Читать книгу Die Wut in der Blechkiste und die Kunst zu überleben - Stefan Rumpf - Страница 9
ОглавлениеKapitel 4: Die Psychologie beim Autofahren
Wichtig ist für mich als erstes die grundsätzliche Einstellung zum Autofahren, meine Motivation für jede einzelne Fahrt zu hinterfragen.
Ich fahre grundsätzlich gern Auto mit guter Laune.
Das wäre als Außendienstmitarbeiter auch irgendwie doof, wenn es anders wäre.
Aber auch privat fahre ich viel mit dem Auto, vielleicht zu viel.
Ich frage mich immer, habe ich eine Alternative zum Auto?
Gibt es vielleicht Möglichkeiten mit dem ÖPNV,
Fahrrad oder zu Fuß ans Ziel zu kommen?
Beruflich sehe ich keine Alternative zum Auto, da ich täglich wechselnde Kunden in ganz
NRW zu fest vereinbarten Zeiten besuche.
Privat überlege ich schon mal auf den Zug, oder auf das Rad umzusteigen. Zu oft siegt aber auch bei mir die Bequemlichkeit, die ein
Auto vor der Tür bietet, einsteigen-losfahren.
Ich gebe auch offen zu, da ich einen
Firmenwagen habe und den Sprit auch für private Fahrten der Arbeitgeber bezahlt, beeinflusst das natürlich auch manchmal meine Entscheidung.
Was ich sagen will ist, ich entscheide mich bewusst für das Auto und gehe mit positiver Grundeinstellung an den Start.
Wie ist es bei Dir? Welche Grundeinstellung hast Du zum Autofahren? Hast Du
Alternativen?
Bist Du ein Pendler, der jeden Tag zur Arbeit bis zu 100 km (ein Weg) fährt?
Wenn Dich das nervt, kann ich verstehen, könntest Du etwas ändern?
Arbeitsplatz wechseln oder umziehen?
Einfacher gesagt als getan?
Wenn Du beides nicht ändern willst (super Job und super Haus/Wohnung), ist das ja positiv und dann hast Du ja schon Deine Motivation für die tägliche Pendelfahrt.
Dann kannst Du auch mit einer positiven Grundeinstellung ins Auto steigen, oder?
Oft beobachte ich das Gegenteil:
Es wird sich über alles und jeden schnell aufgeregt (nicht umsonst habe ich das Coverbild so gewählt).
Wenn Du ehrlich bist, entsteht der Stress und die Aufregung oft durch falsches
Zeitmanagement.
Ich habe z.B. eine
Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 60 km pro Stunde
(bei einer Strecke mit 80% Autobahn und 20% Stadt). Wenn ich von zu Hause nach
Dortmund fahre (15 km, 100% Stadt) plane ich mind. 30 min ein.
Ich weiß auch, dass man nicht alles planen kann, aber oft hilft es im Vorfeld mit positiver Grundstimmung zu starten.
Probiere es doch einfach mal aus!
Und natürlich spielt auch Deine Persönlichkeit eine wichtige Rolle.
Es gibt nicht den typischen Autofahrer.
Auch Autofahrer bilden immer einen Schnitt durch die Gesellschaft und durch alle Schichten.
Vom Arbeitslosen bis hin zum Topmanager,
Vielfahrer, Wenigfahrer, Frau, Mann, Jung,
Alt, quer durch alle Bildungsschichten.
Ich bin jetzt kein Psychologe, aber manchmal glaube ich, wenn jemand ins Auto steigt und den Motor startet, verändert sich der Ein oder Andere, bewusst oder unbewusst.
Manche Verkehrsteilnehmer glauben die Straßen sind ein rechtsfreier Raum und im Auto genießen sie Immunität.
Da dieses Thema Psychologie echt interessant ist, versuche ich dies in diesem Kapitel, einmal genauer zu beleuchten.
Wie ist es bei mir persönlich? Da ich eben beruflich viel fahre und ständig unter
Termindruck stehe, kenne ich diesen
psychologischen Druck sehr gut.
Ich hatte eine feste Uhrzeit mit dem Kunden ausgemacht und wusste genau, der Kunde hat nur wenig Zeit, da auch er einen Folgetermin hatte.
Dann der unerwartete Stau auf der Autobahn…
war ich da endlich durch, versuchte ich früher auf der Landstraße oder im Stadtverkehr Zeit wieder aufzuholen.
Da fuhr ich schnell mal bei dunkelgelb über die Ampel, fuhr zu dicht auf oder hielt am Stoppschild nicht….
Bei mir brachte dies meinen Stresslevel bis an den Anschlag.
Jeder andere Verkehrsteilnehmer, der mich
„aufhielt“ nervte einfach nur.
Da fielen auch schon mal Wörter wie Idiot,
Penner, Anfänger, Arschloch, usw. Natürlich
waren es immer die Anderen, die kein
Autofahren konnten.
Heute helfen mir in solchen Situationen ein paar Gedanken:
1. …verdeutliche ich mir, dass der andere Autofahrer ja nichts dafürkann, dass ich zu spät dran bin.
2. …frage ich mich, wenn ich jetzt zu spät komme, welche Bedeutung hat das für mich, für ein Leben in zwei Wochen, zwei Monaten, zwei Jahren.
Meistens hat es nämlich keine Bedeutung, klar ärgerlich in dieser Situation, aber am nächsten Tag ist es bereits vergessen.
3. …denke ich an meine Gesundheit. Stress ist nicht gesund, also runterfahren, tief durchatmen, cool down.
4. …wenn jetzt ein Unfall passiert, dann platzt der Termin in jedem Fall und es kommt noch mehr Ärger und zusätzlicher Stress dazu.
Da ich mein Zeitmanagement weitgehend selbst bestimme, versuche ich hier mit etwas Pufferzeit zu planen.
Klar klappt das nicht immer, aber es hilft das ein oder andere Mal, Zeitdruck zu vermeiden.
Wenn es dann trotzdem mal später wird, informiere ich den Kunden, der meistens dafür Verständnis zeigt.
Klar gibt es auch hier Kunden, die dann den
Termin platzen lassen, aber dann ist es ebenso.
Dann vereinbaren wir halt einen neuen
Termin, fertig.
Die Sprüche: „Dann müssen Sie halt eher losfahren“, ignoriere ich einfach, man kann nicht immer alles vorhersehen.
Zu dem Thema Psychologie in Straßenverkehr gibt es einige Studien und Expertenberichte.
Hier ein paar Auszüge und interessante Erkenntnisse daraus:
„Aus psychologischer Perspektive ist Auto fahren harte Arbeit“, sagt Martin Baumann, Professor für Human Factors an der Uni Ulm.5
Gemeinsam mit Ingenieuren und Informatikern arbeitet der Psychologe an Assistenzsystemen, die den Fahrer entlasten, aber nicht ermüden.
https://idw-online.de/de/news595093
Geht es auf deutschen Straßen immer aggressiver zu?
„Das lässt sich objektiv auch nur schwer messen.“, sagt Ulrich Chiellino,
Verkehrspsychologe beim ADAC, weiter führt er aus „ Auf jeden Fall haben aber die Klagen über aggressives Verhalten zugenommen“.6
Klar ist das schwer zu messen, da dies ja jeder Autofahrer anders empfindet. Manche fühlen sich durch Anhupen oder zu dichtes Auffahren provoziert, andere merken das gar nicht.
Und selten wird halt jemand wegen Nötigung oder Beleidigung angezeigt.
So gaben bei einer ADAC-Motorwelt-Umfrage fast alle Befragten an, mindestens einmal Opfer aggressiven Verhaltens geworden zu sein. Allein 80 Prozent fühlten sich schon einmal von Dränglern provoziert. Und jeder fünfte Befragte war überzeugt, dass Aggressionen im Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hätten.7
https://www.presseportal.de/pm/7849/2316 633
Ich könnte hier noch viele Experten zitieren, die vom Aussehen des Fahrzeuges von sportlich bis niedlich, der Farbe, Frau oder Mann, usw. das ein oder andere Verhalten ableiten können. Alles sicherlich interessant und richtig.
Aus meiner Sicht sind noch zwei Aspekte wichtig.
Zum einen:
Was hat der Fahrer vor der Fahrt erlebt? Was oder wer hat ihn vielleicht geärgert?
Man soll ja nach einem Streit oder nach großer Aufregung am besten kein Auto fahren.
Denn dann, ist die Frustrationstoleranzgrenze schnell erreicht. Er oder sie flippt aus und regt sich über Sachen auf, die an anderen Tagen nicht gestört hätten…
Zum anderen:
Schaukeln sich Situationen im Straßenverkehr oft durch Reaktion und Gegenreaktion schnell unnötig hoch.
Mir fällt dabei ein Sprichwort ein.
So wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch heraus.
Wenn ich als Autofahrer aggressiv agiere, erzeugt dies beim Anderen eine aggressive Gegenreaktion.
Es war bei mir nicht anders? Wenn mir
jemand zu dicht auffuhr, dann ärgerte ich
mich, wurde nervös, beschimpfte den Anderen
und unter Umständen fuhr ich dann aber
genau 50, oder vielleicht nur 48, um ihn noch
mehr zu ärgern, nach dem Motto: „Dem zeig
ich es jetzt…das hat er jetzt davon“.
Der hinter mir fing dann an zu Hupen,
reagierte also mit einer aggressiven
Gegenreaktion, usw., usw.…
Kennst Du das auch? Bescheuert, aber so tickt die Psyche des Menschen halt.
Durchbrechen kannst Du das nur, indem Du Dich nicht provozieren lässt und eben ruhig bleibst. Und eben keine aggressive Gegenaktion erwiderst, manchmal schwer, aber der bessere Weg.
Was ich auch ganz wichtig finde ist das Thema „Bedanken beim Anderen“. Dafür, dass man reingelassen, vorgelassen oder sonst wie „gut behandelt“ wurde.
Auch wenn das Verhalten selbstverständlich oder genauso in der StVO steht, bedanke ich mich trotzdem.
Der Dank bestätigt das richtige Verhalten des Anderen. Der Anderer freut sich, ist stolz auf sich und macht das beim nächsten Mal wieder. Alle sind zufrieden.
Da mir immer wieder bei anderen Autofahrern die gleichen Verhaltensmuster auffallen, habe ich eine persönliche Einteilung von
Verkehrstypen vorgenommen. Diese sieht wie folgt aus:
Meine Verkehrstypen:
1. Der Terminator (Der Zerstörer)
Der Terminator zieht, wenn er auf einer
Autobahn auffährt vom
Beschleunigungsstreifen direkt auf die linke
Spur über drei Fahrstreifen hinweg, ohne
Rücksicht auf Verluste. Desweitern fährt er zu
dicht auf und hält sich natürlich nicht an
Geschwindigkeitsbeschränkungen. Er fährt
immer zu schnell, ob in Baustellen, auf der
Landstraße oder in der Stadt.
Er gefährdet ständig sich selbst und andere und sieht nur seinen eigenen Vorteil. Genau wie der Terminator hat er keine Gefühle und verfolgt nur ein Ziel — zerstören.
2. Der Rainman (Der Mittelspurfahrer)
Der Rainman merkt gar nicht, dass er etwas falsch macht. Er fährt auf der Mittelspur, obwohl der rechte Fahrstreifen frei ist. Auch wenn man ihn überholt und nach rechts fährt, bleibt er in der Mitte.
Er ist in seiner eigenen Welt — wie der Rainman halt.
3. Der Hulk (Der Aggressive)
Der Hulk zeichnet sich dadurch aus, dass er sich über alles und jeden aufregt. Er glaubt, dass er alles richtig macht. Die anderen sind alle zu blöd zum Autofahren. Meist gestikuliert er wild und schreit andere Verkehrsteilnehmer an, obwohl die ihn ja meist eh nicht hören.
Das ist ihm scheiß egal.
Und wenn er so richtig in Rage ist, kann es sein, dass er grün wird — wie Hulk eben.
4. Das Kind (Der Abgelenkte)
Das Kind ist ständig abgelenkt. Es fummelt ständig an irgendwas rum, am Handy, am Handschuhfach, an Bedienelementen oder an sich selbst (viele Autofahrer bohren in der Nase, da sie glauben es sieht ja keiner, ich schon…)
Es liest Zeitung und Mails, telefoniert mit Handy am Ohr und schreibt WhatsApp Nachrichten, alles natürlich beim Fahren.
Wie ein Kind, das nicht weiß was wirklich wichtig ist und sich nicht auf eine Sache konzentrieren kann.
5. Der Träumer
Der Träumer steht an einer Ampel, die auf Grün umspringt und fährt nicht oder zu spät (erst, wenn man ihn anhupt) los.
Des Weiteren fährt er mit 50 km/h weiter, obwohl 70 km/h erlaubt ist. Oder er fährt bei erlaubten 50 km/h nur 46 km/h.
Im Idealfall hat er einen Aufkleber am Heck:
„Bitte nicht Hupen, Fahrer träumt vom…“
Dann ist man wenigstens vorgewarnt.
6. Der Superheld (Der ideale Autofahrer)
Der Superheld hält sich tatsächlich an
Verkehrsregeln. Er beachtet
Geschwindigkeitsbeschränkungen, fährt
vorausschauend und rechnet mit Fehlern
anderer.
Er ist selten anzutreffen, der ideale Autofahrer, selten wie ein Superheld.
Meistens trifft man im Straßenverkehr auch
Mischformen der oben genannten Typen an.
Und niemand kann von sich behaupten immer ein Superheld zu sein…
Sollte diese Typisierung dazu führen, dass uns
allen bewusst wird, wer wir werden können,
wenn wir ins Auto steigen, dann hat es sich
schon gelohnt.
5 (Zitat Prof. Dr. Martin Baumann, Universität Ulm, Pressemitteilung Nr. 77/2014 2014)
6 (Zitat Ulrich Chiellino, Artikel in der Main-Post v. 27.06.2016 v. Angela Stoll "Wenn das Auto zur Waffe wird" 2016)
7 (Presseportal news aktuell GmbH vom 31.08.2012 "Aggression im Straßenverkehr" 2012)