Читать книгу Heimat-Heidi Staffel 4 – Heimatroman - Stefanie Valentin - Страница 6

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»Ist die Biggi mit ihren Leuten schon eingetroffen?« Luise stand in Heidis Büro und sah ihre Schwiegertochter fragend an.

Die saß am PC, um Buchungen zu kontrollieren, hörte damit jedoch auf und wandte sich Luise zu.

»Sollten die heute schon kommen?« fragte sie, dann schaltete sie im PC auf ein anderes Programm, daraufhin erschien die Belegungsliste der Zimmer des Bergerhofs. »Tatsächlich, sie sollten heute kommen.«

»Sonst sind s’ um diese Zeit schon immer da gewesen«, sagte Luise. »Net, daß nachher noch was passiert ist.«

»Sie kommen aus Stuttgart«, erwiderte Heidi, »um diese Zeit gibt’s schon mal Staus bei Kempten und bei Oy ist eh ein Nadelöhr, grad’ um diese Zeit.«

»Warten wir also noch ein bissel, bevor wir uns Gedanken machen«, sagte Luise.

Heidi sah auf die Uhr. »Weißt was? Wir machen uns jetzt einen Kaffee und lassen es uns gut gehen. Ich hab’ droben noch ein paar frische Krapfen, die bring’ ich mit.«

Es war Dienstag, und dienstags war im Bergerhof Ruhetag. Da konnten Dinge erledigt werden, die während der Woche liegengeblieben waren und man konnte sich schon mal für eine oder zwei Stunden hinsetzen und nichts tun, was an den anderen Tagen nicht möglich war.

»Ich weiß net, ob du’s mitbekommen hast«, sagte Heidi, als sie in die gemütliche Küche des Bergerhofs kam, »aber die Biggi hat vorige Woche noch mal angerufen.«

»So? Was hat sie denn gewollt?« Luise hatte den Kaffee fertig und den großen Tisch in der Ecke neben dem überdimensionalen Herd bereits gedeckt.

»Ein bissel tratschen hat sie wollen.« Heidi legte die Krapfen auf einen Teller.

»Aha. Hat sich’s gelohnt?«

Heidi lächelte. »Wie man’s nimmt.«

»Was heißt das?« Luise sah ihre Schwiegertochter fragend an.

»Der Rainer kommt zwar wieder mit«, antwortete diese, »aber es scheint nimmer ganz so zu klappen bei den beiden.«

»Sag nur…!« Luise schien erstaunt. »Ich hab’ gemeint, daß grad’ die beiden ganz eng miteinander wären.«

»Tja…?« Heidi zuckte mit den Schultern. »Ich kann nur sagen, was ich zwischen den Worten herausgehört hab’. Sie hat’s zwar

net direkt gesagt, aber es war

eindeutig, daß Biggi ein bissel auf Distanz zu Rainer gewesen

ist.«

»Kannst du dich net verhört haben?« wollte Luise wissen. »Grad’ die Biggi und der Rainer waren doch ein Herz und eine Seel’.«

Da wiegelte Heidi den Kopf. »Sie waren zwar einige Jahre zusammen, aber ganz so eng wie du sie jetzt siehst, war es wohl doch nicht.«

»Hab’ ich da was Falsches mitbekommen?« wollte Luise wissen. »Mir ist’s immer so vorgekommen, als wenn der Rainer total auf die Biggi stünd’. Und daß sie ihn süß fand, hat sie öfter als einmal gesagt.«

»Ja, das stimmt«, Heidi nickte, »so ist es rübergekommen, aber es war wohl nicht so, jedenfalls nicht ganz so.«

»Wie war’s denn?«

»Die Biggi ist eine Frau, die eher forsch ist, das Sagen haben will und immer vornweg marschiert.«

»Das hat dem Rainer doch gefallen, oder?«

»Schon«, antwortete Heidi, »aber mit dem selbstbewußten Auftreten schleicht sich gleichzeitig so manches andere mit ein.«

»Was denn zum Beispiel?«

»Möglicherweise eine gewisse Unsensibilität.«

Da nickte Luise. »Also die ist mir auch aufgefallen. Die Biggi hat den Rainer ein- oder zweimal im Beisein anderer derart heruntergeputzt, daß es nimmer schön war.«

»Vor allem hat sie ihn von Tag zu Tag schlechter behandelt«, fügte Heidi hinzu. »Ich bin mal gespannt, was daraus wird. Jedenfalls müßten sie bald hier sein.«

»Wer kommt denn sonst noch mit?«

»Nun, einmal wie gesagt und wie auch immer, Biggi und Rainer, dann Ulla und Jürgen, sowie Josie, sie kommt zum ersten Mal mit.«

»Na ja«, Luise nickte, »dann werden wir mal schauen, was draus wird.«

Heidi lächelte. »So ist es. Ich freu’ mich jedenfalls, daß wieder mal einige junge Leute da sein werden, die sicher ein bissel Schwung und Leben mitbringen.«

Daraufhin verzog Luise das Gesicht. »Schwung ist ja ganz gut, aber bitte ohne Eifersüchteleien und ohne Streit, der dem Schwung wieder alles nehmen kann…!«

*

Biggi Weidner stieg aus dem Wagen und atmete tief durch. Sie kam zum vierten Mal in den Bergerhof, zum zweiten Mal mit Rainer, ihrem Freund seit zwei Jahren, obwohl die Beziehung in letzter Zeit nicht mehr so war, wie sie es sich vorstellte.

»Bring du schon mal die Koffer hinein«, sagte sie, »derweil ich auf die anderen warte.«

»Können wir nicht zusammen warten?« fragte Rainer mit ruhig klingender Stimme.

»Kannst du nicht einmal, ohne irgendwas zu entgegnen, das tun, worum ich dich bitte?« erwiderte Biggi. Ihre Augen blitzten dabei Rainer zornig an.

Der atmete tief durch und begann den Kofferraum auszuladen. Ohne ein Gepäckstück anzurühren betrat Biggi den Bergerhof und ging, da an jenem Tag ja keine Restaurantsgäste da waren, durch zur Küche, an deren Tür sie klopfte und eintrat.

»Hallo…, da bin ich«, sagte sie, und wurde enttäuscht, denn die Küche war leer.

Sie drehte sich um, um zur Rezeption zu gehen, da hörte sie wen reden und kam hinzu, als Heidi und Rainer sich begrüßten.

»Geh du Gepäck hereintragen«, sagte sie zu ihm, wobei sie nicht sehr freundlich dreinsah, dann setzte sie ein Lächeln auf und wandte sich Heidi zu. »Hallo, ich freu’ mich riesig, daß wir uns wieder mal sehen. Wir haben doch wieder dasselbe Zimmer wie beim letzten Mal?«

Dann umarmte sie die Bergerhof-Wirtin und fragte, wie es ihr gehe?

Die nickte freundlich. »Ja, ihr habt dasselbe Zimmer. Und uns hier geht es soweit gut.« Als Rainer verschwunden war, fuhr sie fort. »Den Rainer hättest aber nicht wegschicken müssen, das Gepäck hätten wir alle zusammen hinauftragen können.«

»Laß mal«, erwiderte Biggi, »das geht schon in Ordnung so. Er soll ruhig mal was tun.«

»Wieso? Arbeitet der sonst nicht?« Heidi sah die attraktive junge Frau fragend an.

Die lachte kurz auf. »Das fehlte noch. Nicht arbeiten…! Doch doch, seinen Job hat er noch, er sollte inzwischen sogar Abteilungsleiter werden, was er jedoch nicht wollte.«

»Da schau her«, erwiderte Heidi, »und warum nicht? Ist Rainer nicht in der Computerbranche tätig?«

Biggi nickte. »Ja, er entwickelt Programme.«

»Aha«, murmelte Heidi, »und warum wollte er nicht Abteilungsleiter werden?«

»Weil er nicht gebunden sein möchte«, antwortete Biggi mit äußerst vorwurfsvoll klingender Stimme, »er will lieber ganz unabhängig sein. Am liebsten würde er alleine und zu Hause seine Programme entwickeln.«

»Interessant«, erwiderte Heidi. »Und du? Bist du immer noch im Schuldienst?«

»Na klar«, antwortete Biggi, »aber immer noch ist gut. Ich bin grad’ mal seit vorigem Frühjahr im Schuldienst.«

»Und die anderen?« Heidi zeigte nach draußen. »Ihr seid bisher alleine da.«

Biggi lachte. »Die haben wir abgehängt, die kommen ein bissel nach uns. Aber sie werden auch gleich da sein.«

Biggi Weidner war 27 Jahre alt, hatte dunkelblonde Haare, eine ansehnliche Figur und seit anderthalb Jahren war sie Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule in Stuttgart. Seit einem Jahr vorher war sie mit Rainer Bald zusammen, der drei Jahre älter als sie und in der Computerbranche tätig war.

»Ich werd’ Rainer mal das restliche Gepäck hinauftragen helfen«, sagte Heidi. »Daß wir uns unterhalten und er sich plagt, find’ ich nicht sehr schön.«

»Laß mal, ich helf ihm schon«, erwiderte Biggi, die mitbekommen hatte, daß Heidi ihre Art, Rainer die Arbeit alleine erledigen zu lassen, gar nicht gut fand.

»Dann koch’ ich uns einen Kaffee«, erwiderte Heidi, »und wenn alle da sind, können wir in der Küche gemütlich Kaffee trinken. Ist das recht?«

Biggi nickte. »Ja, natürlich. Bis gleich also.«

Rainer hatte, bis auf zwei Taschen und die derben Wanderschuhe bereits alles nach oben getragen.

»Wenn du den Rest nach oben getragen hast«, sagte Biggi, »dann kannst du auf die anderen warten und ihnen sagen, sie sollen in die Küche zum Begrüßungskaffee kommen. Ich geh’ schon mal. Also, bis gleich.«

Ulla und Jürgen Heinen kamen nur wenige Minuten danach. Sie waren seit einem guten Jahr verheiratet und beide Biggis Kollegen. Bei ihnen war Josie Marker, eine Studentin der Informatik, die in Rainers Firma schon mal in den Semesterferien arbeitete.

Ulla und Jürgen stiegen ebenso vergnügt aus dem Wagen wie Josie, die gerade mal zweiundzwanzig war und ausgesprochen apart aussah.

»Wo sind die beiden denn?« fragte sie, während sie sich suchend umsah.

»Wahrscheinlich reden sie irgendwo mit Heidi und Luise«, antwortete Ulla.

Sie hatte dunkle Haare, war Sportlehrerin und sah auch sportlich aus, während Jürgen schlaksig wirkte und aussah, als ob er keinen Spaß auslasse.

Die Begrüßung mit Heidi war überaus herzlich und Josie sagte, sie freue sich, mal drei Wochen ausspannen zu können, sie habe gehört, daß dies auf dem Bergerhof möglich sei.

»Hier ist vieles möglich«, erwiderte Heidi, wobei sie überaus vieldeutig lächelte.

Dann kam Luise hinzu, und das Fragen und Erzählen wollte gar kein Ende nehmen.

Als Heidi auf die Uhr sah, erschrak sie.

»Jetzt müssen wir unsere Runde leider aufheben«, sagte sie, »die ersten unserer Hausgäst’, und zu denen zählt ihr auch, kommen in einer Stund’ zum Abendessen. Also, bis später dann.«

Als alle gegangen waren, räumte Heidi das Geschirr weg, und Luise begann schweigend das Abendessen vorzubereiten.

»Und?« fragte Heidi. »Was ist dir aufgefallen? Dir ist doch was aufgefallen, sonst würdest doch net so beredt schweigen.«

»Die Biggi gefällt mir heuer gar net«, erwiderte die Seniorchefin des Bergerhofs.

»Und warum net?«

»Sie hat was, was sie voriges Jahr noch net hatte.«

»Und was ist das?«

»Was Besserwisserisches«, antwortete Luise. »Sie hat auf alles eine Antwort und sie weiß alles besser. Vor allem Rainer bekommt bei ihr kein Bein auf die Erde. Ich prophezei’ dir mal was.«

»Was denn?«

»Am Ende des Urlaubs sind Rainer und sie nimmer zusammen«, antwortete Luise.

Daraufhin sah Heidi ihre Schwiegermutter betroffen an. »Ist das dein Ernst?«

Luise nickte. »Mein voller Ernst!«

*

Ambros Kramer bewirtschaftete die Lohmühle am Ende des Weißbachtals. Früher war es ein Mühlenbetrieb gewesen, wo Rinde zum Gerben und wo aus Buchen Öl gewonnen wurde. Dies war lange vorbei, und vor einigen Jahren hatte Ambros das wunderschön gelegene Anwesen zu einem kleinen Speiserestaurant umgebaut.

Luise vom Bergerhof und Ambros aus der Lohmühle waren befreundet, und der eine hatte vom anderen profitiert, wobei Luise zwar eine andere Küche als

Ambros befürwortete, aber voller Respekt von ihm berichtete.

»Die Lohmühle ist wirklich besuchenswert«, sagte sie am Abend, als Biggi wissen wollte, wo man auch zum Essen hingehen könne.

Biggi war eindeutig die Wortführerin der Urlauber aus Stuttgart, wobei sie allen gegenüber sehr freundlich war – bis auf Rainer. Der saß an jenem Abend still da und sah vor sich hin, an der Unterhaltung der anderen beteiligte er sich nicht.

»Wir werden morgen also in diese Lohmühle gehen«, sagte Biggi, »ich bin mal gespannt, was sie uns da auftischen werden.«

Währenddessen steckten Ulla und Jürgen die Köpfe zusammen, tuschelten einen Moment und standen dann auf.

»Wir gehen zu Bett«, sagte Ulla, »es war eine anstrengende Fahrt, und ich möcht’ endlich mal ausschlafen.«

Als die beiden verschwunden waren, stand auch Rainer auf, wünschte eine »Gute Nacht« und war gleich darauf ebenfalls verschwunden. Biggi sah ihm nicht mal hinterher, es war offensichtlich, daß sie und Rainer erhebliche Probleme miteinander hatten.

Da Josie schon vor einer halben Stunde gegangen war, saßen Heidi, Luise und Biggi daraufhin alleine da.

»Bei dir und Rainer stimmt was net«, ließ die Seniorchefin des Bergerhofs nicht lange auf ihren Kommentar warten. »So wie ihr heuer miteinander umgeht, seid ihr voriges Jahr net miteinander umgegangen.«

Biggi nestelte eine Zigarette aus der Packung, die sie erst aus ihrer Jacke zog, als die anderen gegangen waren. Dann zündete sie die Zigarette an und blies den Qualm gegen die Decke.

Luise sah sie erstaunt an. »Du rauchst? Ich erinnere mich daran, daß du im vergangenen Jahr eine glühende Rede gegen das Rauchen gehalten hast.«

Biggi lachte kurz auf und winkte dann ab. »Oje, das ist lange her.«

»Was stimmt denn bei euch net?« Luise sah die attraktive junge Frau neugierig an. »Ihr seid doch noch die gleichen wie im vorigen Jahr und trotzdem ist was grundlegend anders. Was ist passiert inzwischen?«

Biggi sog hastig an ihrer Zigarette, schien dabei nachzudenken, und zuckte schließlich mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Aber, Madel…!« Luise lächelte mütterlich. »Du machst mir doch nix vor. Irgendwas ist nimmer so wie im vergangenen Jahr.«

Biggi zuckte mit den Schultern. »Nichts ist mehr so wie im vergangenen Jahr.«

»Na ja, wie du meinst«, erwiderte Luise und erhob sich ebenfalls. »Ich werd’ dann mal schauen, daß ich meine Arbeit fertig bekomm’.« Gleich darauf war sie verschwunden.

Biggi und die Bergerhof-Heidi saßen daraufhin alleine in der alten Gaststube. Eine ganze Weile sagte keine ein Wort. Bis Biggi sich räusperte. Sie hatte ihre Zigarette inzwischen ausgeraucht und eine neue angezündet.

»Ist… ist es so deutlich zu spüren, daß bei Rainer und mir was nicht stimmt?« fragte sie dann.

Heidi nickte. »Ja, sehr deutlich.«

Biggi stand auf und ging in der alten Gaststube auf und ab, bis sie vor Heidi stehenblieb und nickte.

»Ja«, sagte sie, »es stimmt in der Tat einiges nicht. Es kriselt schon länger, obwohl ich es nicht wahrhaben will.«

»Nicht wahrhaben wollen hilft nichts«, erwiderte Heidi. »Im Gegenteil, es verschleppt das, was man modern Krisenmanagement nennt.«

Biggi ging zu einem der Fenster und sah hinaus. Eine Weile stand sie still da, schließlich kam sie zurück zum Tisch und setzte sich wieder, wobei sie Heidi ansah.

»Wie wär’s mit einem Schnaps?« fragte sie dann. »Ich glaub’, es ist der Moment gekommen, wo ich mir mal was losreden sollt’. Und das geht besser, wenn ich einen Schnaps getrunken habe.«

Heidi stand auf, und als sie zurückkam, brachte sie einen hausgebrannten Obstler.

»Du trinkst nicht mit?« Biggi sah Heidi enttäuscht an.

Die schüttelte den Kopf. »Ich sollte einen klaren Kopf behalten, auch um dir gescheit zuhören zu können.«

Biggi zuckte mit den Schultern. »Wie du meinst.« Dann trank sie den Schnaps, verzog ihr Gesicht und atmete tief durch. »Ich hab’ mir letzten Winter einen Seitensprung erlaubt«, sagte sie dann rasch, »und Rainer ist dahintergekommen. Er hat nie einen Ton deswegen gesagt, ihn hat nur eine unendliche Traurigkeit befallen. Du hast ihn ja heute abend erlebt. So ist er seitdem.«

Heidi sah Biggi betroffen an. »Oje, das ist natürlich eine Sache, die weniger schön ist.«

»Das sag’ ich ja«, erwiderte Biggi, »wie kann ein Mann wie er sich nur so hängen lassen?«

»Mal langsam«, murmelte Heidi, »das hab’ ich nicht gemeint, als ich sagte, daß dies eine weniger schöne Sache sei.«

»Was denn…?«

»Biggi…!« Heidi sah die hübsche Lehrerin aufmerksam an. »Ist dir nicht klar, wie sehr du Rainer verletzt hast, indem du was mit einem anderen Mann hattest? Du kannst doch nicht verlangen, daß er danach zur Tagesordnung übergeht.«

Biggi winkte ab. »Ach, das mit dem anderen war nichts, das hatte keine Bedeutung.«

»Das ist Unsinn«, erwiderte Heidi, »wenn es keine Bedeutung für dich gehabt hätte, hätte es nicht stattgefunden. Und selbst wenn es im Nachhinein für dich keine Bedeutung hatte, so hat es doch Bedeutung für Rainer.«

Biggi zündete sich schon wieder eine Zigarette an. Dann bat sie Heidi um einen weiteren Obstler.

»Mir ist danach«, sagte sie, »irgendwie bekomme ich alles nicht so geregelt, wie ich es gerne möchte.«

Heidi brachte den Obstler, und Biggi trank ihn rasch aus, wobei sie wieder das Gesicht verzog.

»Hast du mit Rainer darüber geredet?« fragte Heidi.

Biggi lachte kurz auf. »Wie käm’ ich dazu?«

»Rainers Seele ist verletzt«, sagte Heidi, »das sieht man ihm auf große Entfernung an. Alles an ihm ist anders als voriges Jahr. Ich glaube nicht, daß die Angelegenheit sich von alleine regelt. Du wirst mit ihm reden müssen. Wenn du nicht mit ihm geredet hast, weiß er doch nicht mal, daß es keine Bedeutung für dich hatte.«

Biggi erhob sich wieder und ging erneut in der alten Gaststube auf und ab. Sie wirkte wie ein Tier in einem Käfig.

»Vor allem wie du Rainer behandelst«, sagte Heidi, »das kommt nicht gut bei ihm an. Zu seiner seelischen Verletzung zeigst du deine Mißachtung überdeutlich. Ich weiß, warum es sich bei dir so zeigt. Du hast ein schlechtes Gewissen, und die Psychologie sagt, daß es einen Weg in die Offensive sucht.«

Plötzlich rannen Tränen über Biggis Gesicht.

»Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, schluchzte sie. »Rainer ist die Liebe meines Lebens. Er ist ein toller Typ. Doch plötzlich fühlte ich mich total eingebunden bei ihm. Ich meinte, keine Luft mehr zu bekommen.«

»Und du meintest, die bekommst du, indem du dich auf einen Seitensprung einläßt?« Heidi schüttelte den Kopf. »Das macht dich nicht frei, ganz im Gegenteil, es macht dich unfrei. Du siehst doch, was bei dir und Rainer herausgekommen ist.«

Da begann Biggi endgültig zu weinen. Tränen über Tränen rannen ihr übers Gesicht. Bis sie plötzlich aufstand, tief durchatmete und sagte, sie gehe jetzt ins Bett.

»Hast du irgendwo ein Zimmer leerstehen?« fragte sie. »Ich kann heute nicht neben Rainer liegen…!«

*

»Grüß dich, Großvater…!«

Mizzi Kramer küßte ihren Großvater auf beide Wangen. »Jetzt bin ich wieder mal für längere Zeit da, wenn’s recht ist.«

Mizzi war zweiundzwanzig Jahre alt, zierlich, wunderschön und sie hatte das, was man einen natürlichen Charme nennt. Wenn sie lächelte, strahlte das auf ihre Umgebung ab, und Menschen, denen es nicht besonders gut ging, vergaßen ihre Sorgen, wenn Mizzi in der Nähe war.

Mizzi hatte nach dem Abitur eine Hotelfachschule besucht und nachdem sie diese abgeschlossen hatte, war sie bei Clemens Haubner in Mittenwald, der dort ein weithin bekanntes Feinschmeckerlokal, die »Werdenfelser Stuben« betrieb.

»Grüß dich, mein Madel«, erwiderte Ambros Kramer, »es ist schön, daß du ein paar Tage bleibst. Hat der Haubner-Clemens dir wieder aufgetragen, einige Gerichte bei uns auszuprobieren?«

Mizzi nickte. »So ist es. Wir haben sie zweimal durchgekocht und einige Dinge, die wir besprochen haben, sollten noch verfeinert, beziehungsweise geändert werden.«

»Und das soll wieder bei uns stattfinden…!« Ambros Kramer grinste. »Wir sind inzwischen also so was wie eine Filiale der ›Werdenfelser Stuben‹.«

Mizzi lachte. »Wenn du so willst, ja.«

»Dann müssen wir uns nur rechtzeitig um die Zutaten bemühen«, sagte ihr Großvater, »das war ja letztens ein bissel schwierig.«

»Der Clemens hat mir eigentlich alles mitgegeben«, erwiderte Mizzi, »und Salate und Gemüse hab’ ich eben von einem erstklassigen Lieferanten aus Kempten mitgebracht.«

»Dann brauchen wir nichts zu holen?« Ambros Kramer sah seine Enkelin fragend an.

Die nickte. »Ich muß die Sachen jetzt aber erst mal ins Kühlhaus geben. Wein hast du wie immer gescheiten da?«

Ambros Kramer nickte. »Ja, aber ich propagier’ inzwischen verschiedene Wasser.«

»Wie bitte?«

»Ich biet’ den Gästen verschiedene Wasser an«, antwortete Ambros. »Inzwischen sitzen s’ da und lassen sich das Wasser auf der Zunge zergehen. Ich find’ das toll.«

»Da schau her«, erwiderte Mizzi, »interessant.«

»Was soll’s denn heut’ abend geben?« fragte ihr Großvater. »Oder ist das wieder eine Überraschung?«

»Eine Überraschung ist es schon«, antwortete Mizzi. »Aber es wird was vom Lamm und was von Enten geben. Wir bieten auch ein Rehgericht an.«

»Da müssen wir uns aber sputen…!«

Mizzi sah auf die Uhr. »Gar net mal. Der Clemens sagt immer, daß man viel zuviel querdenkt. Das einfache Kochen sei noch immer das Beste. Ein bissel verfeinert vielleicht und schon bist ganz oben.«

Ambros lächelte. »Wenn ich dran denk’, wie wir hier angefangen haben und heut’ kommen Leut’ aus Immenstadt und Kempten her zu uns in die Lohmühl’.«

»Tja…«, Mizzi zuckte mit den Schultern, »so ist das Leben. Wir bieten natürlich auch was Extras. Und dafür fahren die Leut’ auch schon mal den einen oder anderen Kilometer.«

»So«, ihr Großvater zeigte in Richtung Küche, »jetzt wollen wir nimmer länger herumreden, sondern was tun. Übrigens kommen heut’ abend fünf Gäst’ vom Bergerhof. Die Heidi hat angerufen und gesagt, du sollst dich mal bei ihnen anschauen lassen.«

Mizzi nickte. »Das werd’ ich auf jeden Fall tun. Ich bin ganz glustrig drauf, wieder mal ein bissel zu tratschen…!«

*

»Und?« Heidi sah ihre Gäste am nächsten Morgen nach dem Frühstück fragend an. »Wie war’s in der Lohmühle?«

»Super«, antwortete Ulla. »Ich hab’ noch nie so ausgefallen gegessen.«

Jürgen nickte. »Es war wirklich toll. Vor allem hat wohl die Enkelin des Küchenchefs einige Ideen eingebracht, das hat er jedenfalls gesagt.«

»Die Mizzi arbeitet gewöhnlich in den ›Werdenfelser Stuben‹ in Mittenwald«, erklärte Heidi, »sie kommt dann ab und zu nach Hause und probiert dort, was noch nicht ganz so ist, wie Clemens Haubner es sich vorstellt. Habts ihr die Mizzi gesehen?«

Ulla und Jürgen schüttelten die Köpfe. »Wieso fragst du?«

»Sie ist ein ausnehmend apartes Mädel«, antwortete Heidi.

»Aha…!« Biggi sah Rainer ärgerlich an. »Deswegen warst du so aufgekratzt, als du aus der Küche gekommen bist. Die Kleine hat dir wohl gefallen?« Dann sah sie Heidi an. »Ist sie zierlich, brünett und macht auf natürlich?«

Heidi überlegte kurz und nickte. »Ja, die Mizzi ist zierlich und brünett ist sie auch. Und sie hat einen wunderbar natürlichen

Charme. Warum fragst du?«

»Da steht er drauf«, erwiderte Biggi. Ihr Mund verzog sich zu einem häßlichen Lächeln. »Wenn er sich künftig verdünnisiert, wissen wir ja, wo wir ihn zu suchen haben.«

Danach war es einen Augenblick still am Frühstückstisch. Bis Josie aufstand.

»Ihr könnt euch ruhig weiter mit euren internen Problemen beschäftigen«, sagte sie, »ich werd’ heute spazieren gehen.« Dann sah sie Rainer an. »Kommst du mit?«

Der nickte und stand auf. »Sehr gerne. Hast du schon einen festen Plan?«

Ohne sich noch mal umzuschauen, verließen die beiden die alte Gaststube, wo alle gemeinsam gefrühstückt hatten.

»Diese kleine Zicke meint wohl, sie könnt’ sich mal so nebenbei an Rainer heranmachen, wie?« Biggi war plötzlich knallrot im Gesicht.

»Wenn du so weitermachst«, erwiderte Jürgen, »dann ist Rainer noch während des Urlaubs nur noch Geschichte für dich. Es ist normalerweise nicht mein Ding, mich einzumischen, aber was du veranstaltest, spottet jeder Beschreibung.«

»Kümmere dich um deinen eigenen Kram«, entgegnete Biggi ungewohnt laut.

»Laß es sein«, sagte Ulla, griff nach Jürgens Hand und zog ihn vom Stuhl hoch. »Du weißt, daß wir heute nach Oberstdorf wollten. Und da fahren wir jetzt hin.«

»Und ich?« rief Biggi ihnen hinterher. Doch da war es zu spät, sie saß alleine am Tisch.

Heidi hatte derweil am Nachbartisch das Frühstücksgeschirr zusammengestellt.

»War das eine ernst gemeinte Frage?« Sie sah Biggi aufmerksam an.

»Klar war’s das«, erwiderte die, bevor sie vehement aufstand, so daß ihr Stuhl umkippte. »Die meinen wohl, mich kujonieren zu können. Aber da sind sie total neben der Spur. Ich weiß auch wie ich alleine klarkomme.«

»Biggi…?« Heidi stand am Nachbartisch. Im Moment war keiner der Tische besetzt.

»Ja?« Ihre Stimme klang gereizt.

»Komm, setz dich mal.« Heidi zeigte auf einen Stuhl, zog einen zweiten heran und nahm Platz.

»Was ist denn?« Biggi war nicht in der Stimmung, sich was sagen zu lassen.

»Dir geht es doch nicht gut«, sagte Heidi, »wieso tust du alles, daß dieser Zustand sich nicht ändert?«

»Hör auf, ich bin es leid, daß ich immer diejenige welche bin«, entgegnete Biggi. »Für Rainer scheine ich nicht mehr zu existieren, für Josie bin ich eh die Hex und wenn sich jetzt auch noch Ulla und Jürgen, das sind Kollegen von mir in der Schule, gegen mich stellen, dann kann ich gleich wieder nach Hause fahren.«

»Schade, daß du dich nicht sehen kannst«, erwiderte Heidi.

»Wieso…?«

»Weil du sehen könntest«, antwortete Heidi, »wie ein sehr hübsches Mädchen sich selbst entstellt.«

Einen Augenblick starrte Biggi Heidi verletzt und wütend an, dann drehte sie sich um und verließ die alte Gaststube, ohne noch einen Ton von sich gegeben zu haben.

»Was ist denn bei unseren Stuttgarter Urlaubern los?« fragte Luise, als Heidi kurz darauf mit dem Frühstücksgeschirr in die Küche kam.

»Wieso fragst du?« erwiderte diese.

»Weil alle ausgesehen haben, als sei der Teufel persönlich hinter ihnen her«, antwortete Luise.

»Weniger der Teufel«, sagte Heidi, »eher Biggi mit einer derartig miesen Laune, daß einem wirklich angst und bange werden kann. Sie ist derart kratzbürstig, vor allem gegen Rainer, dabei hätt’ grad’ sie allen Grund, ein bissel auf gut Wetter zu machen.«

»Wieso?« Luise sah ihre Schwiegertochter fragend an.

»Ich hab’ doch mit ihr geredet«, erwiderte die. »Und sie hat mir gesagt, daß ihr ein Mißgeschick passiert sei.«

»Ein Mißgeschick?«

»Sie hat Rainer mal betrogen…!«

»Oh!« Luise tat erstaunt. »Das hätt’ ich nicht gedacht. Sie hat doch immer so moralisch getan.«

Heidi nickte. »So ist es. Und sie raucht auch, auch das hat sie voriges Jahr nicht getan.«

»Und wenn man Rainer anschaut«, murmelte Luise, »dann weiß man, daß er weiß, was Biggi getan hat.«

»So ist es«, bestätigte Heidi.

»Und…?«

»Was heißt und?«

»Wie hat sie es Rainer erklärt?«

»Gar nicht.«

»Die beiden haben nicht darüber gesprochen?« Luise wiegelte den Kopf. »Dann ist die Sache schon zu Ende, Biggi weiß es nur noch nicht.«

»So sehe ich es auch«, erwiderte Heidi. »Sie hat aber bis eben so getan, als ob sie alles im Griff hätte. Bis Josie und Rainer, sowie Ulla und Jürgen nacheinander verschwunden sind. Plötzlich ist sie alleine dagesessen.«

»Und dann?«

»Dann hab’ ich versucht, ihr ihre Position aufzuzeigen«, erwiderte Heidi, »und eben grad’ hab’ ich’s noch mal versucht.«

»Und?«

Heidi schüttelte den Kopf. »Nichts. Biggi ist derart zu und läßt nichts an sich heran. Der Ausrutscher mit dem anderen Mann sei unbedeutend, habe keinerlei Bezug zu ihrem Leben.«

Luise lachte kurz. »Glaubt sie. Wie kann ein intelligentes Madel wie sie nur so dumm sein. Sie macht sich doch was vor, in jeder Beziehung.«

»Sicher tut sie das«, erwiderte Heidi, »mir brauchst es nicht zu sagen. Sag’s ihr, sie scheint zu meinen, sie habe alles im Griff, dabei hat Rainer, so lang’ sie hier sind, noch kein einziges persönliches Wort mit ihr geredet.«

*

»Ich würd’ dich gern mal was Persönliches fragen.« Josie blieb stehen und sah Rainer fragend an.

Die beiden gingen hinter dem Bergerhof einen Steig bergwärts. Luise hatte ihnen empfohlen, zur Barbara-Kapelle zu gehen, die erst kürzlich in privater Mission renoviert und wo anschließend ein junges Paar getraut worden war.

»Frag nur.« Rainer wirkte, wenn Biggi nicht dabei war, ganz anders, viel entspannter.

»Wieso bist du mit Biggi in Urlaub gefahren?« fragte Josie. »So wie ihr miteinander umgeht, wärd ihr besser in entgegengesetzte Richtungen aufgebrochen.«

Rainer nickte. Er war ein großer, schlanker junger Mann mit ansprechendem Äußeren und ruhiger Gestik.

»Wenn man es so betrachtet, dann ist es wohl wahr«, antwortete er. »Aber ich habe mir Klärung einiger Dinge erwartet. Doch wie es aussieht, ist Biggi nicht daran interessiert.«

»Du liebst sie immer noch…?«

Rainer zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Manchmal meine ich es, manchmal meine ich, meine ganze Beziehung zu Biggi sei ein einziger Irrtum gewesen.«

»Dann trenn dich doch von ihr…!« Josie lächelte. »Du bist ein so netter Typ, auf dich stehen in der Firma alle Mädchen im passenden Alter.«

Rainer verzog den Mund zu einem Lächeln. »Echt…?«

Josie nickte. »Sicher echt. Du hast was, was den anderen abgeht. Du bist locker, hast immer was zu erzählen, spielst nie den Obertypen, obwohl du echt was drauf hast. Daß du abgelehnt hast, Abteilungsleiter zu werden, kann ich zwar verstehen, aber ich bedaure es auch, wie die meisten anderen. Warum willst du eigentlich nicht?«

Da atmete Rainer tief durch. »Was soll ich da sagen? Man hat mir den Posten schon vor einiger Zeit angeboten. Anfangs wollte ich unbedingt, dann wurde mein Interesse geringer und heute weiß ich, daß ich nicht glücklich würde dabei. Ich muß meinen Mittelpunkt bei mir suchen, verstehst du? Ich kann heute, in einem gewissen Rahmen, tun und lassen was ich will. Und das möchte ich mir bewahren.«

»Scheidest du aus der Firma aus?«

Rainer zuckte mit den Schultern. »Möglich. Ich bin im Moment dabei herauszubekommen, ob ich freiberuflich nicht viel effektiver arbeiten könnte.«

Josie sah Rainer mit ihren großen Augen einen Moment bewundernd an, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf die Wange.

»Entschuldige, aber mir war danach«, sagte sie. Dann zeigte sie bergwärts. »Da hinten muß irgendwo diese Kapelle sein. Man soll dort heiraten können. Wie wär’s? Willst du nicht in dieser Kapelle heiraten?«

Rainer lachte. »Davor bewahre mich ein immer klarer Geist.«

»Willst du nie heiraten?« Josie sah Rainer aufmerksam an.

Der lächelte. »Früher wollte ich heiraten. Das heißt, bis zum November vergangenen Jahres wollte ich es.«

»Und dann plötzlich nicht mehr? Wieso nicht…?«

»Warum soll ich es eigentlich länger für mich behalten?« Rainers Stimme klang ziemlich traurig und verbittert.

»Was sollst du für dich behalten?« Josie ahnte plötzlich, daß Rainer was Schwerwiegendes offenbaren würde.

»Biggi hatte im vergangenen Jahr eine Affäre«, sagte er. »Als ich es erfahren habe, ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Ich hab’ gemeint, ich könnt’ nicht mehr atmen. Ich hab’ gemeint, mein Herz bleibt stehen.«

»Mar’ und Josef…!«

»Ich hab’ mich nie so gedemütigt gefühlt wie in jenem Moment«, fuhr Rainer fort. »Ich war völlig von der Rolle, habe wochen-, was red’ ich denn, monatelang schlecht geschlafen, und Biggi hat nicht für nötig befunden, nur ein Wort mit mir darüber zu reden.«

»Das darf nicht wahr sein«, murmelte Josie. »Wie… wie bist du denn dahintergekommen?«

»Wenn wir zusammen geschlafen haben, wollte sie plötzlich, daß ich ein Kondom nehme…!«

»Au weia…!«

Rainer nickte. »Das hab’ ich auch gedacht. Au weia, was ist denn da passiert?«

»Und Biggi hat nie mit dir darüber gesprochen?«

Rainer schüttelte den Kopf. »Nicht ein einziges Mal.«

Dann waren beide eine Weile still. Sie gingen weiter, und als sie die Kapelle sehen konnten, blieb Josie stehen.

»Du… du liebst Biggi aber noch«, sagte sie, »denn wenn du es nicht tun würdest, hättest du nicht so sehr daran zu knabbern.«

»Das habe ich mir auch lange eingeredet«, antwortete Rainer. »Doch inzwischen weiß ich, daß es nicht stimmt.«

»Was stimmt denn nicht…?«

»Ich fühle mich betrogen«, sagte Rainer, »betrogen und ausgenutzt. Wenn andere Umstände eingetreten sind, und das sind sie ja nun mal, dann möchte ich nicht behandelt werden wie ein kleines Kind, verstehst du? Ich will, daß man mich ernst nimmt.«

»Bei allen guten Geistern«, murmelte Josie, »das sitzt aber tief bei dir, total tief…!«

*

»Steffi…?«

»Ja?«

»Kommst herunter zum Kaffee?«

»Ich mag nicht.«

»Die Mizzi vom Lohhof ist da.«

»Ich komme…!«

Heidi ging zurück in die Küche, wo Mizzi Buchner bei Luise am großen Tisch saß und gerade in ein Stück Apfelkuchen biß, den Luise kurz zuvor gebacken hatte.

»Ich find’s riesig bei euch«, sagte das ausgenommen aparte Mädchen. »Vor allem wie ihr miteinander umgeht, das ist schon toll.«

Heidi lächelte dünn, und Luise lachte.

»Frag gleich mal die Steffi, ob die’s auch so sieht«, erwiderte die Seniorchefin des Bergerhofs.

»Wieso?« Mizzi sah die beiden Bergerhof-Frauen abwechselnd an. »Was ist mit Steffi?«

»Sie ist in einem schwierigen Alter«, antwortete Luise, »außerdem steht sie kurz vor dem Abi und hat uns beide ständig im Visier, wenn ihr was gegen den Strich geht.«

»Oje«, erwiderte Mizzi, »das kenn’ ich. Ich bin genauso gewesen. Das legt sich wieder.«

Plötzlich stand Steffi bei ihnen. »Was legt sich wieder?«

»Hallo…!« Mizzi stand auf, nahm Steffi in die Arme und ging gar nicht auf deren Frage ein. »Du siehst super aus, hast du was abgenommen?«

Steffi lächelte. »Ja, zwei Kilo. Aber wenn hier wer super aussieht, dann du. Bist du immer noch solo? Ich versteh’ das nicht.«

»Wenn du zwei Kilo abgenommen hast«, meldete sich Luise zu Wort, »dann mußt du was essen.« Dann schob sie ihrer Enkelin einen Teller mit einem Stück Kuchen zu.

Steffi atmete tief durch. »Ich will nichts essen. Wenn ich essen will, dann nehme ich es mir. Ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, wann ich was möchte.« Dann sah sie Mizzi an. »Was ist, kommst du mit?«

Mizzi nickte sofort. »Klar komm’ ich mit. Wir haben uns schließlich schon ewig nimmer gesehen.«

»Ich komm’ nachher noch mal herein«, sagte Mizzi, bevor sie mit Steffi die Küche des Bergerhofs verließ.

Heidi und Luise sahen sich an, als sie allein waren.

»Irgendwas ist im Busch«, sagte Heidi nach einer Weile, »ich spür’ es förmlich.«

»Du meinst mit Steffi?«

Heidi nickte. »Ja, mit Steffi.«

»Leider kann ich dir nicht widersprechen«, sagte Luise. »Auch ich werd’ ein dummes Gefühl nicht los.«

Während die beiden Bergerhof-Frauen sich über Steffi Gedanken machten, hatte die aus dem Kühlfach der Theke zwei Kracherl mitgenommen und war mit Mizzi zur Terrasse gegangen.

»Du scheinst ziemlich gestreßt zu sein, oder?« Mizzi sah Steffi fragend an.

Die nickte. »Das kannst du laut sagen.«

»Was ist los…?«

»Ich hab’ keinen Bock mehr.«

»Auf was?«

»Auf alles.«

»Das hört sich nicht gut an«, sagte Mizzi. »Was ist denn los? Jetzt aber mal ein bissel detaillierter.«

»Die Schule hängt mir derart zum Hals heraus«, sprudelte es da aus Steffi heraus, »daß ich ernsthaft überleg’, sofort abzugehen. Ich mag einfach nimmer. Mir ist der Streß die ganze Sach’ net wert.«

Mizzi zog die Augenbrauen hoch und sagte eine ganze Weile gar nichts.

»Mir ist es vor vier Jahren sehr ähnlich gegangen«, sagte sie schließlich. »Ich bin sogar schon im Zimmer vom Direx gestanden, weil ich mich abmelden wollte. Ich war einen Tag vorher achtzehn geworden und hätte keine Zustimmung meines Großvaters mehr haben müssen.«

»Das ist bei mir anders«, erwiderte Steffi, »leider…!«

»Jetzt laß mal alles auf dich zukommen«, sagte Mizzi. »Du wirst sehen, es wird alles halb so schlimm. Ich hab’ mich derart verrückt gemacht vor dem Abi, daß ich nicht mehr ein noch aus gewußt hab’. Dabei war alles nicht schlimmer, als jeden Tag Schule, man muß nur den ganzen Brimborium aus dem Kopf bekommen.«

»Die Schule ist nicht alles«, murmelte Steffi.

»Was denn noch?«

»Hier zu Hause nervt mich auch einiges.«

»Was denn bitt’schön…?« Mizzi sah Heidis Tochter aufmerksam an.

Die zuckte mit den Schultern. »Alles.«

»Du fühlst dich wegen des Abistresses unwohl«, erwiderte Mizzi, »und schiebst es auf deine Umgebung. Auch das kenn’ ich. Der Großvater hat allerhand aushalten müssen.«

»Das ewige Bevormunden nervt mich«, sagte Steffi. »Ich kann tun und lassen was ich will, die behandeln mich immer wie ein kleines Kind. Dabei geht die Mutti ja noch einigermaßen, aber Luise…! Tu dies, tu das. Ein Madel in deinem Alter tut das aber net, ätzend. Bei der Mutti nervt, daß sie mich zwar als erwachsen behandelt, mich aber trotzdem beobachtet.«

Da mußte Mizzi lachen. »Entschuldige, aber du widersprichst dir auch.«

»Ich weiß«, erwiderte Steffi, »ich sag’ ja, alles nervt mich im Moment, mich eingenommen.«

»Ich mach’ dir mal einen Vorschlag…!« Mizzi lächelte Heidis Tochter freundlich an.

»Da bin ich aber mal gespannt.«

»Wir beide gehen in den nächsten Tagen mal ein bissel unter die Leut’«, sagte Mizzi.

»Wie meinst du das denn?«

»Was hältst du von einem Abend im ›Mozart‹?«

Das von Adrian betriebene Café »Mozart« in der Oberstdorfer Innenstadt war das absolute In-Café der Gegend. Hier verkehrte total verschiedenes Publikum, wobei die Jungen den Ton angaben, aber wo auch ältere die besondere Atmosphäre zu schätzen wußten.

Steffi lachte kurz auf. »Was meinst du, was das für einen Aufstand gibt, wenn ich sag’, daß ich abends mal ins ›Mozart‹ will. Die merken gar nicht, wenn sie die Oberaufsicht spielen. Als wenn ich mich zukiffen oder mit jedem ins Bett steigen würd’.«

Da zog Mizzi die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf, wobei ein schmales Lächeln ihre Lippen umspielte.

»Wenn ich dir jetzt sag’, daß ich mich danach gesehnt hab’, von einer Mutter oder wegen mir auch Großmutter genervt zu werden, dann hört sich das superblöd an«, sagte sie, »das weiß ich, aber es war trotzdem so. Ich hab’ regelrecht Sehnsucht nach einer Mutter gehabt, dabei hätte ich wer weiß was in Kauf genommen.«

»Echt…?« Steffi sah Mizzi zweifelnd an.

Doch die nickte. »Ganz echt. Ich hab’ meine Eltern und die Großmutter ja bei einem Autounfall verloren. Damals war ich sechs und noch nicht mal in der Schule. Ich war immer nur mit dem Großvater und wechselnden weiblichen Personen, die den Haushalt führten, zusammen.«

Da sah Steffi unter sich. »Du willst mir sagen, daß ich nicht zu schätzen weiß, daß ich Mutter und Großmutter hab’, oder?«

Mizzi schüttelte den Kopf. »Gar net mal. Ich will eigentlich nur aufzeigen, daß kein Leben perfekt verläuft und daß jeder sein Packerl tragen muß. Dabei kommt es dann net auf das Packerl an, sondern darauf, wie man damit klarkommt. Das gilt für den König und für den Bettelmann gleichermaßen.«

*

Josie war am nächsten Vormittag verschwunden. Ulla und Jürgen hatten nach Kempten fahren und Josie hatte sie begleiten wollen.

»Ich hab’ sie vorhin noch gesehen«, sagte Luise, als Ulla in der Küche nachschauen kam.

»Und wo hast du sie gesehen…?«

»Da draußen.« Luise zeigte hinters Haus. »Es hat ausgesehen, als ob sie wohin wollt’.«

»Aber dann hätt’ sie uns doch Bescheid gegeben«, erwiderte Ulla.

»Vielleicht auch net«, sagte Luise. »Ich rat’ euch, setzt euch in den Wagen und fahrt nach Kempten. Wenn die Josie net da ist, dann ist sie halt net da.«

Während man sich im Bergerhof über Josie unterhielt, war die wieder hinauf zur Barbara-Kapelle gestiegen. Denn dort hatte sie bei ihrem letzten Besuch Sebastian Heller kennengelernt, einen jungen Maler, der dabei war, für die Barbara-Kapelle einige Wandgemälde auszuarbeiten.

Rainer hatte es bei ihrem ersten Besuch der Kapelle nicht solange ausgehalten wie Josie, der es dort sehr gut gefallen hatte und während sie die einmalige Aussicht genoß, war Sebastian dahergekommen, hatte sich vorgestellt, seine Utensilien ausgepackt und Wandflächen auszumessen begonnen.

Josie hatte wissen wollen, was er da mache, und der junge Bursche hatte es ihr erklärt. Nach wenigen Minuten schon hatte Josie ihm zwar auch noch zugehört, vor allem aber hatte sie ihn angesehen. Seine weichen Züge, die sinnliche Mundpartie, sein Blick, der sie ganz und gar verzaubert hatte und seine schmalen, langgliedrigen Hände, alles faszinierte sie so sehr, daß sie ihn gefragt hatte, wann er wieder da sei.

Sebastian hatte es ihr gesagt, und sie hatte ihre Verabredung mit Ulla und Jürgen vergessen und war erneut zur Barbara-Kapelle gegangen, wo Sebastian bereits dabei war, erneut Maß zu nehmen.

»Da bist du ja wieder«, sagte er, wobei man ihm deutlich ansah, daß er sich freute, Josie wiederzusehen.

Josie bekam auch gleich rote Wangen, lächelte und meinte: »Ich hab’ gestern den ganzen Tag an dich gedacht.«

Sebastian war siebenundzwanzig Jahre alt, studierte an der Kunstakademie in München und stammte aus Balding, wo seine Mutter in einem von Franz Vordereggers Fremdenverkehrsbetrieben beschäftigt war. Sein Vater hatte sie vor Jahren schon verlassen, worunter Sebastian sehr gelitten hatte.

Sebastian hatte eine Mappe dabei, denn er hatte Josie versprochen, einige seiner Werke mitzubringen.

»Aber nur ein paar Zeichnungen«, hatte er gesagt, »was ich so in eine Mappe packen kann.«

Josie hatte nicht damit gerechnet, daß er daran gedacht hatte, doch als er ihr die Mappe gab, schlug ihr Herz plötzlich heftiger als sonst, und sie spürte, daß die Begegnung mit dem jungen Maler für sie etwas ganz Besonderes war.

Während Sebastian im Inneren der Kapelle weiter Maß nahm, öffnete Josie die Mappe, indem sie zwei zu einer Schleife verschlungene Bänder löste und die Mappe aufschlug.

Obenauf lag eine Bleistiftzeichnung, die ein ineinander verschlungenes Liebespaar zeigte. Josie war von der Ausdrucksstärke der Zeichnung angetan, und als sie weiter blätterte, versank die Welt um sie herum.

Die Zeichnungen, es waren meistens Feder- oder Kohlearbeiten, aber auch Rötel und einige Aquarelle waren dabei, verzauberten sie, erst als Sebastian sich neben ihr räusperte, fand sie zurück in die Realität.

»Das…«, sie zeigte auf die Mappe, »das ist einmalig. Wo hast du so schön zeichnen gelernt? Ich finde vor allem deine Portraits einmalig schön. Wer…«, sie blätterte ein wenig, »wer ist dieses Mädchen?«

Josie hatte ein Blatt obenauf gelegt, daß das Gesicht eines jungen Mädchens zeigte, das mit großen, ausdrucksstarken Augen den Betrachter anzuschauen schien.

»Das ist Hanna«, antwortete Sebastian, mehr sagte er nicht. Und wie er es sagte, war klar, daß er nicht mehr zu sagen wünschte.

Josie ordnete die Blätter, schloß die Mappe und zeigte zur Kapelle. »Darf ich mal sehen, was du gemacht hast?«

»Ich hab’ nur ausgemessen«, antwortete Sebastian.

»Du hast aber doch einige Farbentwürfe dabei gehabt.« Josie sah den jungen Maler fragend an.

Der lächelte. »Du siehst wohl alles…!«

Josie nickte. »Wenn es mich interessiert.«

»Komisch«, sagte Sebastian, »andere Madeln in deinem Alter schauen in Modezeitschriften, und du schaust dir Entwürfe für ein Kapellengemälde an.«

Josie lachte. »Mode kann schön sein, aber ich kann sie jeden Tag in irgendwelchen Zeitungen sehen. Bis vor drei Tagen hab’ ich ja nicht mal gewußt, daß es dich gibt. Daß ich da auf deine Arbeiten neugierig bin, liegt doch auf der Hand.«

»Es ist nichts Besonderes«, erwiderte Sebastian, während er zu einer Rolle ging, in der ein zusammengerolltes Blatt mit dem Entwurf für eines der Wandgemälde war.

»Was ist es denn…?«

»Es zeigt die Jungfrau Maria«, antwortete Sebastian, »ein anderes Maria Magdalena. Beide verkörpern ja ein bissel des Gegensätzliche…!«

»Hat denn die Kirche, ich meine, der, der zustimmen muß, nichts dagegen, daß in der Barbara-Kapelle Maria Magdalena abgebildet wird? Wäre die Heilige Barbara nicht das passendere Motiv?« Josie sah den jungen Maler fragend an.

Der nickte sofort. »Natürlich wäre es das. Aber für eine Barbara hab’ ich noch kein passendes Gesicht.«

»Was heißt das, du hast noch kein Gesicht…?«

»Ich orientiere mich immer an real existierenden Menschen«, antwortete Sebastian. »Die Gesichter aller Entwürfe, auch die für die Jungfrau Maria und Maria Magdalena zeigen wen, den ich kenn’.«

»Das ist interessant«, erwiderte Josie, wobei sie Sebastian bewundernd ansah.

»Wenn… wenn du wirklich Interesse an meinen Arbeiten hast«, sagte der, »dann… nun ja, dann könntest du mich mal zu Hause besuchen. Ich wohn’ in Balding, das ist ganz in der Nähe.«

»Das dürft’ ich…?« Josie schien es gar nicht glauben zu wollen.

Doch Sebastian nickte heftig. »Ja sicher. Ich würd’ mich riesig freuen. Gar so viel Leut’ haben an meinen Arbeiten kein Interesse.«

»Wo wohnst du denn…?«

»In Balding. Das ist ganz in der Nähe.«

»Hast du eine Karte? Dann kann ich dich anrufen und komm’ vorbei, wenn es dir paßt.«

Sebastian lächelte. »Karte oder so was hab’ ich nicht. Du mußt dir meine Adresse schon aufschreiben. Und wenn du magst, dann kannst schon heut’ am Abend kommen.«

Josie sah den jungen Maler eine Weile aufmerksam an, dann nickte sie lächelnd.

»Ich komm’ heut’ abend«, sagte sie schließlich, »ich bin gegen sieben da, wenn es recht ist…!«

*

Rainer Bald hatte den Schock seines Lebens erlitten, als er ahnte, daß Biggi, seine Biggi, ihn mit einem anderen Mann betrogen hatte. Die Anzeichen waren derart unübersehbar gewesen, hinzu war Biggis plötzliche Gereiztheit gekommen, so daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis es zum großen Knall kommen würde.

Das war jedoch nicht geschehen, vor allem weil Rainer nie eine Frage gestellt hatte, auch wenn er immer unruhiger geworden war. Dann, es war noch keine vier Wochen her, hatte er durch Zufall erfahren, mit wem Biggi ihn hintergangen hatte. Das war dann allerdings ein Schock gewesen, denn ausgerechnet Uwe, sein langjähriger Freund, Biggi kannte ihn auch schon mehrere Jahre, war derjenige welcher gewesen.

Rainer hatte Uwe zufällig in ihrer ehemaligen Stammkneipe getroffen und Rainer war aufgefallen, wie nervös Uwe plötzlich gewesen war. Auch daß er unverhältnismäßig viel getrunken hatte, war Rainer aufgefallen, denn das war sonst nicht Uwes Art.

Zuerst hatte Rainer gemeint, Uwe habe beruflich Probleme, denn Uwe hatte zwar auch Informatik studiert, doch nach dem Examen nichts damit anzufangen gewußt, ein wenig war er eine verkrachte Existenz.

Bis Uwe sich plötzlich zu entschuldigen begann. Wort- und gestenreich war er dagestanden, hatte plötzlich Tränen in den Augen, was Rainer zuerst dem Umstand zugeschrieben hatte, daß Uwe ziemlich angetrunken gewesen war. Bis ganz deutlich wurde, was Uwe ihm sagen wollte, nämlich, daß er mit seiner Freundin Biggi geschlafen hatte.

Als Rainer den Umstand begriffen hatte, fühlte er sich erstaunlicherweise zuerst erleichtert. Erst allmählich wurde ihm bewußt, daß nicht nur seine Beziehung zu Biggi zu Ende war, sondern auch seine Freundschaft zu Uwe.

Wenn wer behauptete, daß eine Freundschaft belastbar sein müsse, dann mochte das durchaus sein, aber eine Belastung dieser Art vertrug sie seiner Ansicht nach nicht.

Rainer hatte den Gedanken, ohne Kommentar aus der gemeinsamen Wohnung mit Biggi auszuziehen, rasch verworfen, zumindest eine saubere Trennung hatte er gewollt, wozu seiner Ansicht nach gehörte, daß Biggi mit ihm redete.

Doch das hatte sie bisher nicht getan, und Rainer war inzwischen an einem Punkt angelangt, daß er auf eine Aussprache oder wie immer man es nennen wollte, keinerlei Wert mehr legte.

An jenem Tag, als Josie morgens spontan in Richtung Barbara-Kapelle verschwunden war, wollte Rainer ins Lohtal. Was er dort wollte, hätte er nicht zu sagen gewußt, seiner Ansicht nach war es eine zufällig gewählte Tour, die er machen wollte.

Luise hatte ihm den Weg beschrieben, denn er wollte zu Fuß gehen. Gerade als er sich auf den Weg machen wollte, Luise hatte ihm eine Wegzehrung eingepackt, kam Biggi dazu.

»Willst du weg?« fragte sie, wobei ihr Blick unverhohlen ihr Mißfallen ausdrückte.

Rainer nickte. »Ja, ich will weg.«

»Wohin?«

»Ich will eine Bergwanderung machen.«

»Alleine?«

»Ja, alleine…!«

»Wieso sind wir eigentlich zusammen in Urlaub gefahren?« Biggi schrie, daß die Töpfe in Luises Küche zu wackeln begannen. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie in gleicher Lautstärke fort. »Glaubst du, ich merke nicht, daß du dich von mir absonderst? Unverschämt, wie du dich mir gegenüber benimmst.«

Einen Moment lang sah es so aus, als würde Rainer sich umdrehen und wortlos die Küche verlassen. Doch er tat es nicht, lächelte Biggi sogar an und sagte: »Wenn du es nicht tust, sollte ich unserem Problem vielleicht mal einen Namen geben.«

»Was soll das denn heißen?« herrschte Biggi ihn daraufhin an.

»Ich bin letztens Uwe begegnet«, antwortete Rainer, »er hatte viel getrunken und war sehr redselig.«

Binnen Sekundenbruchteilen wurde Biggi blaß wie die Wand, dann knallrot. Als sie sich schließlich wieder in der Gewalt hatte, starrte sie Rainer feindselig an und fragte: »Na und? Was hab’ ich mit Uwe zu tun?«

Rainer lächelte. »Du mußt mir nichts erklären, wenn du das meinst, ich will gar nichts mehr wissen. Aber ich hätte mir gewünscht, daß du mit mir geredet hättest. Seit dem letzten November bist du total verändert und es gab eindeutige Anzeichen dafür, daß du eine Affäre hattest.«

»Das ist eine Unver…!« begann Biggi wieder zu schreien.

Doch Rainer winkte ab. »Hör auf herumzulamentieren. Du weißt es und ich weiß es. Ich ahnte es seit November und habe es durch Uwe vor vier Wochen etwa bestätigt bekommen. Dich hier aufzuspielen und die Unwissende und Unbeteiligte zu mimen, setzt allem die Krone auf. Schade, früher warst du nicht so.«

Luise stand im Hintergrund am Herd, sie bekam alles mit, ob sie wollte oder nicht.

Biggi stand da und wußte einen Moment lang nicht, wie sie reagieren sollte. Dann verzog sie das Gesicht zu einem abschätzigen Grinsen.

»So wie du reagierst, reagiert ein bürgerlicher Pinscher«, sagte sie dann voller Spott in der Stimme. »Ja, ich hatte was mit Uwe, na und? Ich brauchte mal Abwechslung, und die hab’ ich mir genommen. Was willst du dagegen tun?«

Rainer zuckte mit den Schultern. Er war erstaunt darüber, wie wenig ihn Biggis Worte inzwischen noch berührten.

»Was sollte ich dagegen tun?« erwiderte er. »Nichts, da ist nichts mehr zu tun.«

»Das ist wieder mal typisch«, geiferte Biggi. »Die Tatsachen einfach hinnehmen.«

»Was, liebe Biggi, sollte ich an diesen Tatsachen denn noch ändern können?« fragte Rainer.

»Nichts kannst du mehr ändern«, antwortete Biggi sofort, und ein gewisses Maß an Schadenfreude klang aus ihren Worten mit.

»Weißt du was das Schönste an allem ist?« Rainer sah seine bisherige Freundin fragend an.

»Was…?«

»Daß ich auch gar nichts mehr ändern will«, antwortete Rainer, dann lächelte er Biggi an, wünschte ihr einen schönen Tag und

verließ die Küche des Bergerhofs.

Biggi stand einen Augenblick benommen da, Luise hatte den Eindruck, als ob sie gar nicht wisse, was gerade eben passiert war.

Dann blickte Biggi sie an und sagte mit einer Stimme, die ganz anders war als die vorher: »Ich… ich möchte aus dem Zimmer mit Rainer ausziehen.«

»Das kannst du dir sparen«, erwiderte die Seniorchefin des Bergerhofs.

»Wieso…?«

»Du hast es offensichtlich nicht bemerkt«, antwortete Luise, »aber Rainer ist schon vorgestern aus eurem gemeinsamen Zimmer ausgezogen und hat ein Einzelzimmer genommen…!«

*

»Hallo…!« Sebastian begrüßte Josie an der Tür des Hauses in Balding, das er zusammen mit seiner Mutter bewohnte, wenn er nicht in München war.

»Hallo.« Josie lächelte den jungen Burschen an, der ihr jetzt genauso gut gefiel wie bei den Begegnungen in der Barbara-Kapelle. »Ich… ich hab’ dir was mitgebracht. Ich weiß nicht, ob du sowas magst…?« Dann gab sie ihm ein Glas Bienenhonig. »Es ist von einem Bauern oben im Grottental. Seine Bienenzucht ist super, und alles macht einen guten Eindruck.«

»Schön…!« Sebastian lächelte und sagte, seine Mutter würde was für sie kochen. »Du ißt doch mit uns, oder?«

»Wenn… wenn es keine Umstände macht?« erwiderte Josie

»Aber nein…!« Sebastian zeigte in Richtung Küche. »Wenn du magst, kannst du meine Mutter begrüßen. Sie ist schon gespannt auf dich.«

»Gespannt auf mich?« fragte Josie erstaunt. »Wieso denn das?«

Plötzlich wirkte Sebastian verlegen. »Sie hat gesagt, du wärst das erste Mädchen, das ich mit nach Hause bring’.«

»Ist es so…?«

Sebastian nickte. »Ja, es ist so. Mir war es zwar nicht bewußt, aber es stimmt wohl.«

Sebastians Mutter sah Josie einen langen Augenblick sehr aufmerksam an, dann umspielte ein freundliches Lächeln ihre Mundwinkel.

»Ich bin die Johanna«, sagte sie, »der Sebastian hat mir erzählt, daß du droben im Bergerhof Urlaub machst und ihm in der Barbara-Kapelle begegnet bist. Du heißt Josie?«

Josie nickte. »Ja, eigentlich Josefa, nach meiner Großmutter. Ich mach’ mit einigen Bekannten Urlaub im Bergerhof.«

»Aha. Dann bist also mit deinem Freund da?«

Josie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin solo. Auch sonst bin ich solo. Ich bin bei den anderen lediglich mitgefahren. Sie waren schon zweimal hier, und es hat ihnen immer super gefallen.«

»Und? Gefällt’s dir auch?«

Josie nickte sofort. »Sehr gut. Der Bergerhof hat was ganz Besonderes.«

»Ja, das hat er«, bestätigte Johanna. »Mein Chef, der Vorderegger-Franz, ist mit der Luise befreundet. Beide, Luise und Heidi, sind sehr nett.« Dann atmete sie tief durch. »Ich hoff’, du magst das, was ich für heut’ abend gekocht hab’. Kennst du Krautwickel mit Topfensoße?«

Josie schüttelte den Kopf. »Nein…?«

»Oje«, murmelte Johanna, »hoffentlich trifft’s deinen Geschmack.«

»Da bin ich ganz sicher«, erwiderte Josie.

»Ein bissel dauert’s noch«, sagte Johanna, »der Sebastian will dir ja noch was zeigen.« Dann lächelte sie. »Da kannst dir was drauf einbilden. Mir hat er die Bilder, die er dir heut’ zeigen will, noch net gezeigt.«

»Aha…!«

Sebastian hatte derweil gewartet und ging, als Josie mit seiner Mutter zu Ende geredet hatte, voran ins obere Stockwerk des kleinen Hauses.

»Oh…!« Josie sah mit großen Augen in ein riesiges Dachstudio, dessen Wände voller Bilder hingen und wo auf verschiedenen Staffeleien ebenfalls Bilder standen. »Das ist ja… Mar’ und Josef, ist das schön da heroben.«

»Gefällt’s dir wirklich?« Sebastian sah Josie mehr als aufmerksam an.

Das hübsche Mädchen nickte. »Super, einfach super.«

»Das hab’ ich selbst gemacht«, sagte Sebastian, »ich meine den Dachausbau. Wie du siehst, hab’ ich die Balken stehen lassen und einen Riesenraum bekommen. Da hinten arbeit’, das heißt, da mal’ ich. Ich hab’ ein großes Dachfenster eingebaut, hab’ Naturlicht soviel ich brauch’.«

»Es ist einfach schön hier«, sagte Josie, »es hat ausgesprochen viel Atmosphäre, das ist mir sofort aufgefallen.«

Sebastian zeigte auf eine alte Sitzgruppe. »Wenn du magst, dann nimm Platz.«

»Ich schau’ mich lieber ein bissel um«, erwiderte Josie, »ich hab’ so was noch nie gesehen.« Dann zeigte sie auf Bilder. »Die hast du alle gemalt?«

Sebastian nickte. »Es sind aber noch lange nicht alle.«

»Darf ich mich mal umschauen…?«

»Na klar.«

Josie ging von einem Bild zum nächsten, sah sich alle lange an und als sie einmal herum war, es war über eine Stunde vergangen, die beiden hatten in der Zeit kein einziges Wort miteinander gesprochen, da blieb sie vor Sebastian stehen und sah ihn bewundernd an. »Du weißt hoffentlich, wie schön deine Bilder sind?«

Sebastian zuckte mit den Schultern. »Mir gefallen sie ganz gut. Wenn ich male, dann vergesse ich alles um mich herum.«

»Was sagen denn deine Professoren in München…?«

Sebastian winkte ab. »Die sind viel zu sehr auf Moderne aus. Das ist ja okay, aber man darf kein Dogma draus machen. Ich hab’ da total viel gelernt, handwerklich…!«

»Aber deine Bilder sind modern…!« Josie stand auf und ging noch mal herum. »Sehr modern sogar.«

»Findest du?«

»Aber klar«, sagte Josie. »Form und Farbe sind harmonisch und disharmonisch zugleich. Das ist doch das, was man heute will. Man sucht einen Widerspruch im Bild und…!«

»Woher weißt du das denn?« Sebastian sah Josie erstaunt an.

»Mein Bruder ist Kunstprofessor in Düsseldorf.«

»Im Ernst?«

Josie nickte. »Ja.«

»Wie heißt dein Bruder denn?«

»So wie ich, Marker…!«

»Bernhard Marker?«

»Ja, mein Bruder heißt Bernhard Marker. Kennst du ihn etwa?« Josie sah den jungen Burschen erstaunt an.

Der schmunzelte. »Ja, deinen Bruder kenne ich. Ich war zuerst in Düsseldorf, um dort zu studieren.«

»Und…?«

Sebastian lächelte. »Dein Bruder war der Ansicht, ich sei total untalentiert…!«

*

»Waren Sie nicht letztens schon mal hier?« Ambros Kramer sah Rainer Bald fragend an.

Der nickte. »Ja, ich mach’ im Bergerhof Urlaub und…!«

»Richtig, die Luise hatte sie hergeschickt.« Der Alte lächelte. »Wie geht’s ihr denn? Ich hab’ sie lang’ nimmer gesehen.«

»Der Luise geht’s gut«, antwortete Rainer, »und Heidi auch.«

»Heut’ ist da bei uns geschlossen«, sagte Ambros. Er stand in seinem Kräutergarten und hatte eine Gießkanne in der Hand.

»Sind das die Kräuter, mit denen Sie hauptsächlich würzen?« Interessiert kam Rainer näher.

Der Alte nickte. »So ist es. Es gibt einen feinen Geschmack und verfälscht zum Beispiel beim Fleisch nicht den ureigenen Geschmack.«

»Sie müssen aber einiges verstehen von Kräutern, oder?« Rainer sah Ambros Kramer fragend an.

Der nickte. »Das kann man sagen.« Dann lachte er. »Die Bergerhof-Luise hat ungleich mehr Ahnung von Kräutern als ich. Sie ist eine ausgesprochene Expertin. Dieser Tage soll ihr Buch erscheinen.«

»Wie bitte? Von Luise erscheint ein Buch?« Rainer schien einigermaßen überrascht.

Ambros nickte. »Ja, über Wildkräuter, ihre Standorte, wogegen sie helfen und wie man sie gescheiterweise einsetzt.«

»Da schau her…!«

»Haben S’ net letztens gesagt, daß Sie aus Stuttgart sind?«

Rainer nickte. »Ja, da komm’ ich her. Warum fragen Sie?«

»Weil ein Stuttgarter Verlag das Buch herausbringt. Fragen S’ die Luise mal, aber sagen S’ ihr besser net, daß ich Ihnen davon erzählt hab’. Sie mag nämlich net darüber reden.«

»Großvater…?«

»Ja?«

Aus dem Haus rief eine sehr angenehme weibliche Stimme, und kurz darauf kam Mizzi zu ihnen heraus.

»Grüß Gott…!« Sie nickte Rainer freundlich zu.

»Hallo«, erwiderte der.

»Das ist meine Enkelin«, machte Ambros die beiden miteinander bekannt. »Der Herr ist Urlauber im Bergerhof. Er war letztens mit anderen hier. Die Luise…!«

»Ich weiß«, sagte Mizzi, wobei sie Rainer aufmerksam musterte. Dann räusperte sie sich. »Was… was wollen S’ denn heut’ hier? Heut’ ist Ruhetag. Hat das die Luise net gesagt?«

»Ich hab’ nicht mit der Luise darüber gesprochen, daß ich heut’ noch mal her möcht’.« Rainer räusperte sich. »Entschuldigen S’ meine Unhöflichkeit, ich hab’ mich bei Ihnen noch gar nicht vorgestellt, ich heiße Rainer Bald.«

»Der Herr Bald ist aus Stuttgart«, sagte Ambros Kramer. »Aber von Luises Kräuterbuch weiß er nix.«

»Das muß er ja auch net«, erwiderte Mizzi, »nur weil wer aus Stuttgart ist, muß er net wissen, daß von der Luise ein Kräuterbuch veröffentlicht wird.«

»Was machen S’ denn beruflich?« Ambros sah Rainer neugierig an.

»Aber, Großvater…!«

»Lassen S’ nur«, sagte Rainer, »das ist schon in Ordnung. Ich bin Informatiker und entwickle Software.«

»Was entwickeln S’?« Ambros hielt eine Hand hinter eine Ohrmuschel, als ob er nicht richtig verstanden hätte.

»Software«, antwortete Rainer. »Das sind Programme für einen PC, damit der das tut, was man selbst möchte.«

»Sie… Sie haben Informatik studiert?« Mizzi hatte ausgesprochen schöne Augen, mit denen sie Rainer aufmerksam ansah.

Der nickte. »Ja, in Erlangen.«

»Oje«, murmelte Mizzi, »das hätt’ ich auch gern. Leider ging’s bei mir nicht.«

»Wieso nicht…?«

»Es würd’ zu lang’ dauern, um das zu erklären«, antwortete das hübsche Mädchen, »aber… ich mein’, vielleicht könnten S’ mir was erklären bei meinem PC. Ich versuch’ schon die ganze Zeit, mir selbst ein Programm zu schreiben, nach dem ich arbeiten kann, aber ich schaff’s einfach net.«

»Um was geht’s denn?«

Mizzi bekam rote Ohren und winkte ab. »Ach, lassen S’ mal, irgendwann komm’ ich schon zurecht damit.«

»Ich wär’ Ihnen gern behilflich.«

»Schon, aber Sie sind schließlich im Urlaub da.«

Rainer wiegelte den Kopf. »Gar so sicher bin ich mir im Moment da nicht.«

»Dann… dann sind Sie der…?« Mizzis Gesicht war inzwischen rot wie eine Tomate. »Oje…!« Sie schloß die Augen, weil sie verraten hatte, daß sie mit wem aus dem Bergerhof über Rainer geredet hatte.

Doch der lachte. »Ja, ich bin derjenige welcher. Biggi und ich, wir sind zwar zusammen hergekommen, was jedoch der totale Blödsinn war. Wir sind auseinander. Vielleicht seh’ ich deswegen zu, daß ich morgens immer rasch wegkomm’.«

»Das tut mir leid«, murmelte Mizzi.

»Muß es nicht«, erwiderte Rainer. »Im Gegenteil, freuen S’ sich mit mir, daß sich das Problem so einfach gelöst hat. Es war wirklich kein Tun mehr.«

»Die Luise und ich, wir… also wir haben nicht über Sie geredet«, meinte Mizzi richtigstellen zu müssen.

»Hören S’ auf«, sagte Rainer, »Und wenn es so wär’, dann wär’ es vollkommen in Ordnung. Die Luise ist immerhin unfreiwillig Zeuge meiner Auseinandersetzung mit Biggi geworden. Daß sie dann ihrem Herzen schon mal Luft machen muß, das ist total verständlich.«

Einen Moment war es still, dann sagte Mizzi: »Wenn S’ schon mal hier sind, könnt’ ich Ihnen ja was zu trinken anbieten. Was mögen S’ denn?«

»Eine Apfelsaftschorle, ist das möglich?« fragte Rainer.

»Na klar«, Mizzi nickte, dann zeigte sie zu einigen Bänken und Tischen. »Nehmen S’ inzwischen Platz, ich bin gleich wieder zurück.«

Als Mizzi im Haus verschwunden war, kam ihr Großvater zu Rainer. Es hatte den Anschein, als habe der Alte nur darauf gewartet, mit Rainer alleine zu sein.

»Es wär’ mir sehr daran gelegen«, sagte er, »wenn S’ der Mizzi das erklären, was sie net verstanden hat an ihrem Computer. Also ich zahl’ Ihnen das auch.«

Rainer winkte ab. »Ich will doch nicht bezahlt werden. Wenn Mizzi es zuläßt, dann will ich ihr ja helfen, aber sie mag nicht recht.«

»Sie ziert sich schon mal ein bissel«, erwiderte der Großvater. »Warten S’ einfach eine passende Gelegenheit ab, dann können S’ sie ja noch mal fragen.«

Kurz darauf brachte Mizzi die Schorle und nahm bei Rainer Platz, der sich unter einige alte Obstbäume auf die Wiese gesetzt hatte.

»Welche Art von Software entwickeln S’ denn?« fragte sie nach einer Weile.

Rainer erklärte es. »Wir arbeiten vor allem für mittelständische Unternehmen und versuchen deren Logistikprobleme zu vereinfachen.«

»Wie man ein Programm für einen kleinen Gasthof schreibt, dessen Enkelin unbedingt möcht’, daß sie die ganze Buchhaltung und alle anderen anfallenden schriftlichen Dinge mit einem Programm erledigen kann, verstehen S’ das auch?« Mizzi sah Rainer mit ihren wunderschönen dunklen Augen an.

Nachdem er bei seinem vorigen Besuch einmal zufällig in der Küche gelandet war und dabei Mizzi gesehen hatte, hatte er immer wieder an das zierliche Mädchen denken müssen. Nur einen kurzen Blick hatten sie gewechselt, doch der hatte genügt, um ihr Bild immer wieder vor Rainers Augen erscheinen zu lassen.

Rainer lächelte. »Kommen S’ schon und zeigen S’ mir, was Sie möchten.«

Mizzi stand auch auf. »Sie dürfen aber nicht lachen. Ich würd’ es gern besser können, leider klappt es aber nicht so, wie ich es möcht’.«

»Oft ist es nur ein ganz kleiner Schritt«, erwiderte Rainer, »der einem dann die ganze Bühne öffnet, und man kommt dann ganz alleine weiter.«

»Wenn S’ mir den Schritt vielleicht zeigen würden?« Mizzis zaghaftes Lächeln verzauberte Rainer aufs neue.

Er nickte und meinte, er werde es versuchen.

Der PC stand in Mizzis Zimmer, das sie vorhin, als sie die Schorle geholt hatte, wohl rasch ein wenig aufgeräumt hatte. Das war wohl der Grund gewesen, warum sie nach ihrer Frage, ob Rainer ihr helfen könne, dessen Hilfeangebot abgelehnt hatte.

»Da schaut’s ein bissel wild aus«, sagte sie dann auch um Entschuldigung bittend, »aber ich komm’ einfach nicht dazu, aufzuräumen. Ich komm’ eh zu nichts außer in der Küche zu stehen und das zu kochen, was Clemens Haubner mir aufgetragen hat.«

»Das Essen letztens bei Ihnen war sensationell«, erwiderte Rainer.

»Echt…?« Mizzi sah ihn mit großen Augen an.

Rainer nickte. »Besser hab’ ich nie gegessen.«

Mizzi lachte. »Dabei wollt’ ich nie in eine Küche. Weder beruflich nicht und privat auch nicht.«

»Und wie sind Sie dann hineingekommen?«

»Wie schon?« Mizzi zuckte mit den Schultern. »Der Großvater hatte das Lokal eröffnet, womit er sich einen Jugendtraum erfüllt hatte. Als ich ihm sagen wollte, daß ich studieren wolle, hat er mich mit seinen treu dreinschauenden Augen so bittend angesehen, daß ich erst gar nichts davon gesagt hab’.«

»Und dann haben S’ kochen gelernt?«

»Ich hab’ in Garmisch das Hotelfach erlernt«, antwortete Mizzi, »und bin dabei in Mittenwald dann Clemens Haubner begegnet.«

»Und bei dem lernen S’ jetzt die feine Küche…!«

Mizzi wiegelte den Kopf. »Ich würd’s anders ausdrücken. Ich lern’, wie man mit ganz einfachen Mitteln die natürlichen Lebensmittel schmackhaft auf den Tisch bringt.«

Rainer sah Mizzi an und wußte, daß er dabei war, sich in sie zu verlieben. Er wußte auch, was ihn an ihr so faszinierte, nämlich ihre natürliche und unbefangene Art. Wie sie redete, wie sie sich bewegte, alles wirkte offen und überhaupt nicht gekünstelt.

Rainer merkte ein wenig spät, daß er sie ein klein wenig zu lange angesehen hatte, weshalb er verlegen lächelte, auf den PC zeigte und fragte: »Darf ich…?«

»Logisch«, antwortete Mizzi.

Rainer setzte sich, schaltete den PC ein und drückte einige Tasten. Der Bildschirm zeigte wechselnde Bilder und Rainer fragte, ob Mizzi unbedingt auf einem selbstentwickelten Programm arbeiten wolle, oder ob es auch ein bestehendes Programm sein dürfe?

»Gibt’s das denn?« fragte sie.

Rainer nickte. »Ja, das gibt es.«

»Das ist sicher sehr teuer…?«

»Nicht, wenn ich es Ihnen auf der Festplatte installiere.«

»Das ist doch verboten«, sagte Mizzi, »die Urheberrechte müssen doch gewahrt werden.«

»Wenn die Urheberrechte bei mir liegen«, sagte Rainer, »dann müssen S’ nicht damit rechnen, daß wer dumme Fragen stellt.«

Mizzi sah Rainer daraufhin lange an. Er arbeitete konzentriert und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Nach etwa zwanzig Minuten atmete er tief durch und meinte: »Also jetzt können S’ theoretisch damit arbeiten. Ich hab’ das Programm auf einer CD gesichert, so daß Sie es jederzeit aufrufen können.«

»Im Ernst…?«

Rainer nickte. »Ja, schon, aber es ist natürlich nicht das, was möglich ist. Wenn Sie wollen, komme ich in ein paar Tagen, wann auch immer Sie wollen, vorbei und beschäftige mich mal ein bissel länger damit. Dann hab’ ich meine eigene Software hier. Sie sagen mir ganz genau, was Sie mit dem Programm alles anstellen wollen, dann könnten S’ auch damit arbeiten.«

Mizzi lächelte. »Das ist echt nett von Ihnen. Aber ich kann das gar nicht annehmen. Sie sind hier in Urlaub und…!«

»Lassen S’ mal meinen Urlaub aus dem Spiel«, erwiderte Rainer. Dann lächelte er. »Und ich tu’s nicht nur Ihnen zum Gefallen.«

»Wie meinen S’ das?«

»Ganz einfach«, antwortete Rainer, »ich find’ Ihre Gesellschaft äußerst angenehm…!«

*

Daß Ulla und Jürgen frisch verheiratet und verliebt waren, sah man ihnen überdeutlich an. Wo es ging, turtelten sie miteinander, ständig waren sie beisammen und nicht ein böses oder gereiztes Wort war zwischen ihnen zu hören.

Anders bei Biggi. Die giftete, wo sie konnte, und da Rainer sich so weit wie möglich von ihr entfernte, suchte sie sich andere, wo sie ihr gereiztes Mütchen kühlen konnte. Inzwischen hatte sie sich Josie als Angriffsobjekt ausgesucht.

»Wenn du was mit Rainer anfangen willst«, herrschte sie Josie beim Frühstück an, »dann kannst du mich ja fragen, wie du es am gescheitesten anstellst. Ich hab’ da schließlich reichlich Erfahrung mit ihm.«

Rainer war nicht zum Frühstück erschienen, doch Ulla und Jürgen saßen am Tisch und mußten mit anhören, was Biggi von sich gab.

Josie reagierte ganz ruhig. Sie aß ihren Semmel zu Ende und stand dann auf. Die anderen, inklusive Biggi, meinten, sie wolle einer Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Doch Josie lächelte Biggi freundlich an.

»Ich würde dich nur bei sehr wenigen Dingen um Rat fragen«, sagte sie dann, »aber nicht, wie man einen Mann an sich fesseln kann.« Dann wiegte sie ihren Kopf. »Wie man einen Mann rasch, nachhaltig und auf sehr häßliche Art und Weise vergrault, da würd’ ich dich um Rat fragen, denn das Problem hast du wirklich erstklassig gelöst.«

Biggi saß da, hatte einen knallroten Kopf, doch bevor sie antworten konnte, hatte Josie die alte Gaststube verlassen, wo sie bisher gemeinsam gefrühstückt hatten.

Josie wollte an jenem Tag nach Oberstdorf fahren, um sich dort ein wenig umzuschauen. Sie sah auf die Uhr, weil sie mit dem Bus fahren mußte, schließlich war sie mit Ulla und Jürgen hergekommen und denen wollte sie nicht dauernd auf der Pelle hängen.

»Grüß Gott, Josie…!« Luise lächelte freundlich.

»Hallo, Luise«, erwiderte Josie.

»Kennst du den Sebastian Heller?« wollte Luise wissen.

Josie erschrak. »Ja, den Sebastian kenn’ ich. Wieso fragst du, was ist mit ihm?«

»Er hat angerufen«, antwortete die Seniorchefin des Bergerhofs. »Ich soll dir liebe Grüße bestellen und ausrichten, daß er auf dem Weg herauf ist. Er müßt’ bald da sein.«

»Sebastian kommt herauf?« Josies Stimme klang erstaunt. Damit hatte sie offensichtlich nicht gerechnet.

»Ja, wenn ich ihn richtig verstanden hab’, dann will er irgendwohin mit dir…!« Luise lächelte. »Er ist ein netter Bursch.«

Josie nickte. »Ja, ein sehr netter…!«

»Dann mal viel Vergnügen«, wünschte Luise. Sie zeigte mit einer Kopfbewegung in Richtung der alten Gaststube. »Wie ist die Stimmung?«

Josie zog die Augenbrauen hoch. »Biggi giftet, Ulla und Jürgen turteln, einen größeren Gegensatz kann’s nicht geben.«

»Und Rainer…?«

Josie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wo er ist.«

»Geschlafen hat er hier…!«

»Dann muß er schon zeitig aufgestanden sein. Hat er vielleicht vor uns gefrühstückt?«

Luise schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht.«

»Wie kommt er denn immer von da weg?« wollte Josie wissen. »Ich wollt’ heute zum Beispiel nach Oberstdorf und muß mit dem Bus fahren.«

Luise schmunzelte. »Wenn der Heller-Sebastian nicht angerufen hätt’.«

»So ist es«, bestätigte Josie.

Luise zeigte in Richtung Parkplatz. »Und da ist er auch schon. Ich wünsch’ dir und dem Sebastian einen schönen Tag.«

»Danke«, erwiderte Josie, »ich weiß gar nicht, was er vorhat. Ich hab’ gemeint, er wär’ für ein paar Tage in München.«

Luise lächelte. »Wenn man jung und verliebt ist, dann gibt’s öfter schon mal Änderungen im Konzept.«

Josie wirkte einen Augenblick verlegen, doch dann lachte sie.

»Wo du Recht hast«, sagte sie, »da sollt’ man dir nicht widersprechen.«

Während Josie nach draußen ging, um Sebastian zu begrüßen, betrat Luise die alte Gaststube. Alle anderen Gäste frühstückten in der kleinen Gaststube des Anbaus, nur die Stuttgarter zogen es vor, in der alten Gaststube zu frühstücken.

Daß die Stimmung gereizt war, spürte Luise, kaum daß sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

»Na, ihr Lieben…?« Sie lächelte in die Runde.

Biggi drückte ihre Zigarette in einer Untertasse aus, obwohl ein Aschenbecher gleich daneben stand. Dann sah sie Luise provozierend an. Doch die tat so, als habe sie nichts gesehen und fragte, was für den Tag geplant sei?

»Ich würd’ am liebsten abreisen.« Biggis Stimme klang inzwischen anders als vorher, weniger aggressiv, eher resignierend.

»Das mußt du wissen«, erwiderte Luise. »Ich kann dich nicht halten.«

Daraufhin preßte Biggi die Lippen aufeinander, stand auf und ging zur Tür. »Dann kann ich ja gleich packen.« Augenblicke später schlug die Tür hinter ihr ins Schloß.

»Oh, oh…!« Luise wiegelte den Kopf. »Das ist keine gute Stimmung.«

Ulla schüttelte den Kopf. »Ich kann Biggi nicht verstehen. Sie vermiest uns noch allen den Urlaub. So ist sie sonst nicht. Ich kenn’ sie schon ziemlich lange, wir haben zusammen studiert und unterrichten an der gleichen Schule. Diese Biggi ist mir völlig fremd geworden. Ich hab’ keine Ahnung, was da passiert ist.«

»Tja«, murmelte Jürgen, »wenn es einem nicht gut geht, dann zeigen sich oft erst Charakterzüge, die man vorher gar nicht kannte.«

»Welcher Art ihre Probleme mit Rainer sind, wißt ihr nicht?« fragte Luise.

»Wir ahnen sie«, antwortete Ulla.

»Dann muß ich euch ja nichts mehr sagen«, erwiderte die Seniorchefin des Bergerhofs.

*

Sebastian war abends nach München gefahren, weil er, obwohl Semesterferien waren, am nächsten Tag an der Uni zu tun hatte. Doch schon in der Nacht hatte er beschlossen, ins Allgäu zurückzukehren, denn er fand einfach keinen Schlaf, weil er ständig an Josie denken mußte.

Daß er verliebt sein könnte, kam ihm nicht in den Sinn, vielmehr meinte er, Josie nahe zu stehen, weil sie seine Bilder so mochte. Erst seine Mutter weckte diesen Gedanken in ihm.

Als er ganz zeitig in der Früh wieder nach Hause kam, sah die ihn erstaunt an.

»Da schau her«, sagte sie, »der Herr ist schon wieder da. Könnt’ es sein, daß wir uns verliebt haben?«

»Verliebt?« wollte Sebastian wissen, obwohl er, als seine Mutter die Frage gestellt hatte, sofort wußte, wen sie meinte, »in wen…?«

»Jetzt tust aber arg dumm«, erwiderte seine Mutter. »Dir schaut die Verliebtheit doch aus allen Knopflöchern. Was man gut verstehen kann, wenn man die Josie sieht.«

»Sieht man es mir wirklich an?«

Johanna Heller lachte. »Und wie…!«

Da atmete Sebastian tief durch. »Ich werd’ im Bergerhof anrufen, weil ich mit Josie was unternehmen möcht’. Du könntest recht haben mit deiner Vermutung, daß ich mich verliebt hab’.«

»Seit Hanna das erste Mal wieder«, erwiderte seine Mutter.

Sebastian nickte. »Ich hab’ auch eben grad’ daran gedacht.«

»Dann hast du sie jetzt endgültig vergessen?« Johanna Heller sah ihren Sohn aufmerksam an.

Der schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Ich werd’ Hanna nie vergessen.«

»Das mein’ ich ja auch gar nicht«, antwortete seine Mutter, »ich meine, daß du deinen Kopf frei hast für ein anderes Madel. Und das hast du…!«

Sebastian nickte. »Das könnte sein.«

Seine Mutter fuhr ihm mit einer zärtlichen Geste über den Kopf.

»Ruf Josie an«, sagte sie dann, »sie ist ein wirklich nettes Mädchen.«

Nicht viel später kam Sebastian in die Küche, wo seine Mutter den Frühstückstisch bereits gedeckt hatte.

»Und?« fragte sie. »Was hat sie gesagt?«

»Ich hab’ mit Luise gesprochen«, antwortete Sebastian. »Sie richtet Josie aus, daß ich in etwa anderthalb Stunden da bin.«

»Und dann…?«

»Werd’ ich herausbekommen, ob ich verliebt bin, oder ob mich nur ihr Interesse an meinen Bildern so anspricht.« Sebastian lächelte. »Mit Nachnamen heißt sie übrigens Marker.«

»Und…?«

»Sagt dir der Name nichts?«

»Nein«, Johanna Heller schüttelte den Kopf, »sollte er mir denn was sagen?«

»Bernhard Marker…! Nein?« Sebastian sah seine Mutter fragend an.

Die schüttelte erneut den Kopf. »Keine Ahnung, ich hör’ den Namen zum ersten Mal.«

»Da irrst du dich…!«

»Wieso?«

»Professor Bernhard Marker…!«

Daraufhin starrte Johanna ihren Sohn benommen an.

»Du meinst diesen Professor von der Düsseldorfer Akademie?« fragte sie. »Willst du mir etwa sagen, daß Josie was mit ihm zu tun hat?«

»Sie ist seine Schwester…!« Sebastian grinste.

»Das darf nicht wahr sein«, murmelte seine Mutter.

»Ist es aber«, sagte Sebastian, dann stand er auf. »Ich werd’ noch rasch duschen, dann fahr’ ich.«

»Ist recht, Bub«, seine Mutter lächelte, »bestell der Josie liebe Grüße und der Luise und der Heidi auch, falls du sie sehen solltest. Du könntest Josie heut’ abend wieder mitbringen. Ich würd’ wieder was Nettes kochen.«

»Mal sehen«, erwiderte Sebastian, »versteif’ dich aber nicht darauf. Möglicherweise bleib’ ich auch lange weg.«

»Ist schon recht, Bub«, sagte seine Mutter, »einen schönen Tag wünsch’ ich euch…!«

Josie fiel Sebastian um den Hals, als sie aus dem Bergerhof trat, wo er gerade aus dem Wagen gestiegen war.

»Hallo«, sagte sie und man sah ihr an, wie sehr sie sich freute, Sebastian zu sehen.

»Hallo«, erwiderte er. Daß Josie ihn so lieb begrüßen würde, damit hatte er nicht gerechnet.

»Bist du aus München geflohen…?« Josie strahlte. »Ich freu’ mich jedenfalls riesig.«

»Ich… ich hab’ nachts wachgelegen«, antwortete Sebastian, »und… na ja«, er lachte verlegen, »also ich hab’ pausenlos an dich denken müssen. Da war’s doch gescheiter, gleich herzukommen, oder?«

»Da hast du sehr klug gehandelt.« Übermütig küßte Josie Sebastian auf beide Wangen.

»Hast du heut’ schon was vor?« fragte der.

»Ich wollt’ mir Oberstdorf anschauen…!«

»Das können wir doch zusammen tun«, schlug Sebastian vor. »Ich zeig dir Oberstdorf, und nachher gehen wir irgendwo schick essen oder, ich hätt’s fast vergessen, wir nehmen die Einladung meiner Mutter an. Die hat nämlich gesagt, wenn wir möchten, würd’ sie heut’ abend wieder was Nettes für uns alle kochen.«

»Deine Mutter ist lieb«, sagte Josie, »wegen mir können wir ihre Einladung gerne annehmen.«

»Und jetzt fahren wir nach Oberstdorf?« Sebastian sah Josie fragend an.

Die hakte sich bei ihm ein und nickte. »Ja, tun wir. Und wenn du morgen Zeit hast, dann kannst mir auch noch das Kleinwalsertal zeigen…!«

»Ich zeig dir noch viel mehr«, erwiderte Sebastian, »wenn du willst, dann zeig’ ich dir die ganze Welt…!«

*

»Du…!« Ambros Kramer stand mit Mizzi in der Küche und zeigte nach draußen. »Er ist schon wieder da…!«

»Wer…?«

Ambros grinste. »Als wenn du das net wüßtest.«

»Du… du meinst den Rainer Bald?«

»Sicher mein’ ich ihn.«

Mizzi wischte sich die Hände ab. »Er wollt’ mir auf meinem PC was zeigen.«

Das Lächeln war aus dem Gesicht ihres Großvaters nicht verschwunden, als er sagte: »Ich glaub’, der Bursch kommt hauptsächlich wegen was anderem.«

»Da schau her…!« Mizzi tat erstaunt.

»Du weißt, was ich meine, oder?« Ihr Großvater sah sie aufmerksam an.

Mizzi zögerte einen Moment, dann nickte sie. »Ja, ich weiß, was du meinst.«

»Dann ist dir also auch aufgefallen, wie er dich angeschaut hat…!«

»Ja, es ist mir aufgefallen.«

»Und? Sonst sagst nix dazu?«

»Was soll ich dazu sagen?«

»Zum Beispiel, ob du ihn nett findest.«

Mizzi nickte. »Ich find’ ihn nett.«

»Herrschaftszeiten, Mizzi, laß dir doch net jedes Wort einzeln abringen. Sag schon, was du meinst.«

»Daß man sein Schauen und sein Interesse net gar so ernst nehmen darf.«

»Und warum net?« Ambros Kramer sah seine Enkelin aufmerksam an.

»Weil die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin erst vor ein paar Tagen zu Ende gegangen ist«, antwortete die. »Wenn das passiert, dann sind Männer schon mal sehr orientierungsbedürftig.«

»Du willst damit sagen, daß er nur nach dir schaut, weil der Platz an seiner Seite nimmer besetzt ist?«

Mizzi nickte. »Das ist immerhin wahrscheinlich.«

Ihr Großvater schüttelte den Kopf. »Das ist Blödsinn. Ich versteh’ zum Beispiel net, warum du immer noch ohne männlichen Begleiter bist. Auch wenn du net meine Enkelin wärst, ich würd’ das gleiche sagen wie jetzt.«

»Was sagst du denn…?«

»Daß du das hübscheste Madel bist, das ich kenn’…!«

Mizzi winkte ab. »Großväter sehen das immer durch eine rosarote Brille.«

»Er ist jetzt lang genug auf der Stell’ herumgetreten«, sagte Ambros Kramer, »gehst du ihn jetzt begrüßen, oder soll ich das übernehmen?«

»Ich geh’ schon«, erwiderte

Mizzi, aber wie sie es sagte, klang es nicht, als ob sie sich freue, daß Rainer Bald schon wieder da war.

»Hallo«, begrüßte er sie, wobei er Mizzi mit einem zärtlichen Blick ansah.

Die bekam das natürlich mit, wollte erst ablehnend reagieren, doch dann lächelte sie zurück.

»Hallo«, sagte sie, »schon wieder da?«

Rainer zuckte mit den Schultern. »Ja, aber wenn es Sie stört, dann geh’ ich auch wieder.«

Mizzi überlegte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf.

»Nein, nein, ich würd’ nur gern was klarstellen«, sagte sie.

Rainer nickte. »Gern, was denn?«

»Das… das ist ein bissel schwierig zu sagen«, erwiderte Mizzi. »Aber egal, es muß wohl gesagt werden.«

Rainer sah Mizzi neugierig an, er schien nicht zu ahnen, was auf ihn zukam.

»Es kann durchaus sein, daß ich falsch liege«, sagte sie, »und wenn es so ist, dann ist nichts verloren, wenn ich was sag’. Aber wenn es so ist, dann muß es gesagt werden.«

»Was muß gesagt werden…?«

»Falls Sie versuchen wollten, mit mir… wie soll ich es sagen, also falls Sie bei mir landen wollen, dann…«, Mizzi zuckte mit den Schultern, »sorry, ich müßt’ jetzt schon, quasi im Vorfeld was dagegen tun.«

Rainers Mimik war nicht zu entnehmen, wie er Mizzis Ansprache auffaßte.

Deshalb legte sie noch mal nach.

»Es tut mir leid«, sagte sie, »offensichtlich hab’ ich mich geirrt. Aber verstehen S’ mich nicht falsch, aber ich mag nun mal keine Lücken schließen.«

Rainer zog die Augenbrauen hoch. »Wie soll ich das verstehen?«

Mizzi spürte plötzlich, wie dünn das Eis war, auf das sie sich begeben hatte.

»Ich glaub’, ich hab’ mich total vergaloppiert«, murmelte sie. »Ich wollte sagen, daß ich die Lücke, die Ihre Freundin bei Ihnen sicher hinterläßt, nicht schließen möchte.«

Rainer stand stocksteif da, einen Augenblick schien es, als ob er sich umdrehen und wieder gehen würde. Doch dann besann er sich und tat so, als sei nichts geschehen.

»Ich hab’ mir die Software per Express schicken lassen«, sagte er, wobei er tat, als sei das vorher Geredete nicht geredet worden, »und wenn Sie noch immer möchten, dann bereit’ ich Ihnen den PC so vor, daß Sie gescheit arbeiten können. Es ging, wenn ich mich recht erinnere, um die Buchhaltung, die Kontoführung, den Einkauf, und alles, was sonst mit der Führung eines Betriebes wie den Ihren zu tun hat. Ist es so?«

Mizzi hatte den Blick nicht von Rainer gelassen. Ihr Nicken kam ein wenig spät. »Ja, so ist es.«

»Dann vervollständige ich das Programm, das ich Ihnen letztens installiert habe«, sagte Rainer, »und lasse Ihnen die CD mit dem professionellen Programm da. Sie können es dann jederzeit überspielen und auswählen, mit welcher Software Sie arbeiten wollen.«

Mizzi nickte. Sie hatte plötzlich ein nicht beschreibbares Gefühl. Am liebsten hätte sie zu Rainer gesagt, daß er alles vergessen solle, was sie kurz zuvor zu ihm gesagt hatte.

Aber dann nickte sie nur und ging voran in ihr Zimmer. Dort zeigte sie auf den PC und meinte, Rainer kenne sich ja aus. Wenn er was benötige, sie sei in der Küche.

Während Rainer auf dem Hocker am PC-Pult Platz nahm, ging Mizzi wieder nach unten.

»Und?« Ihr Großvater sah sie fragend an.

»Er sitzt am PC und installiert das Programm, mit dem ich dann alles Geschäftliche für uns erledigen kann.«

»Du schaust net aus, als wärst du glücklich darüber«, sagte Ambros Kramer.

»Bin ich auch nicht«, murmelte Mizzi.

»Wieso net?« Ihr Großvater sah sie fragend an.

»Ich glaub’, ich hab’ eben totalen Blödsinn geredet…!«

»Wieso? Was hast denn gesagt?«

»Daß ich keine Lückenbüßerin sein möcht’«, antwortete Mizzi.

»Aber das stimmt doch, oder?«

»Sicher stimmt es…!«

»Was war denn dann falsch?«

»Alles«, murmelte Mizzi, »der Zeitpunkt, wie ich es gesagt hab’, und was ich gesagt hab’. Alles war vollkommen falsch. Wie konnt’ ich nur so blöd sein?«

»Das versteh’ ich jetzt

net…!«

»Ich versteh’s ja selbst net«, murmelte Mizzi, dann band sie sich ihre Schürze wieder um und putzte weiter Gemüse, das sie in der Früh von einem Händler bezogen hatten.

Nach zwanzig Minuten, in denen sie keinen Ton von sich gab, was ihren Großvater wunderte, denn Mizzi redete sonst oft pausenlos, band sie sich die Schürze wieder ab.

»Ich… ich geh’ mal nach ihm schauen«, sagte sie.

»Willst du sagen, daß du es net so gemeint hast?« wollte ihr Großvater wissen.

Mizzi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich würd’s schon gern, aber ich werd’s sicher nicht schaffen.«

»Was willst du dann bei Rainer Bald…?«

»Ich frag’ ihn, was ich ihm zu trinken bringen soll«, erwiderte Mizzi.

»Damit rettest du dich vielleicht eine halbe Stund’ über die Runden«, sagte ihr Großvater. »Gescheit wär’, wenn du aus der Welt schaffst, was deiner Ansicht nach net stimmt.«

Mizzi nickte. »Du hast recht.« Dann verließ sie die Küche und ging nach oben in ihr Zimmer.

Als sie wenige Augenblicke später schon wieder zurück kam, wirkte sie verstört, und man sah ihr an, daß es ihr gar nicht gut ging.

»Was ist denn los?« Der Blick ihres Großvaters drückte seine Besorgnis überdeutlich aus.

»Er… ich meine Rainer…!«

»Was ist mit ihm?«

»Er ist weg.«

»Was heißt, er ist weg?«

»Daß er nimmer droben ist«, antwortete Mizzi. »Die CD liegt oben, der PC ist ausgeschaltet, aber Rainer ist weg.«

»Oje«, murmelte der alte Ambros, während er das Gesicht verzog, »das hört sich gar net gut an.«

»Wie meinst du das…?«

»Rainer scheint getroffen zu haben, was du zu ihm gesagt hast«, antwortete ihr Großvater. »Vielleicht hat’s ja net so ausgesehen, aber er scheint genau deswegen hier gewesen zu sein, weswegen du ihn angesprochen hast. Oder…?«

Mizzi schloß die Augen und nickte. »Ja, so scheint es zu sein. Und ich arrogante Göre geh’ hin und schick’ ihn weg. Nur weil ich gemeint hab’, ich müßt’ irgendwas Intelligentes sagen.«

»Das versteh’ ich jetzt net so ganz«, erwiderte ihr Großvater. »Wenn du doch nix für ihn empfindest, dann ist doch nix verloren. Es ist dann schon besser, wenn im Vorfeld geklärt wird, was später zu Komplikationen führen kann.«

Mizzi stand da und sagte nichts zu dem, was ihr Großvater gesagt hatte. Einen Moment starrte sie gedankenverloren aus dem Fenster, dann nahm sie ihre Arbeit wortlos wieder auf.

*

Als Mizzi Rainer in ihrem Zimmer mit dem PC alleine ließ, saß der wie aus Stein gemeißelt eine ganze Weile auf dem Hocker und starrte ins Leere. Daß Mizzi ihm derart schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln nahm, berührte ihn außerordentlich, denn erstens hatte er damit nicht gerechnet und zweitens fühlte er sich ertappt.

Ihm war zwar nicht bewußt gewesen, wie sehr man ihm ansah, daß er Mizzi mochte, doch daß man ihm sozusagen im Vorhinein schon einen Korb gab, das war ihm bisher noch nicht passiert und er hatte auch noch nicht davon gehört.

Plötzlich fühlte er sich völlig fehl am Platz. Deshalb ergänzte er rasch seine Arbeit von Tagen vorher, installierte sie auf der Festplatte, legte die CD, die das Programm enthielt, das er für mittelständische Unternehmen geschrieben hatte, neben den PC und stand auf.

Zuerst wollte er noch in der Küche bei Mizzi und ihrem Großvater vorbeigehen, doch dann entschied er anders und verließ die alte Lohmühle durch einen zweiten Ausgang; nicht viel später war er auf dem Rückweg aus dem Weißbachtal zurück zum Bergerhof.

Dabei tat er keinen Schritt, bei dem er nicht an Mizzi dachte. Unterwegs, beim Übergang vom Weißbach- ins Grottental, stand eine Bank, die einen einmalig schönen Ausblick in die Allgäuer Berge bescherte. Dort setzte Rainer sich hin und fing an zu träumen.

Rainer hatte, als er Biggi kennenlernte, davon geträumt, mit ihr sein Leben zu gestalten. Erst später war ihm bewußt geworden, daß dieses Wünschen nicht sonderlich tief verwurzelt gewesen sein konnte, denn er hatte seine eigene Wohnung nie aufgegeben, obwohl Biggi öfter vorgeschlagen hatte, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen.

Rainer ertappte sich dabei, wie er von Mizzi zu träumen begann. Er sah sie lachend auf ihn zukommen, sah ihre wunderschönen Augen und einen verheißungsvollen Blick.

Seine Mutter war sehr früh gestorben, und er hatte lange bei seiner Großmutter gelebt, die aber auch kränkelte, weshalb er schließlich bei Tante Berta gelandet war, die in Stuttgart ein sehr schönes Anwesen besessen hatte.

Tante Berta war die jüngere Schwester seiner Großmutter und gleichzeitig eine weltoffene Frau gewesen, die sich, solange Rainer sie kannte, mit Kartenlegen und dergleichen beschäftigt hatte.

»Du wirst mal ein wunderschönes Mädchen kennenlernen«, hatte sie ihm prophezeit. »Sie wird dein Leben nachhaltig beeinflussen. Aber du mußt aufpassen, daß du die richtigen Entscheidungen triffst, denn anfangs meinst du nicht, daß sie mal dein sein wird.« Dann hatte Tante Berta gelächelt und gesagt: »Aber du wirst den passenden Weg schon finden. Immer nur dran denken, daß du was zählst, das mußt übrigens im ganzen Leben. Buben wie du, die früh Eltern und alle anderen verloren haben, haben da schon mal ihre Probleme…!«

Als Rainer einen Lufthauch verspürte, öffnete er die Augen und kam rasch zurück in die Wirklichkeit.

Er stand auf, und während des Nachhausegehens faßte er den Entschluß, sobald wie möglich abzureisen.

»Schade«, sagte er, wobei er traurig dreinsah, »irgendwie hab’ ich das Gefühl, daß aus uns beiden was hätt’ werden können. Aber so deutlich wie du mir eine Abfuhr gegeben hast, hat es wohl keinen Sinn, wenn ich noch mal einen Versuch start’…!«

*

Als Mizzi drei Tage nichts von Rainer hörte, war sie so nervös, daß sie zu ihrem Großvater sagte, daß sie abends nicht da sein werde. Das war insofern kein Problem, weil ihrem Großvater zwei Köche zur Seite standen und die Speisenkarte so variabel gestaltet war, daß die Mizzi durchaus nicht da sein mußte, was ja, wenn sie sich in Mittenwald aufhielt, auch der Fall war.

»Dich kneift was«, sagte Ambros Kramer, »und ich weiß auch was.«

»Sieht man mir’s an?« wollte Mizzi wissen.

Ihr Großvater schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt, aber ich kenn’ dich.«

»Wenn du mich kennst, weißt du ja, wo ich heut’ am Abend hin möcht’, oder?«

Ambros Kramer nickte. »Ich schätz’ mal, du willst in den Bergerhof. Aber du wirst net direkt zu Rainer gehen, sondern deinen Besuch sonstwie verpacken.«

Mizzi lächelte. »Du kennst mich gut. Ja, ich werd’ die Steffi besuchen.«

»Dann bestell den Bergerhoferschen schöne Grüße von mir«, trug ihr Großvater Mizzi auf, »und dem Rainer kannst sagen, ich würd’ mich freuen, wenn er uns wieder mal besuchen würd’. Meinetwegen kannst ihm sagen, ich würd’ ihm was über unseren Kräutergarten erzählen.«

Mizzi lächelte. Sie ging zu ihrem Großvater und küßte ihn auf beide Wangen.

»Ich verschwind’ dann mal nach oben«, sagte sie, »wenn ich ein bissel am PC sitz’, komm’ ich vielleicht hinter Rainers Geheimnis.«

»Du meinst, ihn umgibt ein Geheimnis?«

»Jeden Menschen umgibt ein Geheimnis«, antwortete Mizzi, dann verschwand sie nach oben in ihr Zimmer.

Als sie eine Stunde später wieder herunter kam, ging sie noch mal zu ihrem Großvater in die Küche. Einer der beiden Köche, Toni hieß er, er war ein junger Bursche und hatte sich ein wenig in Mizzi verschaut, pfiff, als er sie sah.

»Mar’ und Josef«, murmelte er, »du schaust heut’ aber sauber aus. Bist auf Männerfang aus, oder warum hast dich so schick hergericht’?«

Mizzi sah in der Tat bezaubernd aus. Sie hatte ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefaßt, was ihr ausgesprochen gut stand, und sie hatte die Lippen ein wenig nachgezogen. Auf jedes weitere Make-up hatte sie verzichtet, was ihr sehr gut stand und ihre natürliche Art herausstellte.

Sie trug Designer-Jeans, die sie in München gekauft hatte, dazu eine schlichte Bluse und Schuhe mit einem flachen Absatz; alles zusammen ließ Mizzi noch einen Hauch mädchenhafter erscheinen als sonst schon der Fall war.

»Holla…!« Die Bergerhof-Heidi nickte anerkennend, als sie Mizzi im Bereich der Theke begegnete. »Du schaust vielleicht toll aus. Hast was vor?«

»Ich wollt’ ausgehen«, antwortete das hübsche Mädchen.

»Willst wen abholen?« fragte Heidi.

Mizzi nickte. »Deine Tochter…!«

»Oh…!« Damit hatte Heidi nicht gerechnet, das stand fest. »Wo willst denn hin mit der Steffi?«

»Möglicherweise ins ›Mozart‹ zu Adrian«, antwortete Mizzi. »Oder hast du was dagegen?«

Heidi zögerte, dann wiegelte sie den Kopf. »Ich weiß, daß ich kleinlich reagier’, wenn es um die Steffi geht. Aber sie ist eher noch ein Kind, denn ein Madel, das in ein paar Monaten Abitur macht.« Leise fügte sie hinzu: »Hoffentlich macht…!«

Mizzi lachte. »Ein bissel Vertrauensvorschuß wär’ net übel. Die Steffi ist ein tolles Madel, man sollt’ es ihr vielleicht ab und an auch mal sagen.«

»Du meinst, wir würden Steffi nicht genug Freiheiten geben?« Heidis Blick verriet ihre Sorge.

»So würd’ ich es net ausdrücken«, antwortete Mizzi. »Im Umgang mit ihr solltet ihr ein bissel gelassener werden. Das stärkt Steffis Selbstbewußtsein, und ihr vergebt euch nix dabei.«

»Hat sie sich über uns beschwert?«

»Nein, aber es nervt sie einiges.«

Heidi nickte. »Das… das spürt man. Ich hab’ nur so ein dummes Gefühl.«

»Wie meinst du das?«

»Als ob sie uns was verschweigen würd’…!«

»Das glaub’ ich net«, erwiderte Mizzi. »Jedenfalls nix was irgendwie exentiell wär’. Kleine Geheimnisse hat jeder, die hat sicher auch die Steffi.«

»Das mein’ ich net«, murmelte Heidi. »Ich hab’ halt so ein Gefühl, als wenn irgendeine Katastrophe ins Haus stünd’.«

»Nun mach aber mal halblang«, erwiderte Mizzi. »Was in Steffis Leben ist denn so, daß eine Katastrophe daraus entstehen könnt’? Also mir fällt da nix ein. Es sei denn, du würdest es als Katastrophe ansehen, wenn sie das Abi nicht schaffen würd’.«

Heidis Blick wurde starr, und sie wurde ein wenig blaß.

»Bei allen Heiligen«, murmelte Mizzi, »so war das doch net gemeint.«

»Du… du weißt was…! Du mußt es mir sagen.« Heidi ließ Mizzi nicht aus den Augen.

»Da ist nix zu sagen«, antwortete diese. »Du meine Güte, was soll das? Komm mal herunter. Glaubst du wirklich, ich würd’ dir was verheimlichen, wenn es was geb’, was Steffi schaden könnt? Das ist nicht dein Ernst.«

Heidi ging ein paar Schritte weiter zum Fenster und sah hinaus. Noch immer waren sie im Bereich der Theke. Es dauerte einige Momente, dann kam sie zu Mizzi zurück.

»Entschuldige«, murmelte sie, während sie sich eine Träne aus den Augen wischte, »aber ich bin im Moment nicht sehr belastbar, was Steffi angeht.«

Mizzi lächelte aufmunternd. »Ich kann’s ja irgendwie verstehen. Aber du mußt dir echt keine Sorgen machen, es ist nämlich alles in Ordnung. Jedenfalls ist mir nichts bekannt, worüber du dir irgendwie außer dem üblichen Rahmen Sorgen machen müßtest.«

»Hat… hat die Formulierung was zu bedeuten?« fragte Heidi.

Mizzi schüttelte lachend den Kopf. »Nein, hat sie nicht. Und jetzt hören wir auf damit.«

»Ist schon recht«, sagte Heidi, »die Steffi ist oben, soll ich sie herunterschicken?«

»Ich geh’ lieber noch mal hinauf zu ihr, das heißt, wenn es recht ist…!«

»Na klar ist’s recht«, antwortete Heidi, dann drückte sie Mizzi kurz an sich. »Entschuldige noch mal meine übergroße Furcht, was Steffi betrifft. Aber Luise meint halt auch, daß was im Busch ist.«

»Ihr schaukelt euch gegenseitig hoch«, erwiderte Mizzi, »da ist es kein Wunder, wenn ihr weiße Mäuse seht.«

»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Heidi, »ich wünsch’ euch jedenfalls einen schönen Abend im ›Mozart‹.«

»Danke, und mach dir keine Gedanken und sag der Luise, sie soll es auch nicht tun.«

»Ist schon recht…!« Die Bergerhof-Heidi nickte.

»Ach so, jetzt hätt’ ich’s bald vergessen.« Mizzi tat so, als sei ihr nebenbei noch was eingefallen.

»Ja?« Heidi sah sie fragend an.

»Der Rainer Bald, der wohnt doch hier, oder?«

»Ja, warum?«

»Ist er da?«

Heidi schüttelte den Kopf. »Der ist jeden Tag unterwegs. Und weißt du, was das Schönste ist?«

»Was?«

»Daß keiner weiß, wo er ist«, antwortete Heidi. »Er frühstückt nicht hier, er ißt nicht hier, er schläft mal grad’ im Bergerhof, das ist alles. Was willst du denn von ihm?«

»Er hat mir bei meinen PC was geholfen«, antwortete Mizzi, »und jetzt wollt’ ich ihn noch was fragen.«

»Da kann ich dir leider net weiterhelfen«, antwortete Heidi. »Ich könnt’ ihm höchstens einen Zettel ins Zimmer legen.«

»Würd’ den seine Freundin denn nicht wegnehmen?«

»Die beiden sind auseinander«, erwiderte Heidi. »Rainer ist schon vor Tagen aus dem gemeinsamen Zimmer ausgezogen.«

»Und sie?« fragte Mizzi, »wie hat sie darauf reagiert?«

»Oje«, antwortete Heidi, »zuerst hat sie wer weiß wie gegiftet, doch das hat sich gelegt. Inzwischen sitzt sie schon mal da und verdrückt die eine oder andere Träne.«

»Du meinst, es tut ihr

leid…?«

Heidi nickte. »Garantiert. Rainer ist nämlich ein äußerst angenehmer Mann. Das dürfte ihr inzwischen klar geworden sein. Aber jetzt ist es zu spät, da ist nix mehr zu kitten…!«

*

»Super, daß du gekommen bist.« Steffi strahlte, sie freute sich riesig, als Mizzi ihr Zimmer betrat.

»Das war versprochen, und was ich versprech’, halt ich auch«, erwiderte diese.

»Hast du noch mit der Mutti geredet?« wollte Steffi wissen. »Ich mein’, ich hätt’ euch eben kurz gehört.«

Mizzi nickte. »Ja, hab’ ich.«

»Um was ging’s denn?« fragte Steffi. »Oder darf ich das net wissen?«

»Sicher kannst es wissen«, antwortete Mizzi, »wir haben über dich geredet.«

»Wußt’ ich’s doch.«

»Deine Mutter macht sich Sorgen«, sagte Mizzi, »und ich hab’ versucht, diese Sorgen zu zerstreuen.«

»Was dir aber nicht gelungen ist.«

Mizzi wiegelte den Kopf. »Das würd’ ich so nicht sagen. Sie wünscht uns übrigens einen schönen Abend.«

»Echt?« Steffi grinste dünn. »Da ist sie aber über ihren Schatten gesprungen.«

»Na ja«, erwiderte Mizzi, »wenn du mal ihre Position überdenkst, dann kann man auch

Verständnis aufbringen. Wichtig ist, daß ihr miteinander redet und versucht, euch zu verstehen.«

Steffi lachte kurz auf. »Das endet immer damit, daß ich verstehen muß, was die Mutti und die Großmutter wollen. Mich verstehen s’ aber nicht.«

»Jetzt laß uns nimmer über ungelegte Eier reden«, schlug Mizzi vor, »laß uns lieber losziehen.«

»Wo wollen wir denn hin…?«

»Ins Café ›Mozart‹?«

Steffi nickte. »In Ordnung. Hier in der Nähe ist sonst eh nix. Da ist das ›Mozart‹ schon ganz okay.«

»Was würdest du denn vorziehen?«

Steffi zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, jedenfalls würd’ ich gern mal wohin gehen, wo ich noch nicht war.«

»Besuch mich doch mal in Mittenwald«, schlug Mizzi vor. »Mittenwald ist echt schön, nach

Garmisch ist’s nur ein Katzensprung und auch sonst ist es nett da.«

»Echt?« Steffi war sofort Feuer und Flamme. »Das wär’ ja super. Also ich würd’ glatt kommen.«

»Und ich würd’ mich riesig freuen«, antwortete Mizzi. »Wenn du magst, dann kannst sogar ein bissel bei uns helfen.«

»Helfen…?« Steffi wußte

nicht, wie Mizzi das gemeint hatte.

»Na, ein bissel zur Hand gehen halt«, erklärte diese. »Wir haben hunderte von Anfragen.«

»Anfragen? Wie soll ich das verstehen?«

»Na ja«, antwortete Mizzi, »viele wollen halt bei dem berühmten Clemens Haubner lernen. Und zwar nicht nur Kochen, sondern auch Service oder was weiß ich. Die Namen Clemens Haubner und ›Werdenfelser Stuben‹ gelten halt was in der Gesellschaft.«

»Ist das wirklich so?« Steffi sah Mizzi ungläubig an.

Die nickte. »Ja, es ist so. Was meinst du, wer bei uns alles verkehrt? Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Film und Fernsehen. Du hast keine Ahnung, was die Leute alles anstellen, um einen Tisch bei uns zu bekommen. Da hörst du manchmal die bekanntesten Showstars jammern wie die Esel.«

»Das kann ich mir gar nicht vorstellen…!«

»Oje.« Mizzi lachte. »Ich könnt’ dir da Dinge ausplaudern.«

»Erzähl mal…!« Steffi sah sie neugierig an.

Mizzi schüttelte den Kopf. »Von wegen. Eines ist in der Gastronomie ganz wichtig. Man muß verschwiegen sein. Über einen Gast plaudern heißt, ihn nicht ernst zu nehmen. Das machst du zwei oder drei mal, dann kommen keine guten Gäste mehr. Höchstens solche, die möchten, daß man über sie redet. Dann provozieren s’ irgendwas und hoffen, daß du wieder mal gesprächig bist.«

Steffi nickte. »Das versteh’ ich schon. Wer bei euch verkehrt, das sagst auch nicht?«

Mizzi verzog ein wenig das Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, auch das bleibt ein Geheimnis.«

Steffi lächelte. »Ich hätt’ nicht gedacht, daß du so konsequent bist.«

»Anders geht’s nicht«, erwiderte Mizzi. Dann sah sie auf die Uhr. »Und jetzt laß uns fahren.«

Reichlich zwanzig Minuten später betraten sie das Café in der Oberstdorfer Innenstadt.

»Viel los ist nicht heut’ abend, oder?« Mizzi sah Adrian fragend an.

Der schüttelte den Kopf. »Momentan nicht, aber in einer Stunde kann es schon ganz anders aussehen.«

»Das ist wahr«, erwiderte Mizzi. »Ist wer da, den wir kennen?«

Adrian dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, nicht, daß ich wüßt’.«

»Komm«, sagte Mizzi daraufhin zu Steffi, »laß uns irgendwo Platz nehmen. Bis wer kommt, den wir kennen, haben wir genug Gesprächsstoff.«

Die beiden waren keine fünf Schritte gegangen, da sah Steffi Rainer Bald an einem Tisch sitzen. Er hatte das Kinn aufgestützt und sah gedankenverloren aus dem Fenster.

»Du«, sagte sie zu Mizzi, die bereits einen Tisch im Visier hatte, »da vorn sitzt wer, den ich kenn’. Er macht im Moment im Bergerhof Urlaub. Der ist nett. Voriges Jahr konnt’ man gut mit ihm quatschen, dieses Jahr ist er irgendwie nicht auf der Höhe.«

Mizzi blieb abrupt stehen, als sie Rainer erkannte. Doch ein Zurückweichen gab es nicht, weil er sie im gleichen Moment sah.

»Sollen wir uns zu ihm setzen?« fragte Steffi, die keine Ahnung hatte, daß Mizzi und Rainer sich kannten.

»Hallo«, grüßte der, als die beiden Mädchen an seinem Tisch waren.

»Hallo…!« Steffi lächelte ihn freundlich an. »Das ist Mizzi, hast du was dagegen, wenn wir uns ein wenig zu dir setzen?«

Rainer schüttelte den Kopf, sein Blick war auf Mizzi fixiert. Er stand kurz auf und setzte sich erst wieder, als die beiden Mädchen Platz genommen hatten.

»Mizzi ist in einem der Nachbartäler zu Hause«, begann Steffi zu erklären, »sie arbeitet aber in den ›Werdenfelser Stuben‹ in Mittenwald und…!«

»Rainer und ich kennen uns«, unterbrach Mizzi das junge Mädchen. »Rainer war schon bei uns und… und er hat mir einiges am PC geholfen.«

»Aha…!« Steffi sah beide einen Moment an, dann stand sie auf. »Wenn ihr euch kennt, kann ich euch ja alleine lassen. Eben sind zwei Schulfreunde gekommen, ich geh’ mal zu ihnen. Okay?«

Mizzi nickte. »Geh nur…!«

Dann saßen die beiden alleine am Tisch und vermieden einmal, sich anzusehen und zweitens redeten beide kein Wort.

Bis Mizzi sich räusperte.

»Ich möcht’ mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte sie. »Was ich letztens gesagt hab’, das war ziemlich dumm und…!«

»Wieso?« Rainer schüttelte den Kopf. »Wieso war es dumm, wenn stimmte, was Sie gesagt haben? Sie haben sich Unannehmlichkeiten erspart, und das ist schließlich völlig legitim.«

Mizzi sah Rainer an, der ihrem Blick immer noch auswich.

»Es war trotzdem nicht richtig«, erwiderte sie, »ich hab’ dich nämlich verletzt. Und das wäre nicht nötig gewesen.«

Ganz unbewußt hatte sie ihn zum ersten Mal geduzt.

Rainer lachte kurz auf. »Das macht mir nichts aus. Offenbar ist es in, mich zu verletzen. Ich halt’ schon allerhand aus. Was macht das, was Sie gesagt haben, wenn ich weiß, daß mein bester Freund mit meiner Partnerin geschlafen hat? Da ist es doch quasi eine Erholung, wenn ich nicht mit mehr belastet werd’.«

»Das… das mit Ihrem Freund und Ihrer… also das hab’ ich nicht gewußt…!« Mizzi war zum Sie zurückgekehrt.

»Soll ich Ihnen was zu trinken mitbringen?« Rainer hatte sein Glas ausgetrunken und wollte zur Theke, um sich bei Adrian neu einschenken zu lassen.

Mizzi schüttelte den Kopf. Sie war völlig durcheinander, wußte nicht, was sie tun und sagen sollte.

Rainer verschwand und blieb einen Moment an der Theke stehen, als er zurückkam, brachte er sich ein Glas Whisky mit; bis dahin hatte er Wein getrunken.

»Was halten S’ denn davon«, hörte Mizzi sich sagen, »wenn wir beide so tun, als würden wir uns jetzt grad’ kennengelernt haben?«

Rainer zuckte mit den Schultern. »Wozu soll das gut sein?«

»Wir könnten ganz unbefangen miteinander sein…!«

Rainer trank einen Schluck, dann lachte er. »Unbefangen bin ich schon lange nicht mehr.«

»Sollen wir uns nicht duzen?« Mizzis Blick bettelte.

Rainer nickte. »Wegen mir.«

»Wieso bist du so verbittert?« wollte Mizzi wissen. »Oh, entschuldige, es war eine dumme Frage, ich hab’ nicht daran gedacht, was mit dir und deiner Freundin…?«

Rainer winkte ab. »Die Geschichte mit ihr und Uwe hat wie ein Katalysator gewirkt, absolut reinigend. Im Endeffekt bin ich froh, daß alles zu Ende ist. Biggi und ich, das hat vorne und hinten nicht gepaßt.«

Mizzi sah Rainer unentwegt an. Sie hätte am liebsten seine Hand genommen, aber sie traute sich nicht.

Rainer hatte seinen Whisky inzwischen ausgetrunken. Er grinste Mizzi an und fragte, ob sie auch einen wolle?

Das hübsche Mädchen schüttelte den Kopf. Sie sah Rainer hinterher, wie er zu Adrian an die Theke ging und kurz darauf mit einem doppelten Whisky zurückkam.

»Hast du dich wirklich vor mir gefürchtet?« fragte er, wobei ein gequältes Lächeln seine Mundwinkel umspielte. »Ich meine, du mußt dich gefürchtet haben, sonst hättest ja nicht solchen Wert darauf gelegt, schon im Vorfeld gegen was vorzugehen, was noch gar nicht stattgefunden hatte. So was tut man nur, wenn man vor dem Gegenüber richtig Schiß hat, wenn du verstehst, was ich meine…!«

Mizzi hatte plötzlich Tränen in den Augen, die Rainer jedoch nicht sah. Der Whisky hatte sein Denken und Fühlen derart benebelt, daß er nicht mitbekam, wie Mizzi sich verlegen eine Träne aus den Augenwinkeln wischte.

»Bei Frauen hab’ ich einfach kein Glück«, redete Rainer drauflos, »entweder gerat’ ich an die falschen oder sie mögen mich nicht. Das ist zwar schad’, aber nicht zu ändern.«

Mizzi wäre am liebsten gegangen, sie konnte nicht mit ansehen, wie Rainer sich betrank, um sich seine Situation nicht vergegenwärtigen zu müssen. Mizzi war sich auch sicher, daß sie recht gehabt hatte mit ihrer Vermutung, daß Rainer jemand suchte, weil er ein emotionales Vakuum auszufüllen hatte.

Doch Mizzi ging nicht. Sie hörte zu, wie Rainer vor sich hin plapperte, sah, daß er sich einen Whisky nach dem anderen holte und wie er schließlich betrunken dasaß und einschlief.

Mizzi konnte nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten, aber wenn jemand sie gefragt hätte, warum sie weine, sie hätte keine Antwort geben können.

Sie ging zu Adrian und sagte, was mit Rainer sei, wollte ihn mit zurück zum Bergerhof nehmen.

»Kennst du ihn?« fragte der Betreiber des »Mozart«.

Mizzi nickte.

»Er trinkt jetzt seit drei Tagen«, sagte Adrian. »Irgendwann steht er dann auf und geht.«

»Was heißt, er geht…?« fragte Mizzi. »Er wohnt im Bergerhof, und bis dahin sind’s…!«

»… zu Fuß gut zwei Stunden für ihn«, erwiderte Adrian, »ich weiß.«

»Du meinst, er geht jede Nacht zu Fuß von da weg zum Bergerhof…?« Mizzi konnte es nicht glauben.

Doch Adrian nickte. »Ja, das tut er.«

»Warum tut er das?« wollte

Mizzi wissen.

»Er hat eine Enttäuschung erlebt«, antwortete Adrian.

Mizzi nickte. »Ich weiß, seine Freundin hat…!«

Adrian schüttelte den Kopf. »Das belastet ihn nicht. Ein Madel hier hat ihn ziemlich rüde behandelt.«

Mizzi spürte, wie ihr Herz heftiger zu schlagen begann. »Hat er das gesagt?«

Adrian nickte. »Ja, er war in ähnlichem Zustand wie jetzt. Er erzählt nichts, nur kurz bevor er einschläft. Dann schläft er eine Stunde und dann…!«

»… dann geht er zu Fuß den Berg hinauf zum Bergerhof«, murmelte Mizzi.

Adrian nickte. »So ist es…!«

*

»Ist das auch Hanna?« Josie zeigte auf ein mit wenigen Strichen skizziertes Mädchenportrait und sah dann Sebastian an.

Der nickte.

»Und wer ist Hanna?« fragte Josie daraufhin.

Die beiden waren seit Tagen unzertrennlich, das heißt zum Schlafen und Frühstücken war Josie nach wie vor im Bergerhof, aber dann erschien Sebastian und holte sie ab. Aus dem Umstand, daß sie sich ineinander verliebt hatten, machten beide kein Geheimnis, und Sebastians Mutter freute sich darüber, denn sie kam mit Josie bestens klar.

Josie sah Sebastian fragend an, noch immer hatte er keine Antwort auf ihre Frage, wer Hanna sei, gegeben.

Plötzlich wußte Josie, daß Hanna in Sebastians Leben eine große Rolle spielte oder gespielt hatte. Zuerst wollte sie ihre Frage wiederholen, doch dann sagte sie sich, daß Hanna nicht ihr, sondern Sebastians Problem sei, deshalb wechselte sie das Thema.

»Ich hab’ mit meinem Bruder gesprochen«, sagte sie. »Stell dir vor, er erinnert sich an dich.«

Sebastian brauchte einen Moment, um den Gedankenwechsel nachzuvollziehen.

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte er.

»Doch«, erwiderte Josie, »er hat gesagt, du hättest ihm vor allem Gesichter vorgelegt. Alles Gesichter ein- und desselben Mädchens.« Daß sie das Thema im Endeffekt doch nicht gewechselt hatte, fiel ihr erst jetzt auf.

Es dauerte eine Weile, bis Sebastian antwortete.

»Das stimmt«, sagte er dann. »Mir ist es damals nicht aufgefallen. Eigentlich bis heute nicht, bis du es eben gesagt hast. Komisch…!«

Josie spürte plötzlich, daß sie jetzt nachfragen mußte.

»Was war denn mit Hanna?« fragte sie. »Das Mädchen auf den Skizzen war doch Hanna, oder?«

Sebastian nickte. »Ja, das Mädchen war Hanna. Ich hab’ sie gekannt seit dem Kindergarten. Wir sind quasi zusammen groß geworden.«

Josie sah den jungen Maler mit großen Augen an, sie meinte zu spüren, wie seine Gedanken bei Hanna waren, und sie fühlte so was wie Eifersucht.

»Hanna war zwanzig, als sie starb«, fuhr Sebastian fort. »In meinen Augen war sie das hübscheste Mädchen, dem ich je begegnet bin. Bis sie Krebs bekam. Binnen drei Monaten gab es sie nicht mehr. Ich… ich war monatelang im Denken und Handeln völlig gelähmt. Ich meinte, nicht mehr atmen zu können.«

»Hast… hast du sie geliebt?« fragte Josie, ihre Stimme klang sehr leise.

Sebastian überlegte lange. »Vor zwei Wochen noch hätte ich gesagt, daß Hanna die Liebe meines Lebens war.«

»Heute nicht mehr…?« Josies Herz schlug plötzlich heftiger als sonst.

Sebastian schüttelte den Kopf. »Heute weiß ich, daß ich einer Erinnerung nachgehangen bin, ich habe die Erinnerung an Hanna geliebt, nicht sie. Als sie krank wurde, da… da hab’ ich gar nicht gewußt, was Liebe ist. Ich war auf Hanna fixiert. Plötzlich stand fest, daß sie nimmer lang zu leben hatte.«

Josie sagte lange gar nichts, dann ging sie zu Sebastian, nahm seine Hand und zog ihn an sich. Eine ganze Weile standen sie eng umschlungen beisammen, dann legte sie eine Hand unter seinen Kopf und zog ihn zu sich herunter.

»Ich würd’ dir gern was sagen«, flüsterte sie in sein Ohr.

»Was denn…?«

»Ein bissel fürcht’ ich mich«, hauchte Josie.

»Warum?«

»Weil’s vielleicht ein bissel kühn ist.«

»Kühn zu sein, ist meist was Gescheites.« Sebastian hatte plötzlich einen trockenen Mund.

»Ich würd’ dir gern sagen, daß ich dich lieb hab’«, murmelte Josie, »irgendwie hab’ ich’s gewußt, als ich dich zum ersten Mal gesehen hab’.«

*

»Heidi…?«

»Ja?«

»Mizzi ist hier«, sagte das junge Mädchen in die Sprechmuschel ihres Telefons.

»Grüß dich, Mizzi.«

»Servus, ich wollt’ dich fragen, ob ich mal zu dir kommen kann, ich müßt’ mal mit dir reden…!«

Einen Moment war es still am anderen Ende der Leitung, dann sagte Heidi: »Es geht um Steffi, oder? Du weißt was und willst es mir jetzt ganz vorsichtig beibringen.«

»Schmarrn«, erwiderte Mizzi, »die Steffi ist okay, um die mußt du dir keine Sorgen machen.«

»Um was geht’s denn?«

»Frag besser um wen’s geht…!«

»Also, um wen geht’s?«

»Um mich.«

»Um dich?« Heidis Stimme klang erstaunt.

»Ja«, murmelte Mizzi, »es könnt’ sein, daß ich Blödsinn gemacht hab’ und ich weiß net so recht, wie ich’s anstell’, um da wieder herauszukommen.«

»Du hast Blödsinn gemacht?« entgegnete Heidi. »Das kann ich mir gar net vorstellen.«

»Es ist aber so…!«

»Dann komm her«, sagte Heidi. »Es läßt sich immer alles aus der Welt schaffen. Wenn ich dir dabei helfen kann, dann tu’ ich es

gern.«

»Wann kann ich kommen?«

»Wenn du willst, sofort.«

»Dann bis gleich«, erwiderte Mizzi und legte den Hörer zurück auf die Gabel.

Nicht viel später war sie da. Heute sah sie lange nicht so schick aus wie letztens, was Heidi sofort auffiel.

»Was ist denn passiert?« fragte sie, wobei sie allerhand vermutete.

Mizzi atmete tief durch. Sie zeigte mit einer Kopfbewegung zur Terrasse. »Ist da was frei, wo wir uns ungestört unterhalten könnten?«

Heidi nickte. »Sicher. Ein Teil ist abgetrennt, da wären wir ganz ungestört.«

»Dann laß uns da hingehen«, erwiderte Mizzi.

»Ich hol’ uns was zu trinken«, sagte Heidi, »geh schon mal vor und nimm Platz. Es ist der Terrassenteil hinterm Haus, du mußt unter dem Rosenbogen hindurch.«

Mizzi saß auf einem Stuhl und sah verträumt in die Bergwelt, als Heidi mit einem Tablett voller Getränke kam.

»Was magst denn?« fragte

sie. »Apfelschorle, Mineralwasser, Saft oder was?«

»Apfelschorle, ist schon recht«, antwortete Mizzi.

»Dann schieß mal los«, sagte Heidi, »über was wolltest denn unbedingt mit mir reden? Du hast gesagt, daß du Blödsinn gemacht hast. Wie denn?«

Es dauerte eine Weile, bis Mizzi den Anfang fand. »Ich hab’ mich verliebt«, sagte sie dann.

Heidi schenkte gerade Schorle aus. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und starrte Mizzi an. »Du hast dich verliebt? Ist das alles?«

Mizzi lachte kurz auf. »Wart es erst mal ab. Ich dummes Gör’ hab’ dann die erstbeste Gelegenheit abgepaßt, um dem Mann, in den ich mich verliebt hab’, vorweg eine Abfuhr zu erteilen.«

»Wie kann man denn vorweg eine Abfuhr erteilen?«

»Wenn man jemand klarmacht, daß er erst gar keinen Versuch der Annäherung unternehmen soll«, antwortete Mizzi.

»Und das hast du getan?«

Mizzi nickte.

»Obwohl du in ihn verliebt warst?«

»Da hab’ ich’s vielleicht noch net so richtig gewußt.«

»Aber inzwischen weißt du es?« Heidi sah Mizzi zweifelnd an.

Doch die nickte. »Ja, inzwischen weiß ich es.«

»Und wer ist der Glückliche?«

Mizzi nestelte an ihrer Tasche, nahm ein Papiertaschentuch heraus und putzte sich die Nase.

»Das ist es ja grad’«, sagte sie. »Ich hab’ da allerhand Porzellan zerbrochen.«

»Kenn’ ich ihn?« Heidi sah Mizzi fragend an.

Die nickte. »Sicher kennst du ihn.«

»Wer ist es…?«

»Rainer Bald…!«

»Wer?«

»Rainer Bald«, antwortete Mizzi. »Er wohnt doch hier bei dir, hast du das schon vergessen?«

»Bei allen guten Geistern«, murmelte Heidi.

Mizzi spürte den besonderen Unterton in deren Stimme und sah sie aufmerksam an.

»Wieso sagst du bei allen guten Geistern?« wollte sie dann wissen.

»Rainer ist abgereist«, antwortete Heidi.

Mizzi wurde kreidebleich. »Wie bitte…?«

Heidi nickte. »Ja, vor zwei Stunden etwa ist er abgereist.«

»Das darf nicht wahr sein.«

Mizzi hatte die Augen geschlossen.

»Das allein ist aber noch net das Ärgste…!«

Mizzi bemühte sich krampfhaft, Haltung zu bewahren, was ihr schwer genug fiel.

»Was ist denn außerdem noch?« fragte sie schließlich.

»Er ist gefahren wie er gekommen ist«, antwortete Heidi.

»Was heißt das…?«

»Er ist mit Biggi abgereist«, antwortete Heidi. »Und wie es ausgesehen hat, haben sie sogar wieder miteinander geredet. Das haben sie bis gestern nicht getan…!«

*

Rainer Bald war auch in jener Nacht wieder aus Oberstdorf vom Café »Mozart« zu Fuß hinauf zum Bergerhof im Grottental gegangen. Ausgenüchtert kam er dort an, und noch in der Nacht beschloß er, am Morgen nach Hause zu fahren.

Er tauchte sehr zeitig beim Frühstück auf, was er schon seit Tagen nicht mehr getan hatte und sagte zu Biggi, daß sie sich unterhalten müßten.

Biggi hatte jede Aggressivität verloren, sie nickte, und als Rainer vorschlug, gemeinsam zurück nach Stuttgart zu fahren, da stimmte sie sofort zu.

Eine Stunde nach dem schweigend zu Ende gebrachten Frühstück hatten sie alles abgewickelt, sich von Luise und Heidi verabschiedet, und fuhren los. Für Ulla und Rainer sowie für Josie ließen sie ein paar Zeilen zurück, und baten Heidi, ihren Mitgereisten zu erklären, daß sie der gegebenen Umstände wegen abgereist seien.

Bis zur Autobahn verlief die Fahrt schweigend, dann begann Biggi zu weinen.

»Ich hab’ alles falsch gemacht«, sagte sie, »aus einer Laune heraus hab’ ich unsere Beziehung aufs Spiel gesetzt. Ich hab’ mich nachher aber nicht mal schlecht gefühlt. Erst das Wissen darüber hat mir dann ein schlechtes Gewissen beschert und mich aggressiv sein lassen.«

Rainer schwieg dazu.

»Was hat dich denn darauf gebracht, daß ich… daß ich eine Affäre hatte?« Biggi sah Rainer fragend an.

»Wenn wir zusammen schliefen, hast du es plötzlich nur noch mit Kondom getan«, antwortete Rainer.

Biggi schloß für einen Moment die Augen. »Das war’s also…!«

Rainer zuckte mit den Schultern. »Was soll’s. Es ist mühsam, heute darüber zu reden. Vielleicht ist es gut, daß alles so gekommen ist.«

»Wie meinst du das?«

»Nun«, antwortete Rainer, »wir hätten noch jahrelang so weitergemacht und wären nicht auf die Idee gekommen, daß bei uns nichts mehr stimmt.«

»Meinst du das im Ernst…?«

Rainer nickte. »Total im Ernst.«

»Und du bist mir nicht mehr böse…?« Biggi sah Rainer ein wenig ängstlich an.

Der schüttelte den Kopf. »Nicht die Bohne.«

Biggi atmete tief durch. »Wenn es so ist, kann ich drüber wegkommen. Ich hab’ mich immer tiefer in Selbstvorwürfe verstrickt und je mehr das wurde, desto aggressiver wurde ich.«

Rainer lächelte. »Damit hatte ich die meisten Probleme.«

Biggi sah ihn um Verzeihung bittend an. »Ich hab’s gemerkt und trotzdem weitergemacht.«

»Laß uns aufhören«, schlug Rainer vor, »das bringt nichts. Laß uns darüber reden, wie wir am besten auseinanderkommen.«

»Das ist das Gescheiteste«, sagte Biggi. »Jetzt kann jeder noch mal von vorn beginnen.« Dann lächelte sie. »Wobei mir scheint, daß du schon weißt, wohin es dich zieht, oder?«

Rainer zog die Augenbrauen hoch. »Was meinst du konkret damit?«

»Frag lieber wen«, erwiderte Biggi. »Ich meine dieses Mädchen vom Lohhof. Die ist derart attraktiv, daß es verboten sein müßte, so gut auszusehen.«

Rainer runzelte die Stirn. »Da bist du ein wenig voreilig.«

»Voreilig? Wie meinst du das?«

»Mizzi hat mir, bevor ich auch nur kleinste Anstalten in ihre Richtung machte, bereits einen Korb gegeben.« Rainer lächelte unglücklich. »Wie du siehst, ist es also nichts mit dem raschen neuen Glück bei mir.«

Danach überquerten sie das Autobahnkreuz Ulm, und als sie in Stuttgart ankamen, brachte Biggi Rainer zuerst zu seiner Wohnung und fragte, wann er seine Sachen abhole?

»In den nächsten Tagen«, antwortete er.

»Ich komm’ auch in den nächsten Tagen vorbei«, erwiderte Biggi, »und hol’ meine. Gar so viel ist’s ja nicht.«

Rainer nickte. Bevor er ausstieg, zögerte er. Biggi lachte, beugte sich vor und küßte ihn auf die Wange.

»Also soviel ist wohl noch drin«, sagte sie. »Und noch was…!«

»Ja?«

»Daß Mizzi dir so früh abgesagt hat, heißt nicht, daß sie nichts von dir wissen will.«

»Aha, und wieso nicht?«

»Sie hat wohl gespürt, daß sich in ihrem Leben was verändern wird«, antwortete Biggi. »Und davor hat sie sich gefürchtet und versucht, dich aus ihrem Leben zu nehmen. Das wäre die einfachste Art, wenn es denn funktionieren würde.«

Rainer stand da und es sah aus, als habe er nicht verstanden.

»Was wolltest du mir damit sagen?« fragte er dann auch prompt.

»Daß Mizzi in dich verliebt ist«, antwortete Biggi, »da wett’ ich was.«

Rainer schüttelte den Kopf

und stieg endgültig aus. »Theoretisch warst du schon immer schwach. Was du da gesagt

hast, glaubst du doch selbst nicht.«

»Und ob ich es glaube«, erwiderte Biggi, »und es wäre klug von dir, wenn du es auch tun würdest.« Gleich darauf fuhr sie davon.

*

Sebastian hatte in der vergangenen Nacht jede Menge Skizzen angefertigt. Bis in die frühen Morgenstunden hatte er gearbeitet, der Boden seines Dachstudios lag voller Skizzenblätter.

Auf manchen waren nur wenige Striche, einige zeigten die Umrisse eines Gesichtes, andere waren noch konkreter, und drei Blätter hatte er jetzt auf dem Schreibtisch vor sich liegen.

Es dauerte einen Moment, dann legte er zwei beiseite, nahm das dritte Blatt und ging damit zu einer Lampe, schaltete sie ein, sah sich die Zeichnung genau an, dann schaltete er die Lampe

wieder aus und ging zurück zum Skizzentisch, der so stand, daß er möglichst viel Tageslicht mitbekam.

Ein Lächeln umspielte Sebastians Mundwinkel, als er die Zeichnung noch mal eine Weile angesehen hatte, schließlich atmete er tief durch.

Dann ging er nach unten, wo ihn seine Mutter erschrocken ansah.

»Bist du schon oder noch auf?« fragte sie.

»Noch«, antwortete Sebastian. Dann goß er sich eine Tasse Kaffee ein, seine Mutter hatte grade den Frühstückstisch gedeckt, und nahm am Tisch Platz.

»Was hast du heute nacht gemacht?« wollte seine Mutter wissen. »Dabei siehst du gar nicht aus, als wenn du nicht geschlafen hättest.«

»Du weißt doch, wenn mir was gelingt, kann ich unendlich lange arbeiten, ohne daß ich nur eine Spur müde werde…!«

Seine Mutter nickte. »Das ist wohl wahr. Was ist dir denn gelungen?«

»Ich glaub, ich bin meine Sperre los«, antwortete Sebastian.

Johanna Heller goß sich grade Kaffee ein und hielt mitten in der Bewegung inne.

»Meinst du deine Sperre, andere Gesichter als das von Hanna zeichnen zu können?« Mit großen Augen sah sie ihren Sohn an.

Der nickte. »So ist es…!«

Da schloß seine Mutter einen Moment lang die Augen und atmete tief durch.

»Ich hab’s mir so sehr für dich gewünscht«, sagte sie, »und als ich Josie das erste Mal gesehen hab’, da hab’ ich schon gemeint, daß sie den Knoten lösen könne. Es muß halt ein Madel kommen, das dich mehr beschäftigt als die Erinnerung an Hanna.«

»Ich werd’ gleich zu Josie fahren«, sagte Sebastian. »Wir sollen ihren Bruder besuchen. Das… das werden wir vielleicht am Wochenende tun.«

»Ach, Junge…!« Johanna fuhr ihrem Sohn mit einer zärtlichen Geste über den Kopf. »Ich hab’ gewußt, daß es wieder gut wird, auch wenn es mal eine Zeit gab, wo ich nimmer dran geglaubt hab’. Ich freu’ mich so sehr für dich.«

Sebastian brachte sein Frühstück schnell zu Ende, dann stand er auf.

»Ich dusch’ rasch«, sagte er, »dann fahr’ ich hinauf zum Bergerhof. Irgendwann heut’ komm’ ich dann mit Josie wieder herunter.«

Als er zwei Stunden später am Bergerhof ankam, begrüßte ihn Luise mit einem freundlichen Lächeln.

»Servus, Sebastian«, sagte sie, »dir scheint’s gut zu gehen, oder irr’ ich mich?«

Sebastian lachte. »Nein, du irrst dich net, mir geht’s gut.«

»Und das hat was mit Josie zu tun, oder?« Die Seniorchefin des Bergerhofs sah den jungen Burschen fragend an.

Der nickte. »Es hat sogar entscheidend mit Josie zu tun.«

»Sie ist ein ausnehmend nettes Madel«, sagte Luise, dann zeigte sie zum Steig, der hinauf zur Barbara-Kapelle führte. »Ich mein’, ich hätt’ sie eben dort hinaufgehen sehen.«

Sebastian bedankte sich, und wenig später ging auch er den Weg in Richtung Barbara-Kapelle.

Josie saß auf der neu installierten Bank reichlich hundert Meter unterhalb der Kapelle, von dort hatte man ungehinderte Sicht nach Südosten, wo Nebelhorn, die beiden Seeköpfe und an der Grenze zu Tirol der Hochvogel zum Greifen nah schienen.

Josie begrüßte Sebastian mit einem zärtlichen Kuß, dann zeigte sie neben sich.

»Früher hab’ ich immer gelächelt, wenn wer gesagt hat, daß man in den Bergen dem Herrgott näher ist«, sagte sie, »grad’ jetzt in dem Moment spür’ ich ihn um mich herum, wie ich ihn nie gespürt hab’.«

Dann nahm sie Sebastians Hand, und schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander.

»Josie…?«

»Ja?«

»Ich hab’ drüber nachgedacht, was du gesagt hast.«

»Was hab’ ich denn gesagt?« Josie sah Sebastian aufmerksam an.

»Daß man möglicherweise nur die Heilige Barbara als Heiligenfigur an die Wand der Kapelle malen sollt’«, antwortete der.

»Aha…!«

»Dazu braucht’ ich deine Zustimmung.«

Josie meinte nicht richtig gehört zu haben. Wieso brauchte Sebastian ihre Zustimmung, wenn er lediglich das Bild der Heiligen Barbara an die Kapellenwand malen wollte? Sebastian brauchte von ihr keinerlei Zustimmung für seine Arbeiten.

»Das versteh’ ich net«, sagte sie deshalb, »wieso muß ich dir die Zustimmung geben, wenn du die Wand der Kapelle bemalen willst?«

»Wir haben schon mal darüber gesprochen…!«

Josie reagierte erstaunt. »Wir haben schon mal darüber gesprochen?«

Sebastian nickte. »Ich hab’ dir gesagt, daß ich, gleich wen ich male, immer ein real existierendes Gesicht als Basis nehme.«

»Das hast du gesagt«, erwiderte Josie. »Aber was hat das mit mir zu tun?«

»Im Grund genommen hatte dein Bruder recht«, antwortete Sebastian, »ich bin auf der Stelle gestanden. Alle meine Bilder zeigten ein- und dasselbe Gesicht.«

»Du meinst das Gesicht Hannas…!«

Sebastian nickte. »So ist es.«

Josie dachte nach, verstand aber immer noch nicht, worum es Sebastian ging, was sie ihm auch deutlich machte. »Ich versteh’ es immer noch nicht.«

»Heut’ nacht«, antwortete Sebastian, »hatte ich so was wie ein Erwachen.«

»Ein Erwachen? Wie meinst du das?«

»Seit Hannas Tod, das ist über sieben Jahre her«, antwortete Sebastian, »ist es mir zum ersten Mal wieder gelungen, ein anderes Gesicht als ihres zu zeichnen.«

Plötzlich spürte Josie, wie ihr Herz rascher zu schlagen begann. Sie sah Sebastian mit großen Augen an.

»Willst du mir vielleicht sagen, daß… daß du mein Gesicht hast zeichnen können?« fragte sie.

Sebastian nickte lächelnd. »Es ist wunderschön geworden. Ich hab’ nie ein schöneres Gesicht gesehen. Josie, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«

»Sag gar nichts«, flüsterte Josie, »halt mich einfach nur fest in deinen Armen.«

Die Welt um sie herum versank, und als sie sich nach Minuten wieder ansahen, hatten beide Tränen des Glücks in den Augen.

»Vor einigen Monaten, als sich einige junge Leute der Gegend daran gemacht haben, die Barbara-Kapelle zu restaurieren«, sagte Sebastian, »da… da hab’ ich mich auch gemeldet. Sie haben wissen wollen, was ich beitragen kann.«

»Und da hast vorgeschlagen, die Wände zu bemalen, oder?«

Sebastian nickte.

»So ist es«, sagte er, »und inzwischen weiß ich, daß ich, vorläufig zumindest, nur die Heilige Barbara malen werd’.«

»Ich bin so gespannt…!«

Sebastian lächelte. »Ganz am Anfang als ich vorhin heraufgekommen bin, da hab’ ich dich um Zustimmung bitten wollen, erinnerst du dich?«

Josie nickte. »Ja, richtig, um was ging’s denn?«

»Ich wollt’ dich fragen«, erwiderte Sebastian, »ob du was dagegen hast, daß die Heilige Barbara dein Gesicht bekommt?«

Einen Augenblick saß Josie erschrocken und stumm da, dann fiel sie Sebastian um den Hals.

»Ich hab’ dich unendlich lieb«, hauchte sie, »lieber kann man einen Menschen gar nicht haben…!«

*

Als Mizzi nach dem Gespräch mit Heidi den Bergerhof verließ, fühlte sie sich völlig leer. Daß es schwierig werden würde, Rainer deutlich zu machen, daß sie ihn nie auf Distanz hatte halten wollen, war ihr schon klar gewesen. Deswegen war sie zu Heidi gefahren, ihren Rat erhoffte sie sich. Doch daß Rainer abgereist war, mit der Möglichkeit hatte sie nicht gerechnet.

»Dir geht’s net besonders gut, oder?« Ihr Großvater sah sie fragend an.

Mizzi schüttelte den Kopf. Nicht mehr ganz zwei Wochen würde sie im Lohhof sein, dann mußte sie wieder zurück nach Mittenwald.

»Der Rainer geht dir net aus den Gedanken«, sagte ihr Großvater, »das ist net zu übersehen.«

Mizzi nickte. »Er ist weg, ich kann’s nimmer gutmachen, was ich angerichtet hab’.«

»Was heißt, er ist weg?«

»Daß er abgereist ist«, antwortete Mizzi. »Er ist mit seiner bisherigen Freundin nach Haus’ gefahren.«

Ambros Kramer schluckte, damit hatte auch er offensichtlich nicht gerechnet.

»Er ist nach Haus’ gefahren«, murmelte er, »da schau her.« Dann nickte er. »Ihn hat sehr getroffen, daß du ihn abgewiesen hast.«

Mizzi sah unter sich. »Ich weiß es jetzt auch. Dabei hab’ ich ihn gar net abweisen wollen. Ich wollt’ halt net, daß ich die Lücke füllen sollt’, die seine Freundin hinterlassen hat. Dazu war ich mir einfach zu schad’.«

Ambros Kramer stand hilflos da, nach einer Weile zuckte er mit den Schultern und verließ die Stube, wo die beiden gesessen waren.

Drei Tage war Rainer jetzt weg und Mizzi dachte ständig an ihn. An seinen Blick, der sie gleich bei der ersten Begegnung verzaubert hatte, und daran, wie sich ihre Hände mal zufällig berührt hatten, daß sie gemeint hatte, die Berührung noch Stunden später zu spüren.

Mizzi ging nach oben in ihr Zimmer. Sie überlegte, ob sie nicht früher als geplant nach Mittenwald reisen sollte? Was wollte sie noch hier, wo sie momentan alles an ihre Dummheit erinnerte? Gerade als sie dabei war, den Entschluß reifen zu lassen, läutete ihr Telefon.

Mizzi hatte einen eigenen Anschluß, deshalb mußte das Gespräch für sie sein. Sie war sich sicher, daß es Clemens Haubner oder sonstwer aus den »Werdenfelser Stuben« sein würde, weshalb sie sich nicht mit Namen meldete, sondern gleich sagte: »Wenn du willst, bin ich heut’ abend da.«

Es dauerte einen Moment, bis sie eine Antwort bekam.

»Das wär’ schön«, hörte sie Rainer Bald sagen.

»Rainer…?« fragte sie mit ungläubig klingender Stimme.

»Ja?«

»Wenn du wüßtest, was für ein Riesenstein mir vom Herzen fällt«, sagte Mizzi, fast hätte sie zu weinen angefangen.

»Wieso? Von was redest du?«

»Davon, daß du anrufst«, antwortete Mizzi. »Kannst… kannst du nicht kommen?«

»Kommen? Wohin?«

»Zu mir«, antwortete Mizzi.

Rainer räusperte sich. »Entschuldige bitte, aber wir waren uns doch einig, daß…!«

»Was ich gesagt hab’, war alles völliger Quatsch«, ließ Mizzi ihn erst gar nicht ausreden.

»Jetzt versteh’ ich gar nichts mehr…!«

»Weshalb rufst du jetzt an?« fragte Mizzi, die darauf hoffte, daß sein Gefühl ihn bewegt hatte.

»Weil ich dich bitten wollte nachzusehen, ob ich ein kleines Notizbuch bei dir habe liegen lassen«, antwortete Rainer. »Ich vermisse es seit Tagen und da ich alle anderen schon abgefragt habe, bleibt nur noch die Möglichkeit, daß es bei dir liegengeblieben ist.«

Mizzi meinte plötzlich, ganz und gar hohl zu sein. Von einer Sekunde zur anderen erlebte sie Hoch und Tief gleich hintereinander.

»Hier ist nichts«, erwiderte sie und legte auf. In der gleichen Sekunde tat es ihr schon wieder leid.

Mizzi stellte sich ans Fenster und begann nachzudenken, was eine Weile dauerte.

»Du bist bis über beide Ohren verliebt«, sagte sie irgendwann zu sich selbst. »Du mußt aus der Sache heraus, bevor sie dich auffrißt.«

Dann ging sie nach unten zu ihrem Großvater und fragte, wann sie frühestens abreisen könne.

Ambros Kramer wurde blaß. »Du… du willst schon weg?«

»Ich muß«, murmelte Mizzi.

»Hat der Clemens angerufen…?«

Mizzi schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich kann net länger dableiben.«

Ambros sah seine Enkelin einen langen Augenblick an. »Es… es ist wegen Rainer, oder?«

Mizzi nickte. »Ja, es ist wegen Rainer.«

Daraufhin atmete ihr Großvater tief durch.

»Wenn… wenn du bis morgen bleiben könntest«, sagte er. »Heut’ abend ist sonst außer mir niemand in der Küche…!«

»Ist schon recht, Großvater«, sagte Mizzi, »morgen gegen den Mittag fahr’ ich dann.«

»Aber wiederkommen tust schon, oder?«

»Sicher komm’ ich wieder«, antwortete Mizzi, »aber es kann ein paar Tage dauern…!«

*

Mizzi hatte schon längst aufgelegt, da hielt Rainer Bald den Hörer immer noch in der Hand. Die Worte Biggis gingen ihm durch den Kopf, daß Mizzi ihn im Grund genommen nicht abgelehnt habe, sondern in ihn verliebt sei.

Als Biggi ihre Sachen abgeholt hatte, hatte sie wissen wollen, was er wegen Mizzi unternommen habe.

»Denk dran«, hatte sie gesagt, »keinem wird das Glück geschenkt, ein bissel was muß jeder dafür tun. Auch dir, dem es fast in den Schoß fällt, aber eben nur fast…!«

Rainer sah auf die Uhr. In drei Stunden konnte er im Allgäu sein. Er hatte zwar einen beruflichen Termin, aber den platzen zu lassen, bereitete ihm im Moment keinerlei Probleme.

Binnen weniger Sekunden faßte er den Entschluß, ins Allgäu zu fahren. Zuerst wollte er noch im Bergerhof anrufen, um ein Zimmer zu bestellen, aber das schenkte er sich. Minuten später war er unterwegs.

Als er drei Stunden später in Immenstadt auf die Straße einbog, die über Sonthofen nach Oberstdorf führte, hatte er ein gutes Gefühl. Doch schon wenige Kilometer weiter änderte sich das und er zweifelte wieder.

»Was ist los mit dir?« fragte er sich leise. »So bist du doch sonst nie gewesen. Du liebst ein Mädchen, was ist daran so außergewöhnlich?«

Es war gegen zweiundzwanzig Uhr, als er im Bergerhof ankam, wo Heidi große Augen machte.

»Du bist wieder da?« fragte sie.

Rainer nickte. »Ja, und ich müßt’ noch mal ein Zimmer haben.«

»Das ist kein Problem«, sagte Heidi, »aber was ist passiert?«

Rainer grinste. »Das will ich dir sagen, ich bin bis über beide Ohren verliebt.«

»Mizzi…?«

Rainer nickte. »Ich kann hin und her denken, alle Gedanken enden bei ihr. Ich werd’ jetzt zu ihr hinausfahren und die Sache klären. Wenn ich morgen zum Frühstück nicht da bin, schick mir die Rechnung nach Stuttgart, dann bin ich endgültig abgeblitzt.«

Die Bergerhof-Heidi lächelte. »Die Mizzi wird dich mit offenen Armen empfangen, da bin ich ganz sicher. Sie ist ein wunderbares Madel.«

Rainer nickte. »Das ist sie.« Gleich darauf war er unterwegs zur Lohmühle.

»Wer grad’ da war, rätst du nie«, sagte Heidi, als sie in die Küche zu Luise kam.

»So…?« erwiderte die lächelnd. »Willst dich wieder mal mit mir messen?«

»Wer war hier?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.

»Was gilt’s denn diesmal?« erwiderte sie. »Wenn ich zurückdenk’, dann krieg’ ich noch ein Wochenende in München, ein absolut nobles Essen bei…«, jetzt lächelte Luise. »Ich könnt’ das Essen ja auch in den ›Werdenfelser Stuben‹ wählen. Ich erinnere mich, daß ich da freie Wahl hab’.«

»Wieso betonst du das so?«

»Weil mir inzwischen eingefallen ist, wer eben da war.«

»Wer…?«

»Zuerst will ich wissen, um was es geht.«

»Ich servier’ dir eine Woche lang das Frühstück dort, wo du es haben willst.«

Luise dachte kurz nach, dann nickte sie zufrieden. »Das ist in Ordnung. Also, es gilt. Wenn ich es weiß, servierst du mir das Frühstück, wenn nicht, dann servier ich dir das Frühstück.«

Heidi lachte. »Gut. Also, wer war da?«

»Es kann nur Rainer Bald gewesen sein«, antwortete Luise. »Nur er hat dein Erstaunen derart deutlich machen können. War er’s?«

Heidi preßte einen Augenblick die Lippen aufeinander. »Es ist nicht zu fassen. Ja er war’s. Wie bist du nur auf ihn gekommen?«

»Als ich drüber nachgedacht hab’, wo ich ein Essen gut hab’, da ist mir zuerst der Haubner-Clemens eingefallen, und im gleichen Moment die Mizzi. Von ihr die Verknüpfung zu Rainer zu finden, ist ja wohl net besonders schwer…!«

Während Heidi und Luise sich darüber unterhielten, wer demnächst wem das Frühstück zu servieren hatte, fuhr Rainer in Richtung Weißbachtal, an dessen Ende die Lohmühle lag.

Als Rainer seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte, schmerzte ihn sein Herz und es begann heftiger als sonst zu schlagen.

Es waren fast noch alle Tische besetzt, und die Bedienung verzog ein wenig das Gesicht, als sie ihn sah.

»Es gibt nur mehr Kleinigkeiten«, sagte der Kellner, »es ist schon ein bissel spät…!«

»Was könnt’ ich denn haben?« wollte Rainer wissen.

»Ich werd’ mal fragen«, erwiderte der Kellner und wollte in Richtung Küche verschwinden.

»Einen Moment bitte…!«

»Ja?«

Rainer stand auf. »Ich geh’ selbst fragen. Die Mizzi ist doch auch da, oder?«

»Ja, die Mizzi ist da.«

»Danke.« Rainer lächelte und ging in Richtung Küche.

Ambros Kramer sah Rainer, als der einen Moment im Türrahmen zögerte und er reagierte sofort.

»Mizzi…?«

»Ja?« Das zierliche Mädchen sah sich nach ihrem Großvater um.

»Kannst mal grad’ herkommen?«

Während Mizzi zu ihrem Großvater ging, gab der Rainer ein Zeichen.

»Was ist?« Mizzi sah ihren Großvater fragend an.

»Ich geb’ dir für den Rest des Abends frei«, sagte der.

»Wie bitte?« Mizzi zog die Augenbrauen zusammen. »Verulken mußt mich net grad.«

»Hallo, Mizzi…!« Rainer stand zwei Meter hinter ihr mitten in der Küche.

Mizzi wurde blaß und drehte sich dann in Zeitlupe um.

»Rainer…!«

»Hallo, Mizzi.«

»Wo kommst du denn her?«

»Gradwegs aus Stuttgart«, antwortete Rainer Bald. »Ich hab’ mich gleich nach unserem Telefongespräch in den Wagen gesetzt.«

»Aber… aber dein Notizbuch ist nicht hier.«

»Wegen des Notizbuchs komme ich nicht.«

»Weswegen kommst du dann?«

»Ich komme wegen dir.«

»Wegen mir?« Mizzis Stimme klang plötzlich noch leiser als vorher.

Rainer trat einen Schritt auf sie zu und nickte. »Ja, wegen dir.«

»Wieso kommst wegen mir?«

»Weil… weil ich dich lieb hab’«, antwortete Rainer. »Eigentlich hab’ ich dich schon supernett gefunden, als ich dich damals zum ersten Mal auch hier in der Küche gesehen hab’. Aber dann hast du mir deutlich zu verstehen gegeben, daß du nicht wünschst, daß ich mich dir irgendwie nähere.«

Mizzi nickte. »Ich weiß, das war sehr dumm.«

»Es war dumm…?«

Mizzi nickte noch mal. »Es war total dumm, denn es hat gar net gestimmt.«

»Mizzi…?«

»Ja?«

»Sollen wir mal ganz von vorn anfangen?« Rainer tat noch einen Schritt vor und tastete nach Mizzis Händen.

Die hatte plötzlich Tränen in den Augen, und bevor Rainer sich versah, warf sie sich ihm an den Hals.

»Ich bin so dumm gewesen«, hauchte sie in sein Ohr, »so unsagbar dumm.«

»Sag nichts mehr«, murmelte Rainer, während seine Hände ihren Rücken streichelten.

Eine ganze Weile standen sie eng umschlungen da, bis der Kellner hereinsah. Er stutzte und lächelte Ambros Kramer an, der dabeistand und zusah, als wolle er nicht eine Sekunde versäumen.

»Weißt was, Michl?« sagte er, während er den jungen Kellner anlächelte.

»Was denn?«

»Wir beide komplimentieren die Gäst’ jetzt nach Hause«, antwortete Mizzis Großvater.

»Und was sagen wir, wenn sie wissen wollen, warum…?«

»Dann sagen wir Ihnen, daß wir heut’ abend noch ein bissel intern Verlobung feiern wollen…!

Heimat-Heidi Staffel 4 – Heimatroman

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