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2: Glaziale (Kalt-/Eiszeiten) und Interglaziale (Warmzeiten) im Wechsel

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Seit Millionen von Jahren gibt es Klimaschwankungen, verbunden mit Temperaturänderungen, mit Kaltzeiten (auch Eis- oder Glazialzeiten genannt) und Warmzeiten (auch Interglazialzeiten genannt) als Extreme, wobei die Dauer der Kaltzeiten in der Erdgeschichte deutlich länger war als die immer relativ kurzen interglazialen Warmzeiten. Im Quartär, dem aktuellen geologischen Zeitabschnitt, in dem wir gerade leben, d.h. während der letzten 2,6 Millionen Jahre, gab es über 20 solcher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Während der letzten 420.000 Jahre waren rund 90 % dieser Zeitspanne wesentlich kälter als heute. D.h. Warmzeiten, wie wir heute eine genießen, sind eher die Ausnahme in der jüngeren Erdgeschichte (Abb. 3). Allerdings gab es in den letzten 12.000 Jahren, nach dem Ende der letzten Eiszeit, auch Perioden, die eindeutig wärmer waren als heute, z.B. das sogenannte „Atlantikum“ vor annähernd 8.000 bis 4.000 Jahre (Tab. 1, s. auch Kapitel 8 und Abb. 6 und 47). Diese atlantische Klimaperiode, auch „Mittlere Wärmezeit“ genannt, ist charakterisiert durch eine größere Ausbreitung wärmeliebender Pflanzen, z.B. von Eichenmischwäldern, dem Zurückdrängen der baumlosen Tundren im Norden der nördlichen Erdhalbkugel und einem Anstieg der Baumgrenze in den Gebirgen.

Tab. 1 (folgend): Vereinfachte Übersicht der wechselnden Kalt- und Warmzeiten der letzten 885.000 Jahre mit der klassischen Nomenklatur der unterschiedlichen Epochen. Die Warmzeiten sind rötlich, die Kaltzeiten bläulich unterlegt. Leicht heller unterlegt sind die wärmeren (Optima) und kälteren (Pessima) Perioden des aktuellen Holozäns (Beginn vor 11.700 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit). Die unterschiedlichen Warm- und Kaltphasen werden in der modernen Klimaforschung über Marine Isotopen Stadien (MIS) durchnummeriert. In der rechten Spalte sind die entsprechenden Meeresspiegelhöhen im Vergleich zu heute angegeben (s. auch Abb. 46).

Tab. 1

Die letzte Eiszeit trägt in der Alpenregion den Namen „Würm“, nach dem Nebenfluss der Isar, da in diesem Bereich vermehrt glaziale Sedimente und Landschaftsformen der letzten Eiszeit gefunden wurden. Der zeitgleiche Eisvorstoß von Skandinavien nach Norddeutschland und Nord-Polen wird „Weichsel“ genannt, nach dem längsten Fluss Polens. Auf dem nordamerikanischen Kontinent heißt die letzte Eiszeit „Wisconsin Glaciation“, nach dem U.S.- Staat an den Großen Seen. Die glaziale Periode davor wird im Alpen- und Voralpenbereich Riß-Kaltzeit und in Norddeutschland Saale-Kaltzeit genannt. Die skandinavischen Gletscher der Saale-Eiszeit stießen dabei weiter in die deutsche Tiefebene vor (d.h. nach Süden) als die der jüngeren Weichsel-Eiszeit.

In Tabelle 1 sind die wechselnden Epochen der Kalt- und Warmzeiten der letzten 885.000 Jahre in vereinfachter Form zusammengestellt. Perioden von Kaltzeiten sind immer in sich untergliedert durch unterschiedliche Minima und Maxima der Temperaturen (s. Abb. 3 und 4). Abb. 3 zeigt die CO2- und Temperaturschwankungen der letzten 420.000 Jahre basierend auf Untersuchungen von Eisbohrkernen der Antarktis und Auswertung relevanter „proxy“-Daten. Die drei letzten großen Warm- und Kaltzeiten lassen sich deutlich unterscheiden. Anhand dieser „Vertreter“-Daten kann man auch deutlich erkennen, dass die CO2-Konzentration der Temperaturentwicklung hinterherhinkt (s. auch Abb. 3 und Detailausschnitt in Abb. 70). Die Frage bzgl. Abhängigkeiten von CO2 und Temperatur ist ähnlich der Diskussion, was zuerst da war – das Ei oder die Henne? Dabei sei hier auch an die alte Regel bzgl. der Interpretation von statistischen Daten erinnert, dass Korrelationen (noch) keine Kausalitäten sind. Wie wir sehen werden, hängt die Entwicklung der Temperatur in der Erdatmosphäre von anderen deutlich wichtigeren Faktoren ab, als dem CO2. In Abb. 3 erkennt man, z.B. sehr deutlich im Zeitabschnitt von vor 420-400.000 Jahren, dass die grüne CO2-Kurve immer der roten Temperaturkurve hinterherhinkt. D.h. die Temperatur ändert schon ihren Verlauf während der Erdgeschichte, nimmt zu bzw. ab, während die CO2-Konzentrationsentwicklung mit etwas zeitlichem Versatz von mehreren Hunderten von Jahren hinterherhinkt (u.a. LÜDECKE (2010). Dies unterstreicht die Abhängigkeit der CO2-Konzentration in der Atmosphärenluft von der Temperatur – und nicht umgekehrt. In Kapitel 10 werden wir darauf zurückkommen.

Abb. 3 (folegnd): CO2- (grüne Kurve) und Temperaturschwankungen (rote Kurve) der letzten 420.000 Jahren, hier gezeigt am Beispiel des Vostok-Eiskerns (Antarktis). Die 4 Kurvenbereiche nach unten (Temperatur-Minima) entsprechen den letzten 3 großen klassischen Eiszeiten Mindel, Riß und Würm, wobei die Riß-Eiszeit eigentlich 2 Kälteperioden umfasst. Epochen maximaler Temperaturen entsprechen den Warmzeiten Holozän (Gegenwart), Eem und Holstein; aus BGR: Klimafakten (2004).

Abb. 3

Die klassische Namensgebung und Zuordnung der verschiedenen Kalt- und Warmzeiten beruht auf systematischen feldgeologischen Untersuchungen, die im 19. Jahrhundert begannen. Die zeitliche Zuordnung der einzelnen Kalt- und Warmzeiten hat sich in den letzten fünfzig Jahren deutlich verfeinert und unterscheidet sich teilweise von den ersten geowissenschaftlichen zeitlichen Einordnungen von vor über zweihundert Jahren. So kommen z.B. LAUER & WEISS (2018) aufgrund neuester Altersbestimmungen zu dem Schluss, dass die Saale/Riß-Kaltzeit schon vor 450.000 Jahren eingesetzt haben könnte.

Um die vor allem regional sehr unterschiedlichen Namensgebungen der letzten Warm- und Kaltzeiten zu umgehen, bzw. zu vereinheitlichen, benutzt man heute vermehrt sogenannte Marine Isotopen-Stadien (MIS, s. Tab. 1 und Abb. 4), d.h. Isotopendaten (als „proxies“) von Proben aus marinen Sedimenten, die großen Aufschluss geben können über die Klimabedingungen der Vergangenheit. Der große Vorteil von Ozean- und auch Seesedimenten (z.B. Laacher See), ist, dass sie stratigraphisch meist ungestört sind und damit ihre Lagenabfolge überwiegend vollständig vorliegt. Ablagerungen auf Land können hingegen von nachfolgenden Eisvorstößen und Erosionsvorgängen (Verwitterung) überlagert, bzw. gestört sein. Abb. 4 zeigt 21 solcher Marinen Isotopen-Stadien und Unterstadien der letzten 830.000 Jahre (vor unserer Zeit). Die inverse Darstellung der δ18O-Indexwerte stellvertretend als „proxies“ für die Entwicklung der Temperatur, zeigt kleine Indexwerte auf der y-Achse (nach oben) für höhere Temperaturen, bzw. daraus folgend höhere Meeresspiegelstände. Diese Sauerstoff-Isotopen wurden an Foraminiferen, Einzeller vorwiegend in Millimeter-Größe, in marinen Sedimentbohrkernen bestimmt. Wird der Lebensraum von Foraminiferen kälter, bauen diese mehr des stabilen Sauerstoffisotops 18O ein. Deshalb auch die inverse Darstellung (y-Achse nach oben) von niedrigeren δ18O- Indexwerten bei höheren Temperaturen. Anhand dieser Darstellung erkennt man übersichtlich das unendliche Auf und Ab der Temperaturen im Laufe der jüngeren Erdgeschichte, wobei sich deutlich Zeitintervalle erkennen lassen, die gewisse Wiederholungen bzw. Regelmäßigkeiten aufweisen.

Abb. 4 (folgend): Darstellung von 21 Marinen Isotopen Stadien (MIS) und Unterstadien der letzten 830.000 Jahren (nach RAILSBACK et al. 2015, s. auch Tab. 1). Die inverse Darstellung der δ18O-Indexwerte (‰ vs. VPDB Vienna PeeDee Belemnite), stellvertretend (als „proxies“) für die Entwicklung der Temperatur, zeigt auf der linken y-Achse kleine Indexwerte (für höhere Temperaturen, bzw. höhere Stände des Meeresspiegels) nach oben an. Auffällig ist eine gewisse Periodizität der einzelnen MIS, d.h. der einzelnen Temperatur-„peaks“, sowie der Temperatur-Maxima.

Abb. 4

Abb. 5 (folgend): Darstellung der Temperaturentwicklung (über das „proxy“ Deuterium (2H)) während den letzten 4 Kaltzeiten (Eiszeiten) in der linken Kurve (s. auch Abb. 3) und der Entwicklung der Sonneneinstrahlung im selben Zeitraum (rechte Kurve), incl. einer Vorausberechnung für die nächsten 100.000 Jahre. Quelle: SIROCKO (2012).

Abb. 5

Abb. 5 zeigt eine relativ mehr aufgelöste Darstellung der Temperaturentwicklung und auch der Entwicklung der Einstrahlungsenergie der Sonne der letzten 500.000 Jahre. Auch hier kann man deutlich 5 kürzere Warmzeiten (Interglaziale) und 4 Kaltzeiten (Glaziale) unterscheiden, wobei die beiden mittleren Kaltzeiten in der klassischen Riß-Kaltzeit zusammengefasst sind. Die Temperaturentwicklung der Erde im Abschnitt der aktuellen interglazialen Warmzeit, auch Holozän genannt, d.h. während der letzten 11.700 Jahre vor heute, wird in Abb. 6 dargestellt. Es zeigt sich hier, dass die wärmste Zeit seit der letzten großen Eiszeit, vor zirka 8.000-4.000 Jahren war. Während des eingangs erwähnten Atlantik-Wärmeoptimums (s. auch Kapitel 6) war es deutlich wärmer als heute. Seit Ende der letzten Eiszeit vor 11.700 Jahren bis zum Beginn des Atlantik-Wärmeoptimums vor 8.000 Jahren, d.h. in weniger als 3.000 Jahren, hatte sich die Atmosphäre um ca. 1,5°C erwärmt (s. Abb. 6). Die CO2-Konzentrationen der Atmosphäre jedoch verringerten sich in diesem Zeitraum jedoch von ca. 270 ppm (d.h. einem fast gleichen Wert, der heute als Referenzwert für die CO2-Gehalte in „vorindustrieller“ Zeit angenommen wird) auf ca. 250 ppm und stieg danach, in den nächsten 8.000 Jahren, kontinuierlich auf den „vorindustriellen“ Wert von 280 ppm an (INDERMÜHLE et al. 1999). Diese CO2-Abnahme von ca. 20 ppm, während der sich die Temperatur schon um mehr als 1°C erhöht hatte, zeigt deutlich ein Nachlaufen des CO2 hinter der Temperaturentwicklung. D.h., eine Abhängigkeit der CO2-Entwicklung von der Temperaturentwicklung, und nicht umgekehrt. Dies ist auch nicht verwunderlich, da die während der letzten Eiszeit, d.h. über eine Dauer von ca. 100.000 Jahre, abgekühlten riesigen Wassermassen der Ozeane deutlich mehr CO2 aufnehmen konnten und dieses bei allmählicher Erwärmung der Ozeane deutlich mit Verzögerung in die Atmosphäre abgaben. Innerhalb der letzten 4 Jahrtausende erkennt man in Abb. 6 die Wärme-Optima der Minoischen, der Römischen Epoche, und das des Mittelalters sowie das Kälte-Pessimum der „Kleinen Eiszeit“. Dazu aber mehr im Kapitel 6.

Abb. 6 (Folgend): Rekonstruktion der Temperaturentwicklung (schwarze zackige Linie) des Holozäns (aktuelle interglaziale Warmzeit) mit Beginn vor ca. 11.700 Jahren (VINOS 2019). Auf der x-Achse sind die Jahrtausende vor heute aufgetragen und auf der linken y-Achse die Temperaturabweichungen der mittleren Temperaturen in °C ("instrumentelles" Mittel 1960–1990).

Rote Linie (a): mittlerer Temperaturverlauf nach MARCOTT et al. (2013).

Schwarze zackige Linie (b): wie oben, jedoch verfeinert auf Basis biologischer und glaziologischer Untersuchungen und Daten aus marinen Sedimenten.

Violette Linie (c): Verlauf der Neigungsänderung der Erdachse (Ekliptikschiefe, s. Kapitel 3) mit Angabe des Neigungswinkels der Erdachse auf der rechten y-Achse.

Abb. 6

Der natürliche Klimawandel

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