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3: Die Stellung der Erde in unserem Sonnensystem
ОглавлениеDie Strahlung der Sonne, die die Erde erreicht, bestimmt die Temperaturentwicklung der Erdoberfläche, seien es feste (Land, Eis), flüssige (Wasser) oder gasförmige (Luft) Bestandteile der Erde, und somit auch die Entwicklung unterschiedlicher Klimazonen. Der Strahlungshaushalt der Erde wird somit primär von der Sonneneinstrahlung am Laufen gehalten, wobei diese wesentlich von sich zyklisch ändernden astrophysikalische Faktoren (Entfernung zur Sonne, Form der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, Schwankungen der Erdachsenneigung, etc.) beeinflusst wird, wie auch von relativ kurzfristigen Schwankungen der Sonnenaktivität, zu dem das Phänomen der Sonnenflecken zählt (s. Kapitel 4).
Deshalb ist es wichtig, sich erst einmal vor Augen zu führen, wo wir uns, bzw. sich die Erde, in unserem Sonnensystem befindet und wie schmal die Gratwanderung der menschlichen Existenz um die Sonne ist, d.h. wie eng die Existenz von pflanzlichem und tierischem Leben auf der Erde an die Entfernung von der Sonne gekoppelt ist. In der tabellarischen Darstellung von SCHOENITZER (2019) in Abb. 7 erkennt man, dass die mittleren Oberflächentemperaturen auf den Planeten unseres Sonnensystems deutlich mit der Sonnenentfernung abnehmen. Im Falle der Erde ist es wichtig festzuhalten, dass die Entfernung zur Sonne nicht konstant ist, sondern in der Gegenwart um bis zu 5 Millionen Kilometer variiert, d.h. ca. 3 % des mittleren Sonnenabstandes.
Abb. 7 (folgend): Tabellarische Darstellung der sonnennächsten Planeten, ihrer Entfernungen von der Sonne und deren Oberflächentemperaturen; aus www://schoenitzer.de/Planeten.html (2019).
Abb. 7
Maßgeblich verantwortlich für periodische Änderungen des Strahlungshaushaltes, und damit deren Einfluss auf die Entwicklung der Oberflächentemperatur der Erde, sind u.a. die astronomischen Faktoren der sogenannten Milankovitch-Zyklen. Milutin Milankovitch (1879- 1958) war ein serbischer Mathematiker und Geophysiker. Er untersuchte die folgenden drei wichtigsten Zyklen der Bahn- und Bewegungsparameter der Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne (z.B. MILANKOVITCH 1930).
Die Erdumlaufbahn um die Sonne ändert sich in Zyklen von 100.000 – 110.000 Jahren von einer nahezu kreisförmigen Bahn zu einer leicht elliptischen Bahn. Dies ist der Zyklus der sogenannten Exzentrizität. Die Exzentrizität ist ein numerisches Maß für die Abweichung von der Kreisform (Abb. 9-A). Abb. 8 zeigt das Schwanken der Exzentrizität der Erdumlaufbahn (um die Sonne) zwischen 1.000.000 Jahre vor und nach heute. Grund für diese Erdbahnänderung sind Schwerkrafteinflüsse hauptsächlich der Planeten Venus und Jupiter, aber auch in geringerem Maße die der anderen Planeten unseres Sonnensystems. Schon in der Antike beschrieben die griechischen Philosophen, Mathematiker und Astronomen die Planeten- und Sternenbahnen. Die elliptische Umlaufbahn der Erde um die Sonne wurde von Johannes Kepler (1571 - 1630) im 17. Jahrhundert erkannt und in seinen „Keplerschen Gesetze“ beschrieben.
Heute, d.h. in der gegenwärtigen Warmzeit des sogenannten Holozäns, kommt die aktuelle Umlaufbahn der Erde um die Sonne nahezu einer Kreisbahn gleich. D.h. ihre Exzentrizität ist sehr klein und hat den Wert 0,017. Voraussichtlich in knapp weniger als 30.000 Jahren wird die Exzentrizität wieder ihr Minimum erreichen mit einem Wert kleiner als 0,003 (Abb. 8 und Abb. 11). Ein perfekter Kreis hat den Wert 0 und Ellipsen Werte größer 0, aber kleiner 1. Erst wenn die Ellipse zu einer Geraden wird, hat diese dann den Wert von 1. Der aktuelle Abstand zwischen Erde und Sonne, bei sehr kleiner heutiger numerischer Exzentrizität von 0,017, pendelt zwischen einem Minimum von ca. 147,1 Millionen Kilometern, in Sonnennähe, dem sogenannten Perihel, und einem Maximum von rund 152,1 Millionen Kilometern in größter Sonnenferne, dem Aphel. Gegenwärtig sind wir auf der Nordhalbkugel im Winter näher an der Sonne (d.h. im Perihel) als im Sommer (im Aphel), was sich ebenfalls im Laufe der Erdgeschichte ändert. Dazu aber mehr später.
Abb. 8 (folgend): Berechnete numerische Exzentrizitätswerte der Erdumlaufbahn (um die Sonne) 1.000.000 Jahre vor und nach heute. Der aktuelle Wert (im gegenwärtigen Holozän) ist 0,0167 und liegt damit deutlich unter dem Mittelwert von 0,02674 (blaue Linie). D.h. die aktuelle Umlaufbahn der Erde um die Sonne kommt einer Kreisbahn sehr nahe. Kalt- und Warmzeiten auf der Erde korrelieren deutlich mit Maxima bzw. Minima der Exzentrizität. Quelle: http://www.geoastro.de/kepler/eccentricity1.html (s. auch Abb. 11).
Abb. 8
Dies sind immerhin 5 Millionen Entfernungskilometer Differenz, bzw. ca. 3 % bzgl. der mittleren Entfernung Erde-Sonne – nur um sich die Dimension dieser astronomischen Variablen vorzustellen. Bei zunehmender Exzentrizität vergrößert sich der Abstand Sonne-Erde im Aphel (Sonnenferne). D.h., die Entfernung Erde-Sonne ist im Aphel (Sonnenferne) bei kleiner Exzentrizität (heute ca. 0,017) deutlich geringer ist als bei großer Exzentrizität (bis zu 0,06 während den letzten Eiszeiten). Bei nur gering größerem Ellipsenradius im Aphel (Sonnenferne) bei zunehmender Exzentrizität wird der Abstand Erde-Sonne entsprechend größer und die Strahlungsintensität der Sonne geringer. Hierbei muss das Abstandsquadratgesetz berücksichtigt werden, das besagt, dass die Strahlungsintensität einer punktförmigen Strahlungsquelle (wie die Sonne) proportional zum Quadrat des Abstands von der Strahlungsquelle (hier die Sonne) kleiner wird. Dies heißt, dass bei größer werdender Entfernung von der Sonne die Intensität der Strahlung in Abhängigkeit der linearen Differenzlänge zum Quadrat abnimmt. Das hört sich alles recht kompliziert an, ist mathematisch aber einfach fassbar und berechenbar.
Abb. 9 (folgend): Darstellung der 3 astrophysikalischen Milankovitch-Zyklen; 9-A: Änderung der mehr oder weniger elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne (Exzentrizität) mit einer Zyklizität von ca. 100-110.000 Jahren; 9-B: zyklische Änderung der Neigung der Erdachse (Ekliptikschiefe), die im Laufe von ca. 41.000 Jahren variiert zwischen 22,1° und 24,5°; 9-C: Darstellung des Taumelns der Erdachse (Präzession) in Zyklen von 19.000 bis 23.000 Jahren. Quelle: TARBUCK et al. (2005).
Abb. 9
Bei geringer Sonnenferne im Aphel (max. Sonnenferne), wie in der heutigen Warmzeit des Holozäns, ist die Strahlungsintensität der Sonne zum Quadrat des Entfernungsunterschiedes größer als bei größerer Sonnenferne im Aphel während den letzten Eiszeiten bei größeren Exzentrizitätswerten von bis zu 0,06 (d.h. weniger kreisförmige Umlaufbahn der Erde). Eine relativ größere Exzentrizität, führt letztendlich zu größeren Temperaturunterschieden zwischen Winter und Sommer auf beiden Erdhalbkugeln, da zwischen minimaler (Perihel-) und maximaler (Aphel-) Sonnenentfernungs-Position der Erde 6 Monate (½ Jahr) vergehen. Dies ist besonders relevant für die höheren geographischen Breiten, wo sich die Unterschiede der Sonneneinstrahlung (bzw. Oberflächentemperatur) zwischen Sommer und Winter stärker auswirken. Unter der Annahme, dass der mittlere Abstand Erde–Sonne (149,6 Millionen Kilometer) gleich bliebe, würde bei einer Exzentrizität von 0,06 die Sonnen-nahe Entfernung (im Perihel) ca. 140,6 Millionen Kilometer betragen und im Aphel (max. Sonnenferne) ca. 158,6 Millionen Kilometer. Die Differenz wären dann 18 Millionen Kilometer, bzw. 12 % der mittleren Entfernung.
Die Exzentrizität ändert sich nicht nur in ca. 100.000-110.000 Jahre andauernden Zyklen, wie sie von Milan Milankovitch erkannt wurden. Neuere geowissenschaftliche Untersuchungen bestätigen inzwischen auch einen weiteren Zyklus von ca. 405.000-413.000 Jahre, der sich über Hunderte von Jahrmillionen zurückverfolgen lässt (z.B. KENT et al. 2018). Dazu kommen noch die negativen bzw. positiven Einwirkungen auf die Temperaturentwicklung der Erdatmosphäre und der Ozeane der nächsten beiden, im Folgenden beschriebenen, sich überlagernden Milankovitch-Zyklen.
In einem Zyklus von ca. 41.000 Jahren variiert außerdem der Neigungswinkel der Erdachse (Ekliptikschiefe) zwischen 22,1° und 24,5° (Abb. 9-B). Der Neigungswinkel, bzw. die geographische Lage der sogenannten Wendekreise südlich und nördlich des Äquators, werden in den Schulatlanten mit 23,5° angegeben. Zurzeit beträgt der Neigungswinkel 23,43684° und verringert sich monatlich um ca. 0,00001°. Bei größerer Ekliptikschiefe (Neigung nahe 24,5°) sind die Temperaturunterschiede (d.h. die Sonneneinstrahlung) zwischen Sommer und Winter auf der Nord- und Südhalbkugel (vor allem in den höheren Breiten) extremer als bei kleiner Ekliptikschiefe (Neigung nahe 22,1°). Dies ist besonders relevant für Klimaänderungen auf der Nordhalbkugel mit höherem Festlandanteil im Vergleich zur Südhalbkugel.
Bei geringer Erdachsenneigung (Ekliptikschiefe) sind die Winter in den höheren Breiten weniger streng. Jedoch können Gletscher größere Schneemassen akkumulieren, da die Verdunstung über dem Meer höher ist und damit mehr Niederschlag fallen kann, bzw. Schnee, wenn die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen. In den Sommern wird dagegen die Ablation (das Abschmelzen von Eis und Schnee) durch die geringere Sonneneinstrahlung und die damit im Mittel niedrigeren Temperaturen vermindert. D.h. bei geringer Achsneigung sind die Voraussetzungen für die Bildung von kontinentalen Eisschilden insgesamt günstiger als bei hoher Achsneigung. Tatsächlich liegen die Kaltzeiten des Pleistozäns (der letzten 2,5 Millionen Jahre) meist in Phasen, für die eine geringe Neigung der Erdachse berechnet wurde, während die Warmzeiten mit Phasen hoher Achsneigung korrelieren. Nimmt man bei Abb. 4 noch das Marine Isotopen-MIS- Stadium 22 hinzu, so beträgt die dabei erfasste Zeitspanne rund 900.000 Jahre. Entsprechend dauert eine einzelne MIS-Phase ca. 40.900 Jahre, was dem Zyklus der Ekliptikschiefe entspricht. Dies deutet darauf hin, dass die periodischen Änderungen der Ekliptikschiefe in den Marinen Isotopen-Stadien, als Ausdruck der Temperaturentwicklung durch die „proxy“- δ18O-Indexwerte, wesentlich den Takt angeben.
Hinzu kommt, dass sich ebenfalls die Präzession der Erdachse in einem Zyklus von ca. 19.000-23.000 Jahren ändert. Mit Präzession ist das Wackeln (Trudeln oder Taumeln) der Erdachse um die Senkrechte der Erdumlaufbahn gemeint (Abb. 9-C). Mit der Präzessionsbewegung, bei der die Erdachse um die Senkrechte zur Erdbahn kreist, d.h. sie rotiert um den Pol, ändern sich langsam die jahreszeitlichen Positionen der Erde auf der Bahn um die Sonne. Damit ändert sich das Datum von Aphel (max. Sonnenferne, heute max. 152,1 Millionen Kilometer Entfernung Erde–Sonne) und Perihel (max. Sonnennähe, heute min. 147,1 Millionen Kilometer Entfernung Erde–Sonne). Das Wandern der Sonnen-fernen Perihel-Position, bzw. Sonnen-nahen Aphel-Position, entlang der Umlaufbahn der Erde, ist eine Folge der Präzessionsbewegung der rotierenden Erdkugel, die an den Polen leicht abgeplatteter (flacher) ist als am Äquator. Der Erddurchmesser beträgt am Äquator ca. 12.756 km und an den Polen ca. 12.713 km. Die Gravitationskräfte der Sonne, des Mondes und deutlich schwächer die der Nachbarplaneten, wirken auf die schräg stehende Kreiselbewegung der Erde ein. Vergleicht man die Entwicklungen der Temperatur und der Sonneneinstrahlungsenergie der letzten beiden Eiszeiten (Würm und Riss), quasi höher aufgelöst wie in Abb. 10, so erkennt man deutlich den „kleinteiligen“ Rhythmus des Zyklus der Präzession (11 Zyklen in rund 250.000 Jahren).
Derzeit ist das Datum des Sonnen-fernen Aphels Anfang Juli, d.h. im Sommer der Nordhalbkugel. Somit ist die Sonneneinstrahlung des Nordhemisphären-Sommers etwas geringer (da die Erde am weitesten von der Sonne entfernt ist) als die des Südhemisphären- Sommers (ein halbes Jahr später/früher, d.h. im Januar, wenn die Erde im Perihel, d.h. in Sonnennähe, steht). Am Ende der letzten Eiszeit (vor ca. 11.700 Jahren) war dies anders. Diese 11.700 Jahre entsprechen ungefähr der Hälfte des Präzessions-Zyklus von bis zu 23.000 Jahren. Damals befand sich die Erde im Nordhemisphären-Winter am weitesten entfernt von der Sonne (im Aphel). Die Präzession beeinflusst somit ebenfalls deutlich die Sonneneinstrahlung und verstärkt die Temperaturgegensätze (d.h. die Jahreszeitlichen Positionen) auf der einen Halbkugel, bzw. verringert diese auf der anderen Halbkugel. So haben wir derzeit (betrachtet in geologischen Zeiträumen) mildere Winter und kühlere Sommer auf der Nordhalbkugel, und kühlere Winter und wärmere Sommer auf der Südhalbkugel. Abb. 10 zeigt eine klare Korrelation zwischen der Temperaturentwicklung und der Strahlungsintensität der Sonne der letzten beiden Eiszeiten (auf Basis von „proxy“-Indexdaten). Die Riß- und Würm-Kaltzeiten korrespondieren deutlich mit den Sonneneinstrahlungs-Minima, die Eem- und die aktuelle Holozän-Warmzeit mit den Sonneneinstrahlungs-Maxima der Milankovitch-Zyklen.
Abb. 10 (folgend): Temperaturentwicklung (Auswertungen von „proxy“-Indexwerten des Vostok- Eiskerns aus der Antarktis, zackige violette Linie) und „Sonneneinstrahlung (schwarze Linie) lassen die Milankovitch-Zyklen der letzten 250.000 Jahre erkennen. Die Riß- und Würm- Kaltzeiten korrespondieren deutlich mit den Sonneneinstrahlungs-Minima, die Eem- und die aktuelle Holozän-Warmzeit mit den Sonneneinstrahlungs-Maxima, und zeigen eine deutliche Übereinstimmung mit den Milankovitch-Zyklen. Quelle: www.climatedata.info.
Abb. 10
Wie in Abb. 8 präsentiert, beträgt der heutige Wert der numerischen Exzentrizität 0,0167 und liegt damit deutlich unter dem Mittelwert von 0,02674. Dies bedeutet, die aktuelle Umlaufbahn kommt einer Kreisbahn sehr nahe. Während der letzten Eiszeit (der Würm- Kaltzeit vor ca. 100.000 Jahren) war die Exzentrizität ungefähr 2,5 Mal höher als heute, d.h. die Erdumlaufbahn war elliptischer, bzw. die Erde war zeitweise deutlich weiter entfernt von der Sonne als heute. Entsprechend der weiteren Veränderung der Exzentrizität gemäß Abb. 8, nimmt die Exzentrizität während den nächsten Zehntausenden von Jahren zunächst weiter ab auf einen Wert unter 0,005, bevor sie wieder ansteigt auf Werte deutlich über dem Mittelwert von 0,027, wobei die Umlaufbahn der Erde um die Sonne dann wieder deutlich elliptischer sein wird.
Abb. 11 (folgend): Versuch einer Prognose zur Klimaentwicklung der Erde in den nächsten 80.000 Jahren (x-Achse) nach VINÓ (2018).
Rote Linie: Sommer-Einstrahlungsenergie in 65° nördlicher Breite (nach HUYBERS 2006).
Blaue Linie: Entwicklung der CO2-Konzentration (nach ARCHER 2005).
Schwarze Linie: Eisvolumen der letzten 30.000 Jahre (nach LISIECKI & RAYMO, 2005) mit inverser Werteskala der linken y-Achse!
Dunkelgraue noch zackige Linie: zukünftige Entwicklung des Eisvolumens basierend auf orbitalen (astrophysikalischen) Einflüssen mit inverser δ18O-„proxy-“Indexwerte der linken y- Achse!
Hellgraue nahezu horizontale Linie: Eisvolumen entsprechend der Hypothese einer langanhaltenden anthropogen verursachten Warmzeit (nach GANOPOLSKI et al. 2016).
Gepunktete Linie: Entwicklung der Exzentrizität (nach LASKAR et al. (2004), s. auch Abb. 8)
Abb. 11
In den Kurvendarstellungen der Abb. 11 wurde versucht, die Entwicklungen des Energiehaushaltes, der Eisvolumina und der CO2-Konzentrationen für die nächsten 80.000 Jahre zu prognostizieren. Entsprechend der gepunkteten Linie nimmt die Exzentrizität ab auf Werte unter 0,005 (gepunktete Linie mit schwarzer Werteskala auf der y-Achse rechts). Der Energiehaushalt (auf der Nordhalbkugel) variiert annähernd im Rhythmus der ca. 41.000 Jahre andauernden Zyklen der Ekliptikschiefe (rote Linie). Für die Entwicklung der Eisvolumina werden zwei konträre Szenarien angeboten. Sollte die aktuelle interglaziale Warmzeit länger anhalten („long interglacial hypothesis“), würde das Eisvolumen mehr oder weniger gleich bleiben auf niedrigem Niveau (hellgraue Linie, mit inverser Werteskala auf der linken y-Achse). Dies ist das bevorzugte Szenario der Anhänger des anthropogen verursachten Klimawandels aufgrund erhöhter CO2-Werte. Das zweite Szenario berücksichtigt (blaue Linie) die orbitalen Einflüsse (der Milankovitch-Zyklen) mit einer zukünftigen Abkühlung der Erde und erneuter Zunahme der Eismassen. Die CO2-Konzentrationen könnten sich dann auf Werte von knapp über 300 ppm einstellen.
Vergleicht man die Dauer der letzten interglazialen Warmzeiten, so zeigt sich, dass die Eem-Warmzeit (vor der letzten Würm-Kaltzeit, benannt nach dem Fluss Eem in den Niederlanden) ca. 11.000 Jahre andauerte (s. Abb. 3 und Tab. 1). Die Warmzeit davor, das Holstein-Interglazial zwischen Riß- und Mindel-Kaltzeit, hielt ca. 15.000 Jahre an. Die Warmzeiten davor (z.B. Donau-Günz-Interglazial) dauerten bis zu 30.000 Jahre an. Jedoch muss in diesen sehr großen Zeiträumen durchaus mit kürzeren Episoden kälterer wie auch wärmerer Zwischenperioden (s. auch MIS-Unterstadien in Abb. 4) gerechnet werden, wie diese z.B. während der letzten Eiszeit, und auch seit der letzten Eiszeit, d.h. seit den letzten 12.000 Jahren zu beobachten sind (s. Abb. 6 oder Abb. 47 weiter unten). Schon vor über einhundert Jahren erkannten Naturwissenschaftler die Abhängigkeit des Erdklimas von der Veränderung der Entfernung der Erde–Sonne. Tabelle 2 zeigt die damals berechneten Minima und Maxima der Exzentrizität der Erdumlaufbahn für Jahrtausende vor 1850, mit Nennung der letzten vier großen klassischen Eiszeiten und des „baltischen Eisvorstoßes“ vor ca. 14.000 Jahren.
Tab. 2 (folgend): Minima und Maxima der Exzentrizität der Erdumlaufbahn (Jahrtausende vor 1850) berechnet von STOCKWELL und McFAR-LAND in PILGRIM (1904) aus KÖPPEN & WEGENER (1924), 2015 reprint) mit Nennung der letzten vier großen klassischen Eiszeiten und des „baltischen Eisvorstoßes“.
Tab. 2
Je nachdem wie sich die genannten Milankovitch-Zyklen überlagern, d.h. min./max. Exzentrizität (mit Variation der Entfernung Erde–Sonne), min./max. Ekliptikschiefe (Neigungswinkel der Erde), und min./max. Präzession (Trudeln) der Erdachse, kommt es zu sich periodisch wiederholenden Zeitabschnitten minimaler oder maximaler Sonneneinstrahlung. D.h., es entwickeln sich extreme Kalt- oder Warmzeiten auf unserem Planeten, die nicht immer identisch sind (hinsichtlich Dauer und Intensität), aber ähnlich ablaufen (Abb. 3 und Abb. 8). Treffen z.B. bei kleinerer Exzentrizität (weniger ellipsenförmige Erdumlaufbahn), größere Erdachsenneigung (bis 24,5°), und eine Sonnennahe Perihel-Position im Nordhemisphären-Sommer aufeinander, so ergibt sich eine besonders starke sommerliche Einstrahlung in den höheren Breiten der Nordhalbkugel, wo die Schnee- und Eisbedeckungen der großen Landmassen Grönlands, Sibiriens, Alaskas und Kanadas stärker abschmelzen könnten. Das andere (kältere) Extrem entstünde z.B. bei größerer Exzentrizität, geringerer Ekliptikschiefe und Sonnen-naher Perihel-Position im Nordhemisphären-Winter, mit milden Wintern und kühlen Sommern auf der Nordhalbkugel.
Abb. 12 (folgend): Die Sonnenaktivität (Sonneneinstrahlung, orangefarbige Kurve) steht eher in enger Relation zu den Temperaturschwankungen (rote Kurve) als die stetig monotone CO2-Zunahme (grüne Kurve) der letzten 50 Jahre. Quelle: BGR: Klimafakten (2004).
Abb. 12
In den Abb.en 5, 10-12 ist die Entwicklung der Sonneneinstrahlung, bzw. Sonnenaktivität, zusammen mit der Temperaturentwicklung dargestellt. Wie weiter oben erläutert, dienen verschiedene Parameter (als „proxies“), wie z.B. die Konzentrationen der Isotopen 14C, 10Be und 18O, etc., stellvertretend als Maß für die Sonneneinstrahlung, bzw. für die Temperaturentwicklung der Vergangenheit. Abb. 12 zeigt zusätzlich den nahezu linearen monotonen Anstieg der CO2-Gehalte, der mitnichten das Auf und Ab des Temperaturverlaufs abbildet, im Gegensatz zum nahezu der Temperatur gleichlaufenden Verlauf der Sonnenenergie. Warum sollte die immer zackig-verlaufende Temperaturentwicklung einer mehr oder weniger linear verlaufenden CO2-Entwicklung hinterherlaufen? Weil es nicht so ist, bzw. der umgekehrte Fall korrekt ist. Die Entwicklung der CO2-Gehalte in der Atmosphäre läuft der Temperaturentwicklung hinterher! Die Temperaturentwicklung der Ozeane und der Atmosphäre bestimmen, jedoch mit einem gewissen Nachlauf, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Bezüglich des Einsetzens und der Dauer der oben genannten natürlichen Zyklen, sollte klar sein, dass dies aufgrund der Komplexität unterschiedlicher Faktoren nicht vergleichbar ist mit einem gleichmäßig tickenden hoch präzisen mechanischen Chronometer. Man kann hier vielleicht den Vergleich mit dem Phänomen der immer wiederkehrenden Gezeiten der Ozeane anführen. Sicher ist der stetige Wechsel von Flut und Ebbe, ca. alle 6 Stunden. Aber der genaue Beginn und die Dauer einer Gezeit, wie auch deren Höhe und Intensität, variieren kontinuierlich, was im Wesentlichen von den ständig wechselnden Positionen zu einander von Sonne, Mond und Erde abhängt, wie auch von der Größe und Form der Meere. Betrachtet man zum Beispiel den Zeitraum von rund 120.000 Jahren, zwischen der heutigen Holozän-Warmzeit und der letzten Eem-Warmzeit (Abb. 10), dann entspricht dies auch annähernd 3 Zyklen (von jeweils ca. 41.000 Jahren) der Ekliptikschiefe bzw. 5 Zyklen der Präzession (von jeweils bis zu 23.000 Jahren), neben dem ca. 110.000 Jahre langen Zyklus der Exzentrizität.
Da wir thematisch gerade bei unserem Sonnensystem sind, möchte ich noch kurz auf die hohen Oberflächentemperaturen unseres Nachbarplaneten Venus eingehen, die im Mittel bei 460°C liegen (s. Abb. 7). Die Venus ist zirka 1/3 näher gelegen an der Sonne als die Erde und umrundet die Sonne auch ungefähr in einem Drittel kürzerer Zeit im Vergleich zu unserem Erdenjahr. Das besondere an der Venus ist ihre bis in ca. 250 km Höhe reichende Atmosphäre, die zu über 96 % aus CO2, ca. 3,5 % Stickstoff (N2) und Spuren von Wasserdampf und anderen Gasen besteht. Der Atmosphärendruck an ihrer Oberfläche beträgt rund das 90-fache des Oberflächenatmosphärendruckes der Erde. Auf der Venus gibt es kein Wasser und somit auch keine Ozeane, die aus Wasser bestehen. Ganz anders als auf der Erde, bestehen die oberen Wolkenschichten der Venus aus Tröpfchen von Schwefelsäure (H2SO4). Ihre große Helligkeit verdankt die Venus übrigens dem hohen Reflexionsvermögens dieser sehr dichten, quasi „opaken“ Schwefelsäure-Wolkendecken. Die hohe Oberflächentemperatur der Venus mit ihrer CO2-Atmosphäre wird oft als Beweis für den Treibhauseffekt des CO2 auf der Erde, bzw. als „worst case“, herangezogen, ohne die extrem großen Unterschiede der Atmosphären beider Planeten, sowie die wesentlich größere Nähe der Venus zur Sonne zu erwähnen. Wie wir weiter unten sehen werden, spielen die Ozeane der Erde, d.h. das Wasser und die Wolken, bestehend aus Wasserdampf (bzw. Wasser oder Eis), eine sehr bedeutende Rolle bei der Wetter- und Klimaentwicklung der Erde. Man kann die Temperaturkonditionen der Atmosphäre der Venus, die fast vollständig aus CO2 (> 96 %) besteht, und deren nahezu undurchlässige Schwefelsäure-Wolken, nicht mit der Erdatmosphäre vergleichen, die hauptsächlich Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2) und nur 0,04 % (oder 400 ppm) CO2 enthält. Wesentlich dabei ist vor allem, dass die Wolkendecken der Erde aus Wasserdampf bestehen. Um es noch klarer zu machen: der CO2-Gehalt der Venusatmosphäre ist 2.400-mal höher als der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre!
Um dieses Kapitel kurz zusammenzufassen: Während den letzten 2,6 Millionen von Jahren pendelte die Erde kontinuierlich unzählige Male zwischen länger andauernden Kaltzeiten und kürzer anhaltenden Warmzeiten. Dies führte zu wiederholten Verschiebungen der Klimazonen auf der Erdoberfläche. Die Mechanik, bildlich gesprochen, die diese periodischen Wechsel zwischen kalt und warm antreibt, sind die orbitalen Parameter der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Diese äußern sich in verschiedenen Zyklen von einigen Duzenden und Hunderten von Jahrtausenden, Milankovitch-Zyklen genannt, die sich gegenseitig überlagern und sich somit direkt auf das Klima der Erde und ihre Temperaturentwicklung auswirken. Seit der letzten großen Eiszeit, dem Würm-Glazial, das rund 100.000 Jahre andauerte und vor etwa 12.000 Jahren endete, leben wir heute glücklicherweise in einer wenn auch relativ kurzen Warmzeit, dem Holozän-Interglazial, bevor die Erde in einer nicht zu fernen Zukunft, voraussichtlich innerhalb der nächsten Hunderten oder wenigen Tausenden von Jahren, wieder in die nächste Eiszeit abtauchen wird.