Es hatte aufgehört zu regnen.

»Heinrich, hast Du die Frau gesehen?«, stürmte sie auf ihn zu.

»Welche Frau?«, fragte Heinrich.

»Die in dem gestreiften Kleid!«

»Nein, keine Ahnung... Ich hab mir gerade was zu Essen geholt!«

»Verdammt«, sagte Lisa und sah sich im Laden um. Vielleicht war sie ja noch da! Aber die Frau im gestreiften Kleid war weg. Lisa ging zur Kasse, wo Sigrun Dienst hatte.

»War hier eben eine Frau im gestreiften Kleid und hat was gekauft?«, fragte Lisa sie.

»Nein, ich glaube, die ist raus gegangen. Ich weiß nicht so genau, ich hatte Kundschaft!«, sagte Sigrun.

»Verdammt«, sagte Lisa wieder.

»Was ist denn mit der Frau?«, fragte Sigrun und Heinrich nickte mampfend und kauend bestätigend dazu. Das würde ihn jetzt auch interessieren.

»Ach nichts, ich dachte, ich kenne sie!«, sagte Lisa und warf Heinrich einen vielsagenden Blick zu. Dann wandte sie sich ab und ging wieder in Richtung Büro. Heinrich hatte ihren Blick wohl verstanden und folgte ihr.

»Ich konnte ja vor Sigrun nicht reden«, sagte Lisa, als sie wieder im Büro waren. »Ich habe die Frau in der Kabine gesehen, mit der Kamera auf dem PC!«

»Ja und? Was hat sie gestohlen?«, fragte Heinrich.

»Nichts. Glaube ich jedenfalls. Weiß nicht. Ich glaube nichts!«, stammelte Lisa sichtlich aufgeregt.

»Mah. O ischt da Pobem?«, mümmelte Heinrich mit vollem Mund.

»Was?«, fragte Lisa.

Heinrich schluckte und wiederholte: »Wo ist das Problem?«

»Das... Das Musst Du Dir ansehen. Das kann ich nicht erklären!«, sagte Lisa.

»Ok.«

Lisa klickte an ihrem PC ein paar Mal mit der Maus und tippte was ein, dann zeigte sie auf den Bildschirm.

»Da!« Lisa hatte die Aufnahme zurückgespult und auf Vollbildschirm gestellt. Heinrich sah sich die Szene an, wie die Kundin die Kabine betrat mit zwei oder drei Kleidern über dem Arm. Sie zog ihres aus und probierte zwei Kleider an. Dann zog sie ihres wieder an und verließ die Kabine.

»Und?«, fragte Heinrich. Endlich schob er den letzten Bissen in seinen Mund.

»Ja siehst Du das denn nicht?«, fragte Lisa entgeistert.

»Die hat nichts drunter. Nackt unter ihrem Kleid. Ist Sommer. Machen wohl viele Frauen, hab ich mal gehört. Ist doch nicht schlimm. Geklaut hat sie ja wohl nicht!«, sagte Heinrich.

Die Kundin trug tatsächlich offenbar nichts unter ihrem gestreiften Kleid. Als sie es zum Anprobieren der Kleider auszog, war das relativ gut auf dem Bildschirm zu erkennen. Im Vollbildmodus waren die Aufnahmen etwas grobkörnig und pixelig. Naja, die Kameras waren nicht gerade High-Tech, aber für Heinrichs Zwecke schienen sie ausreichend.

»Darum geht's doch gar nicht!«, sagte Lisa. Heinrich hatte es offenbar nicht gesehen, was sie gesehen hatte.

»Sondern?«, fragte Heinrich und fügte noch hinzu: »Ich hätte ja nicht gedacht, dass ausgerechnet Du darauf stehst, nackte Frauen in der Umkleide zu beobachten!« Dabei zwinkerte er Lisa zu. Ihr platzte bald der Kragen.

»Blödsinn, das habe ich nicht nötig und außerdem... Ach lassen wir das! Schau doch mal genau hin!« Lisa spulte noch mal zurück auf den Anfang.

»Ich glaube nicht, dass ich da mehr erkenne, die steht ja so seitlich mit dem Rücken zur Kamera!«, sagte Heinrich zweifelnd.

»Meine Güte, es geht nicht um ihre Titten oder Pussy! Männer!!!« platze es aus Lisa heraus. Dieser Sprachgebrauch war Heinrich bei ihr fremd und er sah sie mit großen Augen an. Lisa wurde rot.

»Sorry, ist mir so raus gerutscht!«, sagte sie leise. Inzwischen war die Videosequenz schon wieder an der Stelle angelangt, als die Kundin die Kabine verließ.

»Schau bitte nochmal genau hin!«, sagte Lisa und spulte erneut zurück.

»Ok!« Heinrich schien jetzt wirklich konzentriert zu sein. Dann hatte es ja vielleicht Erfolg gehabt, dass ihr dieser sprachliche Aussetzer passiert war.

»Was...? Was ist das? Sieht komisch aus!«, sagte Heinrich. Jetzt hatte er es offenbar auch gesehen.

»Ja genau«, sagte Lisa triumphierend.

Die nackte Frau in der Kabine stand zwar etwas seitlich zur Kamera aber man konnte einigermaßen ihren Po sehen. Und da war keine Poritze! Kein Schlitz! Eine glatte runde Fläche!

»Was ist das? Wie kann das sein? Ist die Kamera kaputt?«, fragte Heinrich erstaunt.

»Kamera kaputt! Quatsch. Welche Kamera kann denn keine Poritzen darstellen? Ist das nicht unheimlich?«, fragte Lisa.

»Hm, ich hab so was noch nie gesehen, aber...«

»Aber was?«, hakte Lisa nach.

»Naja, was weiß ich, ich bin kein Arzt, aber vielleicht hat sie irgendeine Krankheit!«, mutmaßte Heinrich.

»Krankheit! Was für eine Krankheit denn?«, zweifelte Lisa.

»Irgendeine Arschkrankheit, was weiß ich denn?«

»Arschkrankheit? Sag' mal, geht's Dir nicht gut?«, bellte Lisa ihn an.

»Ja, Arschkrankheit, keine Ahnung!« Heinrich konnte sich das Lachen kaum mehr verkneifen und auch Lisa musste breit grinsen.

»So was blödes. Es gibt keine Arschkrankheit. Na oder wenigstens keine, bei der der Schlitz verschwindet!«, sagte Lisa und musste dabei selbst laut los lachen. Heinrich stimmte ein und sie kicherten wie die Kinder.

»Arschkrankheit. Der Schlitz verschwindet...«, kicherte Heinrich und wandte sich ab, da das Telefon in seinem Büro klingelte.

»Arschkrankheitsanalytiker Simon. Guten Tag!«, intonierte er lachend auf dem Weg zum Telefon. Wenn er sich so melden würde, hätte er ein Problem. Aber er riss sich zusammen und blieb einigermaßen ernst.

Als er das Telefonat beendet hatte, ging er zurück zu Lisa, die immer noch auf ihren PC-Monitor starrte.

»Jetzt mal ernsthaft«, begann sie, »das ist doch nicht normal, oder?«

»Was ist schon normal? Keine Ahnung, was das ist! Aber sie hat nicht geklaut und darauf kommt's an. Damit ist die Sache für mich erledigt!«, sagte Heinrich bestimmt.

»Ich weiß nicht«, zweifelte Lisa, »ich finde das unheimlich!«

»Ja, unheimlich schwierig beim Kacken!«, prustete Heinrich und bekam sich vor Lachen kaum mehr ein.

»Blödmann!« Aber Lisa musste selbst lachen. Aber dennoch machte sie sich ernsthaft Gedanken. So ganz unrecht hatte Heinrich ja nicht und außerdem...

Jetzt klingelte Lisas Telefon und Heinrich ging hinaus in Richtung der Toiletten.

Den Rest des Tages sprachen sie nicht mehr darüber, aber Lisa musste immer wieder an die Frau denken. Zum Feierabend hin, als der Laden schon geschlossen war, die Kassiererin abgerechnet hatte und mit den Verkäuferinnen gegangen war, fragte Lisa Heinrich noch, was man denn machen solle, wenn die Frau wieder käme.

»Nichts! Was geht mich der ihr Hintern an? Solange sie nicht klaut, kann sie mit ihrem schlitzlosen Arsch nackt unter ihrem Kleidchen sein, so viel sie will. Ihr geht's doch gut!« Heinrich war da sehr pragmatisch und offenbar auch kein bisschen voyeuristisch veranlagt. Hatte also offenbar wenig Sinn, mit ihm darüber weiter zu diskutieren, dachte Lisa. Und so beließ sie es dabei. Zunächst.

Ein paar Tage später war die Kundin wieder da. Lisa entdeckte sie, als sie gerade neue Ware auf einem Rollcontainer vom Lager in den Laden fuhr. Die Frau stand wieder bei den Sommerkleidern. Lisa versteckte sich instinktiv hinter dem Rollcontainer. Die Frau sah mal kurz in ihre Richtung, widmete sich aber dann wieder den Kleidern. Lisa kam sich blöd vor. Warum sollte sie sich verstecken? Sie arbeitete schließlich hier. Also kam sie wieder hinter dem Container hervor, rief Sigrun zu sich und gab Anweisung, die neue Ware zu etikettieren und einzuräumen. Dabei schielte sie immer wieder verstohlen zu den Sommerkleidern herüber. Keine Ahnung, was sie jetzt machen sollte.

Aber die Frau mit dem seltsamen Hintern nahm ihr die Entscheidung ab. Sie drehte sich ruckartig um und verließ, ohne etwas anzuprobieren oder zu kaufen das Geschäft. Lisa ging ebenfalls in Richtung Ausgang, um die Frau weiter zu beobachten. Sie stieg hinten in eine schwarze Limousine und der Wagen verließ zügig den Parkplatz. Weg war sie! Lisa stierte immer noch durch das Schaufenster auf den Parkplatz, als der Wagen schon nicht mehr zu sehen war.

»Träumst Du?«, riss Heinrich sie aus ihren Gedanken. Plötzlich hatte er hinter ihr gestanden.

»Äh, was? Nein! Ich wollte bloß... Ich hab'...«, stammelte sie.

»Ach so, na dann ist ja alles gut!« Heinrich hatte einen gesunden Humor, das war ihr nicht erst seit dem Gespräch über Arschkrankheiten aufgefallen. Schnell wandte sie sich ab und ging in ihr Büro.

Heinrich ging heute früher nach Hause, er hatte noch Elternsprechtag in der Schule. Lisa würde abschließen. Kein Problem.

Gegen 20 Uhr 15 schloss Lisa ab. In Gedanken ging sie noch mal alles durch. Safe verschlossen, Abrechnung gemacht, Licht aus, Alarm ein. Alles ok!

Sie schloss gerade ihren Wagen auf, der inzwischen der einzige verbliebene auf dem Parkplatz war, als sie plötzlich von hinten gepackt wurde und ihr jemand den Mund zu hielt. Eine schwarze Limousine brauste heran und hielt genau neben ihr. Sie wurde in den Fond des Wagens gezerrt und schon ging es los. Der Wagen beschleunigte und noch ehe Lisa überhaupt begriff, was passiert war, waren sie schon auf der Hauptstraße. Der Mann, der sie gepackt hatte, saß jetzt neben ihr, hatte seinen Arm um ihren Hals geschlungen und ließ nun die andere Hand, mit der er ihren Mund zugehalten hatte, langsam sinken. Zugleich schnauzte er Lisa sofort an: »Kein Wort, kein Schrei, verstanden?«

Lisa nickte nur stumm und japste nach Luft. Das Adrenalin kochte in ihr und sie war steif vor Schreck und Angst. Sie saß jetzt hinter dem Beifahrersitz, leicht schräg mit dem Rücken in Richtung ihres Angreifers, so dass sie diesen nicht richtig sehen konnte. Den Wagen selbst fuhr eine Frau. Sie trug ein Sommerkleid, kurze blonde Haare, Sonnenbrille. Mehr konnte Lisa nicht erkennen. Vom Beifahrersitz beugte sich die Frau ohne Arschritze nach hinten zu Lisa und zischte: »Was wissen Sie?«

Lisa erschrak und zuckte zusammen. Die Frau war eindeutig die aus der Kabine. Sie trug auch wieder das gestreifte Kleid. Ihre Stimme klang sehr eindringlich und bestimmt, irgendwie machtvoll und, ja, unheimlich.

»Was meinen Sie?«, fragte Lisa, nach Luft ringend, denn ihr Angreifer neben ihr hatte es nicht nötig, seinen Armgriff um ihren Hals zu lockern.

»Unrichtig! Sie haben mich beobachtet!«, raunzte Glattarsch ihr zu.

»Nein, nein, ich habe sie im Geschäft gesehen, ja, das ist richtig, aber sonst war da nichts!«, sagte Lisa.

»Unrichtig!«

Wer benutzte denn das Wort »unrichtig«? Kein Mensch! Unrichtig, das klang so nach Computersprache.

»Was wollen Sie von mir? Lassen sie mich gehen!«, schluchzte Lisa, die sich langsam ihrer Situation in vollem Ausmaß bewusst wurde.

»Informationen«, sagte die Frau.

»Was für Informationen denn? Ich weiß gar nichts. Ich bin stellvertretende Filialleiterin!«

»Genug. Halt an!« Die Frau sah kurz zur Fahrerin, die jetzt in ein Industriegebiet abbog. Dort war es um diese Zeit recht menschenleer. Der Wagen bog noch einmal rechts ab und steuerte auf eine große Halle zu. Das Tor stand offen und der Wagen fuhr hinein. Hinter ihr hörte Lisa, wie das Tor sich schloss. Sie hatte eine Menge Probleme, das wurde ihr klar.

Der Wagen hielt und die Frau vom Beifahrersitz stieg aus. Lisas Sitzpartner schubste sie aus dem Wagen und Lisa war vor Angst so gelähmt, dass sie nicht weg laufen konnte. Schon standen der Mann und die Fahrerin an ihrer Seite und so war dieser Moment auch schon Vergangenheit, wo sie vielleicht eine Chance gehabt hätte.

»Sie wissen es! Sie haben es gesehen!«, sagte die arschritzenlose Frau zu Lisa.

»Nein, ich hab' gar nichts gesehen. Was meinen Sie denn? Sie haben ja noch nicht mal was gekauft!«, suchte Lisa Ausflüchte.

»Das hier!«, sagte die Frau und zog sich mit einem Ruck ihr Kleid über den Kopf. Nackt wie Gott sie schuf, stand sie jetzt vor Lisa.

Oh nein, nicht wie Gott sie schuf. Gott war das nicht, dachte sie.

Die Frau hatte Brüste, ja, aber da waren keine Brustwarzen, nur glatte Haut. Zwischen den Beinen war rein gar nichts, ebenfalls nur glatte Haut ohne ein einziges Härchen. Die Frau drehte sich langsam und Lisa konnte den Hintern ohne Schlitz aus der Nähe sehen. Nichts! Da war gar nichts. Alles nur glatte Haut. Es sah so unheimlich und Angst einflößend aus. Lisa drohte in Ohnmacht zu fallen, taumelte und wurde von ihrem Angreifer gestützt.

Die Frau ohne alles streifte ihr Kleid wieder über und sah Lisa an. Ihre Augen funkelten und sie musterte Lisa von oben bis unten.

»Nein, bitte«, stammelte Lisa. »Ich weiß nicht, was hier los ist. Ich sage nichts, versprochen! Ich habe keine Ahnung, wer oder was Sie sind, aber lassen Sie mich gehen!«

»Unrichtig«.

Unrichtig. Sämtliche Hoffnung wich mit diesem einen Wort aus ihr. Unrichtig.

Die Fahrerin des Wagens stellte sich jetzt unmittelbar vor Lisa auf und griff mit beiden Händen Lisas Kopf. Eine Hand auf jeder Seite. Lisa fühlte sich wie in einem Schraubstock. Diese Frau hatte ungeheure Kraft! Lisas Angreifer griff ihr von hinten an den Hosenbund. Lisa trug eine Jeans und eine weiße Bluse. Die Frau hob Lisa mühelos an ihrem Kopf hoch und der Mann zog Lisa die Hose und den Slip aus. Lisa strampelte und schrie, aber die anderen waren zu stark, sie hatte keine Chance. Was passierte hier mit ihr?

Die glatte Frau ging um Lisa herum, zog sich abermals ihr Kleid aus und mit einem ganz tiefen lauten Brummen, das Lisa hinter sich hörte, veränderte sich die glatte Frau, dieses Wesen, dieses Etwas, in einen schmalen dünnen Körper. Immer dünner und schmaler wurde sie bis sie nur noch ein Strich war. Lisa konnte es nicht sehen, ihr Kopf im Schraubstock der Hände der Chauffeurin gefangen, aber sie hörte diesen unheimlichen lauten tieffrequenten Brummton, bevor der Strich sich von unten durch Lisas Anus seinen Weg in sie bahnte. Es tat so weh und Lisa spürte, wie die Kraft und Spannung aus ihrem Körper wich. Sie wurde ohnmächtig und sämtliche Muskelspannung löste sich aus ihr.

Als sie wieder zu sich kam, saß sie in ihrem Wagen auf dem Fahrersitz, den Autoschlüssel in der Hand und etwas orientierungslos, wie nach einem langen Schlaf. Ihr Schädel brummte. Sie musste sich beim Einsteigen ins Auto den Kopf gestoßen haben. Offenbar war sie dann kurz ohnmächtig geworden.

Ein wirrer Traum fiel ihr wieder ein. Oh Gott, was habe ich für eine Phantasie, dachte sie. Ich habe geträumt, die Frau mit der Arschkrankheit habe sie entführen lassen! Meine Güte, echt gut, dass jetzt Feierabend ist. Ein heißes Bad zu Hause wird mir gut tun! Und eine Kopfschmerztablette, die auf jeden Fall!

Langsam und betont konzentriert fuhr Lisa nach Hause. Was man manchmal in Sekundenbruchteilen für einen Blödsinn im Hirn zusammen spinnen kann, ist schon phänomenal, dachte sie. Zum Glück wusste sie meist morgens nach dem Aufwachen nicht mehr, was sie geträumt hatte. Ist ja wohl auch gut so, dachte sie.

Das Badewasser lief ein, eine Kopfschmerztablette war eingeworfen und Lisa freute sich auf das Bad und den spannenden Roman, den sie begonnen hatte, als das Telefon klingelte.

Heinrich war dran. »Lisa, entschuldige die späte Störung. Ich müsste morgen Abend noch mal früher gehen. Normalerweise ja kein Problem bei uns. Aber ich habe gerade in meinem Kalender gesehen, dass Du für morgen Abend auch was vor hattest und früher gehen wolltest. Ist das noch aktuell?«

Lisa dachte kurz nach und antwortete dann nur knapp: »Unrichtig! Da habe ich nichts vor!«

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