Читать книгу Mit allem Pipapo - Stefan Wichmann - Страница 9
Funzellicht
ОглавлениеDer nächste Morgen war schwer für mich. Ich war es nicht mehr gewohnt, schon um 8 Uhr aufzustehen. In der Wohnung herrschte Stille wie sonst nie. Offensichtlich waren Jojo und die Kinder schon weg. Hatte sie die beiden also doch mitgenommen! Ich warf fünf Eier in die Pfanne, machte den Deckel drauf und ließ sie 8 Minuten brutzeln. Der Hund träumte wie immer in der Ecke von irgendetwas und ich zog mich fein an. Anzug, Krawatte, sauberes Hemd. Das weiße Leinen spannte leicht über meinem Bauch. „Hatte ich auf der dritten Seite meines Lebenslaufes nicht etwas geschrieben von sportlich, fröhlich, elegant und daneben das Bild einer Küchenschabe platziert?“, murmelte ich zu mir selbst.
„Auffallen, um jeden Preis!“, schauspielerte ich die Worte meines Bewerbungscoaches vom Arbeitsamt nach. Nun, er hatte es mir geraten und ich probierte es einfach einmal aus. Unter dem Bild mit der Küchenschabe hatte ich gesetzt: ‚Alles Weitere erläutere ich Ihnen vor Ort; -)‘
Das Ergebnis: Sie luden mich tatsächlich ein! Meine Gedanken hüpften von Synapse zu Synapse, während ich mir mit der linken Hand nervös durch das Haar fuhr: ‚Stimmt, dünner geworden.‘
Eiligst hastete ich in die Küche, um die Eier umzurühren. Es sollten ja Rühreier werden.
„Ich hab’s!“ Meine linke Hand donnerte in die rechte: „Ich fahre mit dem Rad zum Vorstellungsgespräch. Das zeugt von sportlichem Elan selbst bei winterlicher Kälte. So kann ich auch auf den unbequemen Anzug verzichten und stelle mich mit offenem Hemdknopf, leger gekleidet und gut gelaunt vor!“
Die Krawatte landete in der Ecke, meine Frau war ja eh nicht da, um die entstehende Unordnung mitzubekommen. Sie würde es nie erfahren. Ich huschte zur Wohnungstür und trappelte pfeifend die Stufen hinab. Schon stand ich vor der Tür zum Keller. Voller Stolz über meinen tollen Einfall schloss ich auf und stieg die Steinstufen in den Keller hinab. Ein leichter Klaps auf den modernen Stromspar-Lichtschalter brachte Funzellicht. Worin auch immer der Vorteil von einer Lichtquelle liegen sollte, die so schwach leuchtet, dass man eigentlich noch eine Taschenlampe zusätzlich brauchte, war mir nicht klar. Den Anschlag im Hausflur, der mich vielleicht etwas erleuchtet hätte, hatte ich mir natürlich nicht durchgelesen. Was sollte da auch stehen. Die Funzel sparte halt Strom. Ich war auch zu sehr mit meinem Weg beschäftigt: Links den Gang entlang, an der Stelle, an der das Entwässerungsrohr durch die Decke des Kellergewölbes verlief, duckte ich mich automatisch, und bog rechts ein. Nach und nach warfen die Stromsparlampen mehr Licht.
„Ah, die Funzel funzelt nach wenigen Minuten heller“, freute ich mich.
Schon wieder vergnügt sperrte ich den Holzverschlag unseres Kellers auf und suchte mein Fahrrad. Dort stand das glänzende Ding. Ein Blick auf die Uhr verriet: Ich sollte mich beeilen. Ein Rundblick in den Verschlag verschlug mir den Atem. Mir kam ein erster Zweifel an meinem Vorhaben. Mein Blutdruck stieg: „Alles, aber auch wirklich alles wird aufgehoben“, rief ich aus. Jojo sollte vielleicht hier einmal aufräumen. Doch auch diesen Gedanken verwarf ich schnell. Es hätte im Endeffekt nur wieder Arbeit für mich bedeutet. Natürlich würde Jojo helfen, das meinte ich nicht, aber im Gegensatz zu mir, fand sie eine gewisse Freude am Aufräumen.
Ich kämpfte mich durch Kisten und Kästen, blieb mit meiner Hose an einem alten Blech hängen, dass ich als Kantenschutz vor seliger Zeit um einen Holzdeckel gebogen hatte, ignorierte es und riss mir eine Sekunde später ein Dreiangel in meine Hose. Wütend beugte ich mich hinunter, um den Schaden zu begutachten. Beim Aufrichten stieß ich mit dem Kopf gegen den Rand der alten Hängelampe und sofort schwebte ein warmer Ton durch den Keller. Ich konnte ihn nur nicht genießen, sondern hielt mir den Kopf und fühlte dann vorsichtig, ob ich mir eine Platzwunde zugefügt hatte. Ich atmete erleichtert auf. Es war alles in Ordnung. Nicht auszudenken, wenn ich mich nicht nur umziehen, sondern auch noch verarzten musste. Mir blieb ja nicht einmal Zeit mich nochmals zu waschen! Halb gebückt schaute ich zur Lampe hoch.
Die Schirmlampe war unten offen und erinnerte an einen umgedrehten Wok. Nicht auszumachen, wenn ich mit dem Kopf in die Öffnung geflutscht wäre. Rundherum des Randes baumelten Glasfragmente, anders waren diese furchtbaren Klunker nicht zu beschreiben. Ein Erbschaftsstück, das wir, als jungvermählte aus Geldnot heraus wahrhaftig an die Decke hingen! Ich fand sie eigentlich nicht so schlimm. Sie erfüllte ihren Zweck! Deshalb und weil sie noch funktionierte, hatte ich mich nicht trennen können. Cyra wusste nichts davon. Sie kam ja nie in den Keller. Wegen der Spinnen! Ich griff nach der leicht schaukelnden Lampe und hielt sie an. Die Stromleitung hatte ich einfach an eine Verteilerdose im Flur angeschlossen. Immer noch stolz auf diese bereits vor Jahren erbrachte Leistung, klopfte ich mir gedanklich auf die Schulter. Mir fiel das Vorstellungsgespräch wieder ein: Ich hatte es ja eilig!
Endlich riss ich mich los und wagte einen gehetzten Schritt vorwärts. Eine alte Stoßstange schepperte. Was für eine blöde Bezeichnung dachte ich, während ich mir mein Schienbein rieb. Als ich den anderen Fuß nachzog, verfing sich meine Hose erneut in irgendetwas.
„Ist das ein Mist hier unten!“, schrie ich. Das Rad glänzte im Licht. Das Kellerlicht ging aus. „Mist!“ Ich ballte die Hände zu Fäusten: „Mist, Mist, Mist!“
Für einen kurzen Moment hielt ich inne. Das war also der Sinn des Stromsparlichtschalters. Wer nicht schnell genug fertig ist, hat Pech.
„Was für ein Schwachsinn!“, brüllte ich meine Wut aus mir heraus und fühlte mich gleich besser.
Mühsam tastete ich mich im Dunkeln weiter vor, ergriff das Rad, zog und zerrte daran herum, bis es endlich nachgab und mir ein Stückchen entgegenkam. Mittlerweile ahnte ich auch, warum es so geglänzt hatte. Es war ölig. Ich hielt inne.
„Öl?“
In Gedanken ging ich die Regale durch. Was stand im oberen Regal? Was konnte auf das Rad heruntergetropft sein? Vorsichtig roch ich an den Fingern. „SW 40.“ Nicht, dass ich jetzt ein Meisterriecher wäre oder mich mit Ölen besonders gut auskannte, aber Motorenöl erkannte ich sofort. Und das billigste Motorenöl, das in mein Auto kam, war seit Jahren das besagte.
„Hallo?“, riss mich eine zarte Stimme aus der Ferne aus meinen Gedanken.
Ich prustete. Nach Konversation war mir nicht zumute! Überhaupt gar nicht! Verstärkt zog ich am Rad. Es gab nach und zeitgleich mit dem Herunterpoltern des alten Babyhockers klappte oben die Kellertür zu.
„Hallo?“, erwiderte ich nun doch. Vielleicht konnte sie ja das Licht wieder einschalten!
Ein Schlüssel antwortete. Besser gesagt, das Türschloss, als er darin herumgedreht wurde.
„Hallo“, rief ich. Ächzend drehte ich mich mit dem über meinem Kopf erhobenen Fahrrad um. Irgendetwas tropfte mir auf die Stirn, in die Haare, ich schloss die Augen und marschierte los, kam, was da wolle. Was kam, war die Hängelampe. Es klimperte, als sie meine Stirn malträtierte, es splitterte, als sich mein Rad darin verfing.
„Hallo, hallo, warten Sie! Hallo!“ Schweiß trat mir auf die Stirn. Die Arme schmerzten. Das Rad hing irgendwie in der Lampe. Wahrscheinlich wäre es gar nicht gut, jetzt das Licht wieder anzuschalten!
Etwas rutsche mir am Gesicht entlang Richtung Mund. Ich tastete mit der Zunge danach. „Glas“, erkannte ich, mit Schweiß- und Ölgeschmack. Ich spuckte aus, riss an dem Rad und lief klimpernd los. Die Lampe blieb weiterhin im Rad verfangen. Meine Beine stießen unablässig gegen irgendwelchen Unrat.
„Hallo, hallo, warten Sie!“
Als ob ich ein Lied singe, schoss mir wütend durch den Kopf. Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper. Rad und Arme blieben am Holzverschlag meines Kellers hängen, während mein Fuß bereits den nächsten Schritt ausführen wollte. Aufgrund des plötzlichen Widerstandes rutschte mir das Rad aus der rechten Hand. Ich bin nun mal Linkshänder. In der rechten Hand habe ich nicht so viel Kraft. Das Hinterrad donnerte mir auf die Schulter. Die Kette streifte meine Stirn.
„Scheiße!“
Im tiefsten Innern war mir seit jeher bewusst, dass ich das Fluchen aufgeben musste. Das kam im Berufsleben oder vor den Kindern nicht gut an. Immerhin hatte ich es bereits geschafft statt diverser anderer Worte die schwächere Umschreibung ‚Mist‘ zu nutzen. Jetzt eben war ich eine Ausdrucksstufe tiefer gerutscht und ärgerte mich darüber. Umso aufgebrachter zerrte ich mit der mir verbliebenen Kraft das Rad hinter mir her. Ich brauchte es ja noch. Mühsam durchschritt ich die Tür, blieb mit dem Fahrradrahmen wiederholt an der zu schmalen Türöffnung hängen und fluchte. Irgendwann schaffte ich es, das Rad im Dunkeln durch den Türrahmen zu bugsieren. Die im Rad verfangende Hängelampe klimperte nervtötend. Umso wutschnaubender eilte ich auf den Kellerausgang zu. In dem Moment riss es mir das Rad aus den Händen. Richtig! Die Stromleitung der Hängelampe war ja nur kurz! Mit Schaudern dachte ich an die Verteilerdose, in der ich die Stromleitung der Lampe nach bestem Wissen verkabelt hatte. Keuchend warf ich das Rad zurück in Richtung des Kellerverschlages. Keuchend stand ich im Dunkeln und keuchend rieb ich mir die Schulter. Nach einer kurzen Erholungspause hastete ich mit einer Hand an der Wand tastend den Kellergang zurück. Das ging erstaunlich gut und ich kam richtig schnell voran! Jetzt links um die Kurve dann geradeaus! Ich bekam Übung, ja rannte sogar ein Stückchen, bis ich mit meinem Kopf gegen das Entwässerungsrohr krachte. Vor Überraschung verlor ich das Gleichgewicht. Taumelnd suchte ich Halt, stolperte und fiel schwerfällig auf den Boden. Wie ein Käfer lag ich im Dreck und stöhnte. Mühsam rappelte ich mich auf. Mir wurde schlecht. Zitternd vor Schmerz setzte ich Fuß vor Fuß. Zögernd, fast vorsichtig ging ich im Dunkeln die Stufen zur Eingangstür des Kellers hinauf. Meine Hand tastete nach dem Lichtschalter. Da! Da war er. Ich drückte auf den Schalter. Die Lampen flammten kurz auf, es folgte ein Zischen aus Richtung meines Kellers. Die Sicherung löste aus!
Aus! Dunkel! Energisch rüttelte ich an der Türklinke. Schon hielt ich sie in der Hand. Hatte sich denn alles gegen mich verschworen? Ich war eingesperrt! Meine Fäuste trommelten gegen die Tür. Nichts. Ein schmaler Lichtschein drang durch das alte Türschloss. Langsam ging ich davor auf die Knie. Ich schaute es mir so nah an, wie ich mir noch nie ein Schloss angeschaut hatte. Erkennen konnte ich nichts. Ich tastete.
„Hoffentlich hat die Tür keinen Türfalz!“
Vor mich hin nickend, drehte mich herum und ließ mich erschöpft auf der obersten Stufe nieder.
„Wo ist eigentlich der Sicherungskasten?“
Für wenige Sekunden gestattete ich mir eine Ruhepause. Doch schnell flammte die Erinnerung auf, dass ich eine Mission hatte, eine Aufgabe, einen Termin!
Eilig ertastete ich meine Uhr und drückte auf alle Knöpfe, bis das Ziffernblatt beleuchtet war. „Mit dem Auto schaffe ich es noch.“ Als ich über mein Gesicht wischte, spürte ich das Motorenöl.
„Gequirlte Scheiße!“
Bebend vor Wut erhob ich mich und fingerte an der Wand entlang. Ich hatte keine Lust und keinen Nerv über Worte wie Mist oder schwächere Umschreibungen nachzudenken.
„Irgendwo muss hier doch der Sicherungskasten sein“, brach es aus mir heraus.
„Eine Taschenlampe wäre jetzt schön“, murmelte ich schließlich resigniert. „Für alles gibt es eine App, nur nicht dafür, wenn man eingesperrt ...“
Mir stockte der Atem.
„Eine Taschenlampen-APP! - Fürs Handy! - Hab ich doch!“
Ich frohlockte und fingerte an meiner Hose herum. Da war das Handy, ich ertastete den Einschaltknopf, das Display leuchtete auf! Schnell fand ich die Applikation. Mit dem Handy leuchtete ich in das Dunkel hinein, während meine Gedanken hetzten: ‚Ich komme zu spät! Ich komme zu spät!‘ Aufgeregt fuhr ich mir immer wieder mit den Fingern durchs Haar.
‚Versau es nicht‘, hämmerte in meinem Kopf und: ‚Ich bräuchte Zeit!‘
Wie angewurzelt hielt ich inne. Es war doch so einfach! Ich hielt das Handy ja schon in der Hand! Sollte ich es wagen? Sicherlich schaute es besser aus bei meinem künftigen Arbeitgeber anzurufen und Bescheid zu sagen, dass ich mich verspäte, als unangekündigt zu spät zu kommen.
„Vielleicht schiebe ich meine Verspätung auf eine Reifenpanne“, überlegte ich laut. „Dann muss ich aber auch mit dem Rad vorfahren!“
Ich rief an.
„Werbeagentur ‚Knackig-Schnell‘ - Sekretariat“, meldete sich eine freundliche Frauenstimme. Ich schätzte sie aufgrund der leicht rauchigen Tonlage und der Sprechgeschwindigkeit auf 55 bis 60 Jahre. Ein Hauch von Omafaktor schwebte in der Stimme mit. Nun, ich würde sie ja bald kennenlernen.
„Rainer Unsinn! Ich habe heute ein Vorstellungsgespräch und ...“
„Nein, nein, nein. Wenn Sie jetzt so ein Radiosender sind, der seine Späße auf Kosten anderer macht, dann sind sie hier falsch. Ich lege jetzt auf.“
Es knackte in der Leitung.
Resolut ist sie auch. Sicher hat sie zuhause die Hosen an und bereits Enkelkinder, die sie knallhart mit erzieht. Dieses resolute Gebaren konnte man bei Kindererziehung, oder als Projektleiter erlernen und Projektleiterin war sie nicht. Erneut rief ich an: „Unsinn!“
„Pfff“, machte sie. Dann fasste sie sich. „Himmel! Na gut, spiele ich mit“, rief sie schnippisch in den Hörer.
„Hören sie. Ich verspäte mich heute zu meinem Vorstellungstermin, weil ich eine Fahrrad ... „, ich suchte nach Worten, ... -panne hörte sich so blöd an, fand ich plötzlich. Andererseits hatte ich den Satz bereits begonnen! Wie konnte ich diesen also möglichst vernünftig zu Ende führen, ohne Panne zu sagen?
In solchen Situationen kann man so schnell denken, das glaubt man gar nicht. Tausend Gedanken schießen einem durch den Kopf. Der Blödeste fand den Weg zur Zunge: „... -ungeschicklichkeit habe. Ich beeile mich.“
Verärgert über mich selbst, legte ich auf. „Fahrradungeschicklichkeit!“ Ich griff mir an den Kopf. Warum hatte ich nicht ‚Störung‘ gesagt?
„Fahrradstörung. Fahrradpanne. Störung, Panne, Störung, Panne“, ließ ich mir die Worte durch den Kopf gehen. Ich hatte alles schlimmer gemacht. Warum war ich nicht einfach bei Fahrradpanne geblieben?
Stinksauer über mich selbst tastete ich mich bei Handy-Taschenlampenschein zurück in meinen Kellerverschlag. Irgendwie musste ich das Türschloss aufkriegen! Ich brauchte einen dünnen Nagel, den ich als einfachen Dietrich für das Schloss nutzen konnte und etwas ganz Dünnes, das ich zwischen Tür und Zarge schieben konnte. Nicht, dass ich häufiger irgendwo einbrach, aber mit Türen und Dietrichen hatte ich als Kind gearbeitet, um die Speisekammer aufzukriegen, in der meine Eltern immer meine Weihnachtsgeschenke versteckt hatten. Mein Schienbein schmerzte.
‚Etwas Dünnes, ein Blech, vielleicht‘, grübelte ich.
„Richtig“, schrie ich und erinnerte mich fortwährend, um den Gedanken ja nicht mehr zu verlieren: „Das Blech, das Blech, das Blech, ...“.
Gerade als ich zugreifen wollte, ging das Licht der Taschenlampen-APP aus. Stromsparfunktion. Noch eine! Ich erinnerte mich sofort daran, diese eingerichtet zu haben. Egal, ich hatte das Blech ja gesehen! Also griff ich zu! Schmerz durchzuckte mich, als die scharfe Kante unter meinen Daumennagel eindrang. Ein Stöhnen drang aus meinem Mund.
‚Versau es nicht!‘, bohrte mir im Kopf herum.
Vorsichtig griff ich mit der unverletzten linken Hand zu, tastete und fasste das Blech. Ich zog. Nichts rührte sich.
„So ein Mist!“
Meine Stimme verhallte in der Dunkelheit. Erbost zog ich mit beiden Händen am Blech. Meine Füße stemmte ich gegen irgendetwas, das allerdings langsam nachgab. Dann ging ein Ruck durch das Blech, besser gesagt durch mich und durch das Blech und wir beide krachten gegen den Holzverschlag des Kellers. Hinter mir gab es etwas nach. Ich beleuchtete die Szenerie. Ein Brett des Holzverschlages hatte nachgegeben und im Brett steckte ein Nagel! Ich drehte mich herum und trieb das Brett mit dem Fuß weiter heraus. Dann trat ich auf den Gang hinaus und riss das Brett ganz ab, legte es auf den Boden, so dass die Nagelspitze auf den Boden zeigte. Vorsichtig hüpfte ich darauf herum, um den Nagel herauszubekommen, ohne ihn zu verbiegen. Als nur noch ein kleines Stück des Nagels im Brett steckte, trat ich mit dem Fuß seitlich gegen ihn und verbog ihn so in die L-Form. Immerhin! Im Werkzeugkasten fand ich eine Zange und so bewaffnet machte ich mich auf den Weg. Einen Fuß vor den anderen setzend suchte ich den Weg zurück. Ab und an leuchtete ich den Weg mit der Taschenlampen-App aus. Mit dem Nagel-Dietrich und der Zange schaffte ich es irgendwann, das Schloss zu entsperren. Dann drückte ich das Blech von schräg oben in den Türfalz und drückte es gegen das Schnappschloss. Als sich nichts rührte, nahm ich meinen Schuh zu Hilfe und benutzte ihn wie einen Hammer, um das Blech in die Türzarge und gegen den Schnapper des Türschlosses zu treiben. Mit einem metallischen Klicken schwang die Tür auf. Natürlich nach innen. Gegen meinen Kopf.
„Es klappt“, jubelte ich.
Frau Mahla, die Nachbarin kam just in diesem Augenblick die Treppe herunter. „Hätten’s doch geklopft! Ich hät‘ Ihnen scho aufg’macht!“ Ihr zunickend warf ich meinen Schuh auf die Türschwelle, schlüpfte hinein, rannte die Treppen hinunter und bis zum Keller, griff mein Rad und rannte bis auf die Straße hinaus. Ich trat nach dem Ständer, er klappte auch sofort aus, aber das Rad fiel trotzdem um.
„Der Ständer ist kaputt“, murmelte ich fassungslos.
„Egal!“
Atemrasselnd hastete ich in meine Wohnung, um meinen Autoschlüssel zu holen. Als ich meinen Wohnungsschlüssel in der Hand hielt, fragte ich mich, warum ich eigentlich nicht den Keller mit meinem eigenen Schlüssel aufgeschlossen hatte? Der Kellerschlüssel hing doch am Schlüsselbund! Nur, dass ich bisher den Keller immer von außen aufgeschlossen hatte, bedeutete doch nicht, dass der Kellerschlüssel nur von außen funktioniert!
„Mmm.“ Trotz meiner Erregung erinnerte ich mich dumpf an mein Vorhaben, das Fluchen sein zu lassen. Aber irgendwie musste sich Zorn äußern dürfen und irgendwo musste er hin! „Grrr!“ Ich hüpfte vor Wut auf der Stelle. „Grrr! Grrr! Grrr!“
Frau Mahla kam wieder die Treppe hoch und drängelte sich an mir vorbei. Sie tat, als wären mein Wutausbruch und meine Hopserei normal. Sie sagte kein Wort. Sie schaute mich nicht an. Nichts.
Ich verschwand in meiner Wohnung. Dort streifte ich mir ein neues Hemd über. Mein verletzter Daumen hinterließ eine schmale Blutspur im frischen Ärmel. Ich starrte kurz darauf.
„Wie auch immer“, murmelte ich, „Es passt zu meiner Ungeschicklichkeit!“
Mit frischem Schweiß auf der Stirn rannte ich wieder hinaus. ‚Jetzt das Rad ins Auto werfen, in einer Nebenstraße der neuen Firma parken und dann passt das schon.‘ Voller Tatkraft rollerte ich auf der rechten Pedale meines Rades zum .... „Das Auto ist weg!“, schrie ich.
Ein Passant musterte mich kurz. Ab sofort lief er langsamer. Allem Anschein nach war er gespannt, was ich nun tun würde.
‚Nein, Cyra hat meines genommen‘, fiel mir ein. Angespannt suchend drehte ich mich im Kreis und hielt nach ihrem Auto Ausschau.
„Da!“
Mein Finger deutete unwillkürlich auf einen Wagen, dessen Windschutzschreibe unnatürlich intransparent aussah. Jetzt blieb der Passant vollständig stehen, schüttelte den Kopf und ging endlich im normalen Tempo weiter. Vorsichtig lehnte ich mein Rad gegen Cyra's Auto. Wehe, wenn ich eine Schramme hinterließ! Langsam schob ich meinen Finger über ihre Windschutzscheibe. Sie war nicht gefroren, die Eisschicht ging ganz leicht ab. Ich atmete auf. Erneut rannte ich in meine Wohnung, schließlich brauchte ich ja ihren Autoschlüssel.