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Schachmatt

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Heute war der Tag, heute würde ich sie umbringen. Mein Entschluss stand fest und ich hatte auch gar keine andere Wahl.

Um neun Uhr kam Werner aus dem Nebenhaus rüber und lieh sich meinen Wagen. Ich hatte es ihm vor ein paar Tagen versprochen. Er wollte ein Sofa transportieren und mein Volvo Kombi war perfekt dafür. Er selbst hatte einen Wagen mit Stufenheck, damit ließ sich so ein Teil nicht einladen.

»Hier sind die Schlüssel«, sagte ich und gab sie ihm gleich an der Wohnungstür. Ich war noch im Schlafanzug, schließlich war Sonntag.

»Danke Dir. Ich bringe ihn wie versprochen um Punkt 12.30 Uhr zurück!«, sagte Werner und nahm den Schlüsselbund an sich. Werner war ein wirklich zuverlässiger Mann. Wenn der sagte, er ist um 12.30 Uhr zurück, dann konnte ich mich hundertprozentig darauf verlassen. Das war in meinem Fall, für mein diabolisches Vorhaben heute, auch enorm wichtig.

»Tu mir bitte nur einen Gefallen und tanke ihn voll, bevor Du ihn mir wieder bringst. Ich muss eventuell später noch mal weg und da habe ich gerne einen vollen Tank!«

»Kein Problem!«

»Du kannst ja hinten bei der Esso tanken, an der Hauptstraße, die hat auch sonntags auf. Und bring mir bitte die Quittung mit, ich kann das als Betriebskosten absetzen«, erklärte ich. Das war natürlich Blödsinn, aber mir fiel keine bessere Begründung ein und Werner hatte es geglaubt.

»Natürlich, wird gemacht!«

»Hier sind 50 Euro, das sollte reichen!« Ich hielt Werner einen Schein hin.

»Behalt' es! Ich bekomme den Wagen und dafür tanke ich natürlich auch. Das geht auf meine Rechnung!« Werner war echt anständig. Kurz bekam ich ein schlechtes Gewissen, ihn quasi so zu missbrauchen, aber andererseits tat ich ihm auch einen Gefallen.

»Gute Fahrt, bis nachher. Halb eins dann!«, sagte ich.

»Halb eins, wie versprochen!«

Das war schon mal erledigt, freute ich mich. Ich frühstückte, wie immer Marmeladentoast und Kaffee, duschte dann und zog mich an. Dann machte ich mich ohne Hast zu Fuß auf den Weg. Keine zehn Minuten später war ich da und stellte mich hinter die Plakatwand gleich an der Hecke. Von hier aus konnte ich das Haus und seinen Eingang gut sehen, wurde aber selbst nicht gesehen, beziehungsweise ich konnte mich schnell hinter der Plakatwand verstecken, wenn jemand kam.

Dann war es soweit. Eine Minute nach zwölf verließ ein Mann das Haus, stieg in seinen Wagen, der in der Auffahrt parkte und fuhr davon. Ich ging sofort rüber und noch ehe ich klingeln konnte, machte mir Heidrun auf. Schon seit fast einem halben Jahr hatte ich ein Verhältnis mit ihr und ihr Mann ahnte gar nichts, der Trottel! Eben war er gefahren, er wollte noch schnell in die Firma, ein paar Unterlagen holen. Für sich und seinen Kompagnon, hatte er Heidrun gesagt. Er selbst wolle dann später am Abend noch ein paar Dinge in den Akten durchgehen. So war er. Mit der Firma mehr verheiratet als mit Heidrun. Sogar am Sonntag verbrachte er mehr Zeit mit der dämlichen Firma als mit ihr. Mir sollte es recht sein. Heidrun hatte mir gesagt, dass er um 12 Uhr fahren wollte und da war ich!

Kaum war ich eingetreten, ging sie vor ins Wohnzimmer und sagte noch, dass wir nicht viel Zeit hatten, denn um eins sollte jemand von der Cateringfirma kommen, um die Menüfolge für die Feier am Wochenende zu besprechen. Das war mir sowieso egal, denn ich hatte noch weniger Zeit als sie. Mein Herz schlug schneller und ich spannte mich innerlich an. Das Adrenalin schoss in meine Adern und ließ mich bereit sein.

Noch während sie so plappernd vor mir her ins Wohnzimmer lief, griff ich blitzschnell nach dem Autoschlüssel, der auf dem Tischchen im Flur lag und nahm den schweren Kranich aus Bronze von dem Tisch. Mit diesem schweren Tier schlug ich ihr von hinten den Schädel ein. Der Schnabel des Tieres bohrte sich durch die Schädeldecke tief in ihr Gehirn und beendete abrupt ihr Geplappere. Ich schlug noch einmal mit der stumpfen Seite, also der Rückseite des Kranich-Kopfes, zu und war nun sicher, dass da kein Leben mehr in ihr war.

Sie lag auf dem Boden und sofort bildete sich eine große Blutlache um ihren Kopf oder das, was der Kranich davon übrig gelassen hatte. Ich hatte das scheußliche Vieh immer noch in der Hand und hielt es an den Beinen. Wie kann man sich nur so ein Teil in die Wohnung stellen? Ich schlug mit dem Vieh das Glas der rückwärtigen Terrassentür ein und öffnete diese danach vorsichtig mit dem Ärmel meiner Jacke. Dann holte ich aus der Küche ein Geschirrtuch und wischte gründlich meine Fingerabdrücke von dem Vogel, ehe ich ihn achtlos fallen ließ. Mit dem Tuch öffnete ich ein paar Schränke, zog Schubladen heraus und durchwühlte hastig deren Inhalt mit dem um die Hand gewickelten Tuch. Im Schlafzimmer nahm ich die auf der Frisierkommode stehende Schmuckschatulle an mich und verließ das Haus durch die offene Terrassentür. Aber vorher nahm ich vorsichtig mit dem Geschirrtuch noch ein wenig von Heidruns Blut auf und gab es in eine mitgebrachte kleine Plastiktüte. Das war wichtig für das Gelingen meines Plans und beinahe hätte ich es vergessen. Aber mir fiel es gerade noch rechtzeitig ein. So oft habe ich die Sache im Geiste durchdacht und geplant, da durfte mir jetzt auch wirklich kein Fehler unterlaufen!

Über den Zaun auf den hinter dem Haus gelegenen Waldweg gelangte ich ohne Probleme und nach einer weiteren Minute war ich wieder vorne auf der Straße, wo ich mich sehr zügig aber nicht rennend auf den Heimweg machte.

Alles war glatt gegangen, zumindest bis hier her. Ich war keine fünf Minuten im Haus gewesen. Wenige Minuten später war ich schon wieder zu Hause und zog mich sofort um. Meine Jacke stopfte ich mit den anderen Klamotten in einen Müllsack und verstaute diesen oben auf dem Dachboden in der hintersten Ecke.

Ich war gerade wieder in meiner Wohnung, als Werner klingelte. Pünktlich wie die Maurer, dachte ich. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!

Keine halbe Stunde später klingelte es schon wieder an der Tür und Harald war da. Wir hatten uns zum Schach verabredet. Ich holte ein paar vorbereitete Snacks aus der Küche und entschuldigte mich sofort, weil ich den Wein vergessen hatte.

»Ich geh' schnell runter in den Keller und hole welchen. Der Rote wie letztes Mal?«

»Ja gerne. Danke Dir! Ich baue dann schon mal auf!«, sagte Harald und begann, die Figuren auf dem Brett zu positionieren.

Ich beeilte mich, weil ich noch schnell auf der Straße etwas ganz wichtiges erledigen musste, ehe ich hinunter in den Keller ging, um den Wein zu holen.

Zwei Stunden später war die Flasche fast leer und wir hatten drei Partien gespielt, wobei Harald zwei und ich eine gewann. Er verabschiedete sich und fuhr nach Hause.

»Ok, was haben wir bisher?«, fragte Kommissar Hebestreit seinen Kollegen Müller, der vor ihm am Tatort war.

»Weibliche Leiche, offenbar die Hausbesitzerin, Heidrun Köpke, 41 Jahre alt. Ihr wurde der Schädel eingeschlagen. Tatwaffe ist vermutlich hier diese Figur, stammt wahrscheinlich aus dem Haus. Die Terrassentür ist eingeschlagen, ein paar Möbel durchwühlt. Der Ehemann ist nicht zu Hause, wir ermitteln noch, wo er sich aufhält!«

Müller war wie immer sehr präzise und knapp bei seinen Statements. Der Gerichtsmediziner deckte die Leiche gerade wieder mit einem Tuch zu und stand auf.

»Und?«, fragte Hebestreit.

»Den Todeszeitpunkt meinen Sie?«, fragte der Pathologe.

»Ja genau. Die Todesursache kennen wir ja wohl!«

»Ja, stumpfe und spitze Gewalt auf den Hinterkopf, die Figur da kommt auf jeden Fall als Tatwaffe in Betracht. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich folgendes sagen: Auf Grund der Leber- und der Raumtemperatur würde ich den Todeszeitpunkt auf 12.15 Uhr plus minus 15 Minuten datieren. Genauer werde ich das bei der Obduktion auch nicht bestimmen können. Gut, dass die Leiche so schnell gefunden wurde, sonst wäre es nicht möglich gewesen, den Zeitpunkt schon so früh so genau zu bestimmen!«

»Hm«, brummte Hebestreit, »… also zwischen zwölf und halb eins, ja?«

»Genau!«

»Ok, ist ja schon mal was. Wer hat die Leiche gefunden?«

Müller schaltete sich wieder ein.

»Ein Mitarbeiter einer Cateringfirma. Er hatte um eins einen Termin hier und es wurde ihm nicht geöffnet. Er ging ums Haus herum, weil er annahm -so wie er aussagte-, die Besitzerin sei vielleicht im Garten und habe das Klingeln nicht gehört. Da hat er die eingeschlagene und offen stehende Terrassentür gesehen und die Leiche hier!«

»Hm. Gut, wenn Sie die Personalien von dem Mann haben, kann er gehen!«, sagte Hebestreit und Müller nickte.

Der Kommissar sah sich alles im Haus genau an und sprach mit den Beamten von der Spurensicherung, die inzwischen auch bei der Arbeit waren. Keine Fingerabdrücke auf dem Kranich, sauber abgewischt. Sonst natürlich jede Menge Abdrücke, aber da konnte man noch nichts sagen, die mussten erst mit denen der Bewohner abgeglichen werden.

»Sagen Sie mal, Müller, das stinkt doch!«, stellte Hebestreit fest. Müller nickte langsam und sah seinen Chef fragend an.

»Na da ist doch was faul!«, setzte Hebestreit wieder an. »Der Kranich stammt aus dem Haus, stand vermutlich im Flur, den hat der Täter also dann ja zufällig gefunden und benutzt, um die Frau zu erschlagen. Komisch. Und dann wischt er Fingerabdrücke ab. Trug also keine Handschuhe. Auch komisch. Die Terrassentür ist doch offensichtlich von innen eingeschlagen worden, schauen Sie doch nur mal, wo und wie die Splitter liegen! Und dieses so offensichtliche arrangierte Durchwühlen der Schränke hier, das stinkt doch alles!«

»Ja, da ist was dran. Ich habe mich auch schon gefragt, warum der Täter im Wohnzimmer einsteigt und dann in den Flur geht. Denn nur dort kann er den Kranich genommen haben und dann auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer hat er die Frau erschlagen, von hinten ...«

»Genau. Müller, hier will uns einer einen Bären aufbinden«, stellte Hebestreit fest.

»Kommissar Hebestreit, der Ehemann ist da!«, rief einer der Polizisten in der Absperrung vor dem Haus.

»Was ist hier los? Was ist passiert? Was ist mit Heidrun? Wo ist meine Frau?« Der Ehemann war sichtlich erregt und besorgt.

»Kommen Sie Herr Köpke, ich erkläre Ihnen alles. Ich bin Kommissar Hebestreit und leite hier die Ermittlungen!« In der Küche eröffnete Hebestreit dem Mann dann, was sie vorgefunden hatten. Die Details bezüglich der Annahme eines vorgetäuschten Einbruchs ließ er zunächst weg, denn natürlich war der Ehemann einer der Verdächtigen, wenn nicht sogar zunächst der Hauptverdächtige.

»Wo waren Sie heute mittag zwischen zwölf und ein Uhr?«, fragte Hebestreit ihn, nachdem er ihm sein Beileid ausgesprochen hatte. Man musste das Eisen schmieden, solange es heiß war!

»Verdächtigen Sie mich?«

»Routinefragen.«

»Also ich bin gegen zwölf Uhr gefahren. In die Firma, ich musste da noch was holen, danach war ich bei einem Freund!«

»Hat Sie in der Firma jemand gesehen, Herr Köpke?«

»Nein, natürlich nicht, da ist heute niemand, es ist ja Sonntag. Oh mein Gott, Heidrun ...«, schluchzte er.

»Und Ihr Freund? Der kann doch bezeugen, dass Sie bei ihm waren? Wann waren Sie dort?«

»So gegen viertel vor eins etwa!«

»Ok. Geben Sie dem Kollegen hier den Namen und die Anschrift und wir nehmen dann Ihre Aussage hier auf«, sagte Hebestreit und Müller notierte die Daten, die Köpke ihm gab.

Ich hatte, nachdem Harald gegangen war, aufgeräumt, gespült und noch schnell das blutige Tuch und den restlichen Schmuck entsorgt. Beides hatte seine Dienste getan. Dann klingelte es und die Polizei stand vor der Tür. Ein Kriminalbeamter, Müller.

»Wir untersuchen gerade einen Fall und da stellt sich die Frage, ob ein Harald Köpke heute bei Ihnen war!«, fragte Müller, nachdem ich ihn herein gebeten hatte.

»Harald? Ist ihm was passiert?«, fragte ich mit gespielter Sorge.

»Nein, antworten Sie bitte auf meine Frage!«

»Nein, Harald war heute nicht hier. Ich habe ihn am Freitag in der Firma zuletzt gesehen. Was ist denn passiert um Gottes Willen?«, fragte ich.

»Seine Frau ist ermordet worden und er hat angegeben, er sei bei Ihnen gewesen zur fraglichen Zeit!«

»Heute?«

»Ja«

»Oh Gott!«

»Wo waren Sie denn heute mittag zwischen zwölf und eins?«, fragte mich Müller.

»Ich? Verdächtigen Sie mich?«, rief ich erstaunt aus.

»Nein, das sind nur Routinefragen.«

»Ich war unterwegs und so um 12.30 Uhr wieder zu Hause«, sagte ich.

»Haben Sie dafür einen Zeugen?«

»Nein, ich war mit dem Wagen unterwegs ... Allein ... Moment, ich glaube ... ja genau, ich war tanken, das war so etwa um die Zeit. Vielleicht habe ich die Quittung noch!«, log ich. Ich kramte im Mülleimer und zog eine zusammengeknüllte Tankquittung hervor.

»Gut, das ist doch gut. Das hilft uns. Was fahren Sie für einen Wagen?«

»Volvo Kombi«, sagte ich und nannte noch das Kennzeichen. »Steht vor der Tür«.

Müller ging mit mir hinunter und überzeugte sich durch Anstellen der Zündung, dass die Tanknadel »voll« anzeigte. Dann verabschiedete er sich schnell.

Das lief alles wie geschmiert, ich war stolz auf mich.

»Chef, wir müssen reden«, sagte Müller, als er wieder am Tatort war. Er erklärte Hebestreit, was ich ausgesagt hatte und dass ich eine Tankquittung hatte. Er habe das bei der Tankstelle überprüft, es sei eindeutig mein Wagen auf dem Überwachungsvideo zu erkennen. Der Fahrer war zwar nur undeutlich zu sehen mit seiner Mütze und dem Rücken zur Kamera, aber das passte schon alles. Die Quittung war von 12 Uhr 12 und so schied ich für die Tat völlig aus.

Hebestreit konfrontierte Harald mit meiner Aussage und für ihn brach eine Welt zusammen. Wie konnte ich ihm so etwas antun? Wie konnte ich leugnen, dass er bei mir war? Ich war doch sein Kompagnon in der Firma und sein Freund!

Hebestreit ließ Harald Köpkes Wagen durchsuchen und man fand tatsächlich einen Ring und einen kleinen Anhänger zwischen den Sitzen. Beides gehörte offenbar seiner Frau.

Ein Beamter der Spurensicherung sprühte Haralds Kleidung mit Luminol ein, wodurch selbst winzigste Blutspuren sichtbar wurden. Und - Bingo - man fand auf seinem Jackenärmel Blut!

Meine akribische Arbeit und Vorbereitung hatten die volle Wirkung entfaltet! Ich hatte ja extra ein bisschen Schmuck von Heidrun mitgenommen und ihr Blut auf seiner Jacke verfehlte seine Wirkung auch nicht!

Die Beweise und Indizien gegen ihn waren erdrückend. Harald brach zusammen. Jetzt wusste er, was hier lief, aber ihm würde kein Mensch je glauben.

Die einzigen Beweise dafür, dass ich Firmengelder veruntreut hatte, hatte mir Harald selbst noch, ohne es zu ahnen, gutgläubig aus der Firma mitgebracht. Dafür, dass ich Heidrun gepimpert hatte, gab es sowieso keinen Beweis, dafür hatte schon Heidrun im eigenen Interesse selbst gesorgt.

Den Schmuck und den zweiten Autoschlüssel von Harald warf ich in den Fluss. Aber die Papiere aus der Firma, das blutige Tuch, die Schmuckschatulle und meine Klamotten voller Blut von heute mittag brannten wundervoll ...

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