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Fleischeslust in Buenos Aires
ОглавлениеArgentinien, Buenos Aires war der Anfang der Reise. Vier Wochen Frühling im November, Spanisch lernen und Tango tanzen waren der Plan. Ich wollte während des Trips immer einen Monat an einem Ort bleiben. Die Journalistin Meike Winnemuth hatte das auf ihrer Weltreise so gemacht – und ein grandioses Buch darüber geschrieben („Das große Los“). Zwölf Monate, zwölf Städte. Da ich aber im Gegensatz zu ihr nicht bei „Wer wird Millionär?“ gewonnen hatte, plante ich sechs Monate und, ok, sieben Städte – sowie eine Runde Inseln, die Fidschis.
Ich wollte auch nicht in Vergessenheit geraten bei Freunden, ehemaligen Arbeitskollegen und potentiellen neuen Arbeitgebern. Da war er wieder: der Sicherheitsmensch in der Weltenbummlerin.
Ich wollte eher Alltag in der Fremde als Abenteuer. Schon die Vorstellung, alle paar Tage weiterzureisen, fand ich anstrengend. Ständig überlegen, welchen Ort man sehen möchte, ständig planen, wo man übernachtet und wie man hinkommt. Nicht mit mir. Ich nannte den Plan eine „Mädchenweltreise“. Nur relativ sichere Länder, nur größere Städte. Lieber Leute und einen Ort besser kennenlernen als überall nur an der Oberfläche kratzen. Lieber Tanzen gehen und Sprachen lernen als die Sehenswürdigkeiten abklappern, als das Arbeitshamsterrad gegen das Reisehamsterrad eintauschen.
Einen Monat Buenos Aires, einen Monat Quito, je zwei Wochen New York und San Francisco, eine Woche Fidschis, dreieinhalb Wochen Sydney, ein Monat Tokyo und ein Monat Shanghai. Exakt sechs Monate. Bis zu 30 000 Euro.
Von wegen Paris
Veröffentlicht am November 2, 2013 von stefaniejaerkel
Wenn alles glatt geht, ist es ja schon langweilig: Bei der Wohnungsübergabe hatte meine Nachmieterin das Kautionskonto nicht hinterlegt, die entscheidende Kreditkarte von der Deutschen Kreditbank war bis Mittwoch nicht angekommen und dann wurde auch noch meine Frankfurt-Fahrerin und treue Freundin Heike kurzfristig von einem Virus niedergestreckt. Also fuhren wir nicht gemütlich nach Frankfurt, um dort in der Wohnung ihrer Verwandten zu übernachten. Stattdessen buchte ich einen IC und durfte die erste Nacht im Hostel bereits in Deutschland erleben (ein bisschen wie Pfadfinder, dafür komfortabler).
Dafür ging die 24-Stunden-Anreise glatt: Flug nach Madrid, Flug nach Buenos Aires, Taxifahrt in die Innenstadt von Buenos Aires in mein “Partyhostel” – in dem es aber für eine Freitagnacht trotzdem traumhaft ruhig war (ein bisschen wie Pfadfinder, nur etwas schmuddeliger).
Außerdem konnte ich bei der Anreise schon das neue Gefühl von erleben, viel Zeit zu haben: das Gefühl, mal wirklich das machen zu können, was ich jetzt im Moment machen will, weil ich nicht jetzt schlafen sollte, um nachher fit zu sein, oder lesen sollte, weil das vorerst die letzte Möglichkeit dazu ist. Traumhaft. Einfach Löcher in die Luft starren.
Buenos Aires habe ich ja nur einen Tag gesehen, aber ich würde es eher als eine Mischung aus Madrid und Kuala Lumpur bezeichnen als das viel beschriebene “Paris von Südamerika”. Dafür ist es nicht lieblich genug. Allerdings war ich in Paris auch nur einmal bei allerbestem Frühlingswetter und hier war es heute die meiste Zeit 20 Grad und grau. Irgendwie hatte ich die von mir erwarteten 30 Grad wohl etwas zu großzügig recherchiert…
Dafür habe ich schon Salsa/Samba/irgendwas-auf-jeden-Fall-Arschwackel-Tänzerinnen auf der Straße gesehen. Mit Conga-Typen. Der Knaller.
NACHTRAG: Schon bei der Anreise habe ich die Vorteile des Alleinreisens kennengelernt: Nach dem zwölf Stunden-Flug von Madrid nach Buenos Aires musste ich vermutlich noch einmal zwei Stunden an der Passkontrolle in Buenos Aires warten. Aber wie entspannt das ist, wenn man so etwas alleine macht. Wenn man sich nicht um den knatschigen Partner oder die erschöpften Kinder kümmern muss. Da konnte ich mir interessiert meine Mitreisenden anschauen und den ersten Sätzen auf argentinischem Spanisch lauschen. Ich blieb einfach gelassen.
Zarte Liebe
Veröffentlicht am November 6, 2013 von stefaniejaerkel
1. Ok, Mädels. Hier mal das Wichtigste zwischendurch: Die Männer sind hot. Wir haben alle unsere Klischees gepflegt, hier seien alle klein und relativ dunkelhäutig und schmierig. Sind sie nicht. Viele sind ziemlich groß (zumindest größer als ich), haben eher karamellfarbene Haut und braune Haare, wenn ich das so politisch korrekt sagen darf. Angeblich haben sie dazu noch grüne oder blaue Augen – aber so nah kam ich noch nicht…
2. Der Tango hat mich auch schon erwischt. Allerdings habe ich nur einmal mit einem älteren Herrn getanzt, der mir bis knapp über die Schulter ging – und er war sehr nett. Ich liebe es, mich von jungen wie alten Männern über die Tanzfläche schieben zu lassen und einfach nur der Musik zuzuhören. Es ist grandios. Wer dem Mann nicht folgt, hat Pech. Dann funktioniert das ganze Spiel nicht.
3. Jenseits des Tangos bekomme ich allerdings schon meine Dosis Körperkontakt morgens in der U-Bahn, hier Subte genannt. Wer dachte, die Londoner tube ist “packed”, sollte nicht in BA mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Hier ist es auch voll, vor allem aber haben die Menschen kein Problem mit Körpernähe auch zu Fremden. Hier wird zwar höflich, aber nachdrücklich nachgeschoben, wenn jemand in eine eigentlich volle U-Bahn steigen möchte. Ein starkes Sandwich-Gefühl drängt sich direkt nach dem Frühstück auf.
4. In der vollen U-Bahn haben übrigens selbst die “portenos”, wie die Menschen sich hier nennen, Angst um ihre Brieftaschen. Die Frauen halten ihre Handtaschen mit verkniffenen Gesichtern fest im Arm. In der Sprachschule höre ich die Geschichte von einem Mädel, das nachts im Stadtviertel San Telmo (tagsüber sehr schön) mit vorgehaltener Pistole ausgeraubt wurde. Einem anderen wurde, ebenfalls in San Telmo, im Restaurant am Tisch das Handy entrissen und geklaut. Das lässt mich doch deutlich entspannen…
5. Sonst habe ich mit leichter Verzögerung eine zarte Liebe zu dieser Stadt entdeckt. Wenn man weiß, wohin gehen, dann ist es hier einfach schön. So zerbrechlich, manchmal abgefuckt. Verfallene Häuser wechseln sich mit gut erhaltenen Jahrhundertwende-Bauten ab, knallbunte Fassaden mit solchen in edlem Beige. Paare tanzen (allerdings nur für die Touristen) in Restaurants Tango und fordern einen schon einmal auf, mit zu tanzen. Doch anschließend wartet sicher die Rechnung.
6. Umsonst ist allerdings die große Hilfsbereitschaft der Menschen hier. Am Sonntag wollte ich mit dem Bus vom Hostel zu meiner Gastmutter von der Sprachschule fahren. Busfahren kann ja nicht so schwer sein, war mein naiver Gedanke. Ich ging schon auf dem Weg zur Bushaltestelle verloren. Aber die Leute hier sind extrem freundlich und helfen immer bereitwillig weiter – auch wenn ich manchmal kein Wort von ihrem argentinischen Spanisch verstehe. Später fand ich heraus, dass die Av. de 9 de Julio mit angeblich 16 Fahrspuren die breiteste Straße der Welt ist – da kann man sich schon einmal verloren vorkommen. Dass ich im Bus nur mit Münzgeld zahlen konnte, das ich nicht hatte, und vorher noch irgendeine widerlichst stinkende Flüssigkeit von einem Baustellengerüst tropfte und meinen ganzen Rucksack, meine Haare und ein bisschen meine Klamotten versaut hat – vergiss es. Ach ja, im Haus meiner Gastmutter strandete ich dann noch fast im Fahrstuhl. Wer kommt auch schon auf die Idee, dass ein Wohnhaus zwei Fahrstühle hat und man manche Wohnungen nur mit dem einen, aber nicht mit dem anderen erreichen kann? Im falschen Fahrstuhl starrt man trotz richtigem Stockwerk dann nur eine weiße Wand an, wenn man die Tür öffnet. Raus kommt man dort oben nicht. Gruselig.
7. Verständnisprobleme sind allerdings sowieso an der Tagesordnung, da im Argentinischen nicht alles so ist wie im Spanischen. Für die Spanischsprechenden unter Euch: “ll” wird hier von “j” zu “sch” in der Aussprache, ebenso wie “y” nun “sch” gesprochen wird. Das irritiert schon, wenn einer ständig von “scho”, “schamma” und “scheva” spricht. Außerdem heißt es hier nicht “tu”, sondern “vos”, allerdings wird das Verb trotzdem wie für “tu” konjugiert, “vosotros” wiederum wird zu “ustedes”… Ein Spaß.
NACHTRAG: Was sich allerdings auch als Klischee in Bezug auf die Männer entpuppte, war die Vorstellung meiner Freundinnen (und ...äh... meiner selbst), dass ich in Buenos Aires wie eine Bombe einschlage: blond, groß, schlank. Tja, so war es dann leider nicht. Warum, habe ich bis zum Schluss nicht verstanden. Aber mich hat wirklich selten einer beim Weggehen angemacht. Auf der Straße wurde ich auch nie angesprochen. Bei DEN Männern wirklich schade.
Das Rind, das Rind, das himmlische...
Veröffentlicht am November 7, 2013 von stefaniejaerkel
Zwei Mal habe ich hier schon argentinisches Rind gegessen. Das erste Mal war eine ziemliche Enttäuschung. Das Fleisch sah gut aus, war nicht blutig, hat aber total lahm geschmeckt. Dafür war der Kellner zwar schwul, aber “caliente”. Beim zweiten Mal war es dafür andersherum.... ok, ob das Rind schwul gewesen war, weiß ich natürlich nicht. Dafür war das Fleisch echt lecker würzig. Mit rund acht Euro war das zweite auch deutlich günstiger als das erste…
Um den Verkehrswahnsinn komplett auszunutzen, habe ich heute eine geführte Radtour durch die Stadt gemacht – mit Helm. Radwege gibt es hier quasi nicht. Und wenn mir einer vor zwei Tagen gesagt hätte, dass ich mal auf der sechsspurigen Stadtautobahn mit einem Schrottrad ohne Gangschaltung fröhlich herumeiern würde, hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt. Aber da es hier nicht so viele Regeln für den Straßenverkehr gibt oder sie zumindest nicht angewendet werden, sind alle ein bisschen rücksichtsvoller und aufmerksamer. Der Fahrer des geschätzten Zehn-Tonners hat deswegen auch an der Ampel kurz gewartet, bis wir neben ihm losgefahren sind. Ach ja, die angeblich breiteste Straße der Welt haben wir mit dem Rad auch noch überquert. Dieses Mal ging ich nicht verloren.
Cataras del Iguazú: Grenzwertig phantastisch
Veröffentlicht am November 12, 2013 von stefaniejaerkel
Dass Wasser so glücklich machen kann, hätte ich auch nicht gedacht. Aber bei den Mengen, den Höhen und der Breite – keine Frage. Die Cataratas del Iguazú sind Wasserfälle an der argentinisch-brasilianischen Grenze, und sie sind einfach berauschend. Meine Sprachschule bot einen Ausflug dorthin an, und so bin ich überraschend schnell der an diesem Wochenende grauen, verregneten Großstadt entflohen.
Für 36 Stunden in der Pampa habe ich sogar zwei 18-stündige Busfahrten auf mich genommen. Allerdings waren diese lang nicht so schlimm wie erwartet. Die Busse sind so ausgestattet, dass man fast wie auf einer weichen Ottomane liegt. Das Essen ist zwar unterirdisch und die Toilette spätestens nach Stunde drei auch, aber sich so gemütlich durch die argentinischen Lande schaukeln zu lassen, hat was für sich. Filme wie Batman, James Bond oder Armageddon auf Spanisch verkürzen die Zeit. Allerdings hatten wir einen seltsamen Moment, als auf der Rückfahrt morgens so ungefähr nach 13 Stunden Reise plötzlich ein Mann neben meiner gefühlten Ottomane stand und “Pasaporte” schnauzte. Kein “Hola”, “Buenos Dias” oder “por favor”… Der Mann trug eine Art Hut, eine gelbe Warnweste und Aufnäher auf seinem Hemd, die ihn als Polizisten auswiesen. Mein Nebensitzer Niklas aus Berlin und ich schauten ihn nur an. Dann schnauzte er nochmal “Pasaporte”, bis wir dann mal langsam in die Gänge kamen. Meinen Pass studierte er so intensiv, als wollte er ihn auswendig lernen. Niklas’ schon deutlich kürzer. Danach machte er auf dem Absatz kehrt und ging wieder. Die anderen 20 Mitfahrer interessierten ihn nicht mehr. Der Bus fuhr weiter.
Um jetzt aber doch einmal zur entscheidenden Nachricht des Tages zu kommen: Ich war in einem Wasserfall. Und zwar wirklich drin. Nachher war ich zwar gebadet nass in voller Montur, aber dank der knapp 40 Grad bald schon wieder trocken. Wir haben uns die Iguazú-Wasserfälle (Eckdaten: 20 größere, 255 kleinere Wasserfälle auf 2,7 Kilometern Breite, die höchsten sind 82 Meter hoch) sowohl von der brasilianischen als auch von der argentinischen Seite angeschaut. Wir sind sowohl in dem einem wie im anderen Land nass geworden. Allerdings haben wir nur am Sonntag eine Bootstour gebucht, die eben in die Wasserfälle führt. Ein Riesenspaß, ein Riesengekreische und die Frage: Muss das wirklich sein? Aber natürlich muss es das. In den Pool unseres Hostels habe ich es dafür nicht geschafft.
Neben dem Naturschauspiel hatte ich auch eine richtig gute Zeit mit meinen Kollegen aus der Sprachschule. Besonders mit den “Alten” aus der Truppe, die zumindest das zarte Alter von 25 überschritten haben. Da wäre zum Beispiel Olivia, die als Lehrerin in der Schweiz arbeitet und aus Liebeskummer eigentlich eine Sechs-Monats-Tour machen wollte. Nachdem sie mittlerweile einen Neuen hat, hat sie das Ganze auf zwei Monate Südamerika verkürzt. Oder Harry, der mit 23 Jahren schon für IBM und die Credit Suisse als Wirtschaftsberater gearbeitet hat und jetzt einfach mal für acht Monate ausgestiegen ist. Oder Guillaume, der Ingenieur aus Paris, der sich nach neun Jahren Arbeit sechs Monate Sabbatical gönnt. Allerdings will er sich eigentlich eh einen neuen Job suchen.
Die Menschen sind natürlich mit das Spannendste, was eine Reise zu bieten hat. Die meisten, mit denen ich in Kontakt komme, sind allerdings auch Reisende. Die sind aber alle wahnsinnig offen, kommunikativ und hilfsbereit. Die Mehrheit der Schüler an der Sprachschule kommt – für mich überraschend – aus Deutschland und der Schweiz. Ich habe noch nie so viele Schweizer auf einem Haufen gesehen wie hier. Einige der Schüler machen nur einen normalen Urlaub. Die Mehrheit befindet sich zwischen Studium und erstem Job, zwischen Schule und Studium oder sind wie ich nach einigen Jahren Arbeit für ein paar Monate unterwegs. Eine Weltreise ist hier zwar etwas Nettes, aber nichts völlig Außergewöhnliches. Die meisten schauen sich einfach Südamerika an. Allerdings habe ich schon ein Mädel aus Frankfurt getroffen, die direkt nach dem Abitur ungefähr mein Programm in viereinhalb Monaten macht, alleine.
Auch noch spannend: das Thema Geld. Heute wollte ich Geld abheben. Die erste Bank hatte wegen Wartungsarbeiten geschlossen, die Bankautomaten allerdings auch. Die zweite machte bereits um 15 Uhr zu, die dritte ließ immer nur zur vollen Stunde Kunden herein. So ging das ungefähr bei sechs Instituten. Bei der siebten konnte ich dann Geld abheben, in der Regel gehen hier aber nicht mehr als 1000 Pesos (umgerechnet 120 Euro) auf einmal.
Viel besser wäre für mich, wenn ich noch Euros zum Wechseln hätte. Das kann man hier bei der Bank machen. Dann bekommt man einen Wechselkurs 8 : 1. Also acht Pesos für einen Euro. Oder aber man macht es auf der Straße. Dann bekommt man aktuell einen Wechselkurs 12 : 1. Also zwölf Pesos für einen Euro. Auf der zentralen Einkaufsstraße stehen Männer und Frauen und rufen “Cambio”, “Cambio”, “Cambio”, hat ein bisschen was von Vogelgezwitscher und bedeutet “Umtausch”. Am liebsten wechseln sie Euros und Dollars. Man geht hin, fragt nach dem Kurs und wird anschließend in eine Art Geschäft gebeten. Beim ersten Mal sah der Laden aus wie eine Modeboutique. Allerdings ging die Glastür nur mit Türöffner auf. Drinnen saßen zwei Frauen hinter einem Tresen. Die Kräftigere von beiden zückte einen Taschenrechner, zeigte mir den Betrag, den ich kriegen würde, zog ein Bündel Geldscheine, das mit einem Gummi zusammengehalten wurde, aus einer Schublade, zählte mir meine 2400 Pesos hin, schenkte mir noch zwei Bonbons und sagte freundlich “Ciao”.
Hintergrund ist, dass Argentinien mit einer massiven Inflation zu kämpfen hat, der Peso verliert rapide an Wert. Das liegt offenbar daran, dass die argentinische Regierung viel Geld druckt, um ihre Schulden in den USA zu bezahlen und mit diesen Pesos den Markt überschwemmt. Damit der Geldmarkt unter Kontrolle bleibt, dürfen Argentinier nicht so ohne weiteres ausländische Währungen besitzen. Doch Euro oder Dollar sind die stabile Alternative zum Peso. So tausche ich meine Euros zu einem deutlich besseren als dem offiziellen Kurs auf der Straße. Meine Euros tauscht dann später wiederum ein Argentinier laut Handelsblatt mit einem bis zu 90-prozentigen Aufschlag gegen seine Pesos – um so sein Erspartes zu sichern. Banken werben mittlerweile damit, dass Sparer mehr als 19 Prozent Zinsen erhalten, wenn sie ihre Pesos auf die Bank tragen… 19 Prozent? Verrückt.
NACHTRAG: Dass dieses System nicht auf Dauer funktioniert, war ja klar. Das Geld verlor schon zu meiner Zeit in Buenos Aires von Woche zu Woche an Wert. Nur wenige Monate danach hatte Argentinien seine nächste Staatspleite.
Crazy Kunst
Veröffentlicht am November 15, 2013 von stefaniejaerkel
Ein Mann im weißen Anzug rennt auf einem Laufband und schmeißt mit Tischen und Stühlen um sich. Ordner scheuchen die Zuschauer durch die Gegend. Hier einen Gang bilden, da Platz machen, schließlich fliegen hier Tische und Stühle herum. Menschen hängen leblos von der Decke und fangen an zu zucken. Halbnackte Frauen räkeln sich in einem Pool, die Zuschauer schauen ihnen von unten zu (Ja, ja, Männertraum). Der Raum ist schwarz. Und das ist Kunst? Absolut. Ich habe in Buenos Aires das verrückteste Stück Kunst meines Lebens erlebt: Fuerza Bruta ist eine Tanz-Akrobatik-Theater-Show mit Technoparty-Charakter.
Nach einer Stunde bin ich einfach nur selig geflasht mit meinen Mitschülern hinausgewankt. Die Cirque-de-Soleil-Trommelaktion war auch ein schöner Kontrast zu meinem ersten Besuch eines Hard-Rock-Cafés direkt davor. Einfach langweilig.
Dafür bin ich am Vortag mal wieder fast verloren gegangen, allerdings auf dem Friedhof. Hätte nicht gedacht, dass ich das hinkriege. Aber der Cementerio de Recoleta besteht aus lauter bis zu sechs oder sieben Meter hohen Mausoleen. Da kann man schon mal kurzzeitig die Orientierung verlieren. Hier liegt übrigens auch Evita Perón, Argentiniens ehemalige First Lady und quasi Nationalheilige. Gefunden habe ich das Grab neben der Aufmerksamkeit-auf-sich-ziehenden-Menschentraube auch dank eines freundlichen Wächters am Eingang, der mir zunächst auf einem Flyer aufzeichnete, wo Evita “nach der dritten Laterne links” liegt, und dann noch um eine Spende für die Aufklärung über Aids bat… Interessante Mischung.
Nachtrag: Erinnert Ihr Euch noch, dass ich bei meinem Umzug von meinem Hostel zu meiner Gastmutter irgendeine widerliche Flüssigkeit abbekommen hatte? Diese Flüssigkeit war auf meinem Weg zum Bus von einem Baugerüst getropft. Ich hatte allerdings nicht erwähnt, dass eine freundliche mittelalte Frau, die vor mir lief, mir Taschentücher zum Säubern anbot, und anfing, die Gurte meines Rucksackes zu öffnen, um mir zu helfen. Die Frau ging mir dann doch etwas zu forsch ans Werk, vor allem aber war ich spät dran und sagte nur: Ich habe keine Zeit – machte den Brustgurt meines Rucksackes wieder zu und ging. Jetzt weiß ich: Ich wäre fast ausgeraubt worden… Von dieser wahnsinnig stinkenden Flüssigkeit (roch wie radioaktiv oder ätzend oder irgendwas) habe ich heute einem Mitschüler erzählt, einfach so. Tja, und dem war das Gleiche passiert. Allerdings hatte er von dem Trick vorher im Lonely Planet gelesen und das Spiel rechtzeitig durchschaut. Ich war einfach nur im Stress…
NACHTRAG: Hätte ich den Rucksack abgesetzt, wären wohl ein paar starke Männer um die Ecke gekommen und hätten all mein Gepäck mit Netbook, Geld, Pass und Karten an sich genommen.
Almdudler auf Brasilianisch
Veröffentlicht am November 17, 2013 von stefaniejaerkel
Diese Woche war ich brasilianisch essen, weil ich einen Brasilianer gefragt hatte, was denn typisch brasilianisches Essen ist. Also gingen wir essen – und es war grandios. Zwar bin ich aufgrund der Mischung Fleisch mit Ei und Bohnen nur knapp am Eiweißschock vorbeigeschrammt, dafür habe ich das geheime Nationalgetränk der Brasilianer kennengelernt: Guarana. Schmeckt wie Almdudler und erinnerte mich an meine Kindheit und die Urlaube in der Schweiz und in Österreich. Danke dafür.
NACHTRAG: Was allerdings an dem Essen auch faszinierend war: In meinem Gericht fand ich ein Stück schwarzes Plastik, groß wie ein Fingernagel. Die Bedienung nahm das Stück nur an sich, brach es in zwei Hälften aus Interesse, was das wohl sein könnte, und nickte freundlich. In Deutschland wäre da ja wohl mal ein Nachtisch drin gewesen – oder ein Besuch von der Lebensmittelkontrolle. Aber was soll's.
Wer braucht schon ein Handy?
Veröffentlicht am November 17, 2013 von stefaniejaerkel
Vorneweg: Frühling, Frühsommer sind ja etwas ganz Wunderbares. Aber: Muss ich deswegen im November Heuschnupfen haben? Der Wahnsinn.
In der Nacht zu Samstag war ich endlich das erste Mal richtig feiern in Buenos Aires. Starten wollten wir bei einem Treffen unserer Sprachschule. Ich nahm die Adresse und den Wochenplan der Schule mit, malte mir den Stadtplan ab und ging nur mit Geld, aber ohne Handy los. Schließlich wollte ich entspannt feiern und nicht die ganze Zeit auf meine Sachen aufpassen müssen. Ich kam wunderbar zu dem wirklich netten Laden, einer Art Irish Pub. Zwei Mal lief ich durch die relativ große Kneipe, zwei Mal traf ich niemanden, den ich kannte. Ich hatte mich vertan. Der Ort war am Dienstag Treffpunkt gewesen, aber nicht am Freitag. Und jetzt?
Da sprach mich doch ein netter Argentinier an, ob er mir helfen könnte? Letztlich habe ich dann über Facebook mit dem Handy seiner Begleiterin Nachrichten an meine Mitschülerinnen geschrieben und mich, während ich auf die Antworten wartete, auf ein Bier einladen lassen. Die nächsten eineinhalb Stunden auf Englisch/Spanisch waren recht interessant – am Ende hatte ich einen optionalen argentinischen Reisebegleiter durch Nordamerika und zumindest die Mädels hatten einen deutschen Basiswortschatz. (Nein, nichts Versautes, Mädels eben)
Um elf zogen wir alle weiter: Die anderen in die nächste Bar, ich ungefähr fünf Stadtviertel weiter, nachdem ich eine Antwort auf Facebook bekommen hatte.
Ach ja: Facebook ist hier quasi überlebenswichtig. Alle Schüler kommunizieren nur über die Plattform. Da keiner eine argentinische SIM-Karte für sein Handy gekauft hat, wäre Telefonieren zu teuer. E-Mail-Adressen austauschen ist ja auch schrecklich aufwendig. Also drückt man jemandem das eigene Handy in die Hand, der andere tippt seinen in der Regel fremdländischen Namen direkt in die Suchfunktion der Facebook-App und schon verbindet man sich. Das hat zur Folge, dass manche Verabredungen etwas aufregend sind. Schließlich brauchen wir für Facebook immer Internet. Kurzfristig absagen ist also nicht drin.
Nach Hause kam ich an diesem Morgen um halb sechs. Es dämmerte schon. Für Ernüchterung am Ende des Abends sorgte allerdings die Tatsache, dass einer Schweizerin in der Diskothek, in der wir gelandet waren, das i-Phone auf der Tanzfläche aus der Handtasche gestohlen wurde und ihr Geld dazu. (Sorry, ich muss es sagen: Genau deswegen hatte ich kein Handy mitgenommen)
Erfolg der Woche: Ich glaube, ich lebe nun im schönsten Stadtviertel, in dem ich je gelebt habe (den Vorderen Westen in Kassel eingeschlossen). Palermo Soho klingt hip, ist es auch. Bin hier bei einer argentinischen Familie gestrandet, bei der ich bis Anfang Dezember wohnen werde. (Die sprechen wenigstens auch mal so spanisch, dass ich sie verstehe) Die Schönheit ist vielleicht ein bisschen künstlich und übertrieben, für Touristen halt. Aber hier sind die Cafés, Restaurants, Läden fast alle so aufwendig zurechtgemacht und gepflegt, dass man von der gegenüberliegenden Straßenseite rüberläuft, weil man das Geschäft einfach aus der Nähe sehen will, egal was darin angeboten wird. Ich liebe es.
Hier gibt es Bilder auf Häuserwänden und knallfarbene Gebäude. Auf der Rückwand in einem Einrichtungsgeschäft wächst Efeu oder etwas anderes Grünes vom Boden bis zu Decke, der Eingang eines Schuhgeschäftes ist schwarz-weiß gestreift wie ein Zebra, die Restaurants haben oft noch eine Terrasse im ersten Stock und vielleicht im zweiten noch einen kleineren Balkon… Muy lindo.
Disfruto: Ich genieße, meistens
Veröffentlicht am November 20, 2013 von stefaniejaerkel
Nach zweieinhalb Wochen in dieser Stadt schalte ich langsam noch einen Gang zurück. Um die Ecke gibt es ein sehr schnittiges Café, wo wenigstens ein American Breakfast geboten wird. Alternativ winken meist nur die obligatorischen Mini-Croissants. Der Argentinier hat es nicht so mit dem Frühstück.
Mit allergrößter Begeisterung habe ich zudem den Buchladen mit dem bisher größten Angebot an englischen Büchern gefunden, natürlich auch um die Ecke – und mich ein bisschen verliebt, in den Laden. Wenn ich wollte (!), könnte ich jetzt sogar Günter Grass auf Englisch lesen oder Doris Lessing. Sonst beschränkt sich das Angebot an englischen Büchern in der Regel auf Softsoftpornos – also die deutschen Arztromane auf Englisch.
Allerdings soll ja angeblich Deutschland das Land der Dichter und Denker sein. Warum zum Henker finde ich dann hier die schönsten Buchläden? Es scheint, als würden die Argentinier dem gedruckten Wort gern kleine Tempel bauen – wie den bei mir um die Ecke mit Holzdielenboden, hohen Decken mit dunklen Holzregalen und der Möglichkeit, auf verschiebbare Leitern zu steigen, um sich das ausgeguckte Buch selbst herunterzuholen. Natürlich gibt es noch ein süßes, kleines Café mitten in diesem süßen, kleinen Buchladen – wobei sich bei dem Café sogar noch das Dach aus Planen aufschieben lässt, so dass die Sonne auf die Bildschirme der Laptops scheint. Hier kommen viele junge Menschen offenbar zum Arbeiten her.
Größter Buch-Tempel bisher: El Ateneo mitten in der Stadt. Allerdings ist hier die Auswahl an englischer Literatur dürftig. Dafür war das Gebäude früher ein Theater mit 1050 Sitzplätzen und später ein Kino. Seit dem Jahr 2000 ist es eine Buchhandlung. Völlig verrückt. Oben auf der Empore gibt es noch mehr Bücher und CDs sowie Sessel zum Hinsetzen und Lesen. Auf der ehemaligen Bühne kann man nun in einem Café Kaffee genießen.
Noch zwei Geschichten aus dem argentinischen Alltag:
Während der Verkehr quasi normal fließt, also im Rechtsverkehr, fährt die U-Bahn/Subte im Linksverkehr. Die Briten sollen die Subte gebaut und dabei natürlich an ihrem System festgehalten haben. Ist manchmal etwas verwirrend. Schon verdächtig günstig sind die Preise: Je nach Wechselkurs kostet eine Fahrt (auch inklusive Umsteigen) 29 oder 36 Cent. Allerdings kostete sie vor zwei Wochen noch 21 oder 30 Cent. Wenn eine Stadt in Deutschland die Preise im Nahverkehr mal kurz um bis zu 40 Prozent anheben würde, gäbe es bei uns wohl einen Aufstand. Hier hätte ich fast nicht davon mitbekommen, weil die Tickets über eine Art Kreditkarte abgebucht werden.
Die Argentinier lieben Hunde. Leider auch die großen, wie Rottweiler, Staffordshire Bullterrier etc. Und leider hält sich hier keiner an die Maulkorbpflicht. Viele leinen ihre Tiere nicht einmal an. Das kann dann zu der unschönen Szene führen, dass sich auf einem Trödelmarkt ein nicht angeleinter Rottweiler auf einen angeleinten kleinen grauen Pudel stürzt und kräftig zubeißt. Der Pudel winselt, sein Frauchen schreit und tritt nach dem Rottweiler, sein Besitzer zerrt an dessen Halsband, andere Frauen schreien auch. Ich laufe weg.
Nachdem ich die Frau kurz darauf laut wehklagen hörte, könnte ich mir vorstellen, dass es der Pudel nicht geschafft hat.
Oh Tannenbaum...
Veröffentlicht am November 20, 2013 von stefaniejaerkel
Ja, auch in Buenos Aires hat uns die Adventsverkaufsmaschinerie fest im Griff. Im Kaufhaus “Galerias Pacifico” steht unter der auch mit nackten Frauen- und Männerkörpern bemalten Kuppeldecke ein geschätzt mindestens fünfzehn Meter hoher Weihnachtsbaum – blau glitzernd und funkelnd, eigentlich unpassend zum gediegenen Ambiente. Allerdings ist er bisher der einzige. Weihnachtsstimmung kommt sowieso nicht auf bei 20 Grad plus. Dafür ist es wahrscheinlich aber selbst in Deutschland ein bisschen zu früh im Jahr.
Andere Sitten, andere Zeiten
Veröffentlicht am November 25, 2013 von stefaniejaerkel
Dass hier alles ein bisschen später stattfindet, daran gewöhne ich mich langsam. Meine Gasteltern essen unter der Woche zwischen 23 und 24 Uhr zu Abend und gehen dann zwischen 0 und 1 Uhr ins Bett. Gearbeitet wird dann so ab 11 Uhr plus-minus. Mein Gastvater meint, manche Chefs kämen noch später. Später aufstehen und essen heißt natürlich auch später weggehen. Samstagnacht habe ich in einer Kneipe bei einem Intercambio (Sprachaustausch von Ausländern, die hier leben, und Inländern, die meist Englisch sprechen wollen) zwei Argentinier, eine Venezolanerin, eine Amerikanerin und einen Schweden kennengelernt. Gemeinsam mit einem weiteren Deutschen sind wir dann um kurz nach eins zu einer Trommelshow gefahren.
La Bomba del Tiempo ist hier absoluter Kult. Die rund 15 Jungs geben jede Woche zwei, drei Stunden ein Konzert fast nur mit Congas und anderen Trommeln. Salsa-Rhythmen, Samba, Merengue-was-weiß-ich. Jedes Mal kommen da Hunderte Fans, tanzen, springen – und kiffen sich die Birne weg. Ich war noch nie auf einem Konzert, wo so viel gekifft wurde. Vor allem wundert es mich, weil die trotz dieser doch eher entspannenden Droge eine wahnsinnige Energie beim Tanzen entwickeln. Eigentlich hätte die Show um halb eins anfangen sollen. Letztlich startete sie dann um 2 Uhr und ging bis 5 Uhr. Um sechs war ich zu Hause. Einfach grandios.
Kurz vor Ende der Nacht habe ich noch einen Argentinier kennengelernt. Der war 22 und wollte gern mit mir am nächsten Tag “was trinken gehen”. Ich meinte dann, dass er mir doch ein bisschen jung sei. Woraufhin er meinte, er hätte mich auf 26 Jahre geschätzt und letztlich sei das Alter doch egal, schließlich sei es immer das Gleiche… Letztlich war das Alter natürlich egal – er war nur einfach nicht hot.
Am Anfang dieser Nacht war ich übrigens noch auf einem ebenfalls famosen Konzert der etwas anderen Art: Darmon Meader, Mitbegründer der New York Voices (für alle Nicht-Jazzer: das erfolgreichste, berühmteste, vermutlich beste aktuelle Jazz-Vokal-Quartett der Welt), trat mit seiner Band beim Buenos Aires Jazzfestival auf. Sehr schön. Der Mann war freundlich, entspannt, total spielfreudig mit einer ebensolchen Band. Die haben einfach 80 Minuten Jazzstandards wie Heaven, Close Your Eyes und (natürlich) Spain gespielt – und die rund 200 Zuhörer hatten einen Riesenspaß. Meader spielt übrigens auch noch Tenorsaxophon. Vor allem hat dieses Konzert nur 60 Pesos gekostet, also umgerechnet vielleicht sieben Euro. In Deutschland würde man vermutlich 60 Euro und mehr bezahlen. Da muss ich doch glatt an meine ungefähr 80 Euro Eintritt und die Schnösel Bobby McFerrin und Chick Corea in der Stuttgarter Liederhalle denken. Pah.
Nachtrag zu den Hunden: Meine Gastfamilie hat auch einen Hund, einen kleinen, süßen, stinkenden. Auf jeden Fall kam ich Freitagnacht um 4 Uhr nach Hause und habe aus Höflichkeit im Wohnzimmer das Licht ausgelassen, um niemanden zu wecken. Tja, leider ist der Hund nicht stubenrein, so dass ich dann nach einigen Schritten auf festem Grund in seine weiche Hinterlassenschaft getreten bin. Da habe ich dann doch das Licht angemacht.
Nachtrag zum Fleisch: Sonntag war ich mit meinem Kumpel Martin aus Stuttgart und seiner kolumbianischen Freundin Paola, die hier lebt, mal richtig essen. Exzellent. Die Hauptspeise bestand neben ein paar Pommes Frites aus Fleisch: Rind, Huhn, Darm, Leber, Chorizo (Wurst), einer Art Blutwurst… Der Haufen kam in die Mitte und wir aßen, ohne immer genau wissen zu wollen, was das eigentlich gerade war, was da vor uns auf den Tellern lag. Manchmal ist es auch hilfreich, wenn man nicht alles versteht.
Friseur auf Argentinisch
Veröffentlicht am November 25, 2013 von stefaniejaerkel
Tja, es war mal wieder Zeit. Die Haare mussten ab. Von blond und schulterlang mit langem geraden Pony zur immer noch blonden Kurzhaarfrisur. Nicht das erste Mal in meinem Leben – und sicher nicht das letzte Mal. Der Friseurbesuch war natürlich auch ein Abenteuer. Den Salon hatte mir meine Gastmutter empfohlen und mir versichert, dass die Frauen dort auch Englisch könnten. Konnten sie aber nicht. Auf Spanisch zu telefonieren ist vor allem dann nicht ganz so lustig, wenn man vorher davon ausgeht, das Wesentliche auf Englisch besprechen zu können – und das gleiche Spiel dann im Salon. Aber es hat alles gut geklappt (finde ich zumindest).
Ach ja: Das Schneiden hat 24 Euro gekostet, Waschen sechs Euro extra. Interessantes Verhältnis...
Wo bitte geht's zum Meer?
Veröffentlicht am Dezember 1, 2013 von stefaniejaerkel
Nach vier Wochen Buenos Aires musste ich dann doch noch ein bisschen die Umgebung erkunden und beispielsweise nach Tigre fahren, angeblich das zweitgrößte Flussdelta nach dem Amazonasgebiet. Die Menschen leben auf zig kleinen Inseln, bewegen sich nur mit Booten vorwärts und das Supermarktschiff bringt die Lebensmittel. Manche Menschen verbringen hier auch ihren Urlaub und mieten eins der kleinen Häuschen. Schwimmen soll allerdings gesundheitsschädlich sein, weil irgendeine Chemiefabrik oberhalb ihre Abwässer einleitet. Aber Olivia, die Schweizerin, die ich bei den Wasserfällen von Iguazú kennen gelernt hatte, eine Freundin von ihr und ich, wir wollten uns das Ganze ja auch nur vom Schiff aus anschauen.
Am Tag zuvor hatte ich mich mit Olivia auf den Weg ans Meer gemacht. Sie hatte die Idee, mit dem Bus nach La Plata südöstlich von Buenos Aires zu fahren. Dank meiner mittlerweile erreichten Tiefenentspannung hatte ich allerdings nicht einmal an einen Bikini gedacht. Ich musste mir jedoch an diesem Tag keine Badebekleidung mehr kaufen, denn als wir dort ankamen und nach dem Weg zum Meer fragten, klärte uns die Mitarbeiterin eines Reisebüros darüber auf, dass La Plata nicht am Meer liegt und dass es nach weiteren 20 Minuten Busfahrt nur den Fluss gebe, an dem auch Buenos Aires liegt. Also haben wir uns La Plata angeschaut, wirklich kein argentinisches Kleinod, sondern eher eine Schlafstadt vor den Toren der Großstadt. Wir nahmen es trotzdem gelassen, hatten einen sehr unterhaltsamen Tag mit Sushi und einem Blick auf die mächtige Kathedrale der Stadt – sowie eine nette Geschichte, die wir später unseren Sprachschul-Kollegen in Buenos Aires erzählen konnten.
NACHTRAG: Olivias Freundin, die in Tigre mit dabei war, hatte Olivia in der Sprachschule kennen gelernt. Anna (nennen wir sie einmal so, weil ich ihren Namen schon wieder vergessen habe), kam aus Belgien und versuchte seit einem Jahr, Fuß zu fassen in Buenos Aires. Sie hatte bei einem Besuch in Argentinien ihren jetzigen Freund kennengelernt und nach kurzer Beziehungszeit ihren Job in Belgien gekündigt, die Wohnung ebenso und war einfach mal so nach Buenos Aires gezogen.
Jetzt wollte sie gern Kindern durch Theaterspielen Englisch beibringen. Doch mit ihrem Visum war das gar nicht so einfach. Die Sprache machte ihr Probleme, Buenos Aires an sich und dass ihr Freund als Arzt so viel arbeiten musste sowieso. Anna saß also in dieser wunderschönen Stadt und wirkte abgesehen von der Überzeugung, dass ihr Freund DER Mann war, ziemlich unzufrieden. So war sie, jenseits dieser ach so romantischen oder doch bedrückenden Geschichte, nicht die ideale Gesprächspartnerin. Olivia entschuldigte sich am nächsten Tag für Annas rotzige Art...
Auf meiner Reise traf ich immer wieder bi-nationale Paare. Es klang alles immer so unfassbar romantisch, wenn der er oder sie sein/ihr ganzes Leben in einem Land aufgab, nur um beim Partner oder der Partnerin leben zu können. Tja, und da saßen sie dann, der eine völlig abhängig vom anderen, häufig mit Sprach- und Visums-Problemen, also nur begrenzter Aufenthaltsdauer und keiner Möglichkeit zu arbeiten. Der andere wiederum war schon gestresst durch den normalen Alltag und seine Arbeit und damit nur begrenzt in der Lage zu helfen. Die Erzählungen aus dem gemeinsamen Leben dieser Paare radierte in der Regel den größten Teil des romantischen Gefühls beim Zuhörer, also mir, wieder aus.
Chau, Argentina
Veröffentlicht am Dezember 1, 2013 von stefaniejaerkel
Ein heißer Frühling, nette Menschen, gutes Essen, eine wunderschöne Stadt mit liebevoll gestalteten Cafés, Restaurants und Buchläden – Buenos Aires war ein sehr guter Start für diese Reise. Ich bin erstaunt, wie schnell ich vor allem die Arbeit in Deutschland hinter mir gelassen habe, wie entspannt ich dadurch werde und wie sehr ich es genieße, hier Menschen kennenzulernen, Spanisch und Englisch zu sprechen, zu essen und zu feiern. Schlicht viel Zeit zu haben, wirkt Wunder.
Ich freu mich auch immer sehr über Eure Kommentare zu meinem Blog. Danke dafür. Ich denke an Euch und schicke Euch letztmals liebe Grüße aus Buenos Aires. Morgen früh geht es schon weiter nach Quito, Ecuador.
NACHTRAG: Die Wasserfälle von Iguazú gehörten auch nach sechs Monaten Reise zu den faszinierendsten Naturspektakeln, die ich gesehen habe. Oder wie es der abgebrühte Harry aus England beim Anblick der Wassermassen sagte: „I wasn't prepared for that.“
Dafür bekam meine Gastfamilie am Ende nur eine mittelmäßige Bewertung bei AirBnB. Schließlich hatten sie das dreckigste Bad, das ich je in meinem Leben gesehen und vor allem benutzt hatte. In der Badewanne war die ehemals grüne Farbe schon in weiten Teilen einem Kalkweiß gewichen. Der Fußboden war stets klebrig, und in den zwei Wochen, in denen ich da war, habe ich niemals jemanden putzen sehen – und das in einem Haushalt mit Hund. Der vor meiner Ankunft vermutlich eilig versprühte Aprikosenduft konnte auch nicht dauerhaft über den Tiergeruch im Zimmer hinwegtäuschen. Wahrscheinlich wälzte sich der Köter sowieso täglich in meiner Abwesenheit neben meinem Bett auf dem Teppich – weil er spürte, wie wenig ich ihn mochte. Außerdem entdeckte ich am Ende, dass der alte Kühlschrank, in den ich meine Einkäufe stellen durfte, eben nur der ausrangierte Kühlschrank war. Hinter einer Ecke in der Küche summte ein neues, weißes Modell, randvoll mit dem Essen meiner Familie. Charming.
Buenos Aires: Avenida 9 de Julio
Buenos Aires: das Viertel La Boca
Buenos Aires: das Viertel San Telmo
Las Cataratas del Iguazú