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GENEVER BEI NETTY

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Der Soldat kam gegen neunzehn Uhr in das kleine Lokal. Er sah flüchtig auf die wenigen Gäste, dann ging er zu einem Ecktisch und setzte sich. Mechanisch schnallte er das Koppel ab, legte es zusammengerollt in die Schirmmütze, die er zwischen zwei Stuhlstreben schob. Als die Kellnerin herantrat, bestellte er: „Ein Pils, ein Korn.“

„Doppelt oder einfach?“, fragte sie und musterte ihn.

Er fand ihren Blick aufdringlich. „Doppelt“, sagte er.

Sie bediente beflissen, stellte die Getränke schwungvoll vor ihm ab, dabei berührte sie mit dem Arm leicht seine Schulter. Er griff sofort zum Bier und trank in großen Schlucken. Als er das Glas absetzte, verzog er das Gesicht, dachte: gepanschte Plörre, müsste man überprüfen lassen, zumindest ein bisschen rumnörgeln, aber er fühlte sich zu müde. Manchmal schaute er zur Kellnerin. Sie stand hinter der Theke und hantierte mit flinken Bewegungen. Zuweilen begegneten sich ihre Blicke. Irgendwie erinnert sie mich an Regina, überlegte er, vielleicht wegen der langen, blonden Haare. Er nahm das Schnapsglas und leerte es in einem Zug, dann winkte er die Kellnerin heran. Als sie neben ihm stand, sagte er: „Dito.“

Er sah ihr nach. Sie war schlank, aber ein bisschen voll in den Hüften. Dafür hatte sie hübsche Beine, die er ein gutes Stück bis über die Knie betrachten konnte. Als sie die Getränke brachte, beugte sie sich über den Tisch und fragte wie nebenbei: „Ärger?“

„Wieso?“

„Du siehst so grimmig aus.“

„Schein“, sagte er, „nur Schein“, und er dachte: So eine bist du also, wirst gleich vertraulich. Da war Regina ganz anders.

Kennengelernt hatte er sie beim Tanz. Zwar durfte er sie heimbegleiten, doch vor der Haustür zierte sie sich, und als er sie bedrängte, sagte sie: „Keinen Kuss. Das mag ich nicht. Nicht am ersten Abend.“

Sie stellte seine Geduld auf eine harte Probe. Doch ihre Zurückhaltung spornte ihn eher an, als dass sie ihn abstieß. Er ließ sich nicht entmutigen, und öfter dachte er: Was man mit so viel Mühe erringt, muss Bestand haben.

Das zweite Bier schmeckte noch schaler als das erste. Er trank es mit Widerwillen. Vielleicht hätte ich doch mit den Übrigen ausgehen sollen. Die saßen jetzt im Kulturhaus. Dort waren Mädchen, wurde getanzt. Sicher hielten ihn die Freunde für einen Eigenbrötler, oder sie vermuteten anderes. Rainer, sein Bettnachbar in der Kaserne, hatte grinsend gefragt: „Wo wohnt denn die lustige Witwe?“

So ist es schon am besten, dachte der Soldat, ich muss allein sein, zumindest für ein paar Stunden. Wenn er die Kapelle spielen hörte, würde alles bloß noch schlimmer. Dabei mochte er Musik, richtig bewusst allerdings erst, seit er Regina kannte. Einige Wochen nach ihrer ersten Begegnung waren sie ins Kino gegangen. Anschließend spazierten sie noch ein bisschen durch die Straßen, und dabei fragte Regina: „Was hältst du eigentlich von Musik?“

„Kommt darauf an“, erwiderte er.

„Worauf?“

„Auf die Art.“

„Was gefällt dir denn?“

“Jazz. Auch Chansons.“

„Und Schlager?“

„Kaum.“

„Und sonst?“

„Manches“, sagte er. „Beispielsweise Liszt. Les Préludes.“

Sie fasste seine Hand fester, fragte: „Möchtest du’s hören?“

„Jetzt?“

„Ja.“

„Und wo?“

„Bei mir.“

Nach dem bislang Erlebten kam der Vorschlag für ihn so unverhofft, dass er Misstrauen hegte. Er forschte nach einer verräterischen Spur in ihrem Gesicht, fand aber keine. Trotzdem glaubte er selbst vor ihrem Haus noch nicht daran, dass sie es ernst meinte. Doch sie nahm ihn mit in die Wohnung. Er fühlte sich ein wenig unsicher und trat sehr behutsam auf, bis sie sagte: „Brauchst nicht wie ein Kater zu schleichen, meine Eltern sind verreist.“

Ihr Zimmer war klein, der Plattenspieler stand auf einem Schränkchen. „Im Regal ist noch ein Rest Sherry“, meinte sie, „gießt du uns was ein?“

Als er die gefüllten Gläser auf ein Tischchen stellte, erklang schon Musik: Les Préludes. Regina klappte die Couch auf, legte sich schräg darauf und ließ die Beine an der Seite herabbaumeln. Sie lag da und lauschte. Er verharrte unschlüssig, eine ganze Weile, dann schaute sie zu ihm, und er bemerkte den Glanz in ihren Augen.

„Komm her“, bat sie, „und halt mich fest, ganz fest.“

Die Kellnerin ging mit einem leeren Tablett vorbei und fragte: „Dito?“

Er nickte. Das Bier schoss zischend ins Glas, dennoch hatte es nur wenig Blume, als sie es brachte. „Wohl bekomm’s“, sagte sie und lächelte. Dabei sah er ihre makellos weißen Zähne. Sie stand so dicht neben ihm, dass er nur leicht den Arm zu bewegen brauchte, um an ihre Hüfte zu greifen, doch er rührte sich nicht. „Wir haben wunderbare Bockwurst“, meinte sie, „magst du welche?“

„Danke“, sagte er, „das Essen in der Kaserne ist reichlich.“

„Tatsächlich?“, fragte sie, und ihm war es, als ob ihre Stimme ein wenig spöttisch klänge. „Neulich waren zwei von eurer Gilde hier, „da hat jeder ein halbes Dutzend verdrückt.“

„Vielfraße“ sagte der Soldat, „die legen ihren Sold nur in Futterage an.“

„Und andere in Alkohol“, stichelte die Kellnerin.

„Ja“, gab er zu, „andere in Alkohol. Jeder wird nach seiner Fasson selig.“

Sie schürzte ein bisschen die Lippen und zuckte mit den Schultern, dann ging sie, und er sah, dass sie sich zu stark in den Hüften wiegte.

Diesmal trank er den Korn zuerst, dabei fühlte er ein tüchtiges Brennen in der Kehle. Solltest langsam die Bremse ziehen, dachte er, du schüttest das Zeug in dich rein wie ein Quartalssäufer. Es sieht beinah so aus, als wolltest du Rainers These überprüfen, der kürzlich behauptet hatte: „Saufen erfordert Training wie jede Sportart.“

Der Soldat beabsichtigte nicht zu testen, wo sein kritischer Punkt lag. So viel wie sein Großvater vertrüge er wohl ohnehin nicht. Doch der trank aus einem anderen Grund: Der Krieg hatte seine Gesundheit zerstört. Er war dreimal schwer verwundet worden. Am ärgsten hatte es ihn in der Normandie getroffen. Da steckte sein Rücken voller Splitter. Ein Feldscher operierte sie heraus, bis auf einen, der saß nahe der Wirbelsäule, und da traute er sich nicht heran. Er war beim Schneiden ohnedies zu großzügig gewesen und hatte ein paar Nerven beschädigt.

Das verursachte immer wieder Schmerzen. Am Übelsten spielte dem Großvater jedoch der Splitter mit. Deshalb trank er. Ohne Betäubung hielt er’s zuweilen nicht aus. In solchen Situationen war es besser, wenn man ihn nicht ansprach, da schloss er sich gewöhnlich in seinem Zimmer ein. Dort leerte er eine Fünfzehntelflasche in enorm kurzer Zeit, und die Wirkung war entsprechend. Er fand am nächsten Morgen kaum aus dem Bett.

Der Soldat erinnerte sich, dass der Großvater zuerst noch lachend ins fremde Land eingefallen war. Es gab Bilder, die es belegten: Seht, Leute, der Krieg ist für den kernigen deutschen Soldaten eine extravagante Art der Erholung. „Die Maginot-Linie war doch nur ein Klacks“, hatte sich der Großvater einmal gebrüstet. Das geschah, als er erheblich über sein übliches Maß hinaus getrunken hatte. Meist sagte er nämlich: „War ein Wahnsinn das alles, ein elend beschissener Wahnsinn.“

In Zeiten, da es ihm besser ging, nahm der Großvater ihn, den Enkel, gern auf seinen Spaziergängen mit. Einmal standen sie an einem Viadukt. Die Granitquader überm Fluss waren heller als oberhalb der Uferböschungen. Man sah deutlich die Nahtstellen. Mühelos ließ sich auch jetzt noch die Sprengwirkung erkennen. „Bei Bauwerken kriegt man’s wieder hin“, sagte der Großvater, „bei Menschen ist’s anders, die werden oft dauerhaft ruiniert. Merk dir, Junge: alles, bloß zweierlei nicht: keinen Krieg und kein falsches Weib. Beides höhlt die stärksten Männer aus, macht sie zu Wracks.“

Er konnte seine Sätze belegen; denn er wusste Dutzende Beispiele, auch von Kameraden, die von ihren Frauen betrogen worden waren, und wenn sie dahinterkamen, flennten sie wie Kinder.

Betrogen, dachte der Soldat. War es bei Regina so? Eigentlich hatte sie ihm die Wahrheit geschrieben, nicht die ganze sicherlich, aber immerhin. Er tastete über seine Brusttasche. Zwischen dem Stoff knisterte der Brief. Für Augenblicke war er versucht, ihn herauszunehmen und zu lesen, doch dann unterließ er es. Ohnehin wusste er, was darinstand, und etliche Sätze kannte er sogar auswendig, auch diesen: „Nimm’s mir bitte nicht übel, aber ich kann nicht so lange auf dich warten; deshalb ist es am besten, wenn wir uns sofort trennen.“

Anfangs drängte es den Soldaten, sich in den nächsten Zug zu setzen und zu ihr zu fahren. Doch was sollte er dort? Ihr seine Verzweiflung zeigen, seine Ohnmacht, seine Wut? Oder wäre es angebracht, dem andern aufzulauern, um ihn zu verprügeln? Der Soldat zweifelte nicht daran, dass jemand dahintersteckte. Schließlich hatte ihm seine Schwester neulich schon gesagt, dass sie Regina mit einem Mann im Konzert gesehen habe. Aber er war einer Klärung ausgewichen.

Nach dem Lesen des Briefs hatte er wohl fünfzig Möglichkeiten erwogen, eine verrückte als die andere. Doch was er auch anstellte, nichts brächte ihr Verhältnis wieder ins Lot, weil sich Regina gewiss schon während seines letzten Urlaubs entschieden hatte. Er erinnerte sich an den wortkargen Abend im Gasthaus und das Zusammensein in ihrem Zimmer. Dort war nichts mehr wie früher, sie lag steif und verkrampft unter ihm, und einmal spürte er Nässe auf ihrem Gesicht, aber sie sagte kein Wort.

Die Kellnerin kam und stellte ein Tellerchen mit zwei Bockwürsten vor dem Soldaten auf den Tisch. „Sie sind ganz heiß“, sagte sie, „guten Appetit!“

Er blickte sie erstaunt an, meinte: „Ich hab keine bestellt.“

„Ich weiß.“

„Warum also?“

„Ich denke, du brauchst sie. Ohne einen ordentlichen Bissen im Magen wirst du noch zur Schnapsleiche.“

„Sehe ich schon so aus?“

„Noch nicht.“

„Dann ist’s unnötig“, sagte er und schob das Tellerchen weg. „Ich bin nämlich kein Krösus, Mädchen.“

„Macht nichts“, meinte sie, „ich spendier sie dir.“

Er konnte nicht fragen, was sie dazu bewog, weil der Wirt, ein hagerer Mann mit schütterem Haar, unwillig von der Theke herüberschaute und mehrmals mit den Fingern schnipste.

Die Kellnerin zuckte zusammen und sagte: „Ich hab zu tun.“

Der Soldat sah, dass sie Gläser zu spülen begann. Der Wirt redete leise auf sie ein. Sie antwortete nicht, beugte sich nur tiefer über das Becken.

Zuerst wollte der Soldat die Würste stehen lassen, dann aß er sie doch, sie schmeckten wirklich ausgezeichnet. Nachher blickte er wieder zur Kellnerin. Sie hantierte nun allein hinterm Tresen und lächelte ihm zu. Warum bemühst du dich eigentlich um mich?, überlegte er. Zu guter Letzt bringst du mich noch auf dumme Gedanken. Immerhin finde ich dich nett.

Ist ja alles Mumpitz, dachte der Soldat. Vielleicht hat sie einfach Mitleid mit mir. Sicherlich wirke ich ziemlich bedrückt, und das kann ihr unmöglich entgehen. In dem Beruf erwirbt man Menschenkenntnis. Sollte es das sein, wäre es am vernünftigsten, wenn ich schleunigst verschwände. Nichts ist schlimmer, als bedauert zu werden. Da ist es allemal besser, man wird gehasst; das ist eine klare Sache, und man weiß, woran man ist. Bei Mitleid ist’s selten eindeutig. Deshalb reagiere ich darauf allergisch. Vielleicht war es bei Regina auch nur Mitleid? Wer weiß schon genau um die Empfindungen des anderen? Schließlicht ist man sich der eigenen Gefühle nicht immer sicher.

Die Kellnerin trat neben ihn. „Hat’s geschmeckt?“

„Danke“, erwiderte er, „ausgezeichnet, aber nun habe ich ein schlechtes Gewissen.“

„Ach was“, sagte sie, und ihm schien, als würde sie ein bisschen rot dabei, „das brauchst du nicht.“

„Das verstehe einer.“

„Was?“

„Dein Verhalten. Du siehst mich zum ersten Mal. Einer unter anderen. Trotzdem genieße ich Privilegien. Wieso eigentlich?“

„Wieso, wieso“, äffte sie ihn nach, „brauchst du für alles eine Erklärung?“

„Schon gut“, lenkte er ein, „musst nicht gleich grantig werden.“

„Ich wüsste auch gar nicht, warum“, sagte sie und lächelte. „Schließlich finde ich dich putzig.“

Er horchte auf. „Putzig? Inwiefern?“

„Ganz allgemein“, entgegnete sie, „besonders aber wegen der Art, wie du trinkst. Zuerst kippst du das Zeug hinter, als sei dein Magen ein Fass ohne Boden. Dann schielst du angewidert auf die Gläser und hockst da wie ein Ochse, wenn’s donnert.“

Der Soldat merkte, dass sie auf eine Antwort wartete. „Ihr panscht doch“, sagte er, „euer Bier ist eine elende Plörre, nicht mal der Fusel schmeckt. Davon wird kein normaler Mensch heiter.“

„Könntest was Besseres haben“, meinte sie, „aber nicht hier. Wir schließen nämlich gleich.“

„Wo sonst?“

Sie druckste ein bisschen, sagte dann: „Bei mir.“

Die geht vielleicht ran, dachte der Soldat. Es war ihm keineswegs unangenehm, und er sagte schnoddrig: „Warum nicht.“

„Warte am Trafohäuschen auf mich“, bat sie, „ich komme gleich.“

Er zahlte und verließ den Raum. An der Tür drehte er sich noch einmal um, da sah er den Wirt hinterm Tresen, von wo der ihm mit finsterer Miene nachblickte.

Draußen fühlte er sich ein bisschen benommen. Es war ziemlich dunkel. Bald tauchte ein Schatten vor ihm auf. Er erkannte die Kellnerin. Sie drückte ihn an sich, und er fühlte ihre festen Brüste unter dem dünnen Kleid.

„Ich heiße Annette“, sagte sie. „Aber alle rufen mich Netty. Und wie heißt du?“

„Nenn mich Soldat“, meinte er.

„Gut.“

Sie hakte sich bei ihm ein. Gemeinsam schlenderten sie die Straße entlang. Es war nicht weit bis zu ihr. Sie bewohnte zwei Mansarden in einem Bauernhaus.

„Mach’s dir bequem“, sagte sie und schob ihn zu einem Sessel. Danach öffnete sie ein Barschränkchen. Darin standen diverse Flaschen. „Was magst du: Whisky, Sherry, Genever, Brandy oder Zubrowka?“

„Genever“, sagte er, „das klingt so exotisch. Was für ein Gesöff verbirgt sich eigentlich hinter dem verlockenden Namen?“

„Wacholderbranntwein“, erklärte sie, „eine besondere Art von Gin.“

Er roch an dem Glas, als sie es ihm reichte, sagte: „Du hast ja eine enorme Alkoholkollektion.“

„Der Chef rückt ab und zu was raus.“

„Einfach so?“

Darauf erwiderte sie nichts, sondern prostete ihm zu. Es war auch unnötig, dass sie etwas sagte, der Soldat begriff ohnedies.

Der Genever schmeckte ihm besser als der Korn, er trank ihn in kleinen Schlucken. Netty setzte sich in einen zweiten Sessel. Ihr Kleid rutschte hoch, es wirkte wie Absicht. Der Soldat schaute weg, seine Blicke schweiften im Zimmer umher. Dabei entdeckte er das Bild. Es war ein geblockter Druck, er hing über der Couch. Es ist doch geradezu verflixt, dachte der Soldat, die Erinnerung verfolgt dich auf Schritt und Tritt. Solch ein Bild hatte er Regina geschenkt.

„Du magst Monet?“, fragte er.

„Wen?“

„Monet“, wiederholte er.

„Kenn ich nicht“, meinte sie und verschluckte sich dabei.

„Das Bild“, sagte er, „es ist von ihm.“

Er mochte es sehr, dieses „Mohnblumenfeld“. Die Farben beeindruckten ihn, und er verstand etwas davon; denn während der Lehre hatte er selbst zu malen begonnen, in einem Zirkel, den eine Grafikerin leitete.

„Ach so, das Bild“, sagte Netty, „ich hab’s von ihm.“

„Von wem?“

„Dem Vater des Kindes.“

Ein Kind also, dachte er, und als er sie ansah, begriff er, dass sie älter war, als er sie geschätzt hatte.

„Ist es hier?“, fragte er.

„Ja“, sagte sie, „nebenan. Ein Mädchen. Sechs Jahre. Ich war siebzehn, als ich es bekam.“

„Und er?“

„Hat ‘ne andre. Eine Lehrerin, glaub ich.“

Dir geht’s wie mir, dachte der Soldat, nur schon länger, deshalb suchst du auch so verzweifelt, und das ist wohl dein Fehler; denn von denen, die irgendwann auf deiner Couch gelegen haben, ist keiner geblieben. Sicher sind es größtenteils welche gewesen, die von Blüte zu Blüte flattern, ohne jemals die echte Liebe zu finden. Dich wird es von Mal zu Mal weniger berühren, wenn du merkst, dass das fadenscheinige Glück nicht dauert. Du gewöhnst dich an das Flüchtige, und irgendwann wirst du glauben, dass es nichts anderes gäbe.

Der Soldat merkte, dass Netty näher rückte. Er sah in ihre großen, dunklen Augen, sie spiegelten alles, was in ihr war: Hoffnung, Freude, Lust.

„Soll ich nachgießen?“, fragte sie.

„Nein“, sagte er, „ich muss jetzt gehen.“

„Warum?“

Ihre Miene war hilflos, sie vermochte die Enttäuschung nicht zu verbergen.

„Du hast keine Schuld“, sagte er.

„Dann kommst du wieder?“

„Ich glaube nicht.“ Er ging auf den Korridor, griff nach Mütze und Koppel. Als er sie mit gesenktem Kopf an der Tür stehen sah, dauerte sie ihn. „Du warst nett“, sagte er, „wirklich.“

„Weshalb bleibst du dann nicht?“, fragte sie.

„Gerade deswegen“, meinte er, und er merkte, dass sie nichts begriff. Momente war er geneigt, es ihr zu erklären, fürchtete aber, dass sie es trotzdem nicht verstünde. Deshalb eilte er wortlos die Treppe hinab. Als er von der Straße noch einmal hochschaute, entdeckte er Netty hinterm Fenster.

Er hob flüchtig die Hand und winkte. Von hinten brummte ein Bus heran, der Soldat rannte ein Stück, doch die Haltestelle war zu weit entfernt. Macht nichts, dachte er, ich komme auch so noch zurecht.

Späte Liebe am Meer

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